L 13 RA 44/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 103/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 44/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27. Oktober 1998 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1996 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 1957 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben vom 01.09.1972 bis 31.08.1975 den Beruf einer Bürokauffrau erlernt und die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Sie war auch nach Abschluss der Ausbildung bis 07.10.1980 im erlernten Beruf tätig. Danach war sie nach ihren Angaben Hausfrau. Vom 01.06.1986 bis 31.07.1986 und vom 08.09.1986 bis 17.10.1986 war sie erneut berufstätig. Am 22.01.1987 und am 28.09.1990 hat sie ihre Söhne Florian und Fabian geboren. Eine Erwerbstätigkeit hat die Klägerin nach Oktober 1986 nicht mehr ausgeübt. Bis zum 31.12.1983 hat sie mehr als 60 Monate an Beitragszeiten zurückgelegt.

Nachdem die Klägerin am 28.03.1995 einen Antrag auf medizinische Rehabilitation gestellt hatte, beantragte sie am 06.06. 1995 die Leistung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Dabei gab sie an, dass sie sich seit ca. vier Jahren für erwerbsunfähig halte. Die Beklagte zog ein im Rahmen des Reha-Verfahrens erstelltes Gutachten des Dr.K. vom 10.05.1995 bei und beauftragte den Nervenarzt Dr.K. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr.K. hielt im Gutachten vom 10.05.1995 in der Anamnese fest: Nach Kaiserschnitt 1987 Ausbruch von Morbus Friedreich. In der Beurteilung führte er aus, es sei zu einer erheblichen Verschlimmerung seit ca. einem halben Jahr gekommen. Es bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dr.K. diagnostizierte bei der Klägerin eine cerebelläre Heredoataxie vom Typ Friedreich mit spastisch-ataktischer Gangstörung. In der Vorgeschichte vermerkte er: Seit etwa 1985 Entwicklung sensibler Störungen im Bereich der Beine sowie einer Sehstörung rechts. 1987 nach der ersten Entbindung Schwäche des rechten Beins, zunehmende Gangstörung; 1990 nach der zweiten Entbindung massive Verschlechterung. Weitere Verschlechterung im Laufe des letzten Jahres. Dr.K. verneinte eine berufliche Belastbarkeit von wirtschaftlichem Wert und nahm als Zeitpunkt der Leistungseinschränkung April 1995 an, da sich nach den Angaben der Patientin der Funktionszustand verschlechtert habe.

Zusätzlich zog die Beklagte einen Bericht des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. vom 04.11.1991 bei, in dem aufgrund einer stationären Behandlung im Oktober 1991 ein dringender Verdacht auf Morbus Friedreich geäußert wurde. Die Klägerin hatte von einem Krankheitsbeginn vor ca. vier Jahren berichtet, jedoch nicht ausschließen können, dass "das Ganze auch schon länger gehe". Ein langsam chronisch-progredienter Verlauf wurde festgestellt. Der Neurologe und Psychiater Dr.K. erklärte in der beigezogenen Bescheinigung vom 03.04.1995, die Klägerin sei seit November 1987 bei ihm bekannt. Es bestehe eine ataktisch-spastische Gangstörung, so dass die Klägerin kaum mehr in der Lage sei, ihren Haushalt zu versorgen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 03.01.1996 den Antrag der Klägerin ab. Sie sei zwar seit 28.03.1995 erwerbsunfähig, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente seien aber nicht erfüllt. Im maßgebenden Zeitraum vom 28.01.1984 bis 27.03.1995 weise der Versicherungsverlauf nur 28 Monate Pflichtbeiträge, statt der erforderlichen drei Jahre auf. Mit Widerspruch vom 22.02.1996 trug die Klägerin vor, sie sei bereits vor 1984 erwerbsunfähig gewesen und bezog sich dabei auf beigefügte Atteste der Dres.W. und N. vom 16.01.1996 und 25.01.1996. Dr.W. bestätigte, er habe 1984 die Praxis übernommen; die Klägerin sei in diesem Jahr wegen damals unklarer Sensibilitätsstörungen an beiden Beinen in seiner Behandlung gewesen. Dr.N. erklärte, die Klägerin befinde sich seit 1984 in "unserer" ambulanten Behandlung. Bei der ersten Konsultation sei eine Auffälligkeit festzustellen gewesen, wobei er als Verdachtsdiagnose multiple Sklerose angenommen habe. Im Lauf der weiteren Untersuchungen sei ein Morbus Friedreich festgestellt worden. Die Erkrankung habe einen Standard erreicht, bei dem die Klägerin zu 100 % erwerbs- und arbeitsunfähig sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 14.05.1996 zurück, da ein Leistungsfall vor 1984 nicht zu belegen sei.

