Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RA 945/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 192/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Wirksamkeit einer Klagerücknahme.
Die Klägerin bezieht seit 1990 von der Beklagten Altersrente, u.a. aufgrund von Zeiten nach dem Fremdrentenrecht. Mit Bescheid vom 19.04.1996 hatte die Beklagte die Altersrente der Klägerin aufgrund eines Überprüfungsantrags neu festgestellt und dabei die Zeit ihrer Tätigkeit als Leiterin der Finanzabteilung eines militärischen Erholungsheims im Riesengebirge ab 01.02.1970 nach vorangegangener fünfjähriger Tätigkeit in gehobener Berufsposition der Leistungsgruppe 2 der Angestelltenversicherung (anstelle der bisher anerkannten Leistungsgruppe 3) zugeordnet. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid, mit dem sie die Leistungsgruppe 2 bereits für die Zeit ab 01.02.1965 begehrte, hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.1996 u.a. unter Hinweis auf ausführliche Erläuterungen zur Rechtslage in zuvor anhängig gewesenen Verfahren zurückgewiesen, weil eine frühere Zuordnung nicht möglich sei.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) nahm die Klägerin laut Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.08.1999 die Klage zurück, nachdem der Vorsitzende nach eingehender Besprechung der Sach- und Rechtslage darauf hingewiesen hatte, dass die Zuerkennung der Leistungsgruppe 2 ab 01.02.1970 bereits auf einer wohlwollenden Behandlung seitens der Beklagten beruhe und der darüber hinausgehende Klageantrag keine Aussicht auf Erfolg habe. Mit einem am 09.08.1999 eingegangenen Schreiben widerrief die Klägerin diese Klagerücknahme wegen Irrtums und mit der Begründung, sie sei durch Drängen indirekt zur Klagerücknahme gezwungen worden. Auch führte sie an, wegen sich bis zur Unerträglichkeit steigernder Schmerzen in der Verhandlung aufgrund eines Nierenleidens und daraus folgender Erschöpfung nicht in der Lage gewesen zu sein, ihr Klagebegehren selbst vorbringen zu können und sich richtig zu verteidigen. Sie legte dazu ärztliche Atteste und Befundunterlagen über Behandlungen und Untersuchungen zwischen März 1999 und März 2000 vor.
Das SG erließ am 26.07.2000 nach entsprechender Anhörungsmitteilung einen Gerichtsbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass das Klageverfahren S 17 RA 984/96 durch Klagerücknahme am 05.08.1999 erledigt sei. Es verwies auf die in der Niederschrift vom 05.08.1999 protokollierte eindeutige und vorbehaltlose Erklärung der Klägerin, "sie nehme die Klage vom 20.12.1996 zurück und erkläre den Rechtsstreit für erledigt", die ihr vorgelesen und von ihr genehmigt worden sei. Ein Widerruf dieser Erklärung wegen Irrtums sei rechtlich unbeachtlich. Auch eine Anfechtung der Klagerücknahme sei nicht möglich, da die Vorschriften des materiellen Rechts über Anfechtung von Willenserklärungen auf Prozesshandlungen auch nicht entsprechend anwendbar seien. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei nur im Falle von Restitutionsgründen im Sinne des § 580 ZPO i.V.m. § 179 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, für deren Vorliegen aber keine Anhaltspunkte bestünden. Der Wirksamkeit der Klagerücknahme stehe schließlich auch nicht die von der Klägerin angegebene Erschöpfung aufgrund von Krankheit bei Abgabe der Rücknahmeerklärung entgegen. Eine Geschäftsunfähigkeit könne bei dem vorliegenden Krankheitsbild (Harnstein) nicht angenommen werden, auch sei eine akute Harnleiterkolik in der Sitzung vom 05.08.1999 nicht glaubhaft.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und beruft sich erneut auf Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt der Klagerücknahme bzw. auf einen Erschöpfungszustand, aufgrund dessen sie der drängenden Aufforderung zur Klagerücknahme nichts habe entgegenhalten können. Sie habe während der Verhandlung starke, sich wegen Stauung der Niere und des Harnleiters bis ins Unerträgliche gesteigerte kolikartige Schmerzen gehabt. Auch sei sie durch die Nebenwirkungen eines im damaligen Zeitraum eingenommenen Präparats (Irenat-Tropfen), wie Kopfschwere und Mundtrockenheit, beeinträchtigt gewesen.
