Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 An 99/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 8/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. September 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31.12.1994 hinaus streitig.
Die am 1965 geborene Klägerin absolvierte von Oktober 1985 bis August 1990 ein Studium zur Bauingenieurin an der Fachhochschule. Ab 01.12.1990 war sie als Bauingenieurin versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 13.01.1992 erkrankte sie arbeitsunfähig, das Arbeitsverhältnis endete zum 30.06.1992. Am 06.05.1993 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit und gab dabei an, sich seit 10.10.1990 (Verkehrsunfall) für berufs- bzw. erwerbsunfähig zu halten. Zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung hatte sie unter Berücksichtigung des Sozialleistungsbezuges eine Beitragszeit von 25 Kalendermonaten zurückgelegt. Nach Einholung eines chirurgischen und nervenärztlichen Gutachtens bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.09.1993 ausgehend von einem Leistungsfall am 13.01.1992 ab 01.05.1993 bis 31.12.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, da die Klägerin nervenärztlicherseits nur mehr für fähig erachtet wurde, halb- bis untervollschichtig erwerbstätig zu sein.
Am 21.07.1994 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente, worauf die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten einholte. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, es bestünden keine Einschränkungen seitens dieses Fachgebietes, weshalb die Klägerin als Bauingenieurin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig arbeiten könne. Die Beklagte lehnte daraufhin den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 23.11.1994 ab. Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten ein, worin zusammenfassend festgestellt wurde, der Klägerin seien vollschichtig leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen zumutbar. Es bestehe der dringende Verdacht auf eine psychosomatische Er- mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.1995 als unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die beim Sozialgericht Regensburg erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin im wesentlichen ausführt, sie sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes, insbesondere wegen der Wirbelsäulenerkrankung weiterhin berufs- und auch erwerbsunfähig. Eine Besserung sei seit der Rentengewährung nicht eingetreten. Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und Beiziehung von Krankenunterlagen holte das Sozialgericht ein Terminsgutachten des Nervenarztes P. R. vom 13.02.1996 ein. Dieser führte zusammenfassend aus, bei der Klägerin liege ein Schmerzsyndrom bei Zustand nach Autounfall 1990 mit funktionellem Lendenwirbelsäulensyndrom und pseudoradikulärem Lumbalsyndrom bei Verdacht auf funktionelle Überlagerung vor. Ihr sei eine regelmäßige vollschichtige Arbeitsleistung täglich zumutbar. Als Einschränkungen gelten: Keine körperlich schweren oder mittelschwere Arbeiten, im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne einseitige Körperhaltung. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG holte das Sozialgericht ein Gutachten des Orthopäden Dr.S. vom 18.03.1997 ein. Dieser stellte fest, daß die Klägerin an einem chronischen Lendenwirbelsäulensyndrom bei Fehlstatik der Wirbelsäule und beginnenden degenerativen Veränderungen der Brustwirbelsäule leide. Sie könne noch regelmäßig vollschichtig arbeiten, die Betätigung sollte ohne schweres Heben und Tragen und ohne länger einseitig gebückte Körperhaltung erfolgen. Dieses Leistungsbild entspreche einer Bürokraft. Auch als Bauingenieurin sei die Klägerin vollschichtig einsetzbar. In einer Stellungnahme hierzu legte die Klägerin ein orthopädisches Gutachten des Dr.D. vom 22.08.1997 vor, das in einem Zivilprozeß erstattet worden war. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, es sei glaubhaft, daß die Klägerin ihren Beruf als Bauingenieurin nicht mehr ausüben könne, die dafür ursächlichen Beschwerden seien aber nicht Folge der Verletzungen des Unfalles vom 10.10.1990.
Mit Urteil vom 26.09.1997 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus, die Klägerin habe über den 31.12.1994 hinaus keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie sei zwar aufgrund ihres Fachhochschulstudiums in die Gruppe der Angestellten mit hoher beruflicher Qualifikation einzustufen, sie sei jedoch nicht berufsunfähig, da sie in dem Beruf als Bauingenieurin noch vollschichtig tätig sein könne. Dies ergebe sich aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Gutachten sowie der beigezogenen und vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Auch wenn im Beruf der Bauingenieurin ein Großteil der Tätigkeiten am Reißbrett und/oder am Computer erfolge, wechselten diese mit anderen Tätigkeiten ab, bei der die Einschränkungen der Klägerin berücksichtigt werden könnten. Maßgebend sei dabei nicht, wie der letzte Arbeitsplatz der Klägerin konkret gestaltet gewesen sei, abzustellen sei vielmehr auf die generelle Tätigkeit eines Bauingenieurs. Das Gutachten des Dr.D. aus dem Zivilprozeß könne nicht überzeugen, da dieser darauf hinwies, daß wenn die Klägerin angebe, aufgrund ihrer Beschwerden die Tätigkeit als Bauingenieurin nicht mehr ausüben zu können, dies eine Frage der Glaubhaftigkeit sei und er dies in seinem Gutachten so übernommen habe.
Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Zu deren Begründung wird zunächst ausgeführt, das Sozialgericht sei nicht ausreichend auf die Einwände gegen das Gutachten des Dr.S. eingegangen. Sie sei aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage, ihren Beruf als Bauingenieurin auszuüben. Sie sei in dem Beruf gezwungen, so gut wie ausschließlich entweder vor dem Computer zu sitzen oder vor dem Reißbrett zu stehen, beides in jeweils einseitiger, unnatürlicher Körperhaltung. Aufgrund der Anforderungen im Beruf sei sie nicht in der Lage, die damit verbundenen körperlichen Beanspruchungen zu kompensieren und in anderen Arbeitsphasen eine körperliche Schonung zu erhalten. Das Berufsbild werde gerade dadurch geprägt, daß zum ganz überwiegenden Teil in einseitiger Körperhaltung gearbeitet werden müsse. Ca. 90 % der jeweiligen Tätigkeit müsse entweder im Sitzen oder im Stehen verbracht werden. Insbesondere der konstruktive Ingenieurbau, den die Klägerin ausgeübt habe, sei durch diese einseitigen statischen Belastungen geprägt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.1995 zu verurteilen, ihr über den 31.12.1994 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Klägerin für nicht wenigstens berufsunfähig und beschreibt zur Begründung ausführlich die Tätigkeitsbereiche eines Diplomingenieurs für das Bauwesen und des konstruktiven Ingenieurbaus unter Hinweise auf Urteile des LSG Niedersachsen und des 11. Senats des BayLSG. Danach sei davon auszugehen, daß es sich insgesamt um eine leichte Arbeit in geschlossenen Räumen, unter Umständen auch im Freien handle, die in wechselnder Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werde. Sicher sei ein zeitweises konzentriertes Arbeiten erforderlich, am Zeichenbrett bzw. am Computer, es würden jedoch bei Entwürfen und Planungen sehr viele Absprachen erforderlich, Pläne müßten vervielfältigt, archiviert und registriert werden. Die Tätigkeit erfordere Teamfähigkeit und Improvisationstalent. Der Beruf des Diplomingenieurs - namentlich in größeren Betrieben - werde auch in der Weise ausgeübt, daß sich die Tätigkeiten auf reine Büroarbeiten (Planung, Masseberechnungen und dergleichen) beschränke. Ein weiteres Tätigkeitsfeld biete sich dem Diplom-Bauingenieur in der Auftragsabwicklung. Festzustellen sei somit, daß sich für die Klägerin entsprechend ihrem restlichen Leistungsvermögens körperlich leichte Tätigkeiten benennen ließen, die zwar auch üblicherweise sitzend, dennoch aber auch im Wechsel der drei typischen Körperhaltungen ohne für die aus medizinischer Sicht ansonsten auszuschließenden physischen Belastungssituationen ausgeübt werden könnten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Rentenakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch sachlich unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage gegen die eine weitere Rentengewährung ablehnenden Bescheide der Beklagten abgewiesen.
