Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 An 80/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 131/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage des Nachweises einer wirksamen Antragstellung und der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verlust des Antrags
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 2. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist unter den Beteiligten eine Berücksichtigungszeit wegen Pflege gemäß § 57 Abs.2 a.F. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der 1944 geborene Kläger, von Beruf selbständiger Steuerberater, betreute laut Bescheinigung der AOK Hof vom 21.10.1994 in der Zeit vom 06.12.1991 bis 01.08.1994 seinen pflegebedürftigen Vater im Rahmen der häuslichen Pflege und wandte dafür mindestens zehn Stunden wöchentlich auf. Er erhielt ein Pflegegeld von DM 400,00 (Bescheid der AOK vom 25.02.1992).
Im März 1994 ging der Beklagten ein Schreiben des Klägers vom 18.03.1994 zu, mit dem dieser auf ein unbeantwortet gebliebenes formloses Antragsschreiben vom 23.01.1992 betreffend die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege (§ 57 Abs.2 SGB VI a.F.) sowie die Umwandlung freiwilliger Beiträge in Pflichtbeiträge (§ 177 Abs.1 SGB VI a.F.) Bezug nahm und eine darin erbetene Beratung anmahnte.
Die Beklagte fertigte Reproduktionen der inzwischen mikroverfilmten Einheitsakte und des Versicherungskontos des Klägers (Bl.1 bis 17, endend mit dem Kontospiegel vom 27.02.1992 mit freiwilligen Beiträgen zwischen 1985 und 1991) an und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22.08.1994 mit, daß ein Antrag vom 23.01.1992 auf Pflegeberücksichtigungszeit mit Umwandlung von freiwilligen Beiträgen nach § 177 Abs.1 SGB VI nicht vorliege. Sie bat um Nachweise über die damalige Antragstellung. Gleichzeitig übersandte sie neue Antragsformulare.
Nach Anmahnung übersandte der Kläger das neu ausgefüllte Antragsformular, versehen mit dem Zusatz "zum Antrag vom 23.01.1992" (Eingang 13.10.1994), sowie eine Kopie des Antragsschreibens vom 23.01.1992, in dem u.a. von nicht erwerbsmäßiger häuslicher Pflege im Umfang von durchschnittlich 28 Stunden pro Woche die Rede war. Ferner übermittelte er eine Bescheinigung der AOK Hof, Geschäftsstelle Münchberg, über die Pflegetätigkeit in der Zeit vom 06.12.1991 bis 01.08.1994 und die Pflegebedürftigkeit der Pflegeperson im Sinne von § 177 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGB VI sowie über die Bewilligung des Pflegegelds.
Mit Bescheid vom 30.11.1994 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 177 Abs.1 SGB VI für die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge für Zeiten der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege ab 01.03.1994 sowie das Ende der Pflegetätigkeit am 01.08.1994 fest. Zur Begründung hieß es, ein Antrag vom 23.01.1992 liege nicht vor, es könne daher nur der Antrag vom 18.03.1994 berücksichtigt werden.
Mit Bescheid vom 05.12.1994 wurde die Zeit vom 01.03.1994 bis 01.08.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege anerkannt. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.1995 unter Bezugnahme auf § 57 Abs.2 SGB VI zurückgewiesen, da die vorgelegte Kopie des Schreibens vom 23.01.1992 nicht den Eingang bei der Beklagten beweise und nur das Schreiben vom 18.03.1994 als rechtswirksame Antragstellung angesehen werden könne.
Mit der am 19.06.1995 eingegangenen Klage zum Sozialgericht (SG) begehrte der Kläger die Anerkennung der gesamten Zeit vom 01.01.1992 bis 01.08.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege. Eine Klagebegründung wurde vom Kläger bis 29.09.1995 angekündigt, erfolgte jedoch nicht. Statt dessen erklärte sich der Kläger mit dem Erlaß eines vom SG angekündigten Gerichtsbescheides einverstanden. Ohne nähere Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen der Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 02.10.1995 gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Klage als unbegründet ab. Es führte unter Bezugnahme auf § 57 Abs.2 SGB VI aus, die Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege beginne erst vom Antrags- monat an, wenn sie nach Ablauf von drei Monaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit beantragt werde. Eine Antragstellung vor März 1994 sei nicht nachgewiesen. Das SG nahm dazu gemäß § 136 Abs.3 SGG auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Beklagten Bezug, denen nichts hinzuzufügen sei.
Mit der Berufung verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Nach wiederholter Aufforderung zur Berufungsbegründung und Anberaumung eines Erörterungstermins zu diesem Zwecke führte er mit Schriftsatz vom 25.11.1997 erstmals an, er habe das Antragsschreiben vom 23.01.1992 seinerzeit nach Anwendung aller Sorgfaltspflichten beim Abfassen und Adressieren am 23.01.1992 persönlich gegen 11.45 Uhr in einem verschlossenen Umschlag beim Postamt 1 in Münchberg in den Briefkasten eingeworfen, und legte dazu eine eidesstattliche Erklärung vom gleichen Tage vor. Er berief sich auf zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei in Verlust geratenen fristwahrenden Anträgen ergangene Rechtsprechung und erklärte sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 02.10.1995 und Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 05.12.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.05.1995 zu verurteilen, die Zeit vom 01.01.1992 bis 28.02.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verwies auf die zutreffenden Ausführungen in Gerichtsbescheid und Widerspruchsbescheid und erklärte sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vor, auf die wegen der Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.
Zutreffend hat das SG entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege gemäß § 57 Abs.2 SGB VI in der bis 31.03.1995 geltenden Fassung für die Zeit vor dem 01.03.1994 hat. Es konnte auch in der Sache eine Entscheidung treffen, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage gegeben, insbesondere die Klagefrist eingehalten war. Die Beklagte hat dazu im Berufungsverfahren mitgeteilt, daß der Widerspruchsbescheid vom 12.05.1995 erst am 18.05.1995 von der Poststelle abgesandt worden sei. Die am 19.06.1995 erfolgte Klageerhebung war somit rechtzeitig (§§ 85 Abs.3, 63 Abs.2 SGG, § 4 Verwaltungszustellungsgesetz).
In der für den vorliegenden Rechtsstreit noch anwendbaren, mit Wirkung vom 01.04.1995 durch Art.5 Nr.6b Pflegeversicherungsgesetz vom 26.05.1994 (BGBl.I 1014) gestrichenen und durch die im wesentlichen gleichlautende Übergangsvorschrift des § 249b SGB VI ersetzten Vorschrift des § 57 Abs.2 SGB VI ist in Satz 2 festgelegt, daß die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege erst vom Antragsmonat an beginnt, wenn sie nach Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit beantragt wird. Von einem solchen Sachverhalt ist hier auszugehen.
Der Kläger hat seinen pflegebedürftigen Vater laut Bescheinigung der zuständigen AOK vom 21.10.1994 seit 06.12.1991 im Rahmen der häuslichen Pflege betreut. Ein nachweisbarer Antrag auf Anerkennung der Zeit der Pflege in der Rentenversicherung liegt aber erst seit März 1994 vor. Das Schreiben des Klägers vom 18.03.1994 an die Beklagte kann als Antragsschreiben in diesem Sinne gewertet werden, so daß die Beklagte zu Recht von einer Berücksichtigungszeit ab 01.03.1994 ausgegangen ist.
Ein früherer Antrag ist dagegen nicht aktenkundig. Die mit einem Kontenspiegel vom 27.02.1992 endende damalige Einheitsakte des Klägers enthält keinen im Januar oder Februar 1992 eingegangenen Antrag vom 23.01.1992. Die Reproduktion der inzwischen mikroverfilmten Akte läßt eine fortlaufende Numerierung von Bl.1 bis Bl.17 erkennen, so daß insoweit nichts für einen später in Verlust geratenen Aktenbestandteil spricht.
