L 13 RA 264/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 146/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 264/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 31. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Altersrente des Klägers streitig.

Der am 1939 geborene Kläger ist am 20.10.1989 aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik übersiedelt. Er hatte in der DDR nach Abschluss der Schulausbildung von September 1957 bis Februar 1960 den Beruf eines Augenoptikers erlernt. Nach einer Tätigkeit als Facharbeiter absolvierte er von September 1960 bis August 1966 ein Studium, das er mit dem akademischen Grad Diplom-Ingenieur abschloss. Er war anschließend entsprechend seiner Ausbildung beschäftigt, zuletzt von August 1979 bis September 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Direktors des Zentrums für Forschung und Technologie von N./B ... Auf seinen Antrag stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27.10.1995 die Versicherungszeiten verbindlich fest und erkannte dabei die Zeit vom 22.08.1955 bis 31.07.1964 als Anrechnungszeit wegen Ausbildung an. Sie wies darauf hin, dass mit einer gekürzten Anrechnung dieser Zeiten, abhängig vom tatsächlichen Leistungsbeginn zu rechnen sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch verfolgte der Kläger nach Hinweis auf Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist und Aufklärung über die Sach- und Rechtslage zunächst nicht weiter. Im Oktober 1997 bat der Kläger erneut um Erteilung einer Rentenauskunft, worauf die Beklagte mit Bescheid vom 27.01.1998 den Bescheid vom 27.10.1995 insoweit aufhob, als Ausbildungszeiten erst ab dem 17. Lebensjahr anerkannt werden könnten, schulische Ausbildungszeiten nur bis zur Höchstdauer von insgesamt drei Jahren. Unter gleichem Datum erteilte die Beklagte dem Kläger eine Rentenauskunft. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch mit dem Ziel, die Rente nach den Regelungen des Fremdrentenrechts zu berechnen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.1998 zurück, da es sich bei der Rentenauskunft nicht um einen Verwaltungsakt mit Bindungswirkung handle und diese daher nicht verbindlich sei.

Dagegen erhob der Kläger am 18.05.1998 Klage beim Sozialgericht Bayreuth und führte im Wesentlichen aus, das Fremdrentengesetz (FRG) sei so anzuwenden, dass Personen, die vor dem Fall der Mauer am 09.11.1989 Bundesbürger gewesen seien und ihren ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätten, gleich behandelt würden. Die geltende Regelung, das Fremdrentenrecht nur bis Geburtsjahrgang 1937 anzuwenden, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Desweiteren seien Ausbildungszeiten in vollem Umfang anzurechnen.

Während des Klageverfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheiden vom 07.10.1999 und 19.01.2000 ab 01.09.1999 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von DM 2.019,33 monatlich. Sie ermittelte dabei Entgeltpunkte auf der Basis der in der DDR nachgewiesenen Beitragszeiten und Entgelte und berücksichtigte die Zeiten vom 22.08.1956 bis 31.08.1957 als Schulausbildung und die Zeit vom 01.09.1960 bis 31.08.1963 als Hochschulausbildung. Die Schulausbilung vor dem 17. Lebensjahr fand keine Anrechnung, ebenso wurde die Hochschulausbildung ab 01.09.1963 bis 24.06.1966 nicht berücksichtigt, da die Höchstdauer überschritten sei. Den gegen den Rentenbescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2000 als unbegründet zurück.

Der Kläger änderte darauf die Klage dahingehend, dass streitgegenständlich nunmehr die Rentenbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sein sollten. Die Beklagte willigte in die Änderung der Klage ein.

Mit Urteil vom 31.10.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte für die Bewertung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitragsgebiet § 256 a in Verbindung mit § 259 a SGB VI herangezogen, statt das Fremdrentengesetz anzuwenden. Der Kläger sei nach dem 01.01.1937 geboren, weshalb für ihn das Fremdrentenrecht keine Anwendung mehr finden könne. Die gesetzliche Regelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal sich zur Stichtagsproblematik das Bundessozialgericht schon in zahlreichen Entscheidungen geäußert habe. Es gebe auch keinen älteren Feststellungsbescheid, den die Beklagte hätte beseitigen müssen. Zutreffend habe die Beklagte auch Ausbildungsanrechnungszeiten erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres angerechnet, was der Neuregelung des § 58 Abs.1 Satz 1 Nr.4 SGB VI entspreche. Auch hier sei die Beklagte verfahrensrechtlich nicht an die Aussagen des Bescheides vom 27.10.1995 gebunden gewesen. Der Bescheid vom 27.01.1998 enthalte ausdrücklich die Aufhebung dieses Bescheides insoweit.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er im Wesentlichen weiter ausführt, er sei vor dem Fall der Mauer am 09.11.1989 Bundesbürger mit ständigem Wohnsitz in der Bundesrepublik gewesen, zum Zeitpunkt des Mauerfalls sei das FRG noch gültig gewesen und er habe noch im Geltungszeitraum des FRG als Angestellter in der Bundesrepublik gearbeitet. Vor In-Kraft-Treten des Gesetzes zum Vertrag zum 31.08.1990 sei er Bundesbürger gewesen, das Sozialgesetzbuch sei erst später geändert worden, weshalb für ihn Vertrauens- und Bestandsschutz gelten müsse. Die Regelung des § 259 a SGB VI, nach der Versicherte vor dem Jahre 1937 geboren sein müssten, damit das Fremdrentenrecht auf sie Anwendung finde, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.10.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 07.10.1999 und 19.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2000 zu verurteilen, bei der Rentenberechnung statt § 256 a SGB VI das Fremdrentengesetz anzuwenden und die Anrechnungszeit wegen Ausbildung in vollem Umfang zu beücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch sachlich unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten auf der Grundlage des FRG sowie auf Berücksichtigung weiterer Ausbildungsanrechnungszeiten bei der Rentenberechnung.

Die Beklagte hat den Wert der Rente des Klägers unter Anrechnung der nachgewiesenen Beitrags- und Anrechnungszeiten in gesetzlich zulässigem Umfang richtig festgestellt. Sie hat insbesondere für die Beschäftigung im Beitrittsgebiet die zutreffenden Arbeitsentgelte ermittelt und der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Eine Berücksichtigung der Beitragszeiten vom 01.09.1957 bis 20.08.1960 und 01.09.1966 bis 20.09.1989 auf der Grundlage des FRG kommt nicht in Betracht.

Grundlage der Rentenberechnung ist § 256 a SGB VI, wonach für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 08.05.1945 Entgeltpunkte ermittelt werden, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Auf der Grundlage dieser Vorschrift hat die Beklagte zutreffend die Entgeltpunkte für die Beitragszeiten im Beitrittsgebiet ermittelt, wobei der Kläger selbst gegen die Höhe der zugrunde gelegten Verdienste, wie sie sich aus den vorliegenden Sozialversicherungsausweisen ergeben, keine Einwände erhoben hat.

Die Schutzvorschrift des § 259 a SGB VI, nach der für Ausnahmefälle Entgeltpunkte aufgrund der Anlagen 1 bis 16 zum FRG ermittelt werden, kommt beim Kläger nicht zum Tragen, da er nicht vor dem 01.01.1937 geboren ist. Unerheblich ist dabei, seit welchem Zeitpunkt der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland wohnt. Die vom Kläger gegen diese Stichtagsregelung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken vermögen nicht zu überzeugen, wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 29.07.1997 - 4 RA 56/95 - deutlich gemacht hat, dass sowohl der vom Gesetzgeber gewählte Stichtag 18.05.1990 als auch die Beschränkung der Übergangsregelung auf Geburtsjahrgänge vor 1937 nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art.3 Grundgesetz und auch nicht gegen andere verfassungsrechtliche Grundsätze verstößt.

Mit dem In-Kraft-Treten des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25.07.1991 wurde das SGB VI ab 01.01.1992 auch im Beitrittsgebiet anstelle des Sozialversicherungsrechts der DDR wirksam. Dies hat zur Folge, dass rentenrechtliche Zeiten im Beitrittsgebiet grundsätzlich so behandelt werden, wie rentenrechtliche Zeiten im alten Bundesgebiet. Basis der Rentenberechnung ist der erzielte Verdienst, aus dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet wurden (vgl. §§ 63, 70 SGB VI). Da die in den neuen Bundesländern erzielten Entgelte unter denen der alten Bundesländer lagen, werden die Individualverdienste gemäß § 256 a SGB VI mit dem Faktor der Anlage 10 zum SGB VI in eine Bemessungsgrundlage umgerechnet, die sie Entgelten in den alten Bundesländern vergleichbar machen. Nur für einen eng begrenzten Personenkreis sieht § 259 a SGB VI eine Sonderregelung vor, wonach Entgeltpunkte nach den Tabellenwerten des FRG ermittelt werden. Weder die Stichtagsregelung der Aufenthaltsaufnahme vor dem 16.05.1990 in der Bundesrepublik noch die Begrenzung auf Geburtsjahrgänge vor 1937 begegnen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wie das BSG in der zuletzt genannten Entscheidung zutreffend ausführt, ist es sachlich gerechtfertigt und daher nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber nur den bis 1937 geborenen, relativ rentennahen Jahrgängen dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und damit einer typisierenden und nicht einer individuell ausgestalteten Regelung den Vorzug gab. Die Rente des Klägers wurde, da er am 22.08.1939 geboren ist, auf derselben Grundlage berechnet, wie die Rente aller Versicherten, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben und nicht zu einem ausnahmsweise besonders geschützten Personenkreis gehören.

Zur Verletzung des Gleichheitssatzes hat das BSG auch im Urteil vom 06.11.1996 in SozR 3-2600 Nr.1 zu § 256 a Stellung genommen und festgehalten, dass die unterschiedliche Regelung der Entgeltpunktberechnung für Zugangsrenten (§ 256 a SGB VI) und Bestandsrenten (§ 307 a SGB VI) des Beitrittsgebietes nicht gegen Art.3 Grundgesetz verstößt. Mit der Frage der Anwendung des § 256 a hat sich das BSG ausführlich in den Urteilen SozR 3-2600 Nrn.2 und 5 zu § 256 a befasst, wobei es eine Verfassungswidrigkeit dieser Regelung nicht feststellen konnte.

Das Sozialgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nach der ab 01.01.1997 in Kraft getretenen Neufassung des § 58 Abs.1 Nr.4 SGB VI keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Ausbildungsanrechnungszeiten insbesondere vor Vollendung des 17. Lebensjahres hat. Dieser begrenzten Anrechnung von Ausbildungszeiten steht auch nicht der Feststellungsbescheid vom 27.10.1995 auf der Basis der damals geltenden Rechtslage entgegen. Zum einen wird über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung verbindlich entschieden (§ 149 Abs.5 Satz 3 SGB VI), zum anderen hat die Beklagte den Bescheid vom 27.10.1995 durch den Bescheid vom 27.01.1996 unter Bezugnahme auf die Rechtsänderung zum 01.01.1997 ausdrücklich aufgehoben, wozu sie gemäß § 149 Abs.5 Satz 2 SGB VI auch ohne Anwendung der §§ 24 und 48 SGB X befugt war. Der Senat schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Sozialgerichts an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG).

Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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