Dabei ist zunächst zweifelhaft, ob die Klägerin, der von der Beklagten vom 01.05.1993 bis 31.12.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bewilligt worden war, überhaupt die medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung erfüllte. Zunächst scheint die vom nervenärztlichen Gutachter der Beklagten vorgenommene Einschränkung der Leistungsfähigkeit aufgrund eines vielfältigen psychosomatischen Beschwerdekomplexes nach dem Unfall im Oktober 1990 nur schwer nachvollziehbar. Selbst wenn man diese Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit (halb- bis untervollschichtig) teilt, besteht dieses Leistungsvermögen nach den Ausführungen des Gutachters der Beklagten seit dem Unfall 1990. Auch die Klägerin selbst hält sich bereits seit diesem Unfall für erwerbsunfähig. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch noch keinen einzigen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, so daß die Wartezeitfiktion des § 53 Abs.2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) nicht zum Tragen käme.
Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da die Klägerin jedenfalls über den 31.12.1994 hinaus nicht wenigstens berufsunfähig ist, da sie den erlernten und insgesamt 13 Monate ausgeübten Beruf einer Bauingenieurin vollschichtig ausüben kann.
Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist über den streitigen Zeitpunkt hinaus nicht infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen einer vergleichbaren gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken. Sie erfüllt damit nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wie sie in den §§ 43 Abs.2, 44 Abs.2 SGB VI gefordert sind und vom Sozialgericht näher dargestellt wurden.
Nach dem Ergebnis der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der von der Beklagten aufgrund des Weitergewährungsantrages eingeholten Gutachten ist davon auszugehen, daß die Klägerin vollschichtig leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne einseitige Körperhaltung über mehrere Stunden, ohne Bücken und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten verrichten kann. Auffällig ist dabei die in den Gutachten beschriebene Diskrepanz zwischen objektivierbaren Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und den Schmerzangaben der Klägerin, wobei diesen funktionellen Überlagerungen jedenfalls über den 31.12.1994 hinaus keine leistungsmindernde Bedeutung mehr beikommt. Nicht entkräften kann die Feststellungen der im Verwaltungs- und Klageverfahren gehörten Gutachter das im Zivilprozeß erstattete Gutachten des Orthopäden Dr.D ... Wie bereits das Sozialgericht ausgeführt hat, stützt dieser seine Aussage, es sei glaubhaft, daß die Klägerin ihren Beruf als Bauingenieurin nicht mehr ausüben kann, allein auf deren Angaben. Eine nachvollziehbare Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit in quantitativer und qualitativer Hinsicht findet sich in diesem von der Klägerin vorgelegten Gutachten nicht. Auch die Klägerin selbst erhebt letztlich keine durchgreifenden Einwände gegen das Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung. Sie ist vielmehr der Auffassung, mit dem von den Sachverständigen beschriebenen Leistungsvermögen nicht mehr als Bauingenieurin tätig sein zu können.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden, wie auch das Sozialgericht zutreffend dargestellt hat.
Wie die Beklagte im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf Urteile des LSG Niedersachen vom 03.05.1991 (L 1 An 193/90) und des 11. Senats des BayLSG vom 11.04.1995 (L 11 An 171/93) ausführt, wird der Beruf des Diplomingenieurs im Baubereich insbesondere in größeren Betrieben in der Weise ausgeübt, daß sich die Tätigkeit auf reine Büroarbeiten (Planung, Masseberechnung und dergleichen) beschränkt. Der Diplomingenieur ist auch in der Auftragsabwicklung tätig (z.B. Entwicklung, Konstruktion, Einkauf, Materialdisposition und Koordination der einzelnen Betriebsabteilungen). Dies hat das LSG Niedersachsen im zitierten Urteil unter Bezugnahme auf berufskundliche Stellungnahmen in anderen Verfahren überzeugend dargestellt. Unter Hinweis auf die von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen Blätter zur Berufskunde (2/I N 30) hat der 11. Senat des BayLSG im zitierten Urteil insbesondere festgestellt, daß Bauingenieure im konstruktiven Ingenieurbau (also wie zuletzt die Klägerin) vorwiegend mit dem Entwurf, der statischen Berechnung, der Bemessung, der Konstruktion und Ausführung von Tragwerken des Hoch- und Tiefbaus, des Brücken- und des Wasserbaus befaßt sind. Dabei hat gerade im konstruktiven Ingenieurbau die EDV zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zusammenfassend ist auf der Grundlage der von der Beklagten eingeführten Urteile und der dortigen Erkenntnisquellen festzustellen, daß die Tätigkeit eines Bauingenieurs jedenfalls auch in der Weise ausgeübt wird, daß sie sich auf reine Büroarbeiten beschränkt. Die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens ist insoweit ebenso wenig erforderlich wie für die Frage, ob die Klägerin mit dem verbliebenen Leistungsvermögen Bürotätigkeiten verrichten kann. Zwar werden Bürotätigkeiten überwiegend im Sitzen ausgeübt, doch ist jedenfalls bei Bürotätigkeiten gehobener Art zeitweises Aufstehen und Umhergehen durchaus möglich, wie bereits von der Beklagten dargestellt. Längere einseitige Körperzwangshaltungen fallen ebenso wenig an wie Bücken und Heben und Tragen schwerer Lasten. Auch handelt es sich weder um körperlich schwere oder mittelschwere Arbeiten, so daß Bürotätigkeiten dem von den Sachverständigen beschriebenen körperlichen Leistungsvermögen der Klägerin gerecht werden.
Die Klägerin ist also jedenfalls über den 31.12.1994 hinaus fähig, im erlernten und kurzfristig ausgeübten Beruf wieder tätig zu sein, wobei es nicht darauf ankommt, ob ihr konkret die letzte berufliche Tätigkeit noch möglich ist. Entscheidend ist vielmehr, daß der Beruf des Bauingenieurs genügend Einsatzmöglichkeiten bietet, die dem Leistungsvermögen der Klägerin entsprechen, so daß Berufsunfähigkeit nicht vorliegt. Erst recht läßt sich damit das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.
Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31.12.1994 hinaus streitig.
Die am 1965 geborene Klägerin absolvierte von Oktober 1985 bis August 1990 ein Studium zur Bauingenieurin an der Fachhochschule. Ab 01.12.1990 war sie als Bauingenieurin versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 13.01.1992 erkrankte sie arbeitsunfähig, das Arbeitsverhältnis endete zum 30.06.1992. Am 06.05.1993 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit und gab dabei an, sich seit 10.10.1990 (Verkehrsunfall) für berufs- bzw. erwerbsunfähig zu halten. Zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung hatte sie unter Berücksichtigung des Sozialleistungsbezuges eine Beitragszeit von 25 Kalendermonaten zurückgelegt. Nach Einholung eines chirurgischen und nervenärztlichen Gutachtens bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.09.1993 ausgehend von einem Leistungsfall am 13.01.1992 ab 01.05.1993 bis 31.12.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, da die Klägerin nervenärztlicherseits nur mehr für fähig erachtet wurde, halb- bis untervollschichtig erwerbstätig zu sein.
Am 21.07.1994 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente, worauf die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten einholte. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, es bestünden keine Einschränkungen seitens dieses Fachgebietes, weshalb die Klägerin als Bauingenieurin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig arbeiten könne. Die Beklagte lehnte daraufhin den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 23.11.1994 ab. Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten ein, worin zusammenfassend festgestellt wurde, der Klägerin seien vollschichtig leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen zumutbar. Es bestehe der dringende Verdacht auf eine psychosomatische Er- mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.1995 als unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die beim Sozialgericht Regensburg erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin im wesentlichen ausführt, sie sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes, insbesondere wegen der Wirbelsäulenerkrankung weiterhin berufs- und auch erwerbsunfähig. Eine Besserung sei seit der Rentengewährung nicht eingetreten. Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und Beiziehung von Krankenunterlagen holte das Sozialgericht ein Terminsgutachten des Nervenarztes P. R. vom 13.02.1996 ein. Dieser führte zusammenfassend aus, bei der Klägerin liege ein Schmerzsyndrom bei Zustand nach Autounfall 1990 mit funktionellem Lendenwirbelsäulensyndrom und pseudoradikulärem Lumbalsyndrom bei Verdacht auf funktionelle Überlagerung vor. Ihr sei eine regelmäßige vollschichtige Arbeitsleistung täglich zumutbar. Als Einschränkungen gelten: Keine körperlich schweren oder mittelschwere Arbeiten, im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne einseitige Körperhaltung. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG holte das Sozialgericht ein Gutachten des Orthopäden Dr.S. vom 18.03.1997 ein. Dieser stellte fest, daß die Klägerin an einem chronischen Lendenwirbelsäulensyndrom bei Fehlstatik der Wirbelsäule und beginnenden degenerativen Veränderungen der Brustwirbelsäule leide. Sie könne noch regelmäßig vollschichtig arbeiten, die Betätigung sollte ohne schweres Heben und Tragen und ohne länger einseitig gebückte Körperhaltung erfolgen. Dieses Leistungsbild entspreche einer Bürokraft. Auch als Bauingenieurin sei die Klägerin vollschichtig einsetzbar. In einer Stellungnahme hierzu legte die Klägerin ein orthopädisches Gutachten des Dr.D. vom 22.08.1997 vor, das in einem Zivilprozeß erstattet worden war. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, es sei glaubhaft, daß die Klägerin ihren Beruf als Bauingenieurin nicht mehr ausüben könne, die dafür ursächlichen Beschwerden seien aber nicht Folge der Verletzungen des Unfalles vom 10.10.1990.
Mit Urteil vom 26.09.1997 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus, die Klägerin habe über den 31.12.1994 hinaus keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie sei zwar aufgrund ihres Fachhochschulstudiums in die Gruppe der Angestellten mit hoher beruflicher Qualifikation einzustufen, sie sei jedoch nicht berufsunfähig, da sie in dem Beruf als Bauingenieurin noch vollschichtig tätig sein könne. Dies ergebe sich aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Gutachten sowie der beigezogenen und vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Auch wenn im Beruf der Bauingenieurin ein Großteil der Tätigkeiten am Reißbrett und/oder am Computer erfolge, wechselten diese mit anderen Tätigkeiten ab, bei der die Einschränkungen der Klägerin berücksichtigt werden könnten. Maßgebend sei dabei nicht, wie der letzte Arbeitsplatz der Klägerin konkret gestaltet gewesen sei, abzustellen sei vielmehr auf die generelle Tätigkeit eines Bauingenieurs. Das Gutachten des Dr.D. aus dem Zivilprozeß könne nicht überzeugen, da dieser darauf hinwies, daß wenn die Klägerin angebe, aufgrund ihrer Beschwerden die Tätigkeit als Bauingenieurin nicht mehr ausüben zu können, dies eine Frage der Glaubhaftigkeit sei und er dies in seinem Gutachten so übernommen habe.
Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Zu deren Begründung wird zunächst ausgeführt, das Sozialgericht sei nicht ausreichend auf die Einwände gegen das Gutachten des Dr.S. eingegangen. Sie sei aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage, ihren Beruf als Bauingenieurin auszuüben. Sie sei in dem Beruf gezwungen, so gut wie ausschließlich entweder vor dem Computer zu sitzen oder vor dem Reißbrett zu stehen, beides in jeweils einseitiger, unnatürlicher Körperhaltung. Aufgrund der Anforderungen im Beruf sei sie nicht in der Lage, die damit verbundenen körperlichen Beanspruchungen zu kompensieren und in anderen Arbeitsphasen eine körperliche Schonung zu erhalten. Das Berufsbild werde gerade dadurch geprägt, daß zum ganz überwiegenden Teil in einseitiger Körperhaltung gearbeitet werden müsse. Ca. 90 % der jeweiligen Tätigkeit müsse entweder im Sitzen oder im Stehen verbracht werden. Insbesondere der konstruktive Ingenieurbau, den die Klägerin ausgeübt habe, sei durch diese einseitigen statischen Belastungen geprägt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.1995 zu verurteilen, ihr über den 31.12.1994 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Klägerin für nicht wenigstens berufsunfähig und beschreibt zur Begründung ausführlich die Tätigkeitsbereiche eines Diplomingenieurs für das Bauwesen und des konstruktiven Ingenieurbaus unter Hinweise auf Urteile des LSG Niedersachsen und des 11. Senats des BayLSG. Danach sei davon auszugehen, daß es sich insgesamt um eine leichte Arbeit in geschlossenen Räumen, unter Umständen auch im Freien handle, die in wechselnder Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werde. Sicher sei ein zeitweises konzentriertes Arbeiten erforderlich, am Zeichenbrett bzw. am Computer, es würden jedoch bei Entwürfen und Planungen sehr viele Absprachen erforderlich, Pläne müßten vervielfältigt, archiviert und registriert werden. Die Tätigkeit erfordere Teamfähigkeit und Improvisationstalent. Der Beruf des Diplomingenieurs - namentlich in größeren Betrieben - werde auch in der Weise ausgeübt, daß sich die Tätigkeiten auf reine Büroarbeiten (Planung, Masseberechnungen und dergleichen) beschränke. Ein weiteres Tätigkeitsfeld biete sich dem Diplom-Bauingenieur in der Auftragsabwicklung. Festzustellen sei somit, daß sich für die Klägerin entsprechend ihrem restlichen Leistungsvermögens körperlich leichte Tätigkeiten benennen ließen, die zwar auch üblicherweise sitzend, dennoch aber auch im Wechsel der drei typischen Körperhaltungen ohne für die aus medizinischer Sicht ansonsten auszuschließenden physischen Belastungssituationen ausgeübt werden könnten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Rentenakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch sachlich unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage gegen die eine weitere Rentengewährung ablehnenden Bescheide der Beklagten abgewiesen.
Dabei ist zunächst zweifelhaft, ob die Klägerin, der von der Beklagten vom 01.05.1993 bis 31.12.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bewilligt worden war, überhaupt die medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung erfüllte. Zunächst scheint die vom nervenärztlichen Gutachter der Beklagten vorgenommene Einschränkung der Leistungsfähigkeit aufgrund eines vielfältigen psychosomatischen Beschwerdekomplexes nach dem Unfall im Oktober 1990 nur schwer nachvollziehbar. Selbst wenn man diese Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit (halb- bis untervollschichtig) teilt, besteht dieses Leistungsvermögen nach den Ausführungen des Gutachters der Beklagten seit dem Unfall 1990. Auch die Klägerin selbst hält sich bereits seit diesem Unfall für erwerbsunfähig. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch noch keinen einzigen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, so daß die Wartezeitfiktion des § 53 Abs.2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) nicht zum Tragen käme.
Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da die Klägerin jedenfalls über den 31.12.1994 hinaus nicht wenigstens berufsunfähig ist, da sie den erlernten und insgesamt 13 Monate ausgeübten Beruf einer Bauingenieurin vollschichtig ausüben kann.
Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist über den streitigen Zeitpunkt hinaus nicht infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen einer vergleichbaren gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken. Sie erfüllt damit nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wie sie in den §§ 43 Abs.2, 44 Abs.2 SGB VI gefordert sind und vom Sozialgericht näher dargestellt wurden.
Nach dem Ergebnis der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der von der Beklagten aufgrund des Weitergewährungsantrages eingeholten Gutachten ist davon auszugehen, daß die Klägerin vollschichtig leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne einseitige Körperhaltung über mehrere Stunden, ohne Bücken und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten verrichten kann. Auffällig ist dabei die in den Gutachten beschriebene Diskrepanz zwischen objektivierbaren Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und den Schmerzangaben der Klägerin, wobei diesen funktionellen Überlagerungen jedenfalls über den 31.12.1994 hinaus keine leistungsmindernde Bedeutung mehr beikommt. Nicht entkräften kann die Feststellungen der im Verwaltungs- und Klageverfahren gehörten Gutachter das im Zivilprozeß erstattete Gutachten des Orthopäden Dr.D ... Wie bereits das Sozialgericht ausgeführt hat, stützt dieser seine Aussage, es sei glaubhaft, daß die Klägerin ihren Beruf als Bauingenieurin nicht mehr ausüben kann, allein auf deren Angaben. Eine nachvollziehbare Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit in quantitativer und qualitativer Hinsicht findet sich in diesem von der Klägerin vorgelegten Gutachten nicht. Auch die Klägerin selbst erhebt letztlich keine durchgreifenden Einwände gegen das Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung. Sie ist vielmehr der Auffassung, mit dem von den Sachverständigen beschriebenen Leistungsvermögen nicht mehr als Bauingenieurin tätig sein zu können.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden, wie auch das Sozialgericht zutreffend dargestellt hat.
Wie die Beklagte im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf Urteile des LSG Niedersachen vom 03.05.1991 (L 1 An 193/90) und des 11. Senats des BayLSG vom 11.04.1995 (L 11 An 171/93) ausführt, wird der Beruf des Diplomingenieurs im Baubereich insbesondere in größeren Betrieben in der Weise ausgeübt, daß sich die Tätigkeit auf reine Büroarbeiten (Planung, Masseberechnung und dergleichen) beschränkt. Der Diplomingenieur ist auch in der Auftragsabwicklung tätig (z.B. Entwicklung, Konstruktion, Einkauf, Materialdisposition und Koordination der einzelnen Betriebsabteilungen). Dies hat das LSG Niedersachsen im zitierten Urteil unter Bezugnahme auf berufskundliche Stellungnahmen in anderen Verfahren überzeugend dargestellt. Unter Hinweis auf die von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen Blätter zur Berufskunde (2/I N 30) hat der 11. Senat des BayLSG im zitierten Urteil insbesondere festgestellt, daß Bauingenieure im konstruktiven Ingenieurbau (also wie zuletzt die Klägerin) vorwiegend mit dem Entwurf, der statischen Berechnung, der Bemessung, der Konstruktion und Ausführung von Tragwerken des Hoch- und Tiefbaus, des Brücken- und des Wasserbaus befaßt sind. Dabei hat gerade im konstruktiven Ingenieurbau die EDV zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zusammenfassend ist auf der Grundlage der von der Beklagten eingeführten Urteile und der dortigen Erkenntnisquellen festzustellen, daß die Tätigkeit eines Bauingenieurs jedenfalls auch in der Weise ausgeübt wird, daß sie sich auf reine Büroarbeiten beschränkt. Die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens ist insoweit ebenso wenig erforderlich wie für die Frage, ob die Klägerin mit dem verbliebenen Leistungsvermögen Bürotätigkeiten verrichten kann. Zwar werden Bürotätigkeiten überwiegend im Sitzen ausgeübt, doch ist jedenfalls bei Bürotätigkeiten gehobener Art zeitweises Aufstehen und Umhergehen durchaus möglich, wie bereits von der Beklagten dargestellt. Längere einseitige Körperzwangshaltungen fallen ebenso wenig an wie Bücken und Heben und Tragen schwerer Lasten. Auch handelt es sich weder um körperlich schwere oder mittelschwere Arbeiten, so daß Bürotätigkeiten dem von den Sachverständigen beschriebenen körperlichen Leistungsvermögen der Klägerin gerecht werden.
Die Klägerin ist also jedenfalls über den 31.12.1994 hinaus fähig, im erlernten und kurzfristig ausgeübten Beruf wieder tätig zu sein, wobei es nicht darauf ankommt, ob ihr konkret die letzte berufliche Tätigkeit noch möglich ist. Entscheidend ist vielmehr, daß der Beruf des Bauingenieurs genügend Einsatzmöglichkeiten bietet, die dem Leistungsvermögen der Klägerin entsprechen, so daß Berufsunfähigkeit nicht vorliegt. Erst recht läßt sich damit das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.
Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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