Mit der am 24.06.1996 beim Sozialgericht Regensburg erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und begründete dies damit, dass der Leistungsfall vor 1984 eingetreten sei. Sie legte ein Attest des Dr.N. vom 10.07.1996 vor, worin er eine ambulante Behandlung seit 1984 bestätigte. Bei der ersten Konsultation sei eine Auffälligkeit festzustellen gewesen, wobei er an multiple Sklerose gedacht habe. Bei der Anamneseerhebung 1984 habe die Klägerin erwähnt, dass bei der Einschulung Bewegungsauffälligkeiten festgestellt worden seien. Eine weitere Verfolgung der Erkrankung sei nicht mehr möglich, da die früher behandelnden Ärzte nicht mehr am Leben seien oder die Praxen längst aufgegeben hätten. Im Zuge der weiteren Abklärung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R. im Jahr 1991 sei die dringende Verdachtsdiagnose Morbus Friedreich gestellt worden. In einem weiteren vom Sozialgericht beigezogenen Bericht des Dr.N. vom 01.10.1996 ist festgehalten, die Klägerin sei zum ersten Mal am 05.09.1991 untersucht und behandelt worden. Sie habe über ständig zunehmende Gangstörung seit 1981 geklagt. Seit 1987 (Kaiserschnitt) zunehmende Verschlechterung der Erkrankung. Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin seien nach dem Kaiserschnitt 1987 aufgetreten. Dr.W. gab in einem weiteren Bericht vom 19.09.1996 an, er habe die Klägerin am 30.05.1984 zum ersten Mal wegen Migräne und leichten sensiblen Störungen im linken Bein behandelt. Es habe 1984/85 kein krankhafter Befund erhoben werden können.

Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Neurologen Dr.K. , Chefarzt der neurologischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R ... Im Gutachten vom 27.01.1997 hielt er fest, nach Angaben der Klägerin sei es seit Anfang der 80-er Jahre zunehmend zu Gefühlsstörungen an den Beinen gekommen ("trampliger Schritt beim Tanzen"). Im März 1987 seien sensible Störungen an beiden Beinen beschrieben worden. Während der Untersuchung im Jahr 1991 habe die Klägerin angegeben, dass sie die Beschwerden seit vier Jahren in zunehmender Stärke verspürt habe. Eine massive Verschlechterung sei nach der zweiten Geburt im Jahr 1990 aufgetreten. In der Beurteilung des Leistungsvermögens ist festgehalten, die Klägerin sei mit Sicherheit ab 01.07.1992 erwerbsunfähig. Bei der Untersuchung 1991 sei sie noch recht sicher gehfähig gewesen, allerdings seien die Hände recht ungeschickt gewesen. Vor 1987 sei die Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich herabgesetzt gewesen. In der Zeit von 1987 bis 1992 sei eine zumindest reduzierte Erwerbsfähigkeit zu unterstellen (ohne längere Gehstrecken, ohne besondere Anforderungen an die Geschicklichkeit der Hände).