Der Kläger kann sich demgegenüber nicht auf die von ihm vorgelegte Kopie des behaupteten Antragsschreibens vom 23.01.1992 berufen. Diese stellt selbst keinen Nachweis einer wirksamen Antragstellung dar. Ein Antrag ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit ihrem Zugang wirksam wird (§ 130 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Ein Zugang des Schreibens vom 23.01.1992 ist jedoch nicht feststellbar. Der Sachverhalt ist insoweit auch nicht mehr weiter aufklärbar. Die Nichterweislichkeit des Zugangs des fraglichen Schreibens geht zu Lasten des Klägers, der sich darauf beruft. Er trägt hierfür die Beweislast. Der Vortrag des Klägers, er habe den Antrag persönlich am 23.01.1992 in einem verschlossenen Umschlag gegen 11.45 Uhr in den Briefkasten beim Postamt 1 in Münchberg eingeworfen, ist - seine Richtigkeit unterstellt - für eine Modifizierung der Beweislastregeln nicht ausreichend. Es gibt keinen Beweis des ersten Anscheins dahingehend, daß ein zur Post gegebenes bzw. in einen Briefkasten der Post eingeworfenes Schriftstück auch tatsächlich beim Empfänger eingegangen ist. Das gleiche gilt im übrigen auch für Einschreibesendungen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 130 Anm.8; BGH NJW 1964, 1176 und 1996, 2035) wie auch für den Zugang eines Teletextes (BSG NJW 1995, 665; Tipke-Kruse, Abgabenordnung, § 108 Anm.11).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unter dem Gesichtspunkt, daß der für die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege ab Beginn der Pflegetätigkeit im Dezember 1991 fristwahrende Antrag vom 23.01.1992 auf dem Postwege in Verlust geraten und der Kläger so ohne Verschulden gehindert gewesen sein könnte, die gesetzliche Frist einzuhalten, kann ebenfalls nicht erfolgen. Darauf stellt der Kläger offensichtlich mit seinem Schriftsatz vom 25.11.1997 ab, in dem er erstmals während des Rechtsstreits in zwei Instanzen eine Begründung seines Klagebegehrens vornimmt und sich auf Rechtsprechung, die zu Wiedereinsetzungsfragen ergangen ist, beruft. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert aber bereits daran, daß ein entsprechender Antrag - über den gemäß § 27 Abs.4 SGB X zunächst die Beklagte zu entscheiden hätte - nach Abs.3 dieser Bestimmung nur innerhalb eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist (hier: bis 31.03.1993, da der Antrag auf Anerkennung der Berücksichtigungszeit gemäß § 57 Abs.2 SGB VI a.F. innerhalb von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit im Dezember 1991 zu stellen war) gestellt bzw. die versäumte Handlung nur innerhalb dieser Frist nachgeholt werden konnte. Die Jahresfrist dient der Rechtssicherheit, nach dieser Zeit ist es nicht mehr möglich, die ergangene Entscheidung anzugreifen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags infolge höherer Gewalt vor Ablauf der Jahresfrist unmöglich war. Unter höherer Gewalt ist dabei ein Ereignis zu verstehen, das auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem Betreffenden zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dabei ist ein subjektiver Maßstab anzulegen, zu berücksichtigen sind also Lage des Betroffenen, seine Erfahrung und Bildung (vgl. von Wulffen in Schroeder-Printzen, SGB X, § 27 m.w.N., Meyer-Ladewig, SGG, Anm.14 zu § 67 m.w.N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zwar hatte der Kläger auf die weitere Beförderung eines Antrags nach dessen - unterstellter - Aufgabe zur Post keinen Einfluß mehr, es wäre ihm jedoch bei zumutbarer Sorgfalt (rechtzeitige Rückfragen bei der Beklagten nach Eingang oder Bearbeitungsdauer seines Antrags, insbesondere nach längerem Schweigen der Beklagten; erneute Antragstellung, u.U. per Einschreiben) möglich gewesen, den Ablauf der Frist des § 27 Abs.3 SGB X zu vermeiden und einen Wiedereinsetzungsantrag schon innerhalb der Jahresfrist zu stellen bzw. den Antrag nach § 57 Abs.2 SGB VI zu wiederholen. Auch wenn der Verlust von Postgut nicht die Regel ist, so liegt er doch auch nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit. Gerade im Hinblick auf seinen Beruf als Steuerberater müßte dem Kläger bekannt sein, daß Postsendungen verlorengehen können oder aus anderen Gründen nicht zum Empfänger gelangen, so daß in seinem Fall sogar erhöhte Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt zu stellen sind, insbesondere bei fristwahrenden oder sonst wichtigen Schreiben. Der Kläger hat die versäumte Rechtshandlung, also die Antragstellung im Sinne des § 57 Abs.2 SGB VI, nicht bis März 1993, sondern erst im März 1994 nachgeholt.
