L 6 RJ 257/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 5018/95 It
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 257/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. April 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1954 als italienischer Staatsangehöriger in seiner Heimat geborene Kläger hat dort nach dem Besuch der Volksschule im Zentrum für Berufsausbildung in Novoli in der Zeit vom 02.10.1970 bis 04.07.1972 einen zwei Schuljahre dauernden Lehrgang zum Elektro- und Autogenschweißer besucht und mit der bestandenen Diplomabschlussprüfung abgeschlossen. In seiner Heimat hat er nach der Bestätigung des Sozialversicherungsträgers in Lecce vom 25.03.1995 keine Versicherungszeiten zurückgelegt. Am 09.01.1973 hat er eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland aufgenommen und war hier mit Unterbrechungen - zunächst durch Arbeitslosigkeit, später durch Arbeitsunfähigkeit - bis 1985 versicherungspflichtig erwerbstätig. In dieser Zeit war er in den verschiedensten Berufszweigen zunächst als Metallarbeiter, anschließend als Kellereiarbeiter, Bandarbeiter, Gartenarbeiter, Maschinenarbeiter, Zahnlaborarbeiter und zuletzt von 1982 bis 1985 in der Möbelindustrie als Arbeiter mit dem Beziehen von Polstermöbeln beschäftigt. Nach einer weiteren Zeit der Arbeitslosigkeit hat er vom 01.07.1986 bis 31.12.1986 freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet. Ab 01.01.1987 war er als selbständiger Handelsvertreter für die Firma V.-Staubsauger tätig. Im Dezember 1993 ist er in seine Heimat zurückgekehrt, hält sich jedoch nunmehr wieder in Deutschland auf.

Mit Schreiben der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz vom 26.03.1987 wurde der Kläger unter Übersendung eines Merkblatts auf die Rechtsfolgen dadurch entstehender Beitragslücken hingewiesen. Nach seinen Angaben gegenüber dem Senat hat er seitdem weder in Deutschland noch in Italien Versicherungszeiten zurückgelegt.

Der erste Rentenantrag des Klägers vom 28.04.1986 war mit Bescheid vom 28.01.1987 abgelehnt worden; die dagegen zum Sozialgericht Mainz erhobene Klage hat der Kläger am 03.06.1987 zurückgenommen.

Am 15.11.1993 hat der Kläger erneut Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt, nachdem er zum 28.10.1993 Sozialhilfeempfänger geworden war. Anschließend begab er sich in seine Heimat zurück. Im Verwaltungsverfahren wurde der Kläger durch den italienischen Versicherungsträger am 01.06.1994 untersucht und begutachtet. Dr.C. vom Sozialärztlichen Dienst des INPS L. beurteilte den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach italienischem Recht mit 55 v.H. und stellte als Diagnosen eine mäßige Angstneurose, beiderseits vermindertes Hörvermögen, einen essentiellen Tremor und einen erhöhten Blutdruck.

Mit Rücksicht darauf beurteilte die Beklagte den Kläger noch zu leichten Arbeiten vollschichtig in der Lage, ohne häufiges Klettern und Steigen, häufiges Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Absturzgefahr, nicht unter besonderem Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen und die nervliche Belastbarkeit. Mit Bescheid vom 28.07.1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorlägen.

Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und insbesondere auf die vom Versorgungsamt Mainz festgestellte Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. hingewiesen. Dazu hat Dr.K. vom Sozialärztlichen Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 22.12.1994 ausgeführt, aufgrund der dokumentierten Krankengeschichte sei davon auszugehen, dass beim Kläger bereits 1976 ein konstitutioneller Tremor und seit 1977 eine angstneurotische Entwicklung mit heftiger vegetativer Begleitsymptomatik festzustellen sei. Eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei dadurch jedoch nicht gegeben. Lediglich eine Tätigkeit als Schweißer sei wegen des essentiellen Tremors nicht mehr zumutbar. Insbesondere seine Tätigkeit als selbständiger Staubsaugervertreter, die der Kläger vom 01.01.1987 bis 1991 ausgeübt habe, sei dem Kläger zumutbar gewesen. Durch das Versorgungsamt Mainz in seinem Erstbescheid vom 31.01.1984 sei der Grad der Behinderung lediglich mit 30 v.H. und in einem späteren Bescheid vom 04.12.1984 mit 60 v.H. bemessen worden. Ebenso sei der Kläger im Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik B. vom 02.01.1985 noch zu einer vollschichtigen Tätigkeit mit bis zu mittelschweren Arbeiten in der Lage beurteilt worden. Als Diagnosen seien eine Herzneurose, ein psychogener Tremor und eine mittelgradige Schallwahrnehmungsstörung beschrieben. Danach sei der Kläger jedenfalls vor dem 01.01. 1988 noch nicht wesentlich in seiner Erwerbsfähigkeit durch seinen Gesundheitszustand beeinträchtigt gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.1995 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger habe lediglich den Zeitraum vom 01.01.1984 bis 31.12.1986 lückenlos mit rentenrechtlichen Zeiten belegt. Ab 01.01.1987 habe er eine versicherungsfreie Tätigkeit ausgeübt und dafür weder aufgrund einer Antragsversicherung Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Dementsprechend habe der Kläger die mit Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsäfhigkeit nur dann erfüllt, wenn der Leistungsfall der Erwerbsfähigkeit vor dem 01.07.1988 eingetreten gewesen wäre. Dies könne schon deshalb nicht der Fall gewesen sein, weil der Kläger bis 1991 noch als selbständiger Handelsvertreter eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht habe, die die Annahme eines Leistungsfalls der Erwerbsfähigkeit ausschließen würden. Auch wenn der Kläger in seiner Heimat den Beruf eines Elektroschweißers erlernt habe, genieße er keinen Berufsschutz. Er sei in der Bundesrepublik nie in diesem Beruf tätig gewesen, sondern habe hier lediglich als ungelernter Arbeitnehmer gearbeitet. In Italien habe er überhaupt keine Versicherungszeiten zurückgelegt, sondern habe kurz nach Beendigung seiner Ausbildung sich nach Deutschland begeben. Er habe deshalb keinen Berufsschutz und sei als ungelernter Arbeitnehmer zu beurteilen.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Unterlagen zur Krankengeschichte des Klägers beigezogen. Anschließend hat das Sozialgericht Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet durch Dr.H. und auf orthopädischem Fachgebiet durch Dr.L. eingeholt. In seinem Gutachten vom 09.05.1996 hat Dr.H. als Gesundheitsstörungen eine hochgradige symmetrische Innenohrschwerhörigkeit beidseits, eine chronische Periarthropathie des rechten Schultergelenkes, ein Cervikalsyndrom sowie eine generalisierte Angststörung leichteren Grades mit Somatisierungsstörung bei hysterischer Persönlichkeitsstruktur mit narzistischen Anteilen festgestellt. Dieses Krankheitsbild bestehe im Wesentlichen unverändert im gesamten Zeitraum von 1977 bis 1995, wobei der übereinstimmenden Beurteilung der Vorgutachter, insbesondere der Beurteilung durch die Psychosomatische Klinik B. vom 09.10.1985 zuzustimmen sei, die den Kläger zu einer voll- schichtigen Erwerbstätigkeit mit bis zu mittelschweren Arbeiten in der Lage beurteilt habe. Dieses Leistungsvermögen bestehe unverändert. Der Kläger sei weiterhin vollschichtig zu Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage, soweit es sich dabei nicht um körperliche Schwerarbeiten oder ständig mittelschwere Arbeiten, insbesondere unter Zeitdruck, am Fließband, in Wechsel- oder Nachtschicht oder in Zwangshaltungen handele. Auch dürften keine besondere Anforderungen an das Hörvermögen oder die nervliche Belastbarkeit gestellt werden. In seinem orthopädischen Gutachten vom 20.02.1997 hat Dr.L. von Seiten seines Fachgebietes die Beurteilung des Dr.H. bestätigt und den Kläger ebenfalls zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit leichten bis mittelschweren Arbeiten in der Lage beurteilt.

Mit Urteil vom 09.04.1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nur dann einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wenn der Leistungsfall vor dem 01.07.1988 eingetreten gewesen wäre. Dies sei nicht nachgewiesen. Ein späteres Eintreten des Leistungsfalles könne dahingestellt bleiben, insbesondere, ob beim Kläger seit 1993 sein berufliches Leistungsvermögen in rentenberechtigendem Grade gemindert sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Auf Anfrage des Senats teilte der Kläger mit, dass er lediglich bis 1986 Versicherungszeiten zurückgelegt habe. Nach seiner Ausbildung zum Schweißer in seiner Heimat von 1970 bis 1972 habe er in Deutschland nie als Schweißer gearbeitet, da er dazu gesundheitlich nicht in der Lage gewesen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.04.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.07.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.01.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund des Antrages vom 15.11.1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.04.1997 zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts Augsburg, auf deren Inhalt sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten zur ERgänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingeelgte Berufung ist zulässig. Sachlich ist sie jedoch nicht begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat.

Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts an und sieht deshalb insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit entsprechend der Sach- und Rechtslage entschieden.

Wie das Sozialgericht zu Recht betont, hätte der Kläger in Anbetracht seines Versicherungsverlaufes lediglich dann einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wenn der Leistungsfall bereits vor dem 01.07.1988 eingetreten gewesen wäre, weil er unabhängig von den gesundheitlichen Voraussetzungen für einen später eingetretenen Leistungsfall die mit Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten einschränkenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht mehr erfüllt. Dies ist jedoch nach dem Beweisergebnis der Ermittlungen des Sozialgerichts nicht nachgewiesen, zumal der Kläger zumindest noch bis 1993 als selbständiger Handelsvertreter erwerbsfähig war und diese Arbeitsleistung einem vorher eigetretenem Leistungsfall offensichtlich entgegensteht.

Diese Rechtslage besteht auch weiterhin, da der Kläger in der Zwischenzeit nach seinen Angaben keine versicherungsrechtlich berücksichtigungsfähigen Zeiten, insbesondere keine weiteren Pflichtbeiträge zu einem System der Rentenversicherung mehr entrichtet hat.

Was die Frage des Berufsschutzes des Klägers anlangt, ist hervorzuheben, dass der Kläger schon deshalb nicht einmal den Berufsschutz eines qualifiziert angelernten Arbeitnehmers genießt - der aufgrund seiner zwei Schuljahre dauernden Ausbildung zum Schweißer in Betracht kommt - weil er in diesem Beruf überhaupt nicht versicherungspflichtig, weder in seiner Heimat noch in Deutschland, tätig gewesen ist und er damit schon nicht die für einen Berufsschutz erforderliche Wartezeit erfüllt (vgl. BSG-Urteile vom 12.12.1968, Az.: 12 RJ 64/67; vom 22.08. 1963, Az.: 5 RKn 48/60; vom 29.06.1977, Az.: 5 RJ 118/76; vom 26.06.1980, Az.: 5 RJ 30/79).

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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