Am 21.07.1997 erteilte das Sozialgericht einen Gutachtensauftrag an den Allgemeinarzt Dr.N ... Dieser äußerte Bedenken bezüglich der Erstellung des Gutachtens, worauf ihm mitgeteilt wurde, er solle lediglich die Beweisfragen beantworten, womit er sich einverstanden erklärte. Nach mehreren Mahnungen und Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000,00 DM ging eine unvollständige ärztliche Stellungnahme des Dr.N. vom 03.07.1998 und im Anschluss daran eine zweiseitige ärztliche Stellungnahme vom 09.07.1998 ein. Die Klägerin befinde sich seit 05.09.1991 in der ambulanten Behandlung der Gemeinschaftspraxis der Eheleute N ... Sie sei am 05.09.1991 in der Praxis erschienen und habe über Erschöpfungszustände, Durchfallerkrankung und Verspannung der Halsmuskulatur geklagt. Bei der Erstkonsultation sei auffällig gewesen, dass die Patientin einen eigenartigen Gang gehabt habe. Die wegen des unsicheren Gangbildes erstellte Anamnese habe ergeben, dass die Erkrankung schon seit der Schulzeit bekannt sei, sich seit etwa vier bis fünf Jahren aber erheblich verschlechtert habe. Bei der Untersuchung seien Sensibilitätsstörungen im Bereich beider Fußsohlen und Unterschenkel festgestellt worden. Nachdem die bisherigen Untersuchungen und Diagnosestellungen nicht zufriedenstellend gewesen seien, sei im Oktober 1991 eine stationäre Untersuchung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R. durchgeführt worden, die einen dringenden Verdacht auf Morbus Friedreich ergeben habe. Die Klägerin sei ab 28.03.1985 (die Beweisfrage lautete 28.03.1995) mit Sicherheit nicht mehr in der Lage gewesen, auch nur leichte Arbeiten zu verrichten. Die Klägerin sei bei der Erstkonsultation im Jahr 1991 als zu 100 % invalid und erwerbsunfähig erschienen. Die Entstehung der Krankheit und deren Fortschreiten könne nicht beurteilt werden, da die Patientin erstmals am 05.09.1991 behandelt worden sei. Beigefügt war der ärztlichen Stellungnahme ein Bericht der Bavariaklinik vom 01.04.1996 mit Angaben des Ehemannes zur Entwicklung der Krankheit der Klägerin. Danach sei seit 1981 ein gewisser Kraftmangel in den Beinen aufgefallen. 1984 sei auf dem linken Auge ein Streifen- und Nebelsehen aufgetreten. 1987 sei die Klägerin beim Gehen über weitere Strecken inkontinent geworden. Die Fußsohlen seien damals pelzig geworden, sie habe aber noch ohne Stütze gehen können. Seit eineinhalb Jahren habe die Pelzigkeit bis zu den Knien zugenommen. Nunmehr sei das Gehen nur mehr mit Stützen durch Hilfspersonen in der Wohnung für 20 m möglich.

Weiter übersandt wurde ein Bericht des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. vom 20.08.1997 betreffend eine stationäre Behandlung im August 1997. Danach besteht eine chronisch-progrediente multiple Sklerose bei der Klägerin. Es habe liquordiagnostisch eindeutig ein entzündlicher Prozess nachgewiesen werden können.

Dr.N. legte Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss ein und nahm darauf Bezug, dass er sich nicht befugt gefühlt habe, das Gutachten zu erstellen, da er die Klägerin in der fraglichen Zeit nicht behandelt und auch nicht gekannt habe. Seine Anstrengung, Unterlagen zu beschaffen, sei gescheitert. Den vom Sozialgericht gesetzten Termin habe er auch wegen eigener Erkrankung nicht einhalten können.

Am 26.10.1998 ging (laut Aktenlage ohne Aufforderung) eine Ergänzung der ärztlichen Stellungnahme vom 09.07.1998 ein. Danach befindet sich die Klägerin seit 1984 in ambulanter Behandlung in der Praxis Dr.N ... Im Februar 1984 sei Dr.N. wegen einer Erkältungskrankheit in Vertretung bei der Klägerin zu einem Hausbesuch bestellt worden. Bei diesem Besuch habe er gesehen, dass sich die Klägerin in der Wohnküche nur stützend auf Möbelstücke habe bewegen können. Er habe die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich von einem Neurologen untersuchen lassen sollte. Da er nur in Vertretung bei der Patientin gewesen sei, habe er nicht auf die weitere Entwicklung des Krankheitsbildes geachtet. Nach den Agnaben der Patientin sei sie am 01.09.1984 in die Praxis gekommen und habe über Muskelschwäche und Gehschwierigkeiten geklagt. Daraufhin sei ein Rezept für Magnesium Verla ausgestellt worden. Er habe die Überweisung zu einem Neurologen veranlasst. Anschließend habe er die Patientin bis 1991 nicht mehr gesehen; ab 1991 habe eine kontinuierliche Dokumentation über die Klägerin vorgelegen. Belanglose Konsultationen würden zwar in der Karteikarte notiert, aber nicht für die Dokumentation aufgenommen. Die irrtümliche Datenangabe beruhe auf einem mehrfachen Wechsel des EDV-Systems seit 1980, die belanglosen Daten seien nicht übernommen worden. Da bei der Klägerin keine wesentliche Eintragung gewesen sei, sei die Dokumentation erst seit 1991 verwertbar, so dass er nicht in der Lage gewesen sei, in der Zeit zwischen 1984 und 1991 eine verantwortungsvolle Aussage zu machen. Die Konsultation vom 01.09.1984 sei nicht mehr in Erinnerung gewesen. Erst als die Klägerin das Rezept vom 01.09.1984 vorgelegt habe, habe er sich wieder erinnert. Zutreffend sei als Behandlungsbeginn das Jahr 1984 im Attest vom 25.01.1996 angegeben worden. Bezüglich des Gesundheitszustandes könne eine zuverlässige Aussage gemacht werden, denn es sei die Erstkonsultation in der Praxis gewesen. Aus dieser sei festzustellen, dass die Klägerin am 01.09.1984 mit Sicherheit nicht in der Lage gewesen sei, regelmäßig ihre Arbeit zu verrichten. Seit der Erstkonsultation am 01.09.1984 (nachgewiesen durch abgestempeltes Rezept) sei die Klägerin zu 100 % erwerbs- und arbeitsunfähig.

