L 5 RJ 101/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1001/99 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 101/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1962 in Jugoslawien geborene Kläger kam im Alter von 14 Jahren (1976) mit seinen Eltern nach München, wo er noch die achte Klasse Volksschule besuchte. Ein erster Pflichtbeitrag wurde am 27.11.1978 entrichtet, danach folgten kurzzeitige Beschäftigungen bis 31.12.1984, anschließend vier Monate Pflichtbeiträge bis 17.04.1985 und danach zumeist Zeiten der Arbeitslosigkeit. Zuletzt wurden vom 01.09. bis 09.10.1986 Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung entrichtet. Danach war der Kläger noch bis 10.12.1986 arbeitslos gemeldet. Insgesamt ergeben sich 36 Monate an Versicherungszeiten, in denen 26 Monate Pflichtbeitragszeiten (zum Teil bei Sozialleistungsbezug) enthalten sind.

Anschließend kehrte der Kläger nach Jugoslawien zurück. Dort wurden keine Versicherungszeiten zurückgelegt. Am 06.10.1997 hat der Kläger, der schon während seines Aufenthaltes in Deutschland zeitweilig in nervenärztlicher Behandlung war, bei der Beklagten Rentenantrag gestellt. Bei einer durch den jugoslawischen Versicherungsträger durchgeführten Untersuchung wurden eine paranoide Schizophrenie sowie ein Diabetes mellitus Typ II diagnostiziert. Der Kläger könne damit nur unter zwei Stunden täglich arbeiten. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 07.01. 1999 ab, weil der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung (06.10.1992 bis 05.10.1997) keine Versicherungszeiten zurückgelegt habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.1999 zurück, weil die Wartezeit nicht er- seien in Jugoslawien keine Versicherungszeiten zurückgelegt worden.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Beklagte ausgeführt, da der Kläger die Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt habe, könne ein Rentenanspruch nur gegeben sein, wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs.2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erfüllt wären. Wenn man zu Gunsten des Klägers unterstelle, dass er im Juli 1978 die Schule verlassen habe, müsste der Leistungsfall bis spätestens Juli 1984 eingetreten sein. Hierfür gebe es jedoch keinen Hinweis. Des Weiteren wären innerhalb von zwei Jahren keine 12 Monate Pflichtbeiträge vorhanden. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger bereits ab 1987 erwerbsunfähig sei, da zu keinem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt wären.

Das Sozialgericht Landshut (SG) hat die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Bescheides und des Widerspruchsbescheides mit Gerichtsbescheid vom 29.12.2000 abgewiesen. Auf die Problematik des § 53 Abs.2 SGB VI geht der Gerichtsbescheid nicht ein.

Gegen den am 29.01.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Mutter des Klägers am 19.02.2001 beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung weist sie auf die schwierige Situation der Familie hin. Der Kläger sei 1986 aus Deutschland abgeschoben worden, weil er kein Viskum mehr erhalten habe. Er sei schon damals krank gewesen. Es wurde ein Bericht der psychiatrischen Klinik der Universität München vom 31.08.1985 vorgelegt, in dessen abschließender Beurteilung ausgeführt wird, es handle sich wohl am ehesten um eine neurotische Störung bzw. eine Psychopathie. Beim Fehlen jeglicher psychotischer Symptome spreche nur der Ausschluss aus der jugoslawischen Armee für eine ernstere Erkrankung. Die Dysmorphophobie bzw. die Überzeugung, hässlich und abstoßend zu sein, sei therapeutisch nur ablehne und weiter auf medikamentöser Behandlung beharre.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29.12.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29.12.2000 zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Die Mutter des Klägers hat mit Schreiben vom 19.09. 2001 mitgeteilt, sie könne nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen, weil sie kein Visum erhalten habe.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs.1 S.2, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Es ist zu unterstellen, dass die Mutter des Klägers von diesem bevollmächtigt ist (§ 73 Abs.2 SGG). Die Tatsache, dass die Bevollmächtigte (Mutter) des Klägers, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nicht erscheinen konnte, steht der Entscheidung nicht entgegen. Sie hatte Gelegenheit, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör schriftlich zu realisieren, wovon sie auch Gebrauch gemacht hat. Für die Entscheidungsfindung war das Erscheinen des Klägers bzw. seiner Bevollmächtigten nicht erforderlich, da es hier weniger um den Gesundheitszustand des Klägers geht, als vielmehr um die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Nach §§ 43 Abs.1, 44 Abs.1 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Diese beträgt bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit fünf Jahre (§ 50 Abs.1 Satz 1 Nr.5 SGB VI). Da der Kläger insgesamt in der deutschen Rentenversicherung nur 36 Monate Versicherungszeit zurückgelegt hat, davon nur 26 Monate Beitragszeit (§ 51 Abs.1 SGB VI), ist die allgemeine Wartezeit ganz offensichtlich nicht erfüllt.

In Frage käme allenfalls eine vorzeitige Wartezeiterfüllung gemäß § 53 Abs.2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift ist die allgemeine Wartezeit auch erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert bzw. erwerbsunfähig geworden oder gestorben sind oder in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen auch vor, wenn Pflichtbeiträge aus den in §§ 3 oder 4 SGB VI genannten Gründen gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten. Derartige Beiträge hat der Kläger in der Zeit von Mai 1985 bis November 1985 gemäß § 3 Nr.3 SGB VI zurückgelegt. Daneben hat er nur in der Zeit von November 1978 bis August 1981 mit sehr großen Unterbrechungen insgesamt elf Monate Beitragszeit erworben und danach wieder ab Dezember 1984 durchgehend bis November 1985, im Juni, September und Oktober 1986. Daraus folgt, dass das Erfordernis von einem Jahr Pflichtbeitragszeit in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nur erfüllt wäre, wenn diese in der Zeit zwischen dem 01.12.1985 und dem 31.03.1986 eingetreten wäre. Am 01.12.1985 lag aber das Ende der Schulausbildung schon mehr als sechs Jahre zurück; denn der 1962 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben in der psychiatrischen Poliklinik vom 31.08.1985 nach Deutschland gekommen, und hat hier noch die achte Klasse Grundschule besucht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Schulentlassung im Jahr der Vollendung des 16.Lebensjahres also im Juli 1978 erfolgte, endete die Sechsjahresfrist im Juli 1984, also deutlich vor dem Zeitpunkt, zu dem erstmals das Erfordernis von einem Jahr Pflichtbeiträgen innerhalb von zwei Jahren erfüllt war (01.12.1985).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem bis zum 31.12.1991 geltenden § 1252 Abs.2 Reichsversicherungsordnung (RVO). Zwar galt nach dieser Bestimmung die Wartezeit auch dann als erfüllt, wenn der Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig geworden oder gestorben war und in den dem Versicherungsfall vorausgegangenen 24 Kalendermonaten mindestens sechs Kalendermonate Beiträge aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden waren. Voraussetzung war damals jedoch, dass die Erwerbsunfähigkeit infolge eines Unfalls eingetreten war. Dafür gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass beim Kläger zu keinem Zeitpunkt die allgemeine Wartezeit oder auch die vorzeitige Wartezeit nach §§ 53 Abs.2 SGB VI, 1252 Abs.2 RVO erfüllt war, so dass dahingestellt bleiben kann, ob ärztlicherseits der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit bzw. der verminderten Erwerbsfähigkeit eingetreten ist. Eine Rente kann er demnach ungeachtet der schwierigen familiären und finanziellen Lage nicht erhalten.

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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