L 6 RJ 180/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 RJ 2786/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 180/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der jetzt 34-jährige Kläger, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, ist bisher ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Er hat nach seinen Angaben in seiner Heimat nach acht Jahren Volksschule vier Jahre eine weiterführende Schule besucht, anschließend von 1982 bis 1986 ein Maschinenbaustudium absolviert und sich dann als Kaufmann selbständig gemacht; als solcher sei er von 1986 bis 1994 erwerbstätig gewesen. Am 28.08. 1995 hat er in Deutschland eine Berufstätigkeit als Sägewerkshelfer (sieben Tage Anlernzeit) aufgenommen. Bereits am 06.09. 1995 hat er einen Arbeitsunfall erlitten, und zwar eine Kreissägenverletzung am rechten Unterarm. Seither ist der Kläger nicht mehr erwerbstätig.

Von der Bau-Berufsgenossenschaft Bayern und Sachsen (BG) bezieht der Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. Als Unfallfolgen sind anerkannt: Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Ellenbogens und minimal bei der Unterarmdrehung rechts bei knöchern in guter Stellung ausgeheiltem Bruch der Elle, druckempfindliche, große Operationsnarbe auf der Beugeseite des rechten Unterarmes, Überempfindlichkeit im Versorgungsgebiet des Mittelnervs rechts und Herabsetzung der Oberflächenempfindung im Versorgungsgebiet des rechten Speichen- und Ellennervs, starke Beeinträchtigung der Funktion der Finger der rechten Hand, deutliche Verschmächtigung der rechten Handmuskulatur, nicht vollständiger Faustschluß rechts und nicht vollständige Streckung der Finger der rechten Hand, hochgradige Einschränkung der Kraft und der Geschicklichkeit der rechten Hand, Minderbeschwielung der rechten Hand.

Mit Bescheid vom 16.06.1997 und Widerspruchsbescheid vom 26.09. 1997 (dieser mit eingeschriebenem Brief am 02.10.1997 zur Post gegeben) lehnte die Beklagte den am 23.04.1997 gestellten Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Der Versicherte habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (in der bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung - a.F. -), da er nach den im Verwaltungsverfahren zu seinem Gesundheitszustand und beruflichen Leistungsvermögen sowie zu seinem beruflichen Werdegang getroffenen Feststellungen nicht berufsunfähig im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift sei; er könne nämlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die Kraft und Geschicklichkeit der rechten Hand vollschichtig verrichten. Der Versicherte habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, da er somit erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI sei.

Mit der am 04.11.1997 zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter.

Das SG erholte eine Auskunft über die Berufstätigkeit des Klägers von der Firma Holzbau M. GmbH und erhob über Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen des Klägers im wesentlichen Beweis durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. (Gutachten vom 21.07.1998) und von dem Arzt für Chirurgie/Sport- und Sozialmedizin Dr.K. (Gutachten vom 28.10.1998).

Dr.K. stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Zustand nach schwerer Verletzung des rechten Unterarms mit Durchtrennung des Nervus ulnaris und des Nervus medianus mit jedoch unverkennbarer Regeneration insbesondere betreffend die ulnarisversorgten kleinen Handmuskeln. 2. Kopfschmerzsyndrom ohne Anhaltspunkte für eine intracranielle Ursache. Zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers äußerte der Sachverständige, der Kläger könne unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses vollschichtig leichte, kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten verrichten. Die rechte Hand könne zwar nur noch zu Hilfestellungen benutzt werden, sei jedoch mehr als eine Beihand einsetzbar. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte ließen sich nicht begründen.

Dr.K. führte aus, wesentlich für das berufliche Leistungsvermögen des Klägers sei die Auswirkung der schweren Kreissägenverletzung am ellenbogennahen rechten Unterarm. Zwar sei es möglich gewesen, durch drei Operationen viele Sehnen, Muskeln, Gefäße, Nerven und den Ellenknochen zu vernähen bzw. zu verplatten; dennoch sei es zu bleibenden Funktionseinbußen der ulnaris- und medianusversorgten Hand-Finger-Muskulatur rechts gekommen. Auswirkungen der Verletzung sei auch die messbare und sichtbare Abmagerung der Unterarmgreifmuskulatur sowie die vermehrte Schweißbildung der rechten Hohlhand, ferner eine gewisse Störung des Fingernagelwuchses an der rechten Hand. Wie auch die BG und Dr.K. , so gelange auch er - Dr.K. - zu der Überzeugung, dass beim Kläger nutzbare Bewegungsreste im Hand- und Fingerspiel rechts vorlägen, die günstiger seien als bei einer Handamputation mit Schmuckhand. Es seien dem Kläger, der keine unüblichen Arbeitspausen benötige, sicher eine Reihe leichter, gelegentlich bis mittelschwerer Tätigkeiten möglich, da die linke obere Gliedmaße in vollem Umfang eingesetzt werden könne. Bei manchen Tätigkeiten könne die rechte Hand assistieren. Tätigkeiten im Freien seien ungünstig, da die Kälteempfindlichkeit der Hand gestört sei und somit Erfrierungen in der kalten Jahreszeit möglich seien. Dies könne nur bis zu einem gewissen Grad durch einen gefütterten Handschuh kompensiert werden. Die linke obere Extremitäten sei für alle Arbeiten und Belastungen unbeschränkt einsetzbar. Schweres Heben oder Tragen unter Einsatz beider Hände sei nicht möglich, ebensowenig beidhändiges Maschinenschreiben/Computerschreiben. Eine Einschränkung hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte liege nicht vor.

Mit Urteil vom 09.02.1999 wies das SG die Klage ab. Es verwies zur Begründung zunächst auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides vom 16.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.1997 (§ 136 Abs. 3 SGG) und stützte sich ergänzend auf das Ergebnis der Begutachtung durch die Dres.K. und K ...

Am 01.04.1999 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 04.03.1999 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein.

Der Senat zog die Klageakten des SG München und die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) Auskünfte über verbleibende berufliche Einsatzmöglichkeiten für den Kläger (Auskünfte vom 14.02.2000, 09.08. 2000 und vom 30.05.2001).

Die BA führte zur Tätigkeit eines Telefonisten aus, diese sei, wenn nicht andere Arbeiten mitverrichtet werden müßten oder zur Auskunfterteilung umfangreiches oder vertieftes Wissen erforderlich sei - erfahrungsgemäß - in maximal drei Monaten erlernbar und sei körperlich leicht. In der Regel erfolge die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Zumindest eine Hand müsse so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden könnten. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. werde außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Inwieweit der Kläger mit der linken Hand die erforderlichen Tätigkeiten ausführen könne und ob er die persönlichen Voraussetzungen mitbringe, könne aus berufskundlicher Sicht nicht beurteilt werden. Arbeitsplätze seien in nennenswertem Umfang vorhanden.

Zur Berufstätigkeit einer Spielhallenaufsicht äußerte die BA, diese sei für die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs in Spielcentern, Spielotheken und Betrieben mit Unterhaltungs- und Glückspielgeräten zuständig. Zu ihren weiteren Aufgaben gehöre das Betreuen und Pflegen der Spielautomaten, das Beseitigen von technischen Störungen bzw. das Veranlassen von Reparaturarbeiten, das Gewährleisten der Sauberkeit und attraktiven Gestaltung des Spielcenters, das Organisieren und die Betreuen von Veranstaltungen (Turnieren), das Betreuen der Kunden, ggf. das Schlichten von Unstimmigkeiten unter den Kunden, das Kassieren, das Erstellen von Verkaufsabrechnungen und das Aufstellen von Dienstplänen, ggf. die Mithilfe beim Gastronomie-Service. Die Tätigkeit einer Spielhallenaufsicht sei in der Regel körperlich leicht. Von der Arbeitgeberseite würden bestimmte Mindestanforderungen an die Persönlichkeit, wie z.B. verbales Durchsetzungsvermögen und Zuverlässigkeit, gestellt werden. Außerdem müsse häufig ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden. Die Leistungseinschränkungen des Klägers könnten bei der Tätigkeit einer Spielhallenaufsicht weitgehend berücksichtigt werden. Arbeitsplätze seien in nennenswertem Umfang vorhanden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 09.02.1999 sowie des Bescheides vom 16.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.1997 zu verurteilen, ihm ab 01.05.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, weiter hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG München vom 09.02.1999 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., da er ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 23.4.1997 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses vollschichtig leichte, kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten verrichten, wobei die rechte Hand zwar nur noch zu Hilfestellungen benutzt werden kann, jedoch mehr als eine Beihand einsetzbar ist. Nicht möglich sind Tätigkeiten im Freien, schweres Heben oder Tragen unter Einsatz beider Hände sowie beidhändiges Maschinenschreiben/Computerschreiben. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte liegen nicht vor.

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus den im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. und des Arztes für Chirurgie/Sport- und Sozialmedizin Dr.K ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieser schlüssigen und überzeugenden Gutachten an.

Beim Kläger liegen folgende wesentlichen Gesundheitsstörungen vor: 1. Zustand nach schwerer Verletzung des rechten Unterarms mit Durchtrennung des Nervus ulnaris und des Nervus medianus mit jedoch unverkennbarer Regeneration insbesondere betreffend die ulnarisversorgten kleinen Handmuskeln. 2. Kopfschmerzsyndrom ohne Anhaltspunkte für eine intracranielle Ursache.

Für das berufliche Leistungsvermögen des Klägers wesentlich ist die Auswirkung der schweren Kreissägenverletzung am ellenbogennahen rechten Unterarm. Zwar ist es möglich gewesen, durch drei Operationen viele Sehnen, Muskeln, Gefäße, Nerven und den Ellenknochen zu vernähen bzw. zu verplatten; dennoch ist es zu bleibenden Funktionseinbußen der ulnaris- und medianusversorgten Hand-Finger-Muskulatur rechts gekommen. Auswirkungen der Verletzung ist auch die meßbare und sichtbare Abmagerung der Unterarmgreifmuskulatur sowie die vermehrte Schweißbildung der rechten Hohlhand, ferner eine gewisse Störung des Fingernagelwuchses an der rechten Hand. Beim Kläger liegen jedoch nutzbare Bewegungsreste im Hand- und Fingerspiel rechts vor, die günstiger sind als bei einer Handamputation mit Schmuckhand. Es sind dem Kläger, der keine unüblichen Arbeitspausen benötigt, sicher eine Reihe leichter, gelegentlich bis mittelschwerer Tätigkeiten möglich, da die linke obere Gliedmaße in vollem Umfang eingesetzt werden kann. Bei manchen Tätigkeiten kann die rechte Hand assistieren. Tätigkeiten im Freien sind ungünstig, da die Kälteempfindlichkeit der Hand gestört ist und somit Erfrierungen in der kalten Jahreszeit möglich sind. Dies kann nur bis zu einem gewissen Grad durch einen gefütterten Handschuh kompensiert werden. Die linke obere Extremitäten ist für alle Arbeiten und Belastungen unbeschränkt einsetzbar. Aus den Unterschriften in den Akten ergibt sich, dass der Kläger zumindest seinen Namen schreiben kann, woraus zwingend zu folgern ist, dass der Kläger bei gutem Willen durchaus schreiben kann.

Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Beruf des Versicherten, vorliegend die Berufstätigkeit als Sägewerkshelfer, da es nur auf die in der Bundesrepublik Deutschland versicherungpflichtig ausgeübte Berufstätigkeit ankommt. Diesen Beruf kann der Kläger (unbestritten) nicht mehr ausüben.

Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 Nr. 138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters (keine Anlernzeit oder eine solche von weniger als drei Monaten, Arg. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), zuzuordnen, weil er ohne einschlägige vorausgehende Ausbildung oder Berufsausübung einen Beruf ausgeübt hat, für dessen Beherrschung eine Einweisung vom sieben Tagen genügt hat (Berufsschutz ist vorliegend hingegen nicht bereits dadurch ausgeschlossen, weil der Kläger seinen Beruf schon vor Erreichen des sechzigsten Beitragsmonats am Anfang seines Berufslebens hat aufgeben müssen, vgl. BSG-Urteil vom 17.05.1973 - 12 RJ 354/72 = SozR Nr. 9 zu § 1252 RVO).

Als ungelerntem Arbeiter sind dem Kläger alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es vorliegend, weil aufgrund der Behinderung an der rechten oberen Extremität beim Kläger eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Nach den vom Senat eingeholten Auskünften der BA sind für den Kläger die Berufe eines Telefonisten und einer Spielhallenaufsicht geeignet. Diese Berufe entsprechen nach den überzeugenden Feststellungen der BA dem körperlichen Leistungsvermögen des Klägers. Aber auch seine geistig-seelische Leistungsfähigkeit wird keinesfalls überfordert. Dies ergibt sich aus dem Lebensweg des Klägers, der über eine höhere Schulbildung und ein Studium verfügt und zudem seine Gewandtheit im Umgang mit Leuten in seinem immerhin acht Jahre lang offensichtlich erfolgreich ausgeübten Beruf als Kaufmann unter Beweis gestellt hat.

Ob dem Kläger ein entsprechender Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F., dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - (irgend)eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 09.02.1999 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved