L 4 KR 70/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 435/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 70/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. April 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von 11.952,00 DM, die der Kläger im Zeitraum vom 07.04.1997 bis 18.08.1998 über seine Eltern an den Privatarzt Prof.Dr.med.L. für die Ausleihe eines Gerätes Magnetodyn (M 5/0) zur elektromagnetischen Behandlung bezahlt hat.

Der 1985 geborene Kläger, der über seinen Vater bei der Beklagten familienversichert ist, litt in der streitigen Zeit an einem Morbus Perthes, einer Knochennekrose im Bereich der linken Hüfte. Unter Vorlage eines Privatrezepts des Orthopäden Dr.B. vom 17.03.1997 beantragte der Kläger am 19.03.1997 die Kosten für zwei Monate zur Versorgung mit einer nicht implantierten Magnetspule. Dr.U. vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Bayern - MDK - nahm am 25.03.1997 nach Aktenlage dahin Stellung, dass gemäß den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) eine Kostenübernahme für eine derartige Behandlung ausgeschlossen sei. Entsprechend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.03.1997 die Kostenübernahme ab. Trotz des klägerischen Hinweises im Widerspruch, dass in der Münchener Klinik Rechts der Isar gute Erfahrungen mit dem Einsatz dieser Geräte gemacht worden seien, hielt die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17.09.1997 an der Ablehnung fest, weil sie an die NUB-Richtlinien gebunden sei.

Der Widerspruchsbescheid wurde am 19.09.1997 zugestellt. Am Montag, den 20.10.1997 ließ der Kläger Klage erheben.

Dazu berief er sich auf eine Reihe von Ärzten, die die Methode erfolgreich anwenden würden und im weiteren Verlauf des Rechts- auf den Erfolg der Behandlung hinwies. Die Magnetfeldbehandlung habe zu einer zunehmenden Konsolidierung und Ausheilung der Osteonekrose sowohl im Kopf- als auch im Pfannenbereich geführt. Man müsse annehmen, dass die vorgeschlagene operative Behandlung keine besseren Ergebnisse gebracht und sicher eine längerdauernde klinische Behandlung erforderlich gemacht hätten. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung könne er die Vorteile dieser Behandlung bestätigen, was die Kostenübernahme rechtfertige.

Am 7. September 1998 ist dann operiert worden, und zwar kam es zu einer Trochanterapophyseodese rechts.

Das Sozialgericht hat im Urteil vom 15.04.1999 die Klage abgewiesen und sich dabei weitgehend auf die zuvor diskutierten Urteile des BSG vom 16.09.1997-BSGE 81,54 und 81,73 bezogen. Die NUB-Richtlinien seien auch für den Kläger verbindlich. Ein dort aufgeführter Ausschluss einer Behandlungsmethode gelte auch dann, wenn im Einzelfall die Behandlung erfolgreich gewesen sei. In einer weiteren Entscheidung vom 15.04.1997 (SozR 3-2500 § 13 Nr.14) habe das Bundessozialgericht zu der streitigen Magnetfeldtherapie keine andere Auffassung vertreten.

Gegen das am 15.05.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.06.1999 Berufung einlegen lassen und trägt dazu vor: Die Beklagte müsse die angefallenen Kosten erstatten, weil insoweit ein Versagen ihres Leistungssystems vorgelegen habe. Insgesamt werde diese Methode von über 1.000 niedergelassenen Ärzten und mehr als 350 Kliniken erfolgreich praktiziert. Daher sei die Frage zu stellen, ob nicht aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse und Forschungsergebnisse die 1992 getroffene Entscheidung des Bundesausschusses zu revidieren sei. Dazu ist ein Gutachten vom 30.06.1993 vorgelegt worden, welches vom Chefarzt der Orthopädischen Klinik T. der LVA Niederbayern-Oberpfalz Dr.Dr.G. im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit für das Landgericht München I erstellt worden ist und in dem die von der Stiftung Warentest publizierte und in diesem Verfahren angegriffene Aussage von der fehlenden Heilwirkung der Magnetodynbehandlung als unzutreffend erachtet wurde. Für den Heilerfolg sprächen erfolgreiche wissenschaftliche Studien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.04.1999 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 27.03.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 11.952,00 DM an Kosten für die zwischen dem 07.04.1997 und 18.08.1998 durchgeführte Magnetodynbehandlung durch Dr.L. zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die eindeutige Regelung in den NUB-Richtlinien verbiete die gewünschte Erstattung.

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat dem Senat mit Schreiben vom 23.10.2000 mitgeteilt, dass eine Änderung der NUB-Richtlinien, die jetzt durch die BUB-Richtlinien ersetzt wurden, in dem hier maßgeblichen Punkt 9 der Anlage B nicht geplant sei. Der Bundesausschuss habe am 25.04.1998 die pulsierende Signaltherapie aus der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen und habe sich im Rahmen der Recherchen dazu auch mit neueren Arbeiten zur Magnetfeldtherapie im Allgemeinen auseinandergesetzt, jedoch dabei keine Veröffentlichung identifiziert, die eine erneute Überprüfung hätten begründen können. Ein förmlicher Antrag zur Überprüfung des vormaligen Beschlusses läge ebensowenig vor wie die Vorstellung wissenschaftlicher Unterlagen, denen sich entnehmen lasse, dass diese Methode nunmehr die Kriterien des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen würde. Ob dem Untersuchungsausschuss das Gutachten Dr.G. vom 30.06.1993 vorgelegen hat, ergibt sich aus der Auskunft nicht.

