L 6 RJ 124/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 608/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 124/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. November 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.

Der am ...1947 geborene Kläger, früher italienischer, seit 1977 deutscher Staatsangehöriger, ist in Italien und - hauptsächlich - in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Er gibt an, keinen Beruf erlernt und im Laufe seines Versicherungslebens die verschiedensten Berufstätigkeiten ausgeübt zu haben.

Nach Auskunft seines letzten Arbeitgebers (Zeitraum 01.04.1980 bis 31.01.1995), der Firma Fensterbau G ... GmbH (Fa.G ...) ist der Kläger als ungelernter Arbeiter beschäftigt und für Hilfsarbeitertätigkeiten eingesetzt worden, für die ein Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse eine einmonatige Anlernzeit benötigt (zu 90 v.H.: Ausliefern von Fensterteilen mit einem LKW von 7,49 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht einschließlich der damit verbundenen Lade- und Entladearbeiten; daneben: verschiedene Hilfsarbeiten in der Fertigung). Er ist nach Lohngruppe II des Lohnrahmentarifvertrags für die Möbelindustrie, holzverarbeitende Industrie einschließlich Kunststoffverarbeitung, zuletzt in der ab 30.04.1991 geltenden Fassung, entlohnt worden. Die Einstufung in diese Lohngruppe hat auf der hohen körperlichen Belastung und auf der langjährigen Betriebszugehörigkeit beruht.

Den Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vom 26.04.1996 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.1996 und Widerspruchsbescheid vom 10.07.1997 ab. Der Kläger sei nach den im Verwaltungsverfahren zu seinem seinem beruflichen Werdegang getroffenen Feststellungen nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (SGB VI) und damit erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI.

Mit der am 08.08.1997 beim Sozialgericht Nürnberg eingegangenen Klage, die von diesem an das Sozialgericht (SG) Regensburg verwiesen wurde (Beschluss vom 28.08.1997), verfolgte der Kläger unter Vorlage medizinischer Unterlagen sein auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichtetes Begehren weiter.

Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Schwerbehindertenakten des Amtes für Versorgung und Familienförderung (AVF) Regensburg bei, es erholte einen Befundbericht nebst medizinischer Unterlagen von der Gemeinschaftspraxis Fachärzte für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin Dres. S ... und R ... (vom 15.10.1997) und holte im Termin vom 18.03.1998 ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem Arzt für Chirurgie- Unfallchirurgie-Pysikalische Therapie Prof.Dr.A ... ein. Dieser kam zum Ergebnis, daß der Kläger leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne längere Zwangshaltungen vollschichtig verrichten könne.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erholte das SG sodann ein Gutachten von dem Arzt für Orthopädie - Chirotherapie - Sportmedizin Physikalische Therapie Dr.H ...

In seinem Gutachten vom 22.02.1999 stellte er beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom bei Spondylolisthesis L4/L5 (Wirbelgleiten nach ventral), Typ Meyerding II bis III. 2. Lumbales Stenosesyndrom mit wechselnder rechtslateraler Wurzelreizung L4/L5. 3. Rezidivierendes Halswirbelsäulen- und Brustwirbelsäulensyndrom bei mittelgradigen degenerativen Veränderungen. 4. Belastungsabhängige schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Hüftgelenks bei epiphysärer Konfiguration. 5. Rezidivierendes Schulter-Arm-Syndrom beidseits. 6. Gonalgie rechts bei Chondropathia patellae. 7. Varikosis beider Unterschenkel bei chronisch venöser Insuffizienz. 8. Statisches Überlastungssyndrom bei Adipositas. 9. Vegetative Dysfunktion mit Hyperhidrosis.

Dr.H ... folgerte hieraus, daß der Kläger keine Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr verrichten könne, da sonst mit einer Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens zu rechnen wäre.

Nachdem der sozialmedizinische Dienst der Beklagten/Internist Sozialmedizin Dr.S ... unter dem 22.03.1999 sich zu diesem Gutachten ablehnend geäußert hatte, rügte Prof.Dr.A ... in seiner fachärztlich-chirurgischen-unfallchirurgischen Stellungnahme vom 27.05.1999 insbesondere, daß die von Dr.H ... behauptete Gefahr einer Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens durch eine dem Gesundheitszustand angepaßte Erwerbstätigkeit nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht bestehe. Nach den vorliegenden Befunden, die von Dr.H ... und ihm selbst erhoben worden seien, könne der Kläger leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne längere Zwangshaltungen vollschichtig verrichten.

Demgegenüber hielt Dr.H ... in einer vom Kläger vorgelegten Gegenäußerung vom 20.07.1999 an seiner Meinung fest.

Mit Urteil vom 18.11.1999 wies das SG die Klage ab; es schloß sich der Auffassung von Prof.Dr.A ... an. Das Urteil wurde dem Kläger am 31.01.2000 zugestellt.

Mit seiner am 29.02.2000 beim SG Regensburg eingegangenen Berufung machte der Kläger unter Vorlage eines Arztbriefes der Gemeinschaftspraxis Fachärzte für Orthopädie Dres. K ... und E ... vom 14.02.2000 geltend, er könne aufgrund seiner Schmerzzustände keine Arbeiten mehr verrichten; seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags habe sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtert.

Der Senat zog die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG Regensburg sowie den für den Kläger geltenden Tarifvertrag bei und erholte eine ergänzende Auskunft von der Fa.G ... (vom 04.07.2000).

Bezüglich des Gesundheitszustands und des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers holte der Senat von dem Arzt für Orthopädie Dr.F ... ein medizinisches Sachverständigengutachten ein (vom 09.06.2000).

Dr.F ... stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Spondylolisthese L 4/L 5 des Stadiums II nach Meyer- ding, massive Osteochondrose L 4/L 5 und Baastrup-Syndrom. 2. Mäßige Coxarthrose beidseits. 3. Deutliche Schultereckgelenksarthrose rechts mehr als links, Impingement-Syndrom beidseits, leichte Omarthrose beidseits, Tendinitis calcarea der rechten Schulter. 4. (Nebendiagnosen:) Kontrakt gehaltene Senkfüße mit Zehendeformierungen, Warze an der linken Fußsohle, nichtkomplizierte großkalibrige Varikose am rechten Bein, ausgeprägte Übergewichtigkeit.

Dr.F ... führte zum beruflichen Leistungsvermögen aus, der Kläger könne unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten, wobei die Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangslage gegeben sein müsse (kein pausenloses Sitzen oder Stehen, auch kein deutlich überwiegendes Stehen oder Gehen); Heben oder Tragen schwererer Lasten sei ihm ebensowenig zumutbar wie Arbeiten in gebückter Stellung oder Über-Kopf-Arbeiten in mehr als geringfügigem Umfang; bei Arbeiten unter Kälte-, Nässe- oder Zugluftexposition müsse der Kläger zum Schutz der Lendenwirbelsäule entsprechende Bekleidung tragen. Er könne Fußwege von mehr als 500 Meter an einem Stück in angemessener Geschwindigkeit (höchstens 15 Minuten für 500 Meter) zurücklegen, um die Entfernungen zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zu überwinden. Als Kraftfahrer könne der Kläger wegen der Notwendigkeit ständigen Sitzens und wegen der Vibrationsbelastung nicht mehr erwerbstätig sein.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 18.11.1999 sowie des Bescheides vom 09.10. 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07. 1997 zu verurteilen, ihm ab 01.04.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Regensburg vom 18.11.1999 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit hat.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI, weil er bislang nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten, wobei die Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangslage gegeben sein muß (kein pausenloses Sitzen oder Stehen, auch kein deutlich überwiegendes Stehen oder Gehen); Heben oder Tragen schwererer Lasten ist ihm ebensowenig zumutbar wie Arbeiten in gebückter Stellung oder Über-Kopf-Arbeiten in mehr als geringfügigem Umfang; bei Arbeiten unter Kälte-, Nässe- oder Zugluftexposition muß der Kläger zum Schutz der Lendenwirbelsäule entsprechende Bekleidung tragen. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr.F ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieses schlüssigen und überzeugenden Gutachtens an.

Beim Kläger liegen folgende wesentliche Gesundheitsstörungen vor: 1. Spondylolisthese L 4/L 5 des Stadiums II nach Meyer- ding, massive Osteochondrose L 4/L 5 und Baastrup-Syndrom. 2. Mäßige Coxarthrose beidseits. 3. Deutliche Schultereckgelenksarthrose rechts mehr als links, Impingement-Syndrom beidseits, leichte Omarthrose beidseits, Tendinitis calcarea der rechten Schulter.