Auf die Frage, ob der erstmals im Berufungsverfahren erfolgte Vortrag des Klägers zu den näheren Umständen der Absendung des seinerzeitigen Antragsschreibens und die Abgabe einer entsprechenden eigenen eidesstattlichen Versicherung überhaupt geeignet und ausreichend wären, um ein Nichtverschulden im Sinne des § 27 SGB X darzulegen und glaubhaft zu machen, kommt es daher nicht mehr an. Nur am Rande ist deshalb noch darauf hinzuweisen, daß das bisherige Verhalten des Klägers, der sich lange Zeit jeglicher Klage- oder Berufungsbegründung unter vagen Hinweisen auf nie belegte Krankheitsbehauptungen entzog und auch persönliches Erscheinen immer vermied, an hinhaltende und verschleppende Prozeßführung denken läßt, was der Glaubwürdigkeit der schließlich erfolgten Berufungsbegründung und der dazu abgegebenen eidesstattlichen Versicherung nicht zuträglich sein kann. Im übrigen stellt die vom Kläger zitierte Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei in Verlust geratenen fristwahrenden Schriftstücken neben den Darlegungen der näheren Umstände der Postaufgabe eines Schriftstücks zusätzlich auf wirksame Postausgangskontrollen in Kanzleien von Anwälten und Steuerberatern (Fristenkalender etc.) ab, wozu der Kläger nichts vorgetragen hat.
Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 124 Abs.2 SGG im schriftlichen Verfahren ergehen, da beide Beteiligten hiermit einverstanden waren.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist unter den Beteiligten eine Berücksichtigungszeit wegen Pflege gemäß § 57 Abs.2 a.F. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der 1944 geborene Kläger, von Beruf selbständiger Steuerberater, betreute laut Bescheinigung der AOK Hof vom 21.10.1994 in der Zeit vom 06.12.1991 bis 01.08.1994 seinen pflegebedürftigen Vater im Rahmen der häuslichen Pflege und wandte dafür mindestens zehn Stunden wöchentlich auf. Er erhielt ein Pflegegeld von DM 400,00 (Bescheid der AOK vom 25.02.1992).
Im März 1994 ging der Beklagten ein Schreiben des Klägers vom 18.03.1994 zu, mit dem dieser auf ein unbeantwortet gebliebenes formloses Antragsschreiben vom 23.01.1992 betreffend die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege (§ 57 Abs.2 SGB VI a.F.) sowie die Umwandlung freiwilliger Beiträge in Pflichtbeiträge (§ 177 Abs.1 SGB VI a.F.) Bezug nahm und eine darin erbetene Beratung anmahnte.
Die Beklagte fertigte Reproduktionen der inzwischen mikroverfilmten Einheitsakte und des Versicherungskontos des Klägers (Bl.1 bis 17, endend mit dem Kontospiegel vom 27.02.1992 mit freiwilligen Beiträgen zwischen 1985 und 1991) an und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22.08.1994 mit, daß ein Antrag vom 23.01.1992 auf Pflegeberücksichtigungszeit mit Umwandlung von freiwilligen Beiträgen nach § 177 Abs.1 SGB VI nicht vorliege. Sie bat um Nachweise über die damalige Antragstellung. Gleichzeitig übersandte sie neue Antragsformulare.
