L 13 RA 95/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 1325/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 95/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.03.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat der Beklagten deren notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtzüge zu erstatten. Sonstige außergerichtliche Kosten sind nicht zu ersetzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 1938 geborene Beklagte und ihr am 1938 geborener Ehemann haben am 03.05.1993 mit der B.-Bank AG S. , später: B. Bank AG, einen Kreditvertrag über ein Darlehen in Höhe von 6.300,00 DM mit einer Laufzeit von 72 Monaten abgeschlossen. Am 26.02.1994 schlossen sie einen weiteren Kreditvertrag über ein Darlehen in Höhe von 32.502,49 DM mit einer Laufzeit von 54 Monaten. Nach dessen Allgemeinen Kreditbedingungen Nr. 4 sollten zur Sicherung unter anderem alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche auf Rentenzahlungen gegen den jeweiligen Leistungsträger abgetreten werden.

Mit Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts (AG) München vom 05.07.1996 wurden die Beklagte und ihr Ehemann als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Rechtsvorgängerin der Klägerin 5.247,92 DM nebst Zinsen zu zahlen. Aus dem Mahnbescheid vom 30.04.1996 mit nachfolgendem Vollstreckungsbescheid vom 30.05.1996 ergab sich die Verpflichtung der Eheleute, als Gesamtschuldner aus Darlehensvertrag 26.758,64 DM nebst Zinsen zu zahlen. Mit Schreiben vom 01.07.1996 begehrte die B. Bank AG die Überweisung des pfändbaren Teils der Rentenansprüche, was die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA - (Beigeladene) mangels Leistungsgewährung zurückwies.

Mit Bescheid vom 15.06.1998 bewilligte die BfA der Beklagten (= Versicherten) ab September 1998 Altersrente für Frauen in Höhe von 1.345,94 DM monatlich. Den pfändbaren und damit abtretbaren Betrag in Höhe von 91,70 DM monatlich überwies die BfA an die B. Bank AG (Zessionarin), so dass der Beklagten ein Betrag von 1.254,24 DM verblieb. Auf Anzeige vom 22.09.1998, dass die Darlehensforderung der B. Bank AG (ehemals: B. Bank AG) an die Klägerin abgetreten worden sei, überwies die BfA den abtretbaren Betrag an die für die Klägerin zum Einzug der Forderung befugte L. Forderungsmanagement GmbH.

Am 01.08.2000 beantragte die Beklagte die ungekürzte Überweisung Ihrer Rente. Nach Auskunft des AG München vom 25.07.2000 betrage der pfändungsfreie Betrag bei Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für ihren Ehemann, der kein eigenes Einkommen beziehe, 1.680,00 DM. Mit Schreiben vom 06.09.2000 teilte die BfA der Klägerin mit, dass die laufende Zahlung von 105,70 DM mit Ablauf des Monats September eingestellt werde. Bei einem monatlichen Zahlbetrag von 1.373,21 DM ergebe sich bei bestehender Unterhaltspflicht für eine Person nach der Anlage zu § 850c ZPO kein pfändbarer Betrag.

Mit der zum Sozialgericht München (SG) am 28.11.2000 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Einkommens nach § 850c ZPO der Ehemann der Beklagten nicht zu berücksichtigen sei. Bei Bezug von Sozialhilfe in Höhe von 1.192,80 DM verfüge er über eigenes Einkommen, der unpfändbare Teil des Einkommens der Beklagte dürfe daher nicht erhöht werden.

Die beigeladene BfA hat die Auffassung vertreten, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts sei sie als Drittschuldnerin verpflichtet, bei der Berechnung von Pfändungsfreigrenzen Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 27.11.1991 (4 RA 80/90, in: SozR 3-1200 § 53 SGB I Nr. 2) für Fälle des § 850c Abs. 4 ZPO den Gleichlauf von Pfändung und Abtretung in der Weise bestätigt, dass für die Berücksichtigung eines dem Grunde nach unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Entscheidung nicht vom Drittschuldner, sondern vom Vollstreckungsgericht und für Abtretungen (hier nach § 53 Abs. 3 SGB I) vom Sozialgericht zu fordern sei. Eine solche Entscheidung sei im Rahmen der allgemeinen Leistungsklage herbeizuführen.

Durch Urteil vom 29.03.2001 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen. Es sei schon fraglich, ob die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig seien, da der erhobene Anspruch gegen eine Privatperson gerichtet sei. Eine Verweisung an das zuständige Gericht der Zivilgerichtsbarkeit sei nicht erfolgt, weil das BSG (a.a.O) einen öffentlich-rechtlichen Charakter der Streitigkeit bejaht habe und die Rechtskraft der Entscheidung grundsätzlich auch auf den beigeladenen Sozialleistungsträger erstreckt werden könne. Jedoch sei die erhobene Feststellungsklage gegenüber einer hier zu erhebenden Leistungsklage im Verhältnis vom Kläger zum Beigeladenen (hier: Zessionar zu Drittschuldner) subsidiär und damit unzulässig.

In der Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, der Rechtsweg nach § 51 SGG sei gegeben. Es gehe um die Änderung von Rechtsbeziehungen an gesetzlichen Rentenansprüchen, die abschließend im öffentlichen Recht der Sozialversicherung geregelt seien. Im Übrigen habe das SG das Rechtsschutzbegehren verkannt. Es werde keine Verurteilung zu einer Zahlung begehrt, sondern eine Entscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO analog, wodurch ein Zahlungsanspruch erst begründet werde. Es handele sich daher um eine Gestaltungsklage, weil durch die Entscheidung des Gerichts die Rechtslage (Höhe des abtretbaren Einkommens) geändert werde. Schließlich könne dem SG nicht darin gefolgt werden, dass der Leistungsträger im Rahmen des § 53 Abs. 3 SGB I entgegen dem Wortlaut dieselbe Prüfungs- und Entscheidungskompetenz habe wie bei § 53 Abs. 2 Satz 2 SGB I.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils darauf zu erkennen, dass bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Einkommens der Beklagten nach § 850c ZPO der Ehemann der Beklagten nicht als Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.03.2001 zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erledigten Akten des SG München (S 16 RA 1417/00 ER) und des Bayer. Landessozialgerichts (L 13 B 130/01 RA ER), betreffend das Begehren der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutz (Beschluss des LSG vom 07.06.2001, der die Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung des SG vom 29.03.2001 zurückweist). Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat aus der Abtretung vom 26.02.1994 keinen Anspruch nach § 53 Abs. 3 SGB I i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO analog, dass die Beigeladene bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Einkommens der Beklagten (= Versicherte, Zedentin) deren Ehemann nicht als Unterhaltsberechtigten berücksichtigt mit der Folge, dass ein pfändbarer Zahlbetrag (zuletzt in 09/98: 105,70 DM) nicht mehr besteht.

Die vom SG aufgeworfene Frage, ob der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist, kann unentschieden bleiben. Denn nach § 17a Abs. 5 GVG ist dem Berufungsgericht die Prüfung verwehrt, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

Weiterhin kann dahinstehen, ob die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben kann, weil der Beklagten die Passivlegitimation fehlt. Denn nach § 75 Abs. 5 SGG kann der beigeladene Versicherungsträger verurteilt werden.

In der Sache kann die Klägerin jedoch keinen Erfolg haben. Ihr Antrag, unterhaltsberechtigte Personen gemäß § 850c Abs. 4 ZPO nicht zu berücksichtigen, ist unbegründet.

Grundsätzlich steht dem Abtretungsgläubiger einer Sozialleistung das Antragsrecht gemäß § 850c Abs. 4 ZPO analog zu. Für die Entscheidung hierüber sind die Sozialgerichte zuständig (vgl. BSG, SozR 3-1200 § 53 SGB I Nr. 2). Nach dieser Regelung kann das Gericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass eine Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Einkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt, wenn diese Person, der der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte hat. Die Beklagte gewährt ihrem Ehemann, der außer der Sozialhilfe und dem Wohngeld keine Einkünfte hat, Unterhalt, zu dem sie gesetzlich verpflichtet ist.

Der Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO scheitert jedoch daran, dass der unterhaltsberechtigte Ehemann keine eigenen Einkünfte im Sinne des Gesetzes hat. Auch die Klägerin geht davon aus, dass der Ehemann der Beklagten nur Leistungen der Sozialhilfe erhält. Entgegen ihrer Ansicht handelt es sich dabei aber nicht um Einkünfte im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO.

Zu den "eigenen Einkünften" des Unterhaltsberechtigten sind alle Einnahmen zu zählen, die der Unterhaltsberechtigte aus unselbständiger oder selbständiger Arbeit in Ausbildung und Beruf, aus Renten, Pensionen, den Zinserträgen oder Mieteinnahmen aus eigenem Vermögen erzielt. Auch für den Unterhalt bestimmte Zuwendungen Dritter wie Kurzarbeiter-, Winter- oder auch Mutterschaftsgeld sind als eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten anzusehen. Nicht dazu zählen Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG, Grundrenten nach dem BVG sowie Leistungen nach dem BSHG (vgl. Münchener Kommentar, Zivilprozessordnung, 2. Auflage 2001, Band 3, § 850c Rdnr. 22, Musielak, ZPO, 3. Auflage 2002, § 850c Rdnr. 11, Stein/Jonas, Zivilprozessordnung, 21. Auflage 1995, Band 6, § 850c IV Rdnr. 28). Denn durch diese öffentlichen Leistungen wird das Fehlen eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten gerade ausgeglichen.

Darüber hinaus entspricht es nicht billigem Ermessen nach § 850c Abs. 4 ZPO, wenn der unterhaltsberechtigte Ehemann bei der Berechnung des unpfändbaren Einkommens der Beklagten (= Ehefrau) unberücksichtigt bleibt. Denn deren Einkommen ist selbst so gering, dass sie zusätzlich Sozialhilfe erhält, wie sich aus der Bestätigung der Landeshauptstadt München, Sozialreferat vom 18.12.2000 ergibt.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin hat durch Klage und Berufung die Kosten der Beklagten verursacht. Die Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 193 Abs. 4 SGG nicht erstattungsfähig.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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