L 6 RJ 117/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 142/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 117/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1951 geborene Klägerin besitzt keine Berufsausbildung. Sie ist während ihres bisherigen Versicherungslebens - vom 01.04.1966 bis 09.02.1993 - ganz überwiegend als Stationshilfe in verschiedenen Krankenhäusern berufstätig gewesen. Ab 10.02.1997 bis 05.05.1997 hat sie in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gestanden; rentenrechtliche Zeiten hat die Klägerin nach dem 09.02.1993 nicht mehr zurückgelegt.

Nach dem der Beklagten vorliegenden Versicherungsverlauf vom 10.02.1997 sind in dem Zeitraum 01.04.1966 bis 31.12.1983 (mehr als) 60 Pflichtbeitragsmonate enthalten; die Monate Januar und Februar 1984 sind unbelegt. Der (infolge von Aufschubtatbeständen) nicht unterbrochene Zeitraum 01.06.1984 bis 09.02.1993 enthält 36 Pflichtbeiträge.

Einen ersten auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag der Klägerin vom 26.10.1989 hat die Beklagte wegen fehlender Mitwirkung an einem stationären Heilverfahren gemäß § 66 SGB I abgelehnt (Bescheid vom 30.08. 1990).

Den am 08.10.1997 erneut gestellten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.1997 und Widerspruchsbescheid vom 18.01.1999 ab; letzterer wurde der Klägerin am 25.01.1999 zugestellt. Die Versicherte habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, da sie nach den zu ihrem Gesundheitszustand und beruflichen Leistungsvermögen sowie zu ihrem beruflichen Werdegang getroffenen Feststellungen nicht berufsunfähig im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift sei; sie habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, da sie erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI sei.

Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte zahlreichen medizinischen Befundunterlagen sowie einem Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie Dr. W. vom 19.11.1997 und einem Gutachten des Internisten Dr. S. vom 21.10.1998, das dieser unter Verwertung eines pneumologisch-internistischen Zusatzgutachtens des Facharztes für innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. H. vom 14.10.1998 erstattet hatte.

Mit der am 25.02.1999 zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihren Rentenanspruch weiter. Sie begehre aufgrund ihres Antrags vom 08.10.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, da sie schon seit 08.07.1992, als sie eine Lungenembolie erlitten habe, erwerbsunfähig sei.

Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte Befundberichte sowie medizinische Unterlagen von den behandelnden Ärzten der Klägerin (Arzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie - Dr. E. , Befundbericht vom 13.04.1999; Gemeinschaftspraxis Allgemeinärzte, Naturheilverfahren/Umweltmedizin, Akupunktur Dres. S. , Befundbericht vom 16.04.1999; Frauenarzt Dr. G. , Befundbericht vom 29.04.1999; Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie Dr. R. , Befundbericht vom 19.08.1999).

Sodann holte das SG medizinische Sachverständigengutachten ein von dem Internisten, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. R. (Gutachten vom 03.01.2000), von dem Nervenarzt/Neurologen - Psychotherapie - Dr. L. (Gutachten vom 07.02.2000) und von dem Arzt für Augenheilkunde Dr.L. (Gutachten vom 29.03.2000).

Dr. R. stellte auf internistischem und lungenärztlichem Fachgebiet bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest:

1. Ausgedehnte basale Pleuraeinschwartung rechts nach durchgemachter Infarktpleuropneumonie 1992 im Zusammenhang mit einer Cholezystektomie mit nur leichtgradiger restriktiver Ventilationsstörung.

2. Typ-I-Asthma ohne eingeschränkte Lungenfunktionsbreite (keine Obstruktion).

3. Alkoholtoxischer Leberparenchymschaden.

4. Gemischtförmige Fettstoffwechselstörung.

5. Behandlungsbedürftige Eisenmangelanämie.

6. Zustand nach Laparatomie 1981 wegen eines Magengeschwür (offenbar Übernähung).

7. Zustand nach operativ versorgter Sprunggelenksfraktur links im November 1999 mit leichter Funktionseinschränkung und venöser Insuffizienz des linken Beines.

