L 7 P 42/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 P 89/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 42/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 6/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I vom 01.12.2000 bis 01.09.2001 streitig.

Der am 1928 geborene Kläger ist bei der Beklagten privat pflegepflichtversichert. Am 30.11.1999 beantragte er Leistungen aus der Pflegeversicherung. Nach Einholung eines Gutachtens zur Frage der Pflegebedürftigkeit der Firma M. vom 14.01. 2000 lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.02.2000 eine Leistungsgewährung ab. Im Hinblick auf die dagegen vorgebrachten Einwendungen holte die Beklagte erneut ein Gutachten ein und lehnte nach dem Ergebnis des Gutachtens mit Schreiben vom 28.04.2000 weiterhin eine Leistungsgewährung ab.

Mit Schreiben vom 18.05.2000 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte, da sich aus dem übersandten Pflegetagebuch eindeutig die Voraussetzungen für die Pflegestufe I ergeben würden. Die Beklagte hielt hingegen unter Hinweis auf das Gutachten vom 08.04.2000 an ihrer Auffassung fest.

Mit der dagegen am 04.09.2000 zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger unter Berufung auf sein bisheriges Vorbringen u.a. darauf hingewiesen, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, nachdem es bei ihm am 03.07.2000 zu einer Verletzung gekommen sei. Des Weiteren hat er auf ein Pflegetagebuch für die Zeit vom 13. bis 26.09.2000 verwiesen.

Nach Beiziehung von zahlreichen Befundberichten und Röntgenaufnahmen hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von der Pflegefachkraft H. R ... Dieser ist in seinem Gutachten vom 02.03.2001 nach einer Untersuchung des Klägers am 17.02.2001 zusammengefasst zu dem Ergebnis gekommen, es läge eine Zustandsverschlechterung etwa ab Weihnachten 2000 vor. Der Zeitaufwand für die körperbezogene Pflege sei zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung mit 51 Minuten in Ansatz zu bringen.

Mit Urteil vom 25.06.2001 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.12.2000 laufende Leistungen nach der Pflegestufe I in Höhe von DM 400,- monatlich zu zahlen und die Nachzahlung ab der jeweiligen Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen mit dem Sachverständigengutachten von Herrn R. begründet. Danach stehe fest, dass seit Dezember 2000 beim Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I vorlägen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass dem Gutachten der Pflegefachkraft Herrn R. nicht zu folgen sei. Seit dem 01.12.2000 seien beim Kläger die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht erreicht.

Dem Neuantrag des Klägers vom 20.09.2001 auf Leistungsgewährung nach der Pflegestufe I gab die Beklagte mit "Bewilligungsschreiben" vom 05.11.2001 ab 01.09.2001 statt.

Das Gericht erhob sodann Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr.Z. zur Frage der Pflegebedürftigkeit in der Zeit vom 01.12.2000 bis 01.09.2001. In seinem Gutachten vom 06.07.2002 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers wohl nach der Vorbegutachtung am 07.11.2000 eingetreten sei.

Nachdem sich die Beklagte dem Gutachten von Dr.Z. nicht anzuschließen vermochte, holte das Gericht eine ergänzende Stellungnahme von Dr.Z. zur Fragestellung ein, ob und aus welchen Gründen die Voraussetzungen für die Pflegestufe I ab 01.12.2001 vorliegen würden. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.10.2002 führte der Sachverständige im Wesentlichen aus, Grundlage für die getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Pflegestufe I ab dem 01.12.2000 bestanden hätten, sei das intensive Studium der Akten im Einklang mit der Anamnese, der Schulmedizin als Erfahrungswissenschaft im allgemeinen und vor allem dem individuellen und klinischen Befund des Klägers. Den Ausführungen des Klägers und gleichermaßen dessen Pflegefachkraft zufolge habe sich das Zustandsbild im Jahr 2000 deutlich verschlechtert. Nach Sturz mit Rippenbruch im Dezember 1999 sowie erneuter Exacerbation des bekannten Asthma bronchiale mit der Notwendigkeit zur stationären Behandlung in der Z.-Klinik im Februar/März 2000 sei das Zustandsbild insgesamt fortschreitend schlechter geworden. Bei digitaler Betrachtungsweise sei der frühestmögliche Zeitpunkt des Eintritts des Sachverhalts, ab dem ein Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten Grundpflege bestanden habe, der Monat Dezember 2000. Bei analoger Betrachtungsweise sei der frühestmögliche Zeitpunkt des Eintritts des Sachverhalts, ab dem ein Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten Grundpflege bestanden habe, gleichfalls der Monat Dezember 2000. In der Gesamtschau lasse sich dem Grunde nach analog dem klinischen Bilde folgend, ein stetig steigender grundpflegerischer Hilfebedarf, mathematisch gesprochen linear steigender Kurvenverlauf feststellen. Diesem axiomatisch reziprok und umkehrbar eindeutig feststellbaren Sachverhalt folgend, sei gutachterlich die Feststellung mit der gebotenen Vorsicht, Feststellungen über zurückliegende oder zukünftige Zustände zu treffen, getroffen worden. Auch nach erneuter und eingehender Revision sämtlicher vorliegender Unterlagen ergäbe sich kein anderes, als das im Gutachten vom 06.07.2002 festgestellte Gesamtergebnis. Die im Gutachten vom 06.07.2002 getroffene zeitliche Feststellung zur Frage der Pflegebedürftigkeit treffe unverändert zu.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25.06.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass vor dem 01.09.2001 die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I nicht vorgelegen hätten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Das Urteil des SG Augsburg vom 25.06.2001 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.12.2000 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I zu gewähren.