Von der Klägerin vorgelegt wurde ein weiteres Attest des Dr.W. vom 15.10.1998 sowie des Dr.K. vom 13.10.1998. Dr.W. bestätigte, die Klägerin sei 1984 in seiner Behandlung gewesen und habe über unklare sensible Störungen beider Beine mit Gangunsicherheit geklagt. Es sei eine neurologische Untersuchung angeraten worden. Dr.K. bestätigte eine Behandlung seit November 1987. Aufgrund des Verlaufs und der Anamnese sei aber davon auszugehen, dass die Klägerin schon mindestens seit 1983 nicht mehr in der Lage gewesen sei, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, vor allem wegen der progredienten Parese der Beine.

Das Sozialgericht verpflichtete mit Urteil vom 27.10.1998 die Beklagte dazu, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01.06.1995 zu gewähren. Es stützte sich bei seiner Entscheidung auf die Ausführungen des Dr.N., insbesondere in der ergänzenden Stellungnahme vom 26.10.1998. Durch die von Dr.N. gemachten Aussagen bezüglich des Zeitpunktes des Eintritts des Versicherungsfalles sei das Gericht überzeugt worden. Die Problematik beim Festhalten und Übertragen von Sachverhalten in der EDV sei bekannt. Auch die Aussagen von Dr.W. und Dr.K. würden den Eintritt des Leistungsfalles im Jahr 1984 stützen. Erwerbsunfähigkeit auf Dauer liege seit dem 01.09.1984 vor, an dem die Klägerin zum ersten Mal in der Praxis Dr.N. vorgesprochen habe. Gemäß § 99 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI -, habe die Klägerin Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01.06.1995.

Die Beklagte legte am 03.03.1999 Berufung ein und beantragte,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27.10.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem von der Beklagten gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil wurde stattgegeben.

Die Beklagte trug zur Begründung der Berufung zum einen vor, dass auch bei einem Leistungsfall am 01.09.1984 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, da im maßgeblichen Zeitraum vom 01.09.1979 bis 31.08.1984 nur 14 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Zum anderen hält sie den vom Gericht angenommenen Leistungsfall für nicht nachvollziehbar. Die Beobachtungen des Dr.N. im Februar 1984 sowie September 1984 rechtfertigten nicht die Annahme, es liege bereits eine relevante Leistungsminderung vor. Auch sei nicht geprüft worden, ob Dr.N. seine Patientin arbeitsunfähig krank geschrieben habe. Auch die Tatsache, dass die Klägerin erst 1987 eine neurologische Diagnostik habe durchführen lassen, zeige, dass die geklagten Gesundheitsstörungen zumindest bis 1987 vorübergehender Natur und nicht gravierend gewesen seien. Die Klägerin nahm auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug.

Im Wege der Beweisaufnahme zog der Senat die Aufzeichnungen des Dr.W. über die Behandlung der Klägerin bei. Nach mehreren Aufforderungen legte auch Dr.N. seine Unterlagen vor. (Stellungnahme vom 26.10.1998, Rezept vom 01.09.1984, Berichte des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 20.08.1997 und der Klinik Bavaria vom 01.04.1996, Arztbrief des Dr.K. vom 19.11.1987 Bericht des Dr.N. vom 06.08.1991). Eigene Aufzeichnungen wurden von Dr.N. nicht vorgelegt.

Nachfragen beim früher behandelnden Arzt der Klägerin Dr.L. blieben ohne Erfolg, da dieser keine Unterlagen mehr besitzt und sich nicht mehr konkret erinnert.

Zur Klärung der bei der Klägerin seit 1984 vorliegenden Gesundheitsstörungen und ihre Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit erhob der Senat Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr.S. , das dieser am 30.05.2000 fertigte. Bezüglich des Inhalts des Gutachtens wird auf die Akte Bezug genommen.

Ergänzend beigezogen wurden die Unterlagen des Klinikums St. Marien in A. betreffend die Geburt des Sohnes Florian am 22.01.1987. Hinweise auf eine Erkrankung der Mutter finden sich nicht. Außerdem wurden Auskünfte der Arbeitgeber der Klägerin in den Jahren 1979 bis 1986 eingeholt. Firma K. teilte mit, die Klägerin sei vom 14.07.1980 bis 31.08.1980 als Bürohilfe halbtags im Sekretariat des Geschäftsführers beschäftigt gewesen. Weitere Fragen konnten nicht mehr beantwortet werden. Der letzte Arbeitgeber der Klägerin, Firma G. AG, teilte mit, Unterlagen lägen nicht mehr vor. Auch Anfragen an die als Arbeitgeber benannte L.hütte blieben ohne Erfolg.

Im Rahmen eines Beweistermins wurde der als Zeuge genannte K. K. einvernommen; auf das Protokoll vom 17.10.2001 wird bezüglich seiner Aussage verwiesen.

Die weiter benannte Zeugin C. L. leistete einer Vorladung nach München aus gesundheitlichen Gründen nicht Folge. Auf schriftliches Befragen erklärte sie, dass sie die Klägerin seit dem Einzug in den Wohnblock kenne. Das genaue Jahr sei ihr nicht erinnerlich. In den Jahren 1984 bis 1987 habe sie keinen persönlichen Kontakt mit der Klägerin gehabt, sondern sie sehr selten gesehen. Ob die Klägerin gesundheitliche Probleme im Jahr 1984 gehabt habe, wisse sie nicht. Bezüglich des Verhaltens und des Bewegungsablaufes könne sie keine Angaben machen, da sie die Klägerin zu wenig gesehen habe. Aus Altersgründen (78 Jahre) könne sie sich an die Zeit vor 17 Jahren, an Krankheiten oder Probleme anderer Mieter nicht erinnern.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Regensburg sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist in der Sache begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Leistung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und auch nicht wegen Berufsunfähigkeit.

Der Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (§ 300 Abs.1, Abs.3 SGB VI). Die Klägerin hat zwar die allgemeine Wartezeit des § 50 Abs.1 Nr.2 SGB VI erfüllt und sie ist seit - frühestens Anfang 1987 - erwerbsunfähig im Sinne des § 44 SGB VI; ihr Anspruch scheitert aber an den fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente. Diese sind erfüllt, a) wenn der Leistungsfall spätestens im Jahr 1984 eingetreten wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder b) wenn die Zeit ab 01.01.1984 bis zum etwaigen Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt oder noch belegbar wäre (§ 240 Abs.2 SGB VI) oder c) wenn die letzten fünf Jahre vor Eintritt einer Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt wären (§§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI) oder d) wenn die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt wäre (§§ 53, 43 Abs.4, 44 Abs.4 SGB VI).

Keine dieser Voraussetzungen wird von der Klägerin erfüllt, wobei der in Buchst.d genannte Tatbestand der vorzeitigen Wartezeiterfüllung bei der Klägerin konkret nicht in Betracht gezogen werden kann. Auch die Voraussetzungen der Buchst.a bis c liegen aber nicht vor.

Nach den §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 letzter Halbsatz SGB VI sind keine besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erforderlich, wenn der Leistungsfall bis spätestens Dezember 1984 eingetreten ist. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall gewesen.