Die Klägerin legt dazu ihren Krankheitsverlauf seit Dezember 1988 und die im Einzelnen erfolgten Untersuchungen, zuletzt vor dem Gerichtstermin am 04.08.1999 (Blasenspiegelung), dar und verweist auf die späteren stationären Untersuchungen und Behandlungen (10.07. bis 17.08.1999, 27.09. bis 11.10.1999, 24.01. bis 29.02.2000), die zuletzt wegen des Verdachts auf Harnleitertumor zur Entfernung des rechten Harnleiters und der rechten Niere geführt hätten.
Die Klägerin, die zu ihrem Vorbringen weitere ärztliche Unterlagen aus der Zeit von März 1999 bis März 2000 vorlegt, beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.07.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Neuberechnungsbescheids vom 19.04.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.1996 zu verurteilen, die Zeit ihrer Tätigkeit vom 01.02.1965 bis 31.01.1970 der Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 FRG zuzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid in vollem Umfang für zutreffend und führt noch an, die Klägerin sei sich über die Tragweite derartiger Erklärungen in der mündlichen Verhandlung durch bereits in der Vergangenheit geführte Verfahren bewusst gewesen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken zugezogenen Akten S 17 An 984/96 und S 17 An 267/90 des Sozialgerichts München, die Akten L 1 An 130/91 des Bayer. Landessozialgerichts sowie die Rentenakten der Beklagten vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 SGG), in der Hauptsache jedoch nicht begründet.
Das Erstgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht festgestellt, dass das Klageverfahren S 17 RA 984/96 durch die Klagerücknahme am 05.08.1999 erledigt ist.
Die Klagerücknahme stellt eine prozessuale Erklärung dar, deren Wirksamkeit die Klägerin nachträglich nicht beseitigen konnte. Willensmängel bei prozessualen Erklärungen hat der Gesetzgeber mit speziellen Vorschriften über die Prozessunfähigkeit und die Wiederaufnahme des Verfahrens unter eng begrenzten Voraussetzungen (§§ 71, 179, 180 SGG) erfasst und so bestimmt, unter welchen beschränkten Umständen von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer prozessrechtlich relevanten Erklärung ausgegangen werden darf. Das Erstgericht hat zutreffend dargelegt, dass danach weder eine Anfechtung der Klagerücknahmeerklärung der Klägerin noch deren Widerruf oder eine sonstige Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht kommt und auch Prozessunfähigkeit nicht vorlag, so dass von einer wirksamen Erklärung der Klagerücknahme auszugehen ist. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 153 Abs.2 SGG verwiesen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Hinzuzufügen bleibt im Hinblick auf das Vorbringen in zweiter Instanz, dass der Klägerin die Prozesserklärung auch zuzurechnen ist, selbst wenn diese für sie formuliert wurde. Die Erklärung wurde entsprechend den gesetzlichen Vorschriften anschließend vorgelesen und von ihr genehmigt. Hinweise auf einen dabei auf sie ausgeübten "unangemessenen Druck", der in Extremfällen zum Verlust der Prozessfähigkeit führen könnte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdnr.7c zu § 102), ergeben sich für den Senat auch bei Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin nicht. Auch von einer Prozessunfähigkeit konnte der Senat angesichts der gesamten Umstände nicht ausgehen. Eine hier nur in Betracht kommende vorübergehende Prozessunfähigkeit liegt vor, wenn eine Erklärung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird (§ 105 Abs.2 BGB). Die Voraussetzungen dafür wurden von der Klägerin auch in zweiter Instanz nicht nachgewiesen. Die sicherlich unangenehme seinerzeitige Nierenerkrankung der Klägerin führt - ebenso wie andere mit teilweise erheblichen Schmerzen verbundene Erkrankungen - als solche nicht zu Prozess- bzw. Geschäftsunfähigkeit; vorübergehende Prozessunfähigkeit könnte allenfalls durch einen im Einzelfall denkbaren, notfallähnlichen Zustand besonders gesteigerter Schmerzen begründet sein. Der Eintritt eines solchen Zustandes in der mündlichen Verhandlung vom 05.08.1999 wird von der Klägerin zwar behauptet, ist aber trotz der Vielzahl der übersandten ärztlichen Unterlagen in keiner Weise belegt. Ärztliche Aussagen dazu sind nicht vorhanden. Ein entsprechender Vorfall, etwa eine heftige Nierenkolik, ist nach den Gesamtumständen auch unwahrscheinlich, denn er hätte von den Anwesenden bemerkt werden und zum Abbruch der Verhandlung und zum Herbeirufen eines Notarztes führen müssen.