8. Asymptomatische belastungsinduzierte linksventrikuläre myokardiale Ischämie.

Dr. L. diagnostizierte nervenärztlicherseits:

1. Verdacht auf cerebrales Anfallsleiden mit sehr seltene cerebralen Anfällen, zuletzt 1998, davor 1994.

2. Einfache, etwas neurasthenisch geprägte Primärpersönlich- keit im Sinne einer blanden unspezifischen neurotischen Entwicklung ohne Krankheitswert.

Dr. L. erhob als Augenarzt eine hochgradige anlagebedingte Kurzsichtigkeit, rechts stärker als links, mit Schwachsichtigkeit beidseits, ungleicher Brechkraft beider Augen (Anisometropie) und reduziertem beidäugigen Sehen.

Nachdem die medizinischen Sachverständigen übereinstimmend die Auffassung vertraten, die Klägerin könne bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten, wies das SG die Klage mit Urteil vom 17.01.2001 ab, weil die Klägerin nicht einmal berufsunfähig sei.

Am 02.03.2001 ging die Berufung der Klägerin gegen dieses ihr am 02.02.2001 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung trug sie vor, sie sei aufgrund ihrer auf internistischem und auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen, die von den Dres. R. und L. in ihren Auswirkungen nicht hinreichend gewürdigt worden seien, nicht zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in der Lage.

Der Senat zog die Klageakten des SG Augsburg sowie die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte medizinische Sachverständigengutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. (Gutachten vom 02.05.2002) und von dem Internisten Dr. E. (Gutachten vom 07.06.2002).

Dr. K. führte aus, bei der Klägerin lägen seit März 1995 (dem Zeitpunkt, in dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentenzahlung letztmalig erfüllt waren) auf nervenärztlichem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen vor:

1. Sogenannte Oligoepilepsie mit seltenen komplexfokalen Anfällen unklarer Ätiologie.

2. Chronisches Wirbelsäulensyndrom ohne begleitende neurologische Ausfälle.

3. Leichter Verstimmungszustand ohne Hinweise auf eine sozialmedizinisch relevante depressive Erkrankung.

Die Klägerin könne seit März 1995 unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses geistig einfache und körperlich leichte Arbeiten noch 8 Stunden täglich verrichten, wobei Akkord- und Schichtarbeiten zu vermeiden seien. Sie könne vor Arbeitsbeginn mehr als 500 Meter zu einem öffentlichem Verkehrsmittel und dann von diesem mehr als 500 Metern zum Arbeitsplatz in angemessener Geschwindigkeit zu Fuß zurücklegen und dies nach Arbeitsende in umgekehrter Reihenfolge. Sie könne sich auch noch auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten umstellen. Befunde, die in der Lage wären, eine andere Einschätzung des Leistungsvermögens für die Zeit vor März 1995 zu begründen, lägen nicht vor.

Auf dem internistischen Fachgebiet stellte Dr. E. folgende Diagnosen:

1. Zustand nach Lungenembolie mit rechtsbasaler Verschwartung.

2. Zustand nach Magenoperation, Antrumgastritis,

3. Refluxösophagitis Grad I.

4. Hepatopathie, wahrscheinlich toxischer Genese.

5. Motilitätsstörung des Darms mit häufiger Obstipation

6. Stoffwechselstörungen: Hyperlipidämie, Hyperuricämie, leichtes Übergewicht.

7. Venöse Insuffizienz leichten Grades links betont.

8. Sehminderung.

9. Nebenbefundlich: Zustand nach Cholezystektomie.

Die Ergebnisse der Begutachtungen zusammenfassend führte Dr. E. aus, die Klägerin sei seit März 1995 in der Lage, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte körperliche Arbeiten von einfacher Art 8 Stunden täglich zu verrichten. Ausgenommen sei eine Zeit von maximal sechs Wochen bei Vorliegen einer deutlichen Eisenmangelanämie, z. B. im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. R ... Die Klägerin solle überwiegend in geschlossenen Räumen arbeiten; ein Wechsel der Positionen zwischen Sitzen, Gehen und Stehen solle möglich sein. Zu vermeiden seien Akkord- oder Schichtarbeiten, dauerndes Stehen, häufiges Bücken, Zwangshaltungen, Arbeiten mit Exposition gegenüber vermehrtem Staubanfall, reizenden Gasen oder Dämpfen, Arbeiten bei Hitze oder Kälte sowie Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Sehvermögen stellten, wie Feinarbeit im Nahbereich, PC-Tätigkeiten, Arbeiten an laufenden Maschinen. Die Klägerin sei in der Lage viermal am Tag Wegstrecken von über 500 Metern in angemessener Geschwindigkeit zurückzulegen. Sie könne sich auch noch auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten umstellen. Diese Beurteilung gelte ab März 1995. Hochgradige Blutungsanämien seien 1992 und 1993 diagnostiziert worden. Im Befundbericht des Krankenhauses G. vom 09.12.1992 werde darauf hingewiesen, dass sich nach Eisengabe innerhalb von nur 14 Tagen eine rasche Besserung eingestellt habe. Es sei deshalb davon auszugehen, dass zu jedem Zeitpunkt eine rasche Besserung der auftretenden Anämie zu erreichen gewesen sei. Eine dauerhafte Leistungseinschränkung sei aufgrund der Blutungsanämien nicht zu begründen.

Hierzu äußerte die Klägerin, bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit bestünde eine erhebliche Gefahr für ihre Restgesundheit. Im Übrigen sei ihr aufgrund der Vielzahl der qualitativen Leistungseinschränkungen der Arbeitsmarkt verschlossen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17.01.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.10.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise, ab 01.01.2001, Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Augsburg vom 17.01.2001 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch der Klägerin sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, weil vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., weil sie ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 08.10.1997 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen bei der Klägerin nicht vor.

Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen der Klägerin ist bereits eingeschränkt. Sie kann aber seit März 1995 unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte körperliche Arbeiten von einfacher Art noch vollschichtig (d. h. 8 Stunden täglich) verrichten. Ausgenommen sind und waren Zeiten von maximal sechs Wochen bei Vorliegen einer deutlichen Eisenmangelanämie, wie sie z. B. im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. R. vorgelegen hat. Die Klägerin soll überwiegend in geschlossenen Räumen arbeiten; ein Wechsel der Positionen zwischen Sitzen, Gehen und Stehen soll möglich sein. Zu vermeiden sind Akkord- oder Schichtarbeiten, dauerndes Stehen, häufiges Bücken, Zwangshaltungen, Arbeiten mit Exposition gegenüber vermehrtem Staubanfall, reizenden Gasen oder Dämpfen, Arbeiten bei Hitze oder Kälte sowie Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Sehvermögen stellen, wie Feinarbeit im Nahbereich, PC-Tätigkeiten, Arbeiten an laufenden Maschinen. Die Klägerin kann sich noch auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten umstellen. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da die Klägerin die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).

Dieses berufliche Leistungsvermögen der Klägerin ergibt sich vor allem aus den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. und des Internisten Dr. E ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieser schlüssigen und überzeugenden Gutachten an. Durch sie sind im Übrigen die im erstinstanzlichen und im Verwaltungsverfahren erholten Gutachten in ihren wesentlichen Ergebnissen bestätigt worden.

Bei der Klägerin liegen folgende wesentlichen Gesundheitsstörungen vor:

1. Sogenannte Oligoepilepsie mit seltenen komplexfokalen Anfällen unklarer Ätiologie.

2. Chronisches Wirbelsäulensyndrom ohne begleitende neurologische Ausfälle.

3. Leichter Verstimmungszustand ohne Hinweise auf eine sozialmedizinisch relevante depressive Erkrankung.

4. Zustand nach Lungenembolie mit rechtsbasaler Verschwartung.

5. Zustand nach Magenoperation, Antrumgastritis, Refluxösophagitis Grad I.

6. Hepatopathie, wahrscheinlich toxischer Genese.

7. Motilitätsstörung des Darms mit häufiger Obstipation.

8. Stoffwechselstörungen: Hyperlipidämie, Hyperuricämie, leichtes Übergewicht.

9. Venöse Insuffizienz leichten Grades links betont.

10. Sehminderung.

11. Nebenbefundlich: Zustand nach Cholezystektomie.

Die Klägerin stellt eine Belastungsdyspnoe und eine körperliche Schwäche in den Vordergrund. Bekannt ist ein Zustand nach Lungenembolie 1992, die zu einer Verschwartung rechts führte. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. E. ließen sich jedoch keine Funktionseinschränkungen feststellen. Anamnestisch und aufgrund der Vorbefunde ist jedoch ein Belastungsasthma zu vermuten, das durch therapeutische Maßnahmen wesentlich gebessert werden kann. Eine kardial bedingte Belastungsdyspnoe ist nicht zu erkennen. Der zweite Beschwerdekomplex bezieht sich auf eine wechselnde Abdominalsymptomatik. Hier ist aufgrund der Voruntersuchungen und der Im Rahmen des Berufungsverfahrens durchgeführten Begutachtung eine Refluxösophagitis und Motilitätsstörungen des Darms zu diagnostizieren. Die therapeutischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Beschwerdesymptomatik sind noch nicht ausgeschöpft. Engstellen oder Stenosierungen, die zu einer dauernden Funktionsstörung führen könnten, liegen nicht vor. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung führt die wahrscheinlich arzneimittelbedingte Hepatopathie zu keinen wesentlichen Leistungseinschränkungen. Auch der diskreten venösen Insuffizienz ist mit qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung zu tragen. In der sozialmedizinischen Bewertung wird auch der augenärztliche Befund berücksichtigt. Die Gesundheitsstörungen auf den verschiedenen medizinischen Fachgebieten führen nicht zu sich gegenseitig ausschließenden qualitativen Einschränkungen. Die im Gutachten Dr. R. diagnostizierte Eisenmangelanämie, die einer Beschäftigung entgegenstehen würde, ließ sich durch medikamentöse Therapie rasch beseitigen, so dass sie bei der Begutachtung durch Dr. E. nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Es ist deshalb lediglich von einer vorübergehenden quantitativen Leistungseinschränkung von maximal sechs Wochen Dauer zum jeweiligen Zeitpunkt des Auftretens der Eisenmangelanämie auszugehen. Im Rahmen des nervenärztlichen Gutachtens konnte vor allem durch Hinzuziehung fremdanamnestischer Angaben eindeutig ein Anfallsleiden diagnostiziert werden, wobei es sich am ehesten um sogenannte komplexfokale Anfälle handeln dürfte. Sie sind äußerst selten; in den letzten 8 Jahren ist, nachdem die Klägerin medikamentös richtig eingestellt worden war, nur ein Anfall aufgetreten. Eine eindeutig psychiatrische Diagnose läßt sich dagegen nicht stellen. Zwar wird die Stimmungslage als bedrückt beschrieben, ein depressives Syndrom, wie es als Diagnose erwogen wurde, liegt jedoch nicht vor. Aus nervenärztlicher Sicht sind deshalb leichte Tätigkeiten einfacher Art weiterhin zumutbar. Diese Bewertung gilt durchgehend ab März 1995.

Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 21 ff. mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der einer Stationshilfe.

Obwohl die Klägerin diesen Beruf nicht mehr ausüben kann, weil er - dies ist allgemeinkundig - kaum zeitweiliges Sitzen zuläßt, vielmehr fast ausschließliches Gehen und Stehen erfordert, ist sie aber dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 Nr. 138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z. B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin, die keine Berufsausbildung zurückgelegt hat, der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters (keine Anlernzeit oder eine solche von weniger als 3 Monaten, Arg. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus dem allgemein bekannten Berufsbild einer Stationshilfe.

Als ungelernter Arbeiterin sind der Klägerin alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen sie körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt bei der Klägerin weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einer Versicherten erforderlich machen würde, die der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Die Klägerin kann jedenfalls noch leichte Gegenstände verpacken, sortieren oder einlegen. Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 VI Nr. 8).

Die Klägerin, die keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F., weil sie die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie die Klägerin - (irgend) eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn eine Versicherte - wie die Klägerin - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Augsburg vom 17.01.2001 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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