Unstreitig ist, dass die Klägerin wegen einer chronisch verlaufenden neurologischen Systemerkrankung keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten kann, wobei für die Beurteilung unerheblich ist, ob es sich um eine multiple Sklerose oder einen Morbus Friedreich handelt. Dass das Leistungsvermögen der Klägerin aufgehoben ist, steht fest aufgrund der Gutachten der Dres.K. , K. und S ... Keine eindeutige Übereinstimmung besteht unter den Gutachtern jedoch hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem das Leistungsvermögen der Klägerin in erheblichem Umfang eingeschränkt ist. So geht Dr.K. von einem Eintritt des Leistungsfalls im April 1995 aus; Dr.K. setzt die Leistungseinschränkung auf 01.07.1992 fest und Dr.S. nimmt an, die Klägerin sei seit Januar 1987 nur noch zu untervollschichtiger Tätigkeit in der Lage gewesen. Er begründet dies insbesondere mit einem Arztbrief des Dr.K. vom 19.11.1987, den Feststellungen im Gutachten des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom Januar 1997 sowie den eigenen Angaben der Klägerin bei der Untersuchung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder im Jahr 1991, wonach sie seit vier Jahren unter Beschwerden im Bereich der Beine in zunehmender Stärke litt. Obwohl gegen eine Festlegung des Leistungsfalls auf Januar 1987 (und nicht später) durchaus Bedenken bestehen (die Klägerin selbst nahm Erwerbsunfähigkeit im Antrag ab 1991 an; Dr.K. verwies darauf, dass bei der Erstuntersuchung im Jahr 1991 noch keine gravierenden Gangschwierigkeiten vorgelegen hätten; auch lässt die Klägerin erst 1991 umfangreiche Untersuchungen durchführen), ist die abschließende Beurteilung des Dr.S. überzeugend, da er sie vor allem mit den Ausführungen des Dr.K. im Arztbrief vom 19.11.1987, einem damals akutellen Befund, sowie den eigenen Angaben der Klägerin bei der Erstuntersuchung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder begründet.

Die Ausführungen des Dr.N. in seinen ärztlichen Stellungnahmen vom 09.07.1998 und 26.10.1998 sind demgegenüber nicht überzeugend und stehen im Widerspruch zu früheren eigenen Angaben der Klägerin. Gegen die Aussage des Dr.N., die Klägerin sei bereits seit 01.09.1984 zu 100 % erwerbs- und arbeitsunfähig, sprechen die vorliegenden medizinischen Unterlagen sowie die früheren Angaben der Klägerin selbst und ihres Ehemannes. Im Übrigen sind die Ausführungen des Dr.N. auch in sich nicht schlüssig.

Es ist davon auszugehen, dass er im Februar 1984 die Klägerin in Vertretung ihres behandelnden Arztes einmal aufsuchte und dass er am 01.09.1984 ein Rezept ausgestellt hat. Dafür, dass die Klägerin in ständiger ambulanter Behandlung bei ihm gewesen ist, findet sich kein objektiver Anhaltspunkt. Die Argumentation, die Datenverarbeitungssysteme hätten mehrmals gewechselt, überzeugt nicht, da Dr.N. keinerlei Aufzeichnungen von sich selbst vorgelegt hat. Auch ist nicht schlüssig, dass es bei ständiger durchgehender Behandlung eines Rezepts bedurft hätte, um den Arzt im Jahr 1998 an die seit 1984 stattfindende Behandlung zu erinnern. Dabei fällt ins Gewicht, dass es sich bei der Klägerin um ein schwieriges und nicht alltägliches Krankheitsbild handelt. Hinzu kommt, dass Dr.N. gegenüber dem Gericht erklärt hat, er fühle sich nicht befugt, das Gutachten zu erstellen, da er die Patientin in der fraglichen Zeit nicht behandelt und auch nicht gekannt habe. Dies zeigt zumindest, dass er sich an sie und ihr Krankheitsbild in keiner Weise erinnert hat. Wenn er nunmehr in der ergänzenden Stellungnahme vom 26.10.1998 erklärt, aufgrund des Rezeptes habe er sich an die Klägerin erinnert, so bestehen Zweifel, ob die Schilderung des Gesundheitszustandes allein auf eigener Kenntnis und nicht auch auf Schilderungen der Klägerin beruht. Insgesamt gesehen sind die Ausführungen, Erklärungen und auch die Beurteilung des Dr.N. bezüglich des Leistungsvermögens der Klägerin im Jahr 1984 nicht schlüssig. Unabhängig davon könnte aus dem zweimal erhobenen Befund nicht auf eine bereits damals bestehende dauernde Leistungseinschränkung geschlossen werden. Dies ergibt sich insbesondere aus den Feststellungen des Dr.S ... Dieser legt dar, dass es schon in der Zeit bis 1987 zu vorübergehenden neurologischen Ausfällen bis hin zu Gangstörungen gekommen sein kann. Es könne jedoch bis 1987 nicht von einer dauerhaften qualitativen Minderung der Erwerbsfähigkeit ausgegangen werden. Zum selben Ergebnis ist auch Dr.K. gekommen, der die Klägerin bereits 1991 zum ersten Mal stationär untersucht hat. Für diese Annahme spricht auch, dass die Klägerin selbst bei der Untersuchung durch Dr.K. und Dr.K. zum Ausdruck gebracht hat, dass die Krankheit nach der ersten Entbindung zum Ausbruch gekommen ist bzw. sich gleichzeitig entwickelt hat. Bei der Untersuchung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder im Jahr 1991 berichtete die Klägerin ebenfalls von einem Krankheitsbeginn vor ca. vier Jahren mit seitdem chronisch-progredienten Verlauf. Ebenso zeigen die Angaben ihres Ehemannes im Rahmen der stationären Reha-Maßnahme in der Klinik Bavaria im Jahr 1986, dass zwar neurologische Ausfälle wohl bereits 1984 aufgetreten sind. Die Aussage, es sei 1987 beim Gehen über weitere Strecken zur Harninkontinenz gekommen, zeigt aber andererseits, dass die Klägerin damals noch weitere Strecken gehen konnte. Dr.K. stellte in seinem Gutachten ebenfalls fest, dass die Klägerin vor 1987 durch die Störung nur wenig behindert gewesen sei.