Unter Berücksichtigung aller Umstände war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Wirksamkeit einer Klagerücknahme.
Die Klägerin bezieht seit 1990 von der Beklagten Altersrente, u.a. aufgrund von Zeiten nach dem Fremdrentenrecht. Mit Bescheid vom 19.04.1996 hatte die Beklagte die Altersrente der Klägerin aufgrund eines Überprüfungsantrags neu festgestellt und dabei die Zeit ihrer Tätigkeit als Leiterin der Finanzabteilung eines militärischen Erholungsheims im Riesengebirge ab 01.02.1970 nach vorangegangener fünfjähriger Tätigkeit in gehobener Berufsposition der Leistungsgruppe 2 der Angestelltenversicherung (anstelle der bisher anerkannten Leistungsgruppe 3) zugeordnet. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid, mit dem sie die Leistungsgruppe 2 bereits für die Zeit ab 01.02.1965 begehrte, hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.1996 u.a. unter Hinweis auf ausführliche Erläuterungen zur Rechtslage in zuvor anhängig gewesenen Verfahren zurückgewiesen, weil eine frühere Zuordnung nicht möglich sei.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) nahm die Klägerin laut Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.08.1999 die Klage zurück, nachdem der Vorsitzende nach eingehender Besprechung der Sach- und Rechtslage darauf hingewiesen hatte, dass die Zuerkennung der Leistungsgruppe 2 ab 01.02.1970 bereits auf einer wohlwollenden Behandlung seitens der Beklagten beruhe und der darüber hinausgehende Klageantrag keine Aussicht auf Erfolg habe. Mit einem am 09.08.1999 eingegangenen Schreiben widerrief die Klägerin diese Klagerücknahme wegen Irrtums und mit der Begründung, sie sei durch Drängen indirekt zur Klagerücknahme gezwungen worden. Auch führte sie an, wegen sich bis zur Unerträglichkeit steigernder Schmerzen in der Verhandlung aufgrund eines Nierenleidens und daraus folgender Erschöpfung nicht in der Lage gewesen zu sein, ihr Klagebegehren selbst vorbringen zu können und sich richtig zu verteidigen. Sie legte dazu ärztliche Atteste und Befundunterlagen über Behandlungen und Untersuchungen zwischen März 1999 und März 2000 vor.
Das SG erließ am 26.07.2000 nach entsprechender Anhörungsmitteilung einen Gerichtsbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass das Klageverfahren S 17 RA 984/96 durch Klagerücknahme am 05.08.1999 erledigt sei. Es verwies auf die in der Niederschrift vom 05.08.1999 protokollierte eindeutige und vorbehaltlose Erklärung der Klägerin, "sie nehme die Klage vom 20.12.1996 zurück und erkläre den Rechtsstreit für erledigt", die ihr vorgelesen und von ihr genehmigt worden sei. Ein Widerruf dieser Erklärung wegen Irrtums sei rechtlich unbeachtlich. Auch eine Anfechtung der Klagerücknahme sei nicht möglich, da die Vorschriften des materiellen Rechts über Anfechtung von Willenserklärungen auf Prozesshandlungen auch nicht entsprechend anwendbar seien. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei nur im Falle von Restitutionsgründen im Sinne des § 580 ZPO i.V.m. § 179 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, für deren Vorliegen aber keine Anhaltspunkte bestünden. Der Wirksamkeit der Klagerücknahme stehe schließlich auch nicht die von der Klägerin angegebene Erschöpfung aufgrund von Krankheit bei Abgabe der Rücknahmeerklärung entgegen. Eine Geschäftsunfähigkeit könne bei dem vorliegenden Krankheitsbild (Harnstein) nicht angenommen werden, auch sei eine akute Harnleiterkolik in der Sitzung vom 05.08.1999 nicht glaubhaft.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und beruft sich erneut auf Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt der Klagerücknahme bzw. auf einen Erschöpfungszustand, aufgrund dessen sie der drängenden Aufforderung zur Klagerücknahme nichts habe entgegenhalten können. Sie habe während der Verhandlung starke, sich wegen Stauung der Niere und des Harnleiters bis ins Unerträgliche gesteigerte kolikartige Schmerzen gehabt. Auch sei sie durch die Nebenwirkungen eines im damaligen Zeitraum eingenommenen Präparats (Irenat-Tropfen), wie Kopfschwere und Mundtrockenheit, beeinträchtigt gewesen.