Dies folgert der Senat insbesondere aus dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr.Z. vom 06.07.2002 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 07.10.2002. Zwar hat der Sachverständige in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass nur mit der gebotenen Vorsicht Feststellungen über zurückliegende Zustände getroffen werden könnten. Grundlage für die getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Pflegestufe I ab dem 01.12.2000 bestanden haben, sei das intensive Studium der Akten im Einklang mit der Anamnese, der Schulmedizin als Erfahrungswissenschaft im Allgemeinen und vor allem der individuelle, klinische Befund des Klägers. Den Ausführungen des Klägers und gleichermaßen dessen Pflegekraft zufolge habe sich das Zustandsbild im Jahre 2000 deutlich verschlechtert. Nach Sturz mit Rippenbruch im Dezember 1999 sowie erneuter Exacerbation des bekannten Asthma bronchiale mit der Notwendigkeit zur stationären Behandlung in der Z.-Klinik im Februar/März 2000 sei das Zustandsbild insgesamt fortschreitend schlechter geworden. Sowohl bei digitaler als auch bei analoger Betrachtungsweise sei der frühestmögliche Zeitpunkt des Eintritts des Sachverhalts, ab dem ein Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten Grundpflege bestanden habe, der Monat Dezember 2000. Zwischen der Erstbegutachtung im Januar 2000 und dem Zweitgutachten im April 2000 lasse sich eine Verschlechterung des attestierten, notwendigen grundpflegerischen Hilfebedarfs um insgesamt durchschnittlich täglich 6 Minuten auf Dauer, gemittelt von durchschnittlich 2 Minuten pro Monat, nachvollziehen. Damit seien nach elf weiteren Monaten - ausgehend vom Januar 2000 bei einer chronischen Progredienz der Krankheit, und die läge hier zugrunde - die Mindestvoraussetzungen für die Pflegestufe I mit wenigstens 46 Minuten erfüllt. Wenn man zwischen der Erstbegutachtung im Januar 2000 und der vierten Begutachtung im März 2001 insgesamt 13 Monatsabschnitte annehme, lasse sich unter Zugrundelegung der Verschlechterung - im Mittel um 2 Minuten pro Monat - ein in sich schlüssiges Ergebnis nachvollziehen. In der Erstbegutachtung vom Januar 2000 sei ein grundpflegerischer Hilfebedarf von durchschnittlich täglich 25 Minuten festgestellt worden. Bei einer mutmaßlichen Verschlechterung des Zustandsbildes um weitere 26 Minuten an durchschnittlich täglicher Grundpflege komme das Gesamtergebnis von 51 Minuten durchschnittlich täglicher Grundpflege zustande. Das sozialmedizinische Gutachten vom 07.11.2000 sei insgesamt nicht nachvollziehbar. In der Gesamtschau lasse sich dem Grunde nach analog dem klinischen Bild folgend, ein stetig steigender grundpflegerischer Hilfebedarf, mathematisch gesprochen linear steigender Kurvenverlauf feststellen.

Der Senat folgt im Übrigen den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Somit war die Berufung gegen das Urteil des SG Augsburg vom 25.06.2001 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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