Der MDK Bayern hat - gestützt u.a. auf eine Veröffentlichung (Schmidt-Rohlfing) vom vergangenen Jahr - neue Erkenntnisse, die zu einer anderen Einschätzung der Qualität der angewandten konservierenden Magnetfeldtherapie führen könnten, nicht gewonnen. Auch die Veröffentlichungen des Herstellers des geliehenen Gerätes seien nicht aufschlussreich (Stellungnahme Dr.B. vom 23.03.01).

Dem Senat haben neben den Kassenakten die Akten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Beschwerdewert 1.000,00 DM übersteigt, ist zulässig (§§ 144, 151 SGG).

In der Sache selbst ist sie nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der 11.952,00 DM Leihgebühren.

Ohne die beantragte Zustimmung seiner Krankenkasse abzuwarten, hatte sich der Kläger in privatärztliche Behandlung begeben, um eine Leistung zu erhalten, die er durch vertragsärztliche Behandlung nicht hätte erlangen können. Die von seinem behandelnden Arzt für notwendig erachtete Magnetfeldtherapie mit nicht implantierten Spulen hat sich im Wege vertragsärztlicher Versorgung nicht verordnen lassen, denn wegen der Aufnahme in der BUB- bzw. NUB-Richtlinien darf eine solche Therapie zu Lasten der Kassen nicht im Wege der Sachleistung erbracht werden.

Liegt dagegen in diesem Verbot ein Versagen des vertragsärztlichen Versorgungssystems vor, wäre die Kasse gehalten, auf der Grundlage des § 13 Abs.3 SGB V die dem Kläger durch die Behandlung entstandenen Kosten zu erstatten. Diese Frage ist im vorliegenden Fall zu verneinen.

Mit den Beteiligten ist davon auszugehen, dass die von Prof.Dr. L. in Rechnung gestellten Leihgebühren Teil der von ihm durchgeführten Behandlung waren. Wie die anderen Kosten abgerechnet worden sind, ist nicht bekannt, solche sind aber auch nicht streitig. Die hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommende zweite Alternative des § 13 Abs.3 SGB V ist nicht erfüllt, weil die dem Kläger entstandenen Kosten von ca. 12.000,- DM nicht dadurch entstanden sind, dass die Beklagte die Magnetodynbehandlung zu Unrecht abgelehnt hat. Dass sie sich rechtmäßig verhalten hat, folgt aus den Vorgaben der angesprochenen BUB- - seinerzeit noch NUB- - Richtlinien Anlage B, wo unter Nr.9 die Magnetfeldtherapie ohne Verwendung implantierter Spulen für die vertragsärztliche Leistung ausgeschlossen ist. Dazu hat der Bundesausschuss im Bundesanzeiger Nr.56 vom 21.03.2000 seinen Beschluss vom 10.12.1999 veröffentlicht, mit dem er den vormaligen Beschluss vom 14.01.1992 in die BUB-Richtlinien übergeleitet hat. Dem Senat hat der Bundesausschuss darüber hinaus noch näher erläutert, dass er sich mit der Magnetfeldtherapie in der Zwischenzeit durchaus beschäftigt habe, obwohl ein Antrag auf nunmehrige Anerkennung nicht vorliege. Der in der streitigen Zeit wie auch weiterhin bestehende Ausschluss bindet Kläger wie Beklagte. Das ist inzwischen ständige Rechtsprechung des BSG, wie sie vom SG zutreffend zitiert wurde und der sich der Senat nicht verschließt.

In den beiden Urteilen vom 16.09.1997 a.a.O. ist die Verbindlichkeit der NUB-Richtlinien für die Versicherte wie auch die Versicherungsträger umfassend begründet worden. Der dort ausgesprochene Ausschluss der streitigen Methode muss der Kläger gegen sich gelten lassen und zwar auch dann, wie das Sozialgericht zu Recht hervorgehoben hat, wenn die zunächst für 2 Monate vorgesehene, dann 15 Monate durchgeführte Behandlung erfolgreich gewesen sein sollte.

In einen Nichtzulassungsbeschluss vom 29.09.1998 - B 1 KR 36/ 97 B (veröffentlicht in der Datenbank juris) hat das BSG seine Rechtsansicht wiederholt und bestätigt, dass der in den Richtlinien ausgesprochene Ausschluss einer Behandlungsmethode nicht unterlaufen werden darf.

Die Bindung an die Beschlüsse des Bundesausschusses entfällt auch nicht deswegen, weil diese veraltet oder überholt seien, wie die Klägerseite vorträgt. Sie bezieht sich dazu auf ein Gutachten vom Juni 1993. Dieses Gutachten ist in einem Wettbewerbsstreit ergangen, wobei nicht klar ist, ob die Einbringung dieses Gutachtens in den vorliegenden Rechtsstreit nicht gegen die Urheberrechte des Verfassers verstößt. Abgesehen davon befasst sich das vorgelegte Gutachten von Dr.G. nicht mit den hier allein in Betracht kommenden Maßstäben des § 2 SGB V, wonach Versicherte Anspruch auf Leistungen haben, die den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, sondern mit einer Aussage der Stiftung Warentest, in der der Magnetfeldtherapie die Fähigkeit abgesprochen worden war, heilen zu können. Aus dem Gutachten geht nicht eindeutig hervor, ob es sich dabei um implantierte Spulen handelt, wie sie zu der kassenärztlichen Leistung gehören oder allein um die konservierende Magnetfeldtherapie, wie sie hier im Streit stehen. Aber auch angenommen, es handele sich um nicht implantierte Spulen, reichen die dortigen Aussagen nicht aus, um die Feststellung des Bundesausschusses so in Zweifel zu ziehen, dass sich der Senat genötigt sähe, den Bundesausschuss um wissenschaftliche Stellungnahme zu bitten oder sogar soweit, sich darüber hinwegzusetzen und die Weigerung der Beklagten zur Kostenübernahme als Systemversagen zu beurteilen. Abgesehen von den oben geschilderten Bedenken kann nämlich das Gutachten Dr.G. nicht als Ausdruck neuer Erkenntnisse gewertet werden. Es liegt zeitlich zu dicht an den Feststellungen des Bundesausschusses, wobei nicht im Einzelnen untersucht zu werden braucht, ob die von Dr.G. zitierten Quellen auch vom Bundesausschuss seinerzeit gewürdigt wurden. Gerade aus dem Umstand, dass der Bundesausschuss später eine ähnliche Therapie mit dem Namen "pulsierende elektromagnetische Feldtherapie" oder "pulsierende Signaltherapie" mit Beschluss vom 24.04.1998 aus der verordnungsfähigen Liste herausgenommen hat (vgl. Nr.24 der Anlage B der BUB-Richtlinien) macht deutlich, dass der Ausschluss unter Nr.9 auch in der streitigen Zeit nicht nur aktuell, sondern auch einem zutreffenden Erkenntnisstand entsprochen hat.

Ist aber, wie hier, von Wirksamkeit und Anwendbarkeit der NUB/BUB-Richtlinien auf das streitige Verfahren auszugehen, kommt es nicht mehr darauf an, wie weit es verbreitet ist. Dabei verhehlt der Senat nicht, dass das Merkmal der Verbreitung durchaus zu Fehlschlüssen führen kann, nämlich dann, wenn eine Behandlungsmethode in der ärztlichen Praxis Anwendung findet, um aus unternehmerischen Gesichtspunkten außerhalb der Budgetierung Einnahmen zu erzielen, Motive, die einer gerichtlichen Aufklärung entzogen sind.

Der 3. Senat des BSG hat mit Urteil vom 31.08.2000 - Breith 01,195 dem LSG NRW aufgegeben, den Bundesausschuss bzgl. der Wirksamkeit der hier streitigen Methode zu befragen und ggf. mit sachverständiger Hilfe die vom Gerätehersteller anzufordernden Unterlagen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Aufgrund der erhaltenen Auskünfte vom Bundesausschuss besteht im vorliegenden Fall keinerlei Notwendigkeit, desgleichen zu tun, oder den Ausgang der dortigen Diskussion abzuwarten. Auch ist es nicht die Aufgabe des Senats, in medizinische naturwissenschaftliche Auseinandersetzungen einzugreifen (BSG vom 16.10. 1999 - BSGE 85,56, 65). Schließlich hat der MDK Bayern in seiner Stellungnahme vom 23.03.2001 auf die geringe Aussagekraft der neueren Unterlagen der Fa. Magnetodyn hingewiesen und andere Studien ausgewertet, die die bisherigen Erkenntnisse bestätigt haben.

Letzlich und ohne dass es darauf noch ankäme, sieht sich der Senat auch deshalb nicht gedrängt, die Wirksamkeit der durchgeführten Behandlung näher aufzuklären, weil trotz Einsatzes des Magentodyngerätes von weit mehr als einem Jahr ein Erfolg beim Kläger sich erst durch eine Operation eingestellt hat, die nach Angaben des behandelnden Arztes Prof.Dr.L. durch diese Methode hätte eigentlich vermieden werden sollen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ergibt, so dass das angefochtene Urteil in vollem Umfange zu bestätigen ist. Angesichts des Verfahrensausgangs und weil auch die Beklagte keinen Anlass für den Rechtsstreit gesetzt hat, sind dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Das BSG hat sich vielfältig mit der Problematik der Wirksamkeit der NUB-Richtlinien auseinandergesetzt, so dass keine Gründe erkennbar sind, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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