L 5 RJ 278/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1671/97 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 278/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am ...1943 geborene Kläger stellte beim Versicherungsträger in Jugoslawien am 21.12.1995 Rentenantrag. Er war in Deutschland vom 16.10.1970 bis 26.08.1980 versicherungspflichtig beschäftigt. In Jugoslawien (Serbien) war er anschließend ab 21.04.1982 bis 01.11.1994 versichert, jedoch bestanden unter anderem Lücken vom November 1992 bis einschließlich Februar 1993 und ab Dezember 1994. Zuletzt erreichte der Kläger von Juli 1991 bis Juli 1996 eine Belegung von 36 Monaten mit Pflichtbeiträgen. Seit 13.07.1995 bezieht er jugoslawische Invalidenrente der ersten Kategorie.

Vor der Arbeitsaufnahme in Deutschland hat der Kläger in Jugoslawien den Beruf eines wirtschaftlichen Technikers/Landmaschinenmechaniker erlernt und war anschließend in Deutschland Metallarbeiter.

Die Beklagte hat Rente mit Bescheid vom 31.07.1996/Widerspruchsbescheid vom 02.10.1997 versagt, weil der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig sei.

Auf die vom Kläger zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobene Klage hat dieses Gutachten des Arztes Dr ... und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr ... vom vom 10.02.1999 eingeholt. Diese haben eine leichtgradige chronische depressive Störung, eine Alkoholkrankheit ohne neurologe Folgeerscheinungen, einen Kopfschmerz vom Spannungstyp und somatoforme Störungen sowie Wirbelsäulenbeschwerden bei Abnutzungserscheinungen ohne neurologische Ausfallerscheinungen und einen Bluthochdruck ohne Rückwirkung auf das Herz-Kreislaufsystem gefunden. Damit haben sie den Kläger für fähig erachtet, leichte und mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und ohne Akkord- und Schichtarbeit verrichten zu können. Eine Tätigkeit als angelernter Schlosser sei zwar damit nicht mehr möglich, jedoch eine solche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne zeitliche Leistungseinschränkung.

Mit Urteil vom 12.02.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Einen Berufsschutz als Schlosser hat es nicht angenommenn und den Kläger entsprechend den Ergebnissen der Begutachtung für eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit mit diversen qualitativen Einschränkungen geeignet gehalten.

Gegen das am 05.03.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 25.05.1999 zur Post aufgegebenem Schriftsatz (aber Eingang erst am 10.06.1999) Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er meint dazu, dass er seinen Schriftsatz vom 23.07.1999 fristwahrend bei der Post abgegeben habe und dies deswegen nicht früher habe erfolgen können, weil sein Rechtsanwalt zum Militärdienst eingezogen gewesen sei. Zur Sache hat der Kläger vorgetragen, in Serbien Invalide der ersten Kategorie und damit auch in Deutschland erwerbsunfähig zu sein.

Das LSG hat Gutachten des Orthopäden Dr ... und des Neurologen Dr ... vom Mai 2000 eingeholt, wonach der Kläger ab 1999 nicht mehr im Stande sei, einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen, weil er nunmehr massiv organisch geschädigt sei. Die Beklagte schloss sich diesen Feststellungen in einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr ... an, der jedoch ebenso wie die Sachverständigen die völlige Erwerbsminderung erst ab dem Jahre 1999 für gegeben hielt. Damals seien nach Ansicht der Beklagten aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht mehr gegeben gewesen. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass ihm das Fehlen von Beiträgen für die Zeit seiner Berentung in Jugoslawien nicht entgegengehalten werden dürfe und es Berücksichtigung finden müsse, dass er bereits 1995 Rentenantrag gestellt habe. Auch könne er nicht einmal bis zu zwei Stunden arbeiten, wie es die Sachverständigen festgestellt hätten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 12.02.1999 sowie des Bescheides vom 31.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.1997 zu verurteilen, ihm Rente ab dem 01.01.1996 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.02.1999 zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der Gutachtens- und Versichertenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger formgerecht eingelegte Berufung ist zwar nicht innerhalb von drei Monaten schriftlich beim LSG eingegangen (vgl. §§ 151, 87 Abs.1 Satz 2 SGG). Der Kläger war jedoch ohne sein Verschulden daran verhindert, dass sein Berufungsschriftsatz nicht schon vor dem 10.06.2000 beim LSG eingegangen war. Er hat die ungewöhnlich lange Postlaufzeit für seinen am 25.05.1999 aufgegebenen Berufungsschriftsatz nicht zu vertreten. Damit ist ihm auf seinem gleichzeitig mit der Berufungseinlegung konkludent gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs.1 SGG).

Die Berufung erweist sich jedoch als sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat dem Ergebnis nach zutreffend einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint, da dieser zu der Zeit, als er noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (besondere Wartezeit) erfüllt hat, nicht erwerbsunfähig gewesen ist.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kann der Kläger nur dann beanspruchen, wenn a) die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt wären (§§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI) oder b) die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Eintritt von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt oder noch belegbar wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder c) die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestands eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit erfüllt ist (§§ 43 Abs.4, 44 Abs.4 i.V.m. 53 SGB VI) oder d) der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten wäre (§ 240 Abs.2 SGB VI). Für die beiden letzten Möglichkeiten (Alternativen c) und d) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger hat noch bis 1994 voll gearbeitet, was gegen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 1984 spricht. Seine Erkrankungen haben keinen Bezug zu seiner Erwerbstätigkeit im Sinne des deutschen Rechts der Berufskrankheiten (BKVO). Letztmals vor dem August 1996 waren innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit durch die dem Kläger vom jugoslawischen Versicherungsträger bestätigten Zeiten belegt. Insoweit gilt für den Kläger das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sozialistischen förderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit (DJUSVA) vom 12.10.1968 (BGBl II 1969, 1438), welches nach dem Notenwechsel der beteiligten Regierungen vom 31.07./05.10.1992 vorläufig weiter anzuwenden ist (vgl. die Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 26.10.1992, BGBl II, 1146).

Für eine Ausdehnung des vom besonderen Versicherungsschutz verminderter Erwerbsfähigkeit erfassten Zeitraums über den August 1996 hinaus fehlt es an Anwartschaftserhaltungszeiten. Zwar bezieht der Kläger mit Bescheid vom 11.09.1995 ab dem 17.07.1995 eine jugoslawische Invalidenrente, die aber gemäß § 240 Abs.2 Nr.5 SGB VI nicht als Zeit des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zählt. Die Frage des Vorliegens einer Anwartschaftserhaltungszeit ist allein nach deutschen Rechtsvorschriften zu beantworten (vgl. BSG SozR Nr.51 zu § 1251). Insoweit beschränkt sich das DJUSVA in Art.25 Abs.1 allein auf die Berücksichtigung vertragsstaatlicher Versicherungszeiten für den Erwerb des Leistungsanspruchs und enthält bislang keine Gleichstellung von Tatbeständen für die Anrechnung von Ausfallzeiten (vgl. SGB-SozVers-GesamtKomm.-Baumeister- Jugoslawien Abk, Art.25 Anm.2, Art.26 Anm.1). Etwas anderes mag in der Zukunft gelten, wenn ähnlich wie bereits in Slowenien und Kroatien geschehen, Serbien bzw. der jugoslawische Bundesstaat ein neues Sozialversicherungsabkommen mit Deutschland abschließt.

Ebensowenig liegen beim Kläger ab August 1996 Kalendermonate vor, für die eine Beitragszahlung noch zulässig wäre (§ 240 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Zwar führt der Kläger auch zu Recht an, dass er bereits im Dezember 1995 Rentenantrag gestellt habe und nach damaliger Rechtslage beurteilt werden müsse. Damit steht dem Kläger auch die Möglichkeit zu, freiwillige Beiträge für fehlende Zeiten im Jahr 1995 zu entrichten (§ 197 Abs.2 SGB VI i.V.m. dem DJUSVA). Die nach § 240 Abs.2 Satz 1 3.Halbsatz geforderte ununterbrochene Belegung über den August 1996 hinaus kann damit aber nicht erfolgen, denn der Versicherungsverlauf des Klägers weist bereits seit dem November 1992 bis einschließlich Februar 1993 sowie im Dezember 1994 Lücken auf, die durch eine freiwillige Beitragszahlung (vgl. § 197 Abs.2 SGB VI) nicht mehr zu schließen sind. Bis Mitte des Jahres 1999 besaß der Kläger ein vollschichtiges Erwerbsvermögen zumindest für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten. Damit liegt keine Erwerbsunfähigkeit vor (§ 44 Abs.2 Satz 2 Nr.2 SGB VI). Auch ist dem Kläger damit weder der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen (sog. Katalogfälle), noch liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Behinderung vor, die die Benennung eines Berufes erforderlich machen würde. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des SG Bezug genommen. Dies haben übereinstimmend bereits die Sachverständigen in der ersten Instanz, Dres ... und ..., in ihren Gutachten vom 10.02.1999 festgestellt. Soweit der Kläger insoweit eine falsche Befundaufzeichnung rügt, erschüttert dies nicht die Überzeugung des Gerichts. Denn schon die Untersuchungen des Klägers durch die Beklagte in Regensburg haben ein weitgehend identisches Leistungsbild aufgezeichnet und alle aus Jugoslawien beigebrachten Befunde berücksichtigt. Der gerichtliche Sachverständige Dr ... konnte bei seiner Untersuchung im Mai 2000 zwar ein unter zwei Stunden herabgesunkenes Erwerbsvermögen feststellen, fand jedoch für die Verschlechterung des Leistungsbildes aus rückschauender Sicht Anhaltspunkte erst für den ein Jahr zurückliegenden Zeitraum. Von 1995 bis 1999 hat er den Kläger noch für vollschichtig erwerbsfähig gehalten. An dieser Feststellung hat der Senat keinen Zweifel.

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs.2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen in ihrer bisherigen Berufstätigkeiten zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der bisherige Beruf des Klägers (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.107, 169) ist derjenige eines einfach angelernten Arbeiters. Der Kläger hat zwar in Jugoslawien eine berufsqualifizierende Schule besucht und einen Abschluss als landwirtschaftlicher Techniker erworben, jedoch in Deutschland (worauf es hier ankommt), keine qualifizierte berufliche Tätigkeit ausgeübt. Die insoweit noch greifbaren Auskünfte der Firmen ... und ... haben den Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger, der ohnehin keine förmliche qualifizierte Berufsausbildung im Sinne der deutschen Rechtsvorschriften durchlaufen hat, die vollen Kenntnisse und Fähigkeit eines Facharbeiters hatte. Weder ist über seine tarifliche Eingruppierung etwas bekannt, noch über sein berufliches Leistungsvermögen. Vielmehr hat die Firma ..., bei der der Kläger vier Monate gegen Ende seiner Berufstätigkeit in Deutschland gearbeitet hatte, bestätigt, dass er für die Tätigkeit eines Schlossers nicht geeignet gewesen sei. Soweit es damit die soziale Zumutbarkeit einer möglichen Verweisungstätigkeit betrifft, ist der Kläger als einfacher angelernter Arbeiter auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verweisbar, auch wenn die Sachverständigen übereinstimmend festgestellt haben, dass ihm die Tätigkeit als Metallarbeiter nicht mehr zuzumuten sei.

Da der Kläger im August 1996 noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbsfähig sein konnte und er für seine letzte maßgebliche Tätigkeit keinen qualifizierten Berufsschutz genießt, besteht kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Die Berufung des Klägers war daher nach allem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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