Den eingeholten Befundberichten sowie vorgelegten Attesten der Dres.W. und K. lässt sich auch nicht schlüssig entnehmen, dass die Leistungseinschränkungen bereits 1984 gegeben gewesen sind. Dr.W. bestätigte eine Behandlung im Jahr 1984 wegen damals unklarer Sensibilitätsstörungen. In seinen Aufzeichnungen ist in der Rubrik Mai 1984 eingetragen "Taubheit beider Beine, o.B.". Weitere Behandlungen erfolgten im Dezember 1984, Februar, August 1985 und danach im März 1987. Erst bei dieser Behandlung findet sich wieder ein Hinweis auf neurologische Ausfälle. Es ist vermerkt "unklare Schmerzen und Sensibilitätsstörungen beider Beine bei Zustand nach Gravidität". Dem Attest des Dr.K. vom 19.11.1987 ist zu entnehmen, die Klägerin solle vor ca. zwei Jahren eine linksseitige Sehnervenentzündung gehabt haben, wobei sich die Sehstörungen problemlos zurückgebildet hätten. Seit einem Jahr klage sie über Parästhesien und Missempfindungen im Bereich beider Beine, das Gangbild sei unsicher. Diesem Arztbrief vom 19.11.1987 kann die später von Dr.K. ausgesprochene Schlussfolgerung (vgl. Bescheinigung vom 13.10.1998), die Patientin sei vor allem wegen der progredienten Parese der Beine seit mindestens 1983 nicht mehr in der Lage gewesen, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht entnommen werden. Denn im aktuellen Bericht von November 1987 ist von einer Parese der Beine im Jahr 1983 keine Rede.

Auch aus den beigezogenen Unterlagen des Krankenhauses St. Marien betreffend die Geburt des ersten Kindes der Klägerin ergibt sich kein Hinweis für eine deutliche Erkrankung. Der gehörte Zeuge K. K. berichtete zwar von Gangauffälligkeiten, er konnte aber einen genauen Zeitpunkt nicht mehr benennen und auch nicht, ob er die Auffälligkeiten vor oder nach der Geburt des ersten Kindes wahrgenommen habe. Die ebenfalls benannte Zeugin L. kann zum Zeitraum 1984 keinerlei Angaben machen. Ohne Erfolg blieb auch eine Anfrage beim letzten Arbeitgeber der Klägerin.

Demnach steht zwar fest, dass die ersten Anzeichen der Erkrankung der Klägerin im Jahr 1984 belegt sind, dass aber eine rentenrechtlich erhebliche Leistungseinschränkung erst ab 1987 Klägerin noch in der Lage, leichte Arbeiten ohne das Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten, ohne Zeit- und Termindruck, ohne Nachtschicht und nicht mit extremer Temperatureinwirkung (Kälte, Hitze, Nässe) ganztags zu verrichten.

Bei diesem Leistungsvermögen lag in der Zeit bis Januar 1987 weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI vor. Die Klägerin war noch in der Lage, den Beruf einer Bürokauffrau vollschichtig auszuführen, die genannten qualitativen Leistungseinschränkungen fallen bei dieser Tätigkeit nicht an. Damit war ihre Erwerbsfähigkeit nicht unter die Hälfte einer vergleichbaren gesunden Versicherten gesunken. Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs.2 SGB VI lag nicht vor. Das Fehlen von Berufsunfähigkeit schließt auch die Annahme von Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI zwingend aus.

Bei einem Leistungsfall im Januar 1987 (oder später) ist die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. oben Buchst.b und c) erforderlich. Diese liegen nicht vor. Nach den §§ 241 Abs.2, 240 Abs.2 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (vgl. §§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, § 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI) nicht erforderlich, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Dies ist bei der Klägerin eindeutig nicht der Fall. Es liegen Pflichtbeiträge bis 07.10.1980 und danach erst wieder vom 01.06.1986 bis 31.07.1986, 08.09.1986 bis 17.10.1986, 01.02. 1987 bis 31.01.1988 und 01.10.1990 bis 30.09.1991 (Kindererziehungszeiten) vor. Weitere Beitragszeiten (freiwillige oder Pflichtbeiträge) sind nicht gegeben und werden auch nicht geltend gemacht. Die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung beginnen laut Versicherungsverlauf am 01.01.1987. In der Zeit zwischen dem 07.10.1980 bis 01.01.1987 liegen keine rentenrechtlichen Zeiten vor. Bei dieser Sachlage kann eindeutig eine lückenlose Belegung der Zeit ab 01.01.1984 mit Beiträgen oder Anwartschaftserhaltungszeiten nicht angenommen werden.

Die Lücke kann auch nicht durch die nachträgliche Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit ab 01.01.1984 geschlossen werden, da die Fristen des § 140 Abs.1 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG - bzw. § 197 Abs.2 SGB VI abgelaufen sind. Entsprechend der im Jahr 1984 geltenden Regelung des § 140 Abs.1 AVG waren freiwillige Beiträge bis zum Ablauf des Jahres, für das sie gelten sollten, zu entrichten. Diese Frist war bei Antragstellung im Jahr 1995 bereits abgelaufen.

Ein Recht der Klägerin, nachträglich Beiträge für die seit 1984 bestehenden Lücken im Versicherungsverlauf zu leisten, kann auch nicht mit Hilfe eines sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet werden. Dieser besagt, dass der Versicherungsträger verpflichtet ist, die Versicherten bei konkretem Anlass auf naheliegenden Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die jeder vernünftige Versicherte nützen würde (vgl. u.a. BSG in SozR 3-1200 Nrn.8 und 9 zu § 14). Laut Aktenlage bestand für die Beklagte 1984 kein konkreter Anlass, die Klägerin auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Nach 1984 war die Beklagte erstmals im Juni 1986 bei Ausstellung eines Sozialversicherungsnachweisheftes sowie im Februar 1987 wegen einer Anfrage zu Kindererziehungszeiten mit dem Versicherungsverlauf der Klägerin befasst. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch eine Beitragsentrichtung für das Jahr 1984 und 1985 bereits nicht mehr möglich (§ 140 Abs.1 AVG). Die Voraussetzungen der §§ 241 Abs.2 Satz 1 1. Alternative, 240 Abs.2 SGB VI sind nicht erfüllt.

Dasselbe gilt für die Regelung der §§ 43 Satz 1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI. Danach ist für die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Voraussetzung, dass die Versicherten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit um die in Absatz 3 des § 43 SGB VI genannten Anwartschaftserhaltungszeiten verlängert. Der Leistungsfall der Klägerin ist im Januar 1987 eingetreten. In der Zeit vom 08.10.1980 bis 31.05.1986 liegen keinerlei rentenrechtliche Zeiten vor. Ab 01.06.1986 hat die Klägerin nur noch 28 Monate Pflichtbeiträge erworben. Vor Eintritt des Leistungsfalls im Januar 1987 liegen keine rentenrechtlichen Zeiten im Übrigen vor; die Berücksichtigungszeit beginnt erst im Januar 1987. Die Lücke zwischen 08.10.1980 und 01.06.1986 ist nicht überbrückbar.

Die Klägerin hat demnach keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da der Leistungsfall erst im Januar 1987 eingetreten ist und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diesen Leistungsfall nicht gegeben sind.

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved