L 13 RA 49/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RA 177/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 49/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Februar 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 01.02.1994, insbesondere die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, streitig.

Die am ... 1950 geborene Klägerin hat den Beruf einer Industriekauffrau erlernt und war bis November 1972 als Buchhalterin versicherungspflichtig beschäftigt. Sie war erneut von Februar 1988 bis April 1988 als Bürokraft und zuletzt ab 19.11.1990 als Schreibkraft bei der ... teilzeitbeschäftigt. Ab 17.02.1992 ist sie arbeitsunfähig erkrankt; ab 20.04.1992 bezog sie Krankengeld. Am 02.08.1993 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und gab dabei an, sich seit circa sechs Monaten wegen schweren Durchblutungsstörungen des Gehirns und anderen Erkrankungen für erwerbsunfähig zu halten.

Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei, woraus sich ein Zustand nach Hörsturz im Februar 1992 ergibt. Vom Hausarzt wurde eine Reha-Maßnahme befürwortet wegen Konzentrationsschwäche, leichter psychomotorischer Verlangsamung, rezidivierender Schwindelanfälle und rezidivierender Cephalgie. Aus dem vom 30.11.1993 bis 09.01.1994 in der Ostertal-Klinik St.Wendel durchgeführten Heilverfahren wurde die Klägerin arbeitsunfähig entlassen. In der Epikrise ist ausgeführt, die Klägerin sei derzeit aufgrund der kognitiven Einschränkungen nicht in der Lage, ihre Schreibtätigkeit im Verwaltungsdienst wieder aufzunehmen.

Mit Bescheid vom 24.06.1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zwar sei die Klägerin seit 17.02.1992 erwerbsunfähig, doch seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Im maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 17.02.1987 bis 16.02.1992 seien nur 18 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Nach dem beigefügten Versicherungsverlauf vom 23.06.1994 sind bis 31.07.1978 zuletzt Pflichtbeiträge für Kindererziehung gespeichert, ab 01.02.1988 bis 09.04.1988 weitere drei Monate Pflichtbeiträge sowie Pflichtbeitragszeiten vom 19.11.1990 bis 19.04.1992. Im Anschluss sind ab 20.04.1992 bis 09.01.1994 noch Pflichtbeiträge wegen Sozialleistungsbezuges vorgemerkt. Ferner sind Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 01.07.1968 bis 30.06.1987 gespeichert.

Die Klägerin erhob gegen die Rentenablehnung Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, die Erwerbsunfähigkeit sei nicht bereits im Februar 1992 eingetreten, vielmehr habe eine Liquor-Untersuchung während des Heilverfahrens am 30.12.1993 zu verstärktem Kopfschmerz, Reaktions- und Bewusstseinstrübung, Orientierungsschwierigkeiten, Schwindelanfällen und hohem Blutdruck geführt. Es werde beantragt, den Beginn der Erwerbsminderung auf den 09.01.1994 zu legen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München. Das Sozialgericht holte Befundberichte ein, zog ärztliche Unterlagen bei sowie eine Auskunft des letzten Arbeitgebers der Klägerin. Ferner holte das Sozialgericht ein nervenfachärztliches Gutachten des Dr ... vom 13.09.1995 ein. Dieser führte zusammenfassend aus, seit 16.02.1992 habe die Klägerin noch leichte und mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig verrichten können. Sie habe auch als Verwaltungsangestellte bzw. als Schreibkraft vollschichtig arbeiten können. Eine quantitative Leistungsminderung sei durch die im Jahre 1993 hinzutretenden Gesundheitsstörungen aufgetreten, wobei diese erstmals Erwähnung fänden im Juli 1993. Seit diesem Zeitpunkt seien der Klägerin keine vollschichtige Tätigkeit mehr zumutbar. Die wesentliche Leistungsminderung sei nicht am 16.02.1992 sondern erst im Laufe des Jahres 1993 eingetreten.

Die Beklagte führte hierzu aus, auch bei Eintritt eines Leistungsfalles im Juli 1993 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG holte das Sozialgericht ein Gutachten des Neurologen Dr ... vom 02.09.1996 ein. Dieser führte aus, eine Zunahme der Symptomatik sei im Verlauf des Jahres 1993, insbesondere im letzten Drittel eingetreten. Aufgrund der klinischen Aufzeichnungen und der Befundentwicklung halte er Ende 1993 das klinische Bild einer hypertensiven Enzephalopathie mit erheblichen Hirnleistungsstörungen für gegeben. Seit Ende 1993 könnten Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses als Verwaltungsangestellte/Schreibkraft nicht mehr ausgeübt werden. Eine wesentliche Leistungsminderung sei Ende 1993 mit formalem Beginn am 30.12.1993 eingetreten. In einer ergänzenden Stellungnahme nach Beiziehung der Krankenakte der Ostertal-Klinik führte Dr ... aus, es sei davon auszugehen, dass die die quantitative Leistungsminderung begründenden Gesundheitsstörungen erst im Laufe des Jahres 1993 aufgetreten seien.

Im Verhandlungstermin vom 17.02.1998 hörte das Sozialgericht den Ehemann der Klägerin als Zeugen. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.

Mit Urteil vom 17.02.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien bei einem Leistungsfall bis einschließlich November 1993 nicht erfüllt. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Leistungsfall nicht erst am 30.12.1993 bzw. 09.01.1994 eingetreten sei, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich circa Juni/Juli 1993. Dies folge im Wesentlichen aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und dem Gutachten des Sachverständigen Dr ...

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird, das eingeholte Sachverständigengutachten Dr ... ergebe keinen konkreten Aufschluss darüber, wann im Jahre 1993 vom Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ausgegangen werden könne. Demgegenüber habe der Sachverständige Dr ... klar festgestellt, dass erst Ende des Jahres 1993 Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen nicht mehr ausgeübt werden könnten. Auch die Zeugeneinvernahme des Ehemannes der Klägerin spreche eher gegen eine Erwerbsunfähigkeit bereits im Sommer 1993. Bezüglich der Aussage betreffend den Schlaganfall, müsse wohl nach dem gesamten Sachverhalt das Jahr 1992 gemeint sein. Es bestehe weiterer Aufklärungsbedarf hinsichtlich eines Vergleiches zwischen dem Gesundheitszustand bei Aufnahme der Klägerin in die Ostertal-Klinik und dem Zeitpunkt der Entlassung.

Der Senat zog die Krankenakte der Ostertal-Klinik St.Wendel zum Verfahren bei und beauftragte den Neurologen und Psychiater Dr ... mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser führte im Gutachten vom 15.12.1999 aus, bei der Klägerin bestehe seit Februar 1992 ein Zustand nach Hörsturz mit vorübergehendem Tinnitus. Seit August 1992 sei eine cerebrale Gefäßkrankheit manifest, die sich zunächst in einer transitorischen cerebralen Ischämie mit linksseitiger Halbseitenlähmung und deutlichen Werkzeugstörungen gezeigt habe. Ab Sommer 1992 (zitiert aus dem Klinikbericht St.Wendel), nach Angaben der Klägerin ab Januar 1994 sei zusätzlich eine depressive Symptomatik aufgetreten, die sowohl reaktiv als auch organisch bedingt sein könne. Ab Sommer 1992 sei eine Hypertonus bekannt. Diese Erkrankungen zeigten sich jetzt noch mit Resterscheinungen im Sinne eines hirnorganischen Psychosyndroms mit Verlangsamung der psychischen Abläufe und mit leichten Gedächtnisstörungen. Die Klägerin sei bei bestimmten Tätigkeiten, z.B. beim Schreiben oder bei der Bewältigung komplexer Handlungsabläufe behindert. Außerdem bestehe eine komplexe körperliche Symptomatik mit Schwindel, Kopfschmerzen und synkopalen Zuständen.

Die Klägerin habe ab Februar 1992 nicht mehr unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten können. Er, Dr ... , schätze ein, dass aufgrund des Hörsturzes über einen Zeitraum von einem halben Jahr Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Die im August 1992 eingetretene neurologische Symptomatik habe nach seiner Einschätzung zunächst nur Arbeitsunfähigkeit begründet, da man habe davon ausgehen können, dass durch die eingeleiteten therapeutischen Maßnahmen einschließlich der dann durchgeführten stationären Reha-Maßnahmen eine Besserung des Gesundheitszustandes eintreten würde, durch die die Klägerin hätte wieder in die Lage versetzt werden können, ihrer ursprünglichen Tätigkeit nachzugehen. Erst nach Scheitern dieser rehabilitativen Maßnahmen (Ende des stationären Aufenthaltes) im Januar 1994 werde man Erwerbsunfähigkeit konstatieren können, da zu diesem Zeitpunkt deutlich geworden sei, dass in absehbarer Zeit der Gesundheitszustand sich nicht bessern würde. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien zu diesem Zeitpunkt nur noch unterhalbschichtig, null bis drei Stunden täglich, möglich gewesen. Ab September 1995 sei die Klägerin wieder untervollschichtig (vier bis sechs Stunden täglich) einsetzbar, da sich der Gesundheitszustand gebessert habe.

Die Klägerin sah sich durch dieses Gutachten in ihrer Auffassung bekräftigt, dass erst ab Januar 1994 Erwerbsunfähigkeit angenommen werde könne, wohingegen die Beklagte darauf verwies, dass ohne Unterbrechungen seit 17.02.1992 Arbeitsunfähigkeit bestehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.02.1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.1995 zu verurteilen, der Klägerin auf der Grundlage eines Leistungsfalls im Januar 1994 ab 01.02.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Krankenakte der Osterwald-Klinik St.Wendel, der rekonstruierten Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint, da die Klägerin zwar erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs.2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ist, zum Zeitpunkt des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit am 17.02.1992 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) oder spätestens im Juni/Juli 1993 jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit nicht erfüllt sind.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit könnte die Klägerin nur dann beanspruchen, wenn

a) die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeit für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt wären (§§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI), oder
b) die Zeit ab 01.01.1984 bis zum Eintritt von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt oder noch belegbar wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder
c) die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit erfüllt ist (§§ 53, 43 Abs.4, 44 Abs.4 SGB VI), oder
d) der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI).

Keine dieser Voraussetzungen ist bei der Klägerin gegeben.

Zunächst ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass einer der in § 53 SGB VI näher beschriebenen Tatbestände der vorzeitigen Wartezeiterfüllung in Betracht gezogen werden könnte. Auch für den Eintritt des Leistungsfalles bereits im Jahre 1984 ergeben sich keine Hinweise, zumal die Klägerin im Jahre 1988 und ab 1990 versicherungspflichtig beschäftigt war. Die Klägerin hat nach Ende der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung am 30.06.1987 bis zum 01.02.1988 und vom 10.04.1988 bis 18.11.1990 auch keine Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne der §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI zurückgelegt, insbesondere hat sie keine Beiträge entrichtet. Eine nachträgliche Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für diese Zeiträume ist nicht mehr möglich, da die Frist des § 140 Abs.1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) bzw. § 197 SGB VI bei Rentenantragstellung bereits abgelaufen war und sich keine Anhaltspunkte für ein Nachent- richtungsrecht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ergeben. Die Klägerin erklärte im Erörterungstermin vom 30.06.1999, nach ihrer Erinnerung habe sie sich vor Rentenantragstellung im Jahr 1993 nie mit der Beklagten bezüglich Kontenklärung oder Rentenauskunft in Verbindung gesetzt.

Ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalles mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Februar 1992 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ebenso wenig erfüllt wie beim Eintritt eines Leistungsfalles Mitte 1993. Die Klägerin hat in dem jeweils maßgebenden Fünfjahreszeitraum nicht die erforderlichen drei Jahre (36 Monate) mit Pflichtbeiträgen belegt.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären erst bei einem Leistungsfall gegeben, der im Laufe des Monats Dezember 1993 oder später eingetreten sein müsste. Dies lässt sich nach allen vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten jedoch nicht begründen.

Das Sozialgericht hat die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten sowie die Zeugenaussage des Ehemanns der Klägerin gründlich ausgewertet und überzeugend dargestellt, dass der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit spätestens Mitte 1993 eingetreten ist und die Annahme eines späteren Leistungsfalles keinesfalls begründbar ist, auch wenn im Dezember 1993 eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten sein sollte. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen im Wesentlichen an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG). Abweichend vom Sozialgericht ist nach dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten jedoch davon auszugehen, dass der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit bereits mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 17.02.1992 eingetreten ist, was im Ergebnis jedoch ohne Bedeutung ist, da der Leistungsfall jedenfalls vor Dezember 1993 eingetreten ist.

Der Neurologe und Psychiater Dr ... , der dem Senat als erfahrener Gutachter bekannt ist, hat in seinem Gutachten vom 15.12.1999 überzeugend dargelegt , dass die Klägerin bereits ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Februar 1992 nicht mehr unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten konnte. Auch wenn in der Folge des erlittenen Hörsturzes zunächst die Annahme von Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von einem halben Jahr gerechtfertigt schien, wurde bereits im August 1992 eine cerebrale Gefäßkrankheit manifest, die sich zunächst in einer transitorischen cerebralen Ischämie mit linksseitiger Halbseitenlähmung und deutlichen Werkzeugstörungen zeigte. Die Unfähigkeit, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, setzte sich also ab August 1992 fort, wobei spätestens im Januar 1994 nach Ende des Heilverfahrens deutlich wurde, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin in absehbarer Zeit nicht entscheidend bessern würde. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist festzustellen, dass die Klägerin seit Beginn der Dauerarbeitsunfähigkeit im Januar 1992 nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig erwerbstätig zu sein.

Damit ist die Klägerin bereits seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs.2 SGB VI, da sie bereits seit diesem Zeitpunkt auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Dem stehen nicht die Ausführungen des Dr ... im Gutachten vom 15.12.1999 entgegen, der zunächst nur Arbeitsunfähigkeit und erst nach Ende des Heilverfahrens Erwerbsunfähigkeit annimmt.

Die Subsumtion des festgestellten Leistungsvermögens unter die Rechtsbegriffe Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit ist allein Aufgabe des Gerichts und nicht des Sachverständigen.

Wenn nach den Ausführungen des Sachverständigen erst nach Ende des Heilverfahrens deutlich wurde, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, bestätigt dies die Annahme, dass von Anfang an Erwerbsunfähigkeit vorlag. Auch wenn zu Beginn einer Erkrankung zunächst zu erwarten ist, dass im Lauf einiger Monate wieder eine vollschichtige Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist, hat sich bei der Klägerin diese Erwartung gerade nicht erfüllt.

Wenn eine Arbeitsunfähigkeit nicht endet, sondern wie hier in eine Dauerleistungsminderung bzw. länger dauernde Leistungsminderung übergeht, so ist der Beginn der Dauerleistungsminderung identisch mit dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit. Sie beginnt nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem deutlich wird, dass eine Besserung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.

Bei der Beurteilung, ob eine Dauerleistungsminderung auf nicht absehbare Zeit, d.h. über sechs Monate hinaus vorliegt, ist nicht auf den Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsunfähigkeit, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über den Rentenantrag bzw. den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BSG in SozR 2200 Nr.16 zu § 1247; Meyer- Ladewig, Rdnr. 24 zu § 54 SGG). Die somit gebotene retrospektive Betrachtungsweise führt zu der Feststellung eines Leistungsfalles bereits im Februar 1992, jedenfalls aber vor Dezember 1993.

Die Berufung der Klägerin kann somit keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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