Die Klägerin legt dazu ihren Krankheitsverlauf seit Dezember 1988 und die im Einzelnen erfolgten Untersuchungen, zuletzt vor dem Gerichtstermin am 04.08.1999 (Blasenspiegelung), dar und verweist auf die späteren stationären Untersuchungen und Behandlungen (10.07. bis 17.08.1999, 27.09. bis 11.10.1999, 24.01. bis 29.02.2000), die zuletzt wegen des Verdachts auf Harnleitertumor zur Entfernung des rechten Harnleiters und der rechten Niere geführt hätten.
Die Klägerin, die zu ihrem Vorbringen weitere ärztliche Unterlagen aus der Zeit von März 1999 bis März 2000 vorlegt, beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.07.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Neuberechnungsbescheids vom 19.04.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.1996 zu verurteilen, die Zeit ihrer Tätigkeit vom 01.02.1965 bis 31.01.1970 der Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 FRG zuzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid in vollem Umfang für zutreffend und führt noch an, die Klägerin sei sich über die Tragweite derartiger Erklärungen in der mündlichen Verhandlung durch bereits in der Vergangenheit geführte Verfahren bewusst gewesen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken zugezogenen Akten S 17 An 984/96 und S 17 An 267/90 des Sozialgerichts München, die Akten L 1 An 130/91 des Bayer. Landessozialgerichts sowie die Rentenakten der Beklagten vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 SGG), in der Hauptsache jedoch nicht begründet.
Das Erstgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht festgestellt, dass das Klageverfahren S 17 RA 984/96 durch die Klagerücknahme am 05.08.1999 erledigt ist.
Die Klagerücknahme stellt eine prozessuale Erklärung dar, deren Wirksamkeit die Klägerin nachträglich nicht beseitigen konnte. Willensmängel bei prozessualen Erklärungen hat der Gesetzgeber mit speziellen Vorschriften über die Prozessunfähigkeit und die Wiederaufnahme des Verfahrens unter eng begrenzten Voraussetzungen (§§ 71, 179, 180 SGG) erfasst und so bestimmt, unter welchen beschränkten Umständen von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer prozessrechtlich relevanten Erklärung ausgegangen werden darf. Das Erstgericht hat zutreffend dargelegt, dass danach weder eine Anfechtung der Klagerücknahmeerklärung der Klägerin noch deren Widerruf oder eine sonstige Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht kommt und auch Prozessunfähigkeit nicht vorlag, so dass von einer wirksamen Erklärung der Klagerücknahme auszugehen ist. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 153 Abs.2 SGG verwiesen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Hinzuzufügen bleibt im Hinblick auf das Vorbringen in zweiter Instanz, dass der Klägerin die Prozesserklärung auch zuzurechnen ist, selbst wenn diese für sie formuliert wurde. Die Erklärung wurde entsprechend den gesetzlichen Vorschriften anschließend vorgelesen und von ihr genehmigt. Hinweise auf einen dabei auf sie ausgeübten "unangemessenen Druck", der in Extremfällen zum Verlust der Prozessfähigkeit führen könnte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdnr.7c zu § 102), ergeben sich für den Senat auch bei Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin nicht. Auch von einer Prozessunfähigkeit konnte der Senat angesichts der gesamten Umstände nicht ausgehen. Eine hier nur in Betracht kommende vorübergehende Prozessunfähigkeit liegt vor, wenn eine Erklärung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird (§ 105 Abs.2 BGB). Die Voraussetzungen dafür wurden von der Klägerin auch in zweiter Instanz nicht nachgewiesen. Die sicherlich unangenehme seinerzeitige Nierenerkrankung der Klägerin führt - ebenso wie andere mit teilweise erheblichen Schmerzen verbundene Erkrankungen - als solche nicht zu Prozess- bzw. Geschäftsunfähigkeit; vorübergehende Prozessunfähigkeit könnte allenfalls durch einen im Einzelfall denkbaren, notfallähnlichen Zustand besonders gesteigerter Schmerzen begründet sein. Der Eintritt eines solchen Zustandes in der mündlichen Verhandlung vom 05.08.1999 wird von der Klägerin zwar behauptet, ist aber trotz der Vielzahl der übersandten ärztlichen Unterlagen in keiner Weise belegt. Ärztliche Aussagen dazu sind nicht vorhanden. Ein entsprechender Vorfall, etwa eine heftige Nierenkolik, ist nach den Gesamtumständen auch unwahrscheinlich, denn er hätte von den Anwesenden bemerkt werden und zum Abbruch der Verhandlung und zum Herbeirufen eines Notarztes führen müssen.
Unter Berücksichtigung aller Umstände war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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