Nach Anmahnung übersandte der Kläger das neu ausgefüllte Antragsformular, versehen mit dem Zusatz "zum Antrag vom 23.01.1992" (Eingang 13.10.1994), sowie eine Kopie des Antragsschreibens vom 23.01.1992, in dem u.a. von nicht erwerbsmäßiger häuslicher Pflege im Umfang von durchschnittlich 28 Stunden pro Woche die Rede war. Ferner übermittelte er eine Bescheinigung der AOK Hof, Geschäftsstelle Münchberg, über die Pflegetätigkeit in der Zeit vom 06.12.1991 bis 01.08.1994 und die Pflegebedürftigkeit der Pflegeperson im Sinne von § 177 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGB VI sowie über die Bewilligung des Pflegegelds.
Mit Bescheid vom 30.11.1994 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 177 Abs.1 SGB VI für die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge für Zeiten der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege ab 01.03.1994 sowie das Ende der Pflegetätigkeit am 01.08.1994 fest. Zur Begründung hieß es, ein Antrag vom 23.01.1992 liege nicht vor, es könne daher nur der Antrag vom 18.03.1994 berücksichtigt werden.
Mit Bescheid vom 05.12.1994 wurde die Zeit vom 01.03.1994 bis 01.08.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege anerkannt. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.1995 unter Bezugnahme auf § 57 Abs.2 SGB VI zurückgewiesen, da die vorgelegte Kopie des Schreibens vom 23.01.1992 nicht den Eingang bei der Beklagten beweise und nur das Schreiben vom 18.03.1994 als rechtswirksame Antragstellung angesehen werden könne.
Mit der am 19.06.1995 eingegangenen Klage zum Sozialgericht (SG) begehrte der Kläger die Anerkennung der gesamten Zeit vom 01.01.1992 bis 01.08.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege. Eine Klagebegründung wurde vom Kläger bis 29.09.1995 angekündigt, erfolgte jedoch nicht. Statt dessen erklärte sich der Kläger mit dem Erlaß eines vom SG angekündigten Gerichtsbescheides einverstanden. Ohne nähere Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen der Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 02.10.1995 gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Klage als unbegründet ab. Es führte unter Bezugnahme auf § 57 Abs.2 SGB VI aus, die Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege beginne erst vom Antrags- monat an, wenn sie nach Ablauf von drei Monaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit beantragt werde. Eine Antragstellung vor März 1994 sei nicht nachgewiesen. Das SG nahm dazu gemäß § 136 Abs.3 SGG auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Beklagten Bezug, denen nichts hinzuzufügen sei.
Mit der Berufung verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Nach wiederholter Aufforderung zur Berufungsbegründung und Anberaumung eines Erörterungstermins zu diesem Zwecke führte er mit Schriftsatz vom 25.11.1997 erstmals an, er habe das Antragsschreiben vom 23.01.1992 seinerzeit nach Anwendung aller Sorgfaltspflichten beim Abfassen und Adressieren am 23.01.1992 persönlich gegen 11.45 Uhr in einem verschlossenen Umschlag beim Postamt 1 in Münchberg in den Briefkasten eingeworfen, und legte dazu eine eidesstattliche Erklärung vom gleichen Tage vor. Er berief sich auf zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei in Verlust geratenen fristwahrenden Anträgen ergangene Rechtsprechung und erklärte sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 02.10.1995 und Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 05.12.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.05.1995 zu verurteilen, die Zeit vom 01.01.1992 bis 28.02.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verwies auf die zutreffenden Ausführungen in Gerichtsbescheid und Widerspruchsbescheid und erklärte sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vor, auf die wegen der Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.
Zutreffend hat das SG entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege gemäß § 57 Abs.2 SGB VI in der bis 31.03.1995 geltenden Fassung für die Zeit vor dem 01.03.1994 hat. Es konnte auch in der Sache eine Entscheidung treffen, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage gegeben, insbesondere die Klagefrist eingehalten war. Die Beklagte hat dazu im Berufungsverfahren mitgeteilt, daß der Widerspruchsbescheid vom 12.05.1995 erst am 18.05.1995 von der Poststelle abgesandt worden sei. Die am 19.06.1995 erfolgte Klageerhebung war somit rechtzeitig (§§ 85 Abs.3, 63 Abs.2 SGG, § 4 Verwaltungszustellungsgesetz).
In der für den vorliegenden Rechtsstreit noch anwendbaren, mit Wirkung vom 01.04.1995 durch Art.5 Nr.6b Pflegeversicherungsgesetz vom 26.05.1994 (BGBl.I 1014) gestrichenen und durch die im wesentlichen gleichlautende Übergangsvorschrift des § 249b SGB VI ersetzten Vorschrift des § 57 Abs.2 SGB VI ist in Satz 2 festgelegt, daß die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege erst vom Antragsmonat an beginnt, wenn sie nach Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit beantragt wird. Von einem solchen Sachverhalt ist hier auszugehen.
Der Kläger hat seinen pflegebedürftigen Vater laut Bescheinigung der zuständigen AOK vom 21.10.1994 seit 06.12.1991 im Rahmen der häuslichen Pflege betreut. Ein nachweisbarer Antrag auf Anerkennung der Zeit der Pflege in der Rentenversicherung liegt aber erst seit März 1994 vor. Das Schreiben des Klägers vom 18.03.1994 an die Beklagte kann als Antragsschreiben in diesem Sinne gewertet werden, so daß die Beklagte zu Recht von einer Berücksichtigungszeit ab 01.03.1994 ausgegangen ist.
Ein früherer Antrag ist dagegen nicht aktenkundig. Die mit einem Kontenspiegel vom 27.02.1992 endende damalige Einheitsakte des Klägers enthält keinen im Januar oder Februar 1992 eingegangenen Antrag vom 23.01.1992. Die Reproduktion der inzwischen mikroverfilmten Akte läßt eine fortlaufende Numerierung von Bl.1 bis Bl.17 erkennen, so daß insoweit nichts für einen später in Verlust geratenen Aktenbestandteil spricht.
Der Kläger kann sich demgegenüber nicht auf die von ihm vorgelegte Kopie des behaupteten Antragsschreibens vom 23.01.1992 berufen. Diese stellt selbst keinen Nachweis einer wirksamen Antragstellung dar. Ein Antrag ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit ihrem Zugang wirksam wird (§ 130 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Ein Zugang des Schreibens vom 23.01.1992 ist jedoch nicht feststellbar. Der Sachverhalt ist insoweit auch nicht mehr weiter aufklärbar. Die Nichterweislichkeit des Zugangs des fraglichen Schreibens geht zu Lasten des Klägers, der sich darauf beruft. Er trägt hierfür die Beweislast. Der Vortrag des Klägers, er habe den Antrag persönlich am 23.01.1992 in einem verschlossenen Umschlag gegen 11.45 Uhr in den Briefkasten beim Postamt 1 in Münchberg eingeworfen, ist - seine Richtigkeit unterstellt - für eine Modifizierung der Beweislastregeln nicht ausreichend. Es gibt keinen Beweis des ersten Anscheins dahingehend, daß ein zur Post gegebenes bzw. in einen Briefkasten der Post eingeworfenes Schriftstück auch tatsächlich beim Empfänger eingegangen ist. Das gleiche gilt im übrigen auch für Einschreibesendungen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 130 Anm.8; BGH NJW 1964, 1176 und 1996, 2035) wie auch für den Zugang eines Teletextes (BSG NJW 1995, 665; Tipke-Kruse, Abgabenordnung, § 108 Anm.11).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unter dem Gesichtspunkt, daß der für die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege ab Beginn der Pflegetätigkeit im Dezember 1991 fristwahrende Antrag vom 23.01.1992 auf dem Postwege in Verlust geraten und der Kläger so ohne Verschulden gehindert gewesen sein könnte, die gesetzliche Frist einzuhalten, kann ebenfalls nicht erfolgen. Darauf stellt der Kläger offensichtlich mit seinem Schriftsatz vom 25.11.1997 ab, in dem er erstmals während des Rechtsstreits in zwei Instanzen eine Begründung seines Klagebegehrens vornimmt und sich auf Rechtsprechung, die zu Wiedereinsetzungsfragen ergangen ist, beruft. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert aber bereits daran, daß ein entsprechender Antrag - über den gemäß § 27 Abs.4 SGB X zunächst die Beklagte zu entscheiden hätte - nach Abs.3 dieser Bestimmung nur innerhalb eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist (hier: bis 31.03.1993, da der Antrag auf Anerkennung der Berücksichtigungszeit gemäß § 57 Abs.2 SGB VI a.F. innerhalb von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit im Dezember 1991 zu stellen war) gestellt bzw. die versäumte Handlung nur innerhalb dieser Frist nachgeholt werden konnte. Die Jahresfrist dient der Rechtssicherheit, nach dieser Zeit ist es nicht mehr möglich, die ergangene Entscheidung anzugreifen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags infolge höherer Gewalt vor Ablauf der Jahresfrist unmöglich war. Unter höherer Gewalt ist dabei ein Ereignis zu verstehen, das auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem Betreffenden zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dabei ist ein subjektiver Maßstab anzulegen, zu berücksichtigen sind also Lage des Betroffenen, seine Erfahrung und Bildung (vgl. von Wulffen in Schroeder-Printzen, SGB X, § 27 m.w.N., Meyer-Ladewig, SGG, Anm.14 zu § 67 m.w.N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zwar hatte der Kläger auf die weitere Beförderung eines Antrags nach dessen - unterstellter - Aufgabe zur Post keinen Einfluß mehr, es wäre ihm jedoch bei zumutbarer Sorgfalt (rechtzeitige Rückfragen bei der Beklagten nach Eingang oder Bearbeitungsdauer seines Antrags, insbesondere nach längerem Schweigen der Beklagten; erneute Antragstellung, u.U. per Einschreiben) möglich gewesen, den Ablauf der Frist des § 27 Abs.3 SGB X zu vermeiden und einen Wiedereinsetzungsantrag schon innerhalb der Jahresfrist zu stellen bzw. den Antrag nach § 57 Abs.2 SGB VI zu wiederholen. Auch wenn der Verlust von Postgut nicht die Regel ist, so liegt er doch auch nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit. Gerade im Hinblick auf seinen Beruf als Steuerberater müßte dem Kläger bekannt sein, daß Postsendungen verlorengehen können oder aus anderen Gründen nicht zum Empfänger gelangen, so daß in seinem Fall sogar erhöhte Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt zu stellen sind, insbesondere bei fristwahrenden oder sonst wichtigen Schreiben. Der Kläger hat die versäumte Rechtshandlung, also die Antragstellung im Sinne des § 57 Abs.2 SGB VI, nicht bis März 1993, sondern erst im März 1994 nachgeholt.
Auf die Frage, ob der erstmals im Berufungsverfahren erfolgte Vortrag des Klägers zu den näheren Umständen der Absendung des seinerzeitigen Antragsschreibens und die Abgabe einer entsprechenden eigenen eidesstattlichen Versicherung überhaupt geeignet und ausreichend wären, um ein Nichtverschulden im Sinne des § 27 SGB X darzulegen und glaubhaft zu machen, kommt es daher nicht mehr an. Nur am Rande ist deshalb noch darauf hinzuweisen, daß das bisherige Verhalten des Klägers, der sich lange Zeit jeglicher Klage- oder Berufungsbegründung unter vagen Hinweisen auf nie belegte Krankheitsbehauptungen entzog und auch persönliches Erscheinen immer vermied, an hinhaltende und verschleppende Prozeßführung denken läßt, was der Glaubwürdigkeit der schließlich erfolgten Berufungsbegründung und der dazu abgegebenen eidesstattlichen Versicherung nicht zuträglich sein kann. Im übrigen stellt die vom Kläger zitierte Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei in Verlust geratenen fristwahrenden Schriftstücken neben den Darlegungen der näheren Umstände der Postaufgabe eines Schriftstücks zusätzlich auf wirksame Postausgangskontrollen in Kanzleien von Anwälten und Steuerberatern (Fristenkalender etc.) ab, wozu der Kläger nichts vorgetragen hat.
Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 124 Abs.2 SGG im schriftlichen Verfahren ergehen, da beide Beteiligten hiermit einverstanden waren.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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