L 5 RJ 26/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1611/97 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 26/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am ...1949 geborene Klägerin streitet um Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit.

Sie ist jugoslawische Staatsbürgerin, hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und war in Deutschland von 1973 bis 1983 als Raumpflegerin, Küchenhilfe und Zimmermädchen tätig. Von August 1977 bis Juni 1984 hat sie Versicherungszeiten in der Rentenversicherung der Arbeiter zurückgelegt. Anschließend war sie ab September 1986 bis 21.03.1995 in Jugoslawien versichert und bezieht dort seither laut Bescheid vom 10.11.1995 Rente.

Die Beklagte lehnte den am 11.01.1995 gestellten Rentenantrag mit Bescheid vom 18.04.1996 ab, weil die Klägerin trotz ihrer Gesundheitsstörungen (Bluthochdruck, Struma diffusa, Uterus-Myom, abgelaufene Thrombose der Axillarisvene) noch in der Lage sei, vollschichtig leichte Arbeiten zu ebener Erde, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Schicht- bzw. Nachtdienst und ohne Überkopfarbeiten verrichten zu können. Aus den gleichen Gründen wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) hat die Klägerin auf die Feststellungen des jugoslawischen Versicherungsträgers verwiesen, wonach sie auf dem dortigen Arbeitsmarkt keine Arbeit mehr bekommen könne, geschweige denn eine Tätigkeit, die ihr von der Beklagten vorgeschlagen worden sei. Wegen ihres hohen Blutdrucks bestehe ständig die Gefahr eines Schlaganfalles.

Das SG hat am 10.02.1999 ein Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr.Z ... eingeholt. Danach könne die Klägerin trotz ihres erhöhten Blutdrucks und ihrer leichtgradigen Wirbelsäulenbeschwerden noch leichte körperliche Tätigkeiten mit hat insbesondere auch auf fachärztlichen Untersuchungen des Kardiologen Dr.K ... vom 11.02.1999 (Echokardiographie, Ergometrie, Röntgenbilder) beruht. Durch Urteil vom 12. Februar 1999 hat das SG die Klage abgewiesen und sich auf die Feststellungen des Sachverständigen berufen.

Mit ihrer dagegen am 30.03.1999 zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung hat die Klägerin erneut auf ihre durch den Bluthochdruck bedingte Leistungseinschränkung abgestellt. Sie sei letztlich arbeitsunfähig und brauche Arbeitsschonung. Dazu hat sie einen Bericht des Instituts für Rheumatologie Belgrad vom 05.07.2000 (Dr.St ...) vorgelegt, wonach sich trotz der beklagten polymorphen Beschwerden kein Anzeichen für eine Arthritis ergebe. Dazu hat das LSG den Sachverständigen Dr.Z ... am 09.11.2000 gehört.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 12.02.1999 sowie des Bescheides vom 18.04.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.08.1997 zu verurteilen, ihr aufgrund des Antrags vom 11.01.1995 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.02.1999 zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der Gutachtens- und Versichertenakten der Beklagten Bezug genommen worden.

Entscheidungsgründe:

Die auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichtete Berufung ist statthaft und zulässig (§ 144 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 01.03.1993). Sie ist auch fristgemäß eingelegt (§ 153 Abs.1 SGG iVm § 87 Abs.1 Satz 2 SGG).

In der Sache hatte sie jedoch keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Eine solche Leistung kann sie nur beanspruchen, wenn a) die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt wären (§§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI) oder b) die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Eintritt von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt oder noch belegbar wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder c) die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestands eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit erfüllt ist (§§ 43 Abs.4, 44 Abs.4 iVm § 53 SGB VI) oder d) der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten wäre (§ 40 Abs.2 SGB VI). Für die beiden letzten Möglichkeiten (Alternativen c und d) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Klägerin hat noch bis 1995 voll gearbeitet, was gegen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 1984 spricht. Ihre Erkrankungen haben auch keinerlei Bezug zu einer Tätigkeit nach dem Begriff der Berufskrankheit im deutschen Recht (BKVO). Eine volle Belegung (Alternative b) besteht bei der Klägerin nur bis Juni 1984, danach weist ihr Versicherungsverlauf eine Lücke bis zum September 1986 auf. Damit ist ihr die Möglichkeit ver- Entrichtung freiwilliger Beiträge (vgl. Fristunterbrechung gemäß § 198 Nr.2 SGB VI durch ein Verfahren über einen Rentenanspruch) den besonderen Versicherungsschutz wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Die für die Klägerin erforderliche versicherungsfallsnahe Belegungsdichte (Alternative a) gewährt ihr einen Versicherungsschutz wegen Leistungen der verminderten Erwerbsfähigkeit bis zum April 1997. Denn in dem, diesem Zeitpunkt vorangegangenen Fünfjahreszeitraum hat die Klägerin unter Beachtung ihrer jugoslawischen Versicherungsbeiträge (vgl. Art.25 DJUSVA aus dem Jahre 1968) 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der Bezug jugoslawischer Rente bewirkt bis zum Abschluss eines entsprechenden Abkommens mit Serbien bzw. Restjugoslawien keinen Aufschub im Sinne der §§ 43 Abs.3, 44 Abs.4 SGB VI.

Bis spätestens April 1997 bestand bei der Klägerin aber keine Erwerbsunfähigkeit. Dieses ist durch das von dem Sachverständigen Dr.Z ... im Frühjahr 1999 festgestellte Erwerbsvermögen ausgeschlossen (§ 44 Abs.2 Satz 2 Nr.2 SGB VI). Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des SG Bezug genommen. Auch vor diesem Zeitpunkt hat bei der Klägerin ein vollschichtiges Erwerbsvermögen bestanden. Insbesondere ergibt dies die dem April 1997 zeitnahe Untersuchung durch die Ärztliche Gutachterstelle in Regensburg am 30.06.1997. Der Internist Dr.Sc ... hat dazu in seinem Gutachten vom 09.07.1997 festgestellt, dass bei der Klägerin zwar ein arterieller Bluthochdruck mit leichten Umbauerscheinungen am linken Herzen, Herzrhythmusstörungen, wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei leichten degenerativen Veränderungen und ein Übergewicht mit Fettstoffwechselstörung vorliegen, dennoch aber ein vollschichtiges Erwerbsvermögen für leichte Arbeiten ohne Akkord, ohne Nachtschicht und ohne dauerndes Gehen und Stehen vorhanden ist. Dies ist um so überzeugender, als es sich mit den späteren Feststellungen des Dr.Z ... deckt. Aber auch die jüngsten, von der Klägerin aus Zagreb vogelegten Befunde, bedingen nach den überzeugenden ergänzenden Ausführungen von Dr.Z ... kein Herabsinken des Leistungsvermögens unter die volle Arbeitsschicht. Im Bericht des Instituts für Rheumatologie vom 05.07.2000 ist keine Verschlimmerung des Bluthochdruckleidens verzeichnet. Eine rheumatische Entzündung wurde ausgeschlossen. Anhand dieser Befunde kann damit keineswegs in rückschauender Betrachtungsweise das Vorliegen einer Leistungsbeeinträchtigung bereits im April 1997 bewiesen werden, die der Klägerin kein ganztägiges Arbeiten ermöglichen würde. Damit steht der Klägerin keine Rente im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten so genannten Arbeitsmarktrente zu (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12.1996; BSGE 43, 75). Auch gibt es keine Hinweise, dass der Klägerin trotz ihrer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit im Jahre 1997 der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen gewesen wäre (so genannte Katalogfälle). Ebenso wenig liegt aufgrund des Bluthochdruckleidens im Zusammenhang mit den anderen Gesundheitsstörungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Behinderung vor, die die Benennung eines Berufes erforderlich machen würde. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des SG Bezug genommen.

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs.2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen in ihren bisherigen Berufstätigkeiten zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Da die Klägerin vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden kann, ist sie auch nicht berufsunfähig. Im Deutschland keine Berufsstellung erlangt, die ihre Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verbieten würde. Weder hat sie eine formelle Berufsausbildung erworben, noch eine Tätigkeit ausgeübt, die sich durch die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Ebene der Lehr- oder Anlernberufe gehobener Art einordnen ließe. Schon nach ihren eigenen Aussagen war die Klägerin lediglich als Reinigungsfrau und Zimmermädchen beschäftigt.

Ob der Klägerin tatsächlich ein solcher Arbeitsplatz vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen und das Risiko der Vermittlung nicht von der gesetzlichen Renten-, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr.19).

Nach alledem war das Rechstmittel unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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