L 19 RJ 35/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 Ar 558/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 35/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Gaffar Kahraman gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.12.1996 wird zurückgewiesen; die Klage gegen den Bescheid vom 25.02.1997 wird abgewiesen.
II. Die Berufung der M. K. als Rechtsnachfolgerin des A. K. wird verworfen; die Klage gegen den Bescheid vom 28.11.2000 wird abgewiesen.
III. Die Berufung des N. K. wird verworfen; die Klage gegen den Bescheid vom 01.08.2000 wird abgewiesen.
IV. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Altersrenten an die Kläger zu 1 bis 3. Die Kläger G. K. , geb. 1917, A. K. , geb. 1918, und N. K. geb. 1926 sind als sowjetische Staatsangehörige von ihrem Wohnort auf der Halbinsel Krim im Jahre 1944 nach Deutschland verbracht worden und haben als "Ostarbeiter" bis Kriegsende in S. /Thüringen gearbeitet. Danach waren sie in verschiedenen Lagern untergebracht und sind ab Dezember 1948 in die Türkei ausgewandert. Seit 1950 besitzen sie die türkische Staatsangehörigkeit. Ein Schreiben des Klägers zu 1, abgefasst in englischer Sprache unter dem Namen G. I. , ist am 23.02.1995 beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eingegangen und von dort an die Beklagte weitergeleitet worden. Diese wertete das Schreiben als Rentenantrag. Der Kläger zu 1 legte auch für seine Brüder gleichlautende Bestätigungen ihrer früheren Arbeitgeber vor, wonach sie in der Zeit von April 1944 bis Mai 1945 als Ostarbeiter in S. tätig waren. Die Kläger brachten weiter vor, dass sie ohne Entgelt gearbeitet hätten. Die Beklagte leitete Ermittlungen bei der Verwaltungsgemeinschaft Eichsfeld/Südharz ein, die im Hinblick auf Versicherungszeiten ergebnislos blieben. Mit Schreiben vom 23.01. und 18.03.1996 bzw 22.03.1996 (in türkischer Sprache) teilte sie dem Rechtsvorgänger der Klägerin zu 2 mit, dass für die geltend gemachte Beschäftigungszeit von April 1944 bis Mai 1945 keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt worden seien und deshalb keine Anrechnung als Beitragszeit erfolgen könne. Aus denselben Gründen komme auch keine Beitragserstattung in Betracht.

Mit gleichlautenden Schreiben vom 26.07.1996 wandten sich die Kläger an das Sozialgericht Bayreuth, um ihre Rechte aus der Zwangsarbeit als Ostarbeiter von April 1944 bis Mai 1945 in Deutschland wahrