Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 138/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 11/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
I. Auf die Berufungen der Beteiligten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. September 1999 aufgehoben.
II. Die Klagen gegen die Bescheide vom 12.02.2001 werden abgewiesen.
III. Die Beklagte erstattet den Klägern zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Rückforderung von Beitragszuschüssen für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.05.1998.
Die Kläger sind Eheleute und Betreiber einer Landwirtschaft.
Mit Bescheiden vom 01.09.1995 wurde ihnen erstmalig ab 01.09. 1995 ein Beitragszuschuss bewilligt, der nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 1994 am 24.04.1996 mit Bescheiden vom 10.06.1996 ab 01.07.1996 neu festgestellt wurde. Mit Bescheiden vom 02.01.1997 wurde der Beitragszuschuss ab 01.01.1997 auf 241,- DM und mit Bescheiden vom 05.01.1998 ab 01.01.1998 auf 247,- DM angehoben.
Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 1996, datierend vom 06.03.1998, am 23.04.1998 legten die Kläger am 25.05.1998 auf Aufforderung seitens der Beklagten den Einkommensteuerbescheid für 1995 vor, der vom 07.03.1997 datiert. Mit Bescheiden vom 12.06.1998 hob die Beklagte die Bescheide über die Bewilligung von Beitragszuschüssen vom 01.01.1995 (sowie die auf ihnen beruhenden Folgebescheide) für die Zeit ab 01.05.1997 bis 31.05.1998 auf und begründete dies mit der verspäteten Vorlage des Einkommensteuerbescheids. Die Überzahlung in Höhe von jeweils 3.142,- DM wurde zurückgefordert und der Beitragszuschuss ab 01.06.1998 in Höhe von 268,- DM neu festgestellt.
Dem widersprachen die Kläger mit der Begründung, die Ehefrau habe die Steuerbescheide immer rechtzeitig übersandt und sei zur eidesstattlichen Versicherung bereit. Dazu heißt es in den Widerspruchsbescheiden vom 23.07.1998, die rechtzeitige Aufgabe zu Post wahre die Vorlagefrist des § 32 Abs.4 Alg nicht.
Auf die dagegen am 03.09.1998 erhobenen Klagen erging nach Verbindung der Streitsachen am 21.09.1999 ein Urteil des Sozialgerichts München. Damit wurden die Bescheide vom 12.06.1998 aufgehoben, soweit das Ruhen und die Rückforderung für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.01.1998 ausgesprochen wurde. Im Übrigen wurden die Klagen abgewiesen. Erst ab Januar 1998 sei von einer grob fahrlässigen Nichtvorlage des Einkommensteuerbescheids auszugehen, weil die Kläger bei Erhalt des Bescheids vom 05.01. 1998 hätten überprüfen müssen, ob sie den 1997 erhaltenen Einkommenssteuerbescheid vorgelegt haben.
Gegen das am 21.10.1999 zugestellte Urteil legten sowohl die Kläger als auch die Beklagte am 03.11.1999 Berufung ein. Im Hinblick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 17.08. 2000 - B 10 LW 11/00 R, B 10 LW 8/00 R - erließ die Beklagte am 12.02.2001 Bescheide, in denen sie die Rückforderung für den strittigen Zeitraum auf jeweils 434,- DM begrenzte. Sie stellte den Beitragszuschuss vom 01.05. bis 31.05.1997 neu fest, hob die vorangegangene Entscheidung über die für diesen Zeitraum durchgeführte Rückforderung gemäß § 44 SGB X auf und stellte den Rückforderungsbetrag neu fest. Sie hob auch die Bescheide über die Bewilligung von Beitragszuschuss für die Zeit ab 01.06.1997 bis 31.12.1997, vom 01.01.1998 bis 30.04.1998 und vom 01.05. bis 31.05.1998 insoweit auf, als die Höhe des Beitragszuschusses zu ändern ist. Sie forderte den überzahlten Vorschuss zurück und hob die vorangegangene Entscheidung über die für diese Zeiträume durchgeführte Rückforderung wegen verspäteter Vorlage des Steuerbescheids gemäß § 44 SGB X auf und setzte den Rückforderungsbetrag wegen der verspäteten Vorlage neu fest. Gleichzeitig verwies sie auf die als Anlage beigefügten Richtlinien für die Festsetzung des zu erstattenden Zuschusses zum Beitrag bei verspäteter Vorlage von Einkommensteuerbescheiden.
Von Klägerseite wurde dagegen eingewandt, es sei fraglich, ob der erneuten Überpüfung der Zuschussrückforderung nicht die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X entgegenstehe. Durch die Aufhebung der Rückforderungsbescheide lebten die ursprünglichen Bewilligungen wieder auf, die jetzt nicht mehr innerhalb der Jahresfrist zurückgenommen werden könnten, weil die verspätete Vorlage des Einkommensteuerbescheids schon am 25.05.1998 erfolgt sei.
Demgegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, rechtswidrig sei nur der Verwaltungsakt, mit dem der Erstattungsbetrag festgesetzt worden sei, nicht der damit verbundene Verwaltungsakt, mit dem das Ruhen festgestellt worden sei. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundessozialgerichts setzten erst bei der Höhe des Rückforderungsbetrages ein. Für die Geltendmachung des Erstattungsbetrags gelte die Jahresfrist des § 45 Abs.4 SGB X nicht. Die Ersetzung der Regelung durch eine weniger belastende könne nicht an der Jahresfrist scheitern.
Dazu führten die Kläger aus, Vertrauensschutzerwägungen müssten bereits bei der Aufhebung des leistungsbewilligenden Verwaltungsakts einsetzen und nicht erst bei der Rückforderung, so dass nach erfolgter Rücknahme der Ruhensentscheidung eine neue diesbezügliche Entscheidung zu treffen sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 12.06. 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.1998 sowie die Bescheide vom 12.02.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 insoweit aufzuheben, als in Ziff.1 die Rückforderung aufgrund des Ruhens des Anspruchs auf Beitragszuschuss für die Zeit vor dem 01.02.1998 ausgeschlossen wird.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die gemäß § 96 SGG streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 12.02.2001 sind nicht zu beanstanden. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 ist aufzuheben. Die Bescheide vom 12.06.1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 26.08.1998 sind nicht insoweit aufzuheben, als das Ruhen für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.01.1998 ausgesprochen wird. Die Kläger haben für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.05.1998 Beitragszuschüsse in Höhe von zweimal 434,00 DM zurückzuerstatten. Unstreitig war die in den Bescheiden vom 12.06.1998 enthaltene Entscheidung über die Rückforderung bzw. Nichtgewährung des Zuschusses wegen verspäteter Vorlage des Steuerbescheides für die Zeit ab 01.05.1997 bis 31.05.1998 aufzuheben. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17.08.2000 (Az.: B 10 LW 11/00 R) dargelegt hat, ist im Rahmen des Sanktionstatbestandes nach § 32 Abs.4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG und der Rückforderung nach § 34 Abs.4 ALG in Verbindung mit § 50 Abs.1 SGB X die Ausübung von Ermessen im Regelfall erforderlich. Da dies die Beklagte in den Bescheiden vom 12.06.1998 ebenso wie in den Widerspruchsbescheiden vom 23.07.1998 unterlassen hat, hat sie die darin enthaltene Rückforderung am 12.02.2001 gemäß §§ 39 SGB I, 35 Abs.1 Satz 3 und 44 SGB X aufgehoben. Nicht ausdrücklich aufgehoben hat sie die Aufhebung der Leistungsbewilligung im Bescheid vom 12.06.1998 betreffend den Zeitraum vom 01.05.1997 bis 31.05.1998. Die Bescheide vom 12.02.2001 treffen hierfür eine Neufeststellung, lassen jedoch offen, gegenüber welchem Ursprungsverwaltungsakt der Zuschussbewilligung eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als solche kommen sowohl die für den relevanten Zeitraum maßgeblichen Bescheide vom 02.01.1997 und 05.01.1998 in Betracht als auch die Bescheide vom 12.06.1998, in denen den Klägern keinerlei Leistungsanspruch zuerkannt worden ist. Wenn es jedoch weiter in den Bescheiden vom 12.02.2001 heißt, der Bescheid über die Bewilligung von Beitragszuschuss werde insoweit aufgehoben, als die Höhe des Beitragszuschusses zu ändern sei, so wird offensichtlich vom Bestand der Bescheide vom 02.01.1997 und vom 05.01.1998 ausgegangen. Der Entziehungsbescheid vom 12.06.1998 hatte den Klägern auch dem Grunde nach keinen Beitragszuschuss belassen. Damit hat die Beklagte in den Bescheiden vom 12.02. 2001 nicht nur die Rückforderung, sondern auch die Entziehung des Zuschussanspruchs in den Bescheiden vom 12.06.1998 gemäß § 44 SGB X aufgehoben. Rechtsgrundlage der Neufeststellung des Leistungsanspruchs gegenüber den Bewilligungsbescheiden vom 02.01.1997 und vom 05.01.1998 ist § 32 Abs.4 in Verbindung mit § 34 Abs.4 ALG. Danach ist der Einkommensteuerbescheid der Landwirtschaftlichen Alterskasse spätestens zwei Kalendermonate nach seiner Ausfertigung vorzulegen, wenn ein Beitragszuschuss in Anspruch genommen wird. Nach Ablauf der genannten Frist ruht die Leistung vom Beginn des Monats, in dem der Bescheid fristgemäß hätte vorgelegt werden können, bis zum Ablauf des Monats, in dem der Bescheid vorgelegt wird. Unstreitig ist der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 07.03.1997 nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang bei den Klägern, sondern erst am 25.05.1998 bei der Beklagten eingegangen. Die Sanktion des Ruhens ist verschuldensabhängig, wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 17.08.2000 (B 10 LW 11/00 R) festgestellt hat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte gehalten wäre, dem Zuschussempfänger ein Verschulden an der Fristversäumnis nachzuweisen bzw. bei fehlendem Nachweis die entsprechende Beweislast zu tragen. Die Formulierung des § 32 Abs.4 2. Halbsatz ALG macht vielmehr deutlich, dass die Sanktion bereits dann eintritt, wenn der Zuschussempfänger trotz seiner Verfügungsmöglichkeiten über den Steuerbescheid nicht die Vorlage bewirkt. Für diesen Fall wird zumindest leichte Fahrlässigkeit unterstellt. Eine Exkulpation kann nur über § 27 SGB X gelingen, die vorliegend schon deswegen ausscheidet, weil die Nachholung der Bescheidvorlage am 25.05.1998 außerhalb der Jahresfrist erfolgte, die zwei Monate nach der Ausfertigung des Steuerbescheids am 07.03.1997 zu laufen begonnen hat. Darüber hinaus verfügen die Kläger über keine Beweismittel für ihre Behauptung, den Bescheid rechtzeitig abgeschickt zu haben. Die generelle Möglichkeit, dass ein Schriftstück auf dem Postweg verloren geht, reicht nicht aus, die Behauptung der rechtzeitigen Absendung glaubhaft erscheinen zu lassen. Hinzu kommt, dass sich die Kläger trotz angeblich rechtzeitiger Vorlage nicht nach dem Eingang erkundigt haben, nachdem auf ihre angebliche Einsendung keine Reaktion der Beklagten erfolgt war, wie dies im Jahr davor innerhalb von sieben Wochen der Fall gewesen war. Immerhin war im Einkommensteuerbescheid für 1995 ein wesentlich geringeres Einkommen ausgewiesen als im Einkommensteuerbescheid für 1994. Auf die Folgen der nicht rechtzeitigen Vorlage des aktuellen Einkommensteuerbescheids waren die Kläger erst mit Bescheid vom 02.01.1997 hingewiesen worden. In der mit diesem Neufestsetzungsbescheid übersandten Anlage wird deutlich auf die Folgen einer verspäteten Vorlage hingewiesen. Nachdem der Tatbestand des § 32 Abs.4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG erfüllt ist, waren die Bewilligungsbescheide vom 02.01.1997 und vom 05.01.1998 gemäß § 34 Abs.4 ALG aufzuheben. Im Gegensatz zu den §§ 45 und 48 SGB X wird in § 30 Abs.4 ALG die Rückwirkung nicht eingeschränkt, insbesondere beim Fortfall der Voraussetzungen für Grund oder Höhe des Zuschusses kein Vertrauensschutz gewährt und die Rücknahme nicht an eine bestimmte von der erlassenen Behörde einzuhaltende Frist geknüpft. Der Vorbehalt von Regelungen, die von denen des X. Sozialgesetzbuches abweichen, ist in § 37 SGB I ausdrücklich festgelegt. Die Sonderstellung des § 34 Abs.4 ALG gegenüber den Regelungen des § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 08.10.1998 unterstrichen (SozR 3-5868 § 32 Nr.2) und im Urteil vom 17.08.2000 (a.a.O.) bekräftigt. Allerdings hat es im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung die Ausübung von Ermessen für erforderlich gehalten, um dem Übermaßverbot und dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung zu entsprechen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren.
Die fehlende Befristung der Rücknahmemöglichkeit eines begünstigenden Verwaltungsakt verstößt hingegen gegen kein Verfassungsrecht. Zwar dient die Einjahresfrist des § 48 Abs.4 in Verbindung mit § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X der Rechtssicherheit, deren verfassungsrechtlichen Stellenwert das Bundesverfassungsgericht insbesondere auch im Blick auf die Bestandskraft von Verwaltungsakten hervorgehoben hat (Bundesverfassungsgericht, Amtliche Entscheidungssammlung Bd.60 S.409). Zur vergleichbaren Regelung des § 48 Abs.4 Verwaltungsverfahrensgesetz vertritt das Bundesverwaltungsgericht (DVBl.94, 409) die Ansicht, Abs.4 diene zwar der Rechtssicherheit, sei aber verfassungsrechtlich nicht gefordert und bedürfe auch keines ausdrücklichen Ausschlusses. Zu entscheiden war über eine Rücknahme- und Rückforderungsregelung für rechtswidrig bewilligte Gasölbetriebsbeihilfen, die eine uneingeschränkte Rücknahme- und Rückforderungspflicht - ohne Ermessen - begründete. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dem Zweck der Rückforderungsregelung, dem kompromisslosen Entgegenwirken der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Subventionen, würde es nicht entsprechen, wenn eine Verzögerung der Rückforderung - mag sie auf Nachlässigkeit oder anderen Gründen beruhen - zum Verlust der Rückforderungsbefugnis führen würde und so dem Empfänger der gesetzwidrigen Beihilfe zugute käme. Dabei befand sich der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang mit der Rechtsprechung des 7. Senats, wonach die gleichartige Vorschrift des § 11 Gasöl-Verbilligungsgesetzes - Landwirtschaft eine abschließende Sonderregelung enthält, die einem Rückgriff auf §§ 48 und 49 Verwaltungsverfahrensgesetz entgegensteht (Bundesverwaltungsgericht, Amtliche Entscheidungssammlung, Bd.62 S.1, 5). Wegen der Vergleichbarkeit und Art der Leistung und Rigidität der Rücknahmeregelung erscheint es angemessen, das Interesse des Betroffenen an Rechtssicherheit zurücktreten zu lassen.
Zwar gebietet das Rechtsstaatsprinzip die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und gewährleistet somit für den Regelfall auch die materielle Richtigkeit der Verwaltungsakte; es gewährleistet im Rahmen bestimmter Verfahrensabläufe sogar durch die Bestandskraft selbst gesetzwidriger Verwaltungsakte Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 24.03.1993 (SozR 3-1300 § 45 Nr.16) ausgeführt hat, finden diese Prinzipien ihre konkrete Ausformung in den jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzen und können beim Fehlen von Entscheidungsfristen zur Berücksichtigung des Zeitablaufs ab Bestandskraft des rechtswidrig begünstigenden Bescheids bei den Ermessenserwägungen führen. In Anlehnung an das in § 45 SGB X enthaltene abgestufte System genießen Gutgläubige, denen eine wiederkehrende Sozialleistung bewilligt worden ist, nach Ablauf von zwei Jahren Schutz vor der Rücknahme des Verwaltungsakts für Vergangenheit und Zukunft. Dies gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen. Die Wiederaufnahmegründe des § 580 ZPO umschreiben Tatbestände erheblicher Störung der Rechtsordnung, die den Gedanken der Rechtssicherheit verdrängen und daher die Rechtskraft von Urteilen und die Bestandskraft von Verwaltungsakten zu beseitigen geeignet sind. Dazu zählt gemäß § 580 Ziffer 7 ZPO das Auffinden einer anderen Urkunde. In einem derartigen Fall hat der 9. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass nach fünf Jahren der Rechtsfrieden Vorrang vor materieller Gerechtigkeit hat. Mit der Neuregelung zum 15.04.1998, die Einfügung von Satz 4 und 5 in § 45 Abs.3 SGB X wird diese Rechtsprechung jedoch für überholt gehalten (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rz.34), soweit der Begünstigte zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hatte bzw. unterlassen hatte. Danach verlängert sich die Frist zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts bei Unlauterkeit auf 10 Jahre. Nachdem den Klägern jedoch kein grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann, sie andererseits aber auch nicht zum Kreis der gutgläubig Begünstigten zu zählen sind, erscheint es gerechtfertigt, angesichts leichter Fahrlässigkeit der Kläger dem Rechtsfrieden frühestens nach fünf Jahren Vorrang vor materieller Gerechtigkeit einzuräumen. Diese Frist ist vorliegend nicht abgelaufen, nachdem die Bewilligung vom 02.01.1997 bis 05.01.1998 datiert und die Beseitigung der Bestandskraft spätestens am 12.02.2001 erfolgt ist. Eine Anhörung der Kläger vor Erlass des Rücknahmebescheids am 12.02.2001 war im Hinblick auf § 24 Abs.2 Ziffer 5 SGB X nicht notwendig. Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung über die Aufhebung der Zuschussbewilligung und die daraus resultierende Erstattungsforderung ihr Ermessen ausgeübt. Zur Vermeidung einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes hatte die Beklagte den Rückforderungsbetrag nach pflichtgemäßem Ermessen so festzusetzen, dass zwar der Verstoß gegen die Vorlagepflicht geahndet wird, die Höhe der Sanktion aber dem Verschuldensgrad und der Anzahl der Verstöße angemessen ist und eine Gleichbehandlung bei gleichem Verschulden erfolgt. Dementsprechend hat die Beklagte berücksichtigt, dass die Kläger erstmalig Steuerbescheide nicht rechtzeitig vorgelegt haben und den Rückforderungsbetrag entsprechend den Richtlinien für die Festsetzung des zu erstattenden Zuschusses zum Beitrag bei verspäteter Vorlage von Einkommensteuerbescheiden auf 20 % des Höchstzuschusses festgesetzt. Damit ist es den insoweit sehr konkreten Erwägungen des 10. Senats des BSG im Urteil vom 17.08.2000 (a.a.O.) gefolgt. Nicht gefolgt ist es dem BSG insoweit, als dieses auch die Berücksichtigung von einem Mitverschulden der Verwaltung für notwendig hält. Vorliegend ist dies jedoch deshalb nicht relevant, weil das Bundessozialgericht selbst die Untätigkeit der Verwaltung erst nach einem Jahr für maßgeblich erachtet und die Beklagte noch davor, nämlich am 30.04.1998 an die Vorlage des turnusgemäß im Mai 1997 zu erwartenden Steuerbescheids für 1995 erinnert hat. Keinen Bedenken begegnet die von der Beklagten vorgenommene Abstufung von Neufeststellung und Rückforderung nach Zeitabschnitten. Weil der neue Einkommensteuerbescheid von 1995 spätestens ab dem dritten Monat nach seiner Ausfertigung zugrunde zu legen ist, musste der Zuschussbetrag für Mai 1997 noch unter Zugrundelegung des Einkommens der Kläger im Jahr 1994 erfolgen. Der neue Einkommensteuerbescheid war ab 01.06.1997 maßgebend. Die weitere Abstufung des Ruhensbetrags ergab sich ab 01.01.1998, weil sich zu diesem Zeitpunkt wegen der Änderung des Höchstzuschussbetrags auch die Sanktionshöhe änderte. Schließlich musste ab 01.05.1998 im Hinblick auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 1996 eine Neufeststellung erfolgen, weil die wesentliche Änderung gemäß § 32 Abs.4 Satz 2 ALG bereits ab dem Folgemonat nach der Vorlage am 23.04.1998 zu erfolgen hat. Zutreffend endete das Ruhen mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid vorgelegt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die Jahresfrist des § 48 Abs.4 SGB X im Rahmen der §§ 32, 34 ALG Anwendung findet, ist die Revision zuzulassen.
II. Die Klagen gegen die Bescheide vom 12.02.2001 werden abgewiesen.
III. Die Beklagte erstattet den Klägern zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Rückforderung von Beitragszuschüssen für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.05.1998.
Die Kläger sind Eheleute und Betreiber einer Landwirtschaft.
Mit Bescheiden vom 01.09.1995 wurde ihnen erstmalig ab 01.09. 1995 ein Beitragszuschuss bewilligt, der nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 1994 am 24.04.1996 mit Bescheiden vom 10.06.1996 ab 01.07.1996 neu festgestellt wurde. Mit Bescheiden vom 02.01.1997 wurde der Beitragszuschuss ab 01.01.1997 auf 241,- DM und mit Bescheiden vom 05.01.1998 ab 01.01.1998 auf 247,- DM angehoben.
Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 1996, datierend vom 06.03.1998, am 23.04.1998 legten die Kläger am 25.05.1998 auf Aufforderung seitens der Beklagten den Einkommensteuerbescheid für 1995 vor, der vom 07.03.1997 datiert. Mit Bescheiden vom 12.06.1998 hob die Beklagte die Bescheide über die Bewilligung von Beitragszuschüssen vom 01.01.1995 (sowie die auf ihnen beruhenden Folgebescheide) für die Zeit ab 01.05.1997 bis 31.05.1998 auf und begründete dies mit der verspäteten Vorlage des Einkommensteuerbescheids. Die Überzahlung in Höhe von jeweils 3.142,- DM wurde zurückgefordert und der Beitragszuschuss ab 01.06.1998 in Höhe von 268,- DM neu festgestellt.
Dem widersprachen die Kläger mit der Begründung, die Ehefrau habe die Steuerbescheide immer rechtzeitig übersandt und sei zur eidesstattlichen Versicherung bereit. Dazu heißt es in den Widerspruchsbescheiden vom 23.07.1998, die rechtzeitige Aufgabe zu Post wahre die Vorlagefrist des § 32 Abs.4 Alg nicht.
Auf die dagegen am 03.09.1998 erhobenen Klagen erging nach Verbindung der Streitsachen am 21.09.1999 ein Urteil des Sozialgerichts München. Damit wurden die Bescheide vom 12.06.1998 aufgehoben, soweit das Ruhen und die Rückforderung für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.01.1998 ausgesprochen wurde. Im Übrigen wurden die Klagen abgewiesen. Erst ab Januar 1998 sei von einer grob fahrlässigen Nichtvorlage des Einkommensteuerbescheids auszugehen, weil die Kläger bei Erhalt des Bescheids vom 05.01. 1998 hätten überprüfen müssen, ob sie den 1997 erhaltenen Einkommenssteuerbescheid vorgelegt haben.
Gegen das am 21.10.1999 zugestellte Urteil legten sowohl die Kläger als auch die Beklagte am 03.11.1999 Berufung ein. Im Hinblick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 17.08. 2000 - B 10 LW 11/00 R, B 10 LW 8/00 R - erließ die Beklagte am 12.02.2001 Bescheide, in denen sie die Rückforderung für den strittigen Zeitraum auf jeweils 434,- DM begrenzte. Sie stellte den Beitragszuschuss vom 01.05. bis 31.05.1997 neu fest, hob die vorangegangene Entscheidung über die für diesen Zeitraum durchgeführte Rückforderung gemäß § 44 SGB X auf und stellte den Rückforderungsbetrag neu fest. Sie hob auch die Bescheide über die Bewilligung von Beitragszuschuss für die Zeit ab 01.06.1997 bis 31.12.1997, vom 01.01.1998 bis 30.04.1998 und vom 01.05. bis 31.05.1998 insoweit auf, als die Höhe des Beitragszuschusses zu ändern ist. Sie forderte den überzahlten Vorschuss zurück und hob die vorangegangene Entscheidung über die für diese Zeiträume durchgeführte Rückforderung wegen verspäteter Vorlage des Steuerbescheids gemäß § 44 SGB X auf und setzte den Rückforderungsbetrag wegen der verspäteten Vorlage neu fest. Gleichzeitig verwies sie auf die als Anlage beigefügten Richtlinien für die Festsetzung des zu erstattenden Zuschusses zum Beitrag bei verspäteter Vorlage von Einkommensteuerbescheiden.
Von Klägerseite wurde dagegen eingewandt, es sei fraglich, ob der erneuten Überpüfung der Zuschussrückforderung nicht die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X entgegenstehe. Durch die Aufhebung der Rückforderungsbescheide lebten die ursprünglichen Bewilligungen wieder auf, die jetzt nicht mehr innerhalb der Jahresfrist zurückgenommen werden könnten, weil die verspätete Vorlage des Einkommensteuerbescheids schon am 25.05.1998 erfolgt sei.
Demgegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, rechtswidrig sei nur der Verwaltungsakt, mit dem der Erstattungsbetrag festgesetzt worden sei, nicht der damit verbundene Verwaltungsakt, mit dem das Ruhen festgestellt worden sei. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundessozialgerichts setzten erst bei der Höhe des Rückforderungsbetrages ein. Für die Geltendmachung des Erstattungsbetrags gelte die Jahresfrist des § 45 Abs.4 SGB X nicht. Die Ersetzung der Regelung durch eine weniger belastende könne nicht an der Jahresfrist scheitern.
Dazu führten die Kläger aus, Vertrauensschutzerwägungen müssten bereits bei der Aufhebung des leistungsbewilligenden Verwaltungsakts einsetzen und nicht erst bei der Rückforderung, so dass nach erfolgter Rücknahme der Ruhensentscheidung eine neue diesbezügliche Entscheidung zu treffen sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 12.06. 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.1998 sowie die Bescheide vom 12.02.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 insoweit aufzuheben, als in Ziff.1 die Rückforderung aufgrund des Ruhens des Anspruchs auf Beitragszuschuss für die Zeit vor dem 01.02.1998 ausgeschlossen wird.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die gemäß § 96 SGG streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 12.02.2001 sind nicht zu beanstanden. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.1999 ist aufzuheben. Die Bescheide vom 12.06.1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 26.08.1998 sind nicht insoweit aufzuheben, als das Ruhen für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.01.1998 ausgesprochen wird. Die Kläger haben für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.05.1998 Beitragszuschüsse in Höhe von zweimal 434,00 DM zurückzuerstatten. Unstreitig war die in den Bescheiden vom 12.06.1998 enthaltene Entscheidung über die Rückforderung bzw. Nichtgewährung des Zuschusses wegen verspäteter Vorlage des Steuerbescheides für die Zeit ab 01.05.1997 bis 31.05.1998 aufzuheben. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17.08.2000 (Az.: B 10 LW 11/00 R) dargelegt hat, ist im Rahmen des Sanktionstatbestandes nach § 32 Abs.4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG und der Rückforderung nach § 34 Abs.4 ALG in Verbindung mit § 50 Abs.1 SGB X die Ausübung von Ermessen im Regelfall erforderlich. Da dies die Beklagte in den Bescheiden vom 12.06.1998 ebenso wie in den Widerspruchsbescheiden vom 23.07.1998 unterlassen hat, hat sie die darin enthaltene Rückforderung am 12.02.2001 gemäß §§ 39 SGB I, 35 Abs.1 Satz 3 und 44 SGB X aufgehoben. Nicht ausdrücklich aufgehoben hat sie die Aufhebung der Leistungsbewilligung im Bescheid vom 12.06.1998 betreffend den Zeitraum vom 01.05.1997 bis 31.05.1998. Die Bescheide vom 12.02.2001 treffen hierfür eine Neufeststellung, lassen jedoch offen, gegenüber welchem Ursprungsverwaltungsakt der Zuschussbewilligung eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als solche kommen sowohl die für den relevanten Zeitraum maßgeblichen Bescheide vom 02.01.1997 und 05.01.1998 in Betracht als auch die Bescheide vom 12.06.1998, in denen den Klägern keinerlei Leistungsanspruch zuerkannt worden ist. Wenn es jedoch weiter in den Bescheiden vom 12.02.2001 heißt, der Bescheid über die Bewilligung von Beitragszuschuss werde insoweit aufgehoben, als die Höhe des Beitragszuschusses zu ändern sei, so wird offensichtlich vom Bestand der Bescheide vom 02.01.1997 und vom 05.01.1998 ausgegangen. Der Entziehungsbescheid vom 12.06.1998 hatte den Klägern auch dem Grunde nach keinen Beitragszuschuss belassen. Damit hat die Beklagte in den Bescheiden vom 12.02. 2001 nicht nur die Rückforderung, sondern auch die Entziehung des Zuschussanspruchs in den Bescheiden vom 12.06.1998 gemäß § 44 SGB X aufgehoben. Rechtsgrundlage der Neufeststellung des Leistungsanspruchs gegenüber den Bewilligungsbescheiden vom 02.01.1997 und vom 05.01.1998 ist § 32 Abs.4 in Verbindung mit § 34 Abs.4 ALG. Danach ist der Einkommensteuerbescheid der Landwirtschaftlichen Alterskasse spätestens zwei Kalendermonate nach seiner Ausfertigung vorzulegen, wenn ein Beitragszuschuss in Anspruch genommen wird. Nach Ablauf der genannten Frist ruht die Leistung vom Beginn des Monats, in dem der Bescheid fristgemäß hätte vorgelegt werden können, bis zum Ablauf des Monats, in dem der Bescheid vorgelegt wird. Unstreitig ist der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 07.03.1997 nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang bei den Klägern, sondern erst am 25.05.1998 bei der Beklagten eingegangen. Die Sanktion des Ruhens ist verschuldensabhängig, wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 17.08.2000 (B 10 LW 11/00 R) festgestellt hat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte gehalten wäre, dem Zuschussempfänger ein Verschulden an der Fristversäumnis nachzuweisen bzw. bei fehlendem Nachweis die entsprechende Beweislast zu tragen. Die Formulierung des § 32 Abs.4 2. Halbsatz ALG macht vielmehr deutlich, dass die Sanktion bereits dann eintritt, wenn der Zuschussempfänger trotz seiner Verfügungsmöglichkeiten über den Steuerbescheid nicht die Vorlage bewirkt. Für diesen Fall wird zumindest leichte Fahrlässigkeit unterstellt. Eine Exkulpation kann nur über § 27 SGB X gelingen, die vorliegend schon deswegen ausscheidet, weil die Nachholung der Bescheidvorlage am 25.05.1998 außerhalb der Jahresfrist erfolgte, die zwei Monate nach der Ausfertigung des Steuerbescheids am 07.03.1997 zu laufen begonnen hat. Darüber hinaus verfügen die Kläger über keine Beweismittel für ihre Behauptung, den Bescheid rechtzeitig abgeschickt zu haben. Die generelle Möglichkeit, dass ein Schriftstück auf dem Postweg verloren geht, reicht nicht aus, die Behauptung der rechtzeitigen Absendung glaubhaft erscheinen zu lassen. Hinzu kommt, dass sich die Kläger trotz angeblich rechtzeitiger Vorlage nicht nach dem Eingang erkundigt haben, nachdem auf ihre angebliche Einsendung keine Reaktion der Beklagten erfolgt war, wie dies im Jahr davor innerhalb von sieben Wochen der Fall gewesen war. Immerhin war im Einkommensteuerbescheid für 1995 ein wesentlich geringeres Einkommen ausgewiesen als im Einkommensteuerbescheid für 1994. Auf die Folgen der nicht rechtzeitigen Vorlage des aktuellen Einkommensteuerbescheids waren die Kläger erst mit Bescheid vom 02.01.1997 hingewiesen worden. In der mit diesem Neufestsetzungsbescheid übersandten Anlage wird deutlich auf die Folgen einer verspäteten Vorlage hingewiesen. Nachdem der Tatbestand des § 32 Abs.4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG erfüllt ist, waren die Bewilligungsbescheide vom 02.01.1997 und vom 05.01.1998 gemäß § 34 Abs.4 ALG aufzuheben. Im Gegensatz zu den §§ 45 und 48 SGB X wird in § 30 Abs.4 ALG die Rückwirkung nicht eingeschränkt, insbesondere beim Fortfall der Voraussetzungen für Grund oder Höhe des Zuschusses kein Vertrauensschutz gewährt und die Rücknahme nicht an eine bestimmte von der erlassenen Behörde einzuhaltende Frist geknüpft. Der Vorbehalt von Regelungen, die von denen des X. Sozialgesetzbuches abweichen, ist in § 37 SGB I ausdrücklich festgelegt. Die Sonderstellung des § 34 Abs.4 ALG gegenüber den Regelungen des § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 08.10.1998 unterstrichen (SozR 3-5868 § 32 Nr.2) und im Urteil vom 17.08.2000 (a.a.O.) bekräftigt. Allerdings hat es im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung die Ausübung von Ermessen für erforderlich gehalten, um dem Übermaßverbot und dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung zu entsprechen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren.
Die fehlende Befristung der Rücknahmemöglichkeit eines begünstigenden Verwaltungsakt verstößt hingegen gegen kein Verfassungsrecht. Zwar dient die Einjahresfrist des § 48 Abs.4 in Verbindung mit § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X der Rechtssicherheit, deren verfassungsrechtlichen Stellenwert das Bundesverfassungsgericht insbesondere auch im Blick auf die Bestandskraft von Verwaltungsakten hervorgehoben hat (Bundesverfassungsgericht, Amtliche Entscheidungssammlung Bd.60 S.409). Zur vergleichbaren Regelung des § 48 Abs.4 Verwaltungsverfahrensgesetz vertritt das Bundesverwaltungsgericht (DVBl.94, 409) die Ansicht, Abs.4 diene zwar der Rechtssicherheit, sei aber verfassungsrechtlich nicht gefordert und bedürfe auch keines ausdrücklichen Ausschlusses. Zu entscheiden war über eine Rücknahme- und Rückforderungsregelung für rechtswidrig bewilligte Gasölbetriebsbeihilfen, die eine uneingeschränkte Rücknahme- und Rückforderungspflicht - ohne Ermessen - begründete. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dem Zweck der Rückforderungsregelung, dem kompromisslosen Entgegenwirken der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Subventionen, würde es nicht entsprechen, wenn eine Verzögerung der Rückforderung - mag sie auf Nachlässigkeit oder anderen Gründen beruhen - zum Verlust der Rückforderungsbefugnis führen würde und so dem Empfänger der gesetzwidrigen Beihilfe zugute käme. Dabei befand sich der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang mit der Rechtsprechung des 7. Senats, wonach die gleichartige Vorschrift des § 11 Gasöl-Verbilligungsgesetzes - Landwirtschaft eine abschließende Sonderregelung enthält, die einem Rückgriff auf §§ 48 und 49 Verwaltungsverfahrensgesetz entgegensteht (Bundesverwaltungsgericht, Amtliche Entscheidungssammlung, Bd.62 S.1, 5). Wegen der Vergleichbarkeit und Art der Leistung und Rigidität der Rücknahmeregelung erscheint es angemessen, das Interesse des Betroffenen an Rechtssicherheit zurücktreten zu lassen.
Zwar gebietet das Rechtsstaatsprinzip die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und gewährleistet somit für den Regelfall auch die materielle Richtigkeit der Verwaltungsakte; es gewährleistet im Rahmen bestimmter Verfahrensabläufe sogar durch die Bestandskraft selbst gesetzwidriger Verwaltungsakte Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 24.03.1993 (SozR 3-1300 § 45 Nr.16) ausgeführt hat, finden diese Prinzipien ihre konkrete Ausformung in den jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzen und können beim Fehlen von Entscheidungsfristen zur Berücksichtigung des Zeitablaufs ab Bestandskraft des rechtswidrig begünstigenden Bescheids bei den Ermessenserwägungen führen. In Anlehnung an das in § 45 SGB X enthaltene abgestufte System genießen Gutgläubige, denen eine wiederkehrende Sozialleistung bewilligt worden ist, nach Ablauf von zwei Jahren Schutz vor der Rücknahme des Verwaltungsakts für Vergangenheit und Zukunft. Dies gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen. Die Wiederaufnahmegründe des § 580 ZPO umschreiben Tatbestände erheblicher Störung der Rechtsordnung, die den Gedanken der Rechtssicherheit verdrängen und daher die Rechtskraft von Urteilen und die Bestandskraft von Verwaltungsakten zu beseitigen geeignet sind. Dazu zählt gemäß § 580 Ziffer 7 ZPO das Auffinden einer anderen Urkunde. In einem derartigen Fall hat der 9. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass nach fünf Jahren der Rechtsfrieden Vorrang vor materieller Gerechtigkeit hat. Mit der Neuregelung zum 15.04.1998, die Einfügung von Satz 4 und 5 in § 45 Abs.3 SGB X wird diese Rechtsprechung jedoch für überholt gehalten (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rz.34), soweit der Begünstigte zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hatte bzw. unterlassen hatte. Danach verlängert sich die Frist zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts bei Unlauterkeit auf 10 Jahre. Nachdem den Klägern jedoch kein grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann, sie andererseits aber auch nicht zum Kreis der gutgläubig Begünstigten zu zählen sind, erscheint es gerechtfertigt, angesichts leichter Fahrlässigkeit der Kläger dem Rechtsfrieden frühestens nach fünf Jahren Vorrang vor materieller Gerechtigkeit einzuräumen. Diese Frist ist vorliegend nicht abgelaufen, nachdem die Bewilligung vom 02.01.1997 bis 05.01.1998 datiert und die Beseitigung der Bestandskraft spätestens am 12.02.2001 erfolgt ist. Eine Anhörung der Kläger vor Erlass des Rücknahmebescheids am 12.02.2001 war im Hinblick auf § 24 Abs.2 Ziffer 5 SGB X nicht notwendig. Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung über die Aufhebung der Zuschussbewilligung und die daraus resultierende Erstattungsforderung ihr Ermessen ausgeübt. Zur Vermeidung einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes hatte die Beklagte den Rückforderungsbetrag nach pflichtgemäßem Ermessen so festzusetzen, dass zwar der Verstoß gegen die Vorlagepflicht geahndet wird, die Höhe der Sanktion aber dem Verschuldensgrad und der Anzahl der Verstöße angemessen ist und eine Gleichbehandlung bei gleichem Verschulden erfolgt. Dementsprechend hat die Beklagte berücksichtigt, dass die Kläger erstmalig Steuerbescheide nicht rechtzeitig vorgelegt haben und den Rückforderungsbetrag entsprechend den Richtlinien für die Festsetzung des zu erstattenden Zuschusses zum Beitrag bei verspäteter Vorlage von Einkommensteuerbescheiden auf 20 % des Höchstzuschusses festgesetzt. Damit ist es den insoweit sehr konkreten Erwägungen des 10. Senats des BSG im Urteil vom 17.08.2000 (a.a.O.) gefolgt. Nicht gefolgt ist es dem BSG insoweit, als dieses auch die Berücksichtigung von einem Mitverschulden der Verwaltung für notwendig hält. Vorliegend ist dies jedoch deshalb nicht relevant, weil das Bundessozialgericht selbst die Untätigkeit der Verwaltung erst nach einem Jahr für maßgeblich erachtet und die Beklagte noch davor, nämlich am 30.04.1998 an die Vorlage des turnusgemäß im Mai 1997 zu erwartenden Steuerbescheids für 1995 erinnert hat. Keinen Bedenken begegnet die von der Beklagten vorgenommene Abstufung von Neufeststellung und Rückforderung nach Zeitabschnitten. Weil der neue Einkommensteuerbescheid von 1995 spätestens ab dem dritten Monat nach seiner Ausfertigung zugrunde zu legen ist, musste der Zuschussbetrag für Mai 1997 noch unter Zugrundelegung des Einkommens der Kläger im Jahr 1994 erfolgen. Der neue Einkommensteuerbescheid war ab 01.06.1997 maßgebend. Die weitere Abstufung des Ruhensbetrags ergab sich ab 01.01.1998, weil sich zu diesem Zeitpunkt wegen der Änderung des Höchstzuschussbetrags auch die Sanktionshöhe änderte. Schließlich musste ab 01.05.1998 im Hinblick auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 1996 eine Neufeststellung erfolgen, weil die wesentliche Änderung gemäß § 32 Abs.4 Satz 2 ALG bereits ab dem Folgemonat nach der Vorlage am 23.04.1998 zu erfolgen hat. Zutreffend endete das Ruhen mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid vorgelegt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die Jahresfrist des § 48 Abs.4 SGB X im Rahmen der §§ 32, 34 ALG Anwendung findet, ist die Revision zuzulassen.
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