Eingeschränkt wird die körperliche Belastbarkeit des Klägers zunächst durch den massiven Bandscheibenschaden zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper bei Vorwärtsverschiebung des 4. Lendenwirbelkörpers um die halbe Wirbelkörperbreite, was genau dem Stadiumm II nach Meyerding entspricht. Der Kläger sollte wegen dieses Befundes keine schwereren Lasten heben oder tragen, nicht in gebückter Stellung arbeiten, auch nicht pausenlos stehen oder ununterbrochen sitzen. Ein Wechsel der Körperposition ist zur Entlastung der Lendenbandscheiben einerseits, der Wirbelbogengelenke und der genäherten Dornfortsätze andererseits erforderlich. Mit einem Wechsel der Körperposition können darüber hinaus Stauungserscheinungen am von stärkeren Krampfadern gezeichneten rechten Unterschenkel vermieden werden. Der Kläger sollte wegen mäßiger degenerativer Hüftgelenksveränderungen nicht deutlich überwiegend gehend oder stehend arbeiten, vor allem nicht im Hinblick auf die weitere Prognose. Die degenerativen Schulter- und Schultereckgelenksveränderungen lassen Über-Kopf-Arbeiten nur noch in geringem Umfang zu. Für manuelle Tätigkeiten in Tischhöhe ist die Belastbarkeit nicht reduziert, da schon der Beschwielungszustand der Hände erkennen läßt, daß vom Kläger gröbere manuelle Tätigkeiten verrichtet werden. Einflüsse von Kälte, Nässe und Zugluft auf die Lendenwirbelsäule müssen gegebenenfalls durch entsprechende Schutzbekleidung ferngehalten werden. Die zumutbaren Arbeiten können unter betriebsüblichen Bedingungen vollschichtig verrichtet werden. Zeitliche Einschränkungen sind nicht begründbar, da der notwendige Wechsel der Körperposition zur Entlastung der Wirbelsäule und der Beinvenen noch gut ausgeführt werden kann. Zudem sind Handflächen- und Fußsohlenbeschwielung ein deutlicher Hinweis darauf, daß sich der Kläger körperlich noch gut belasten kann und auch tatsächlich belastet. Dafür spricht im übrigen auch die nach wie vor kräftig entwickelte Rumpf- und Stammesmuskulatur. Es bestehen keine wesentlichen Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte. Das vom Kläger Dr.F ... gegenüber behauptete auf 100 Meter eingeschränkte Gehvermögen ist befundmäßig nicht nachzuvollziehen und vor allem auch mit der gut ausgeprägten Fußsohlenbeschwielung nicht in Einklang zu bringen.

Aus den Feststellungen zum beruflichen Leistungsvermögen (vgl. oben) folgt, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers bezogen auf seinen maßgeblichen Beruf als Kraftfahrer auf weniger als die Hälfte derjenigen vergleichbarer gesunder Versicherter gesunken ist. Der Kläger kann nämlich diesen Beruf nicht mehr ausüben, weil seine Wirbelsäule, wie Dr.F ... überzeugend darlegt, beim Fahren eines Kraftwagens schon durch das ständige Sitzen unzumutbar belastet wird; hinzu kommen in weniger gut gefederten Fahrzeugen Vibrationsbelastungen.

Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 RVO Nr.138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr.143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger höchstens der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Nach den von der Fa.G ... erteilten Auskünften ist der Kläger als ungelernter Arbeiter beschäftigt und für Hilfsarbeitertätigkeiten eingesetzt worden, für die ein Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse eine einmonatige (somit eine knapp fünfwöchige) Anlernzeit benötigt (zu 90 v.H.: Ausliefern von Fensterteilen mit einem LKW von 7,49 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht einschließlich der damit verbundenen Lade- und Entladearbeiten; daneben: verschiedene Hilfsarbeiten in der Fertigung). Diese Beschreibung entspricht einer Tätigkeit nach Lohngruppe IV des Lohnrahmentarifvertrags für die Möbelindustrie, holzverarbeitende Industrie einschließlich Kunststoffverarbeitung in der ab 30.04.1991 geltenden Fassung ("Hierunter fallen an Maschinen oder mit anderen Arbeiten beschäftigte Arbeitnehmer/innen, deren Tätigkeit bezüglich des Könnens und des Verantwortungsbereichs bzw. Beherrschung der Maschinen oder der sonstigen Arbeiten eine Anlernzeit von mindestens 2 Wochen bis höchstens 6 Wochen erforderlich macht"). Daß der Kläger tatsächlich nach Lohngruppe II entlohnt worden ist, in der sich die angelernten Arbeiter des oberen Bereichs finden, ist unerheblich, da es auf die Qualität der verrichteten Arbeit, nicht auf die Einstufung durch den Arbeitgeber ankommt, wenn hierfür - wie vorliegend vom Arbeitgeber bestätigt - qualitätsfremde Merkmale, nämlich die hohen körperlichen Belastungen und die langjährige Betriebszugehörigkeit, ausschlaggebend gewesen sind (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 58 ff.).

Als angelerntem Arbeiter des unteren Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf praktisch alle - auch ungelernten - Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt beim Kläger weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einem Versicherten erforderlich machen würde, der der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen ist; dennoch sei eine Berufstätigkeit als einfacher Pförtner genannt, die in idealer Weise den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers gerecht wird. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz auf dem Gesamtgebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, daß nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und daß hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8).

Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, weil er in einem anderen als dem bisherigen Beruf noch vollschichtig arbeiten kann, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die wie der Kläger eine Tätigkeit vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Regensburg vom 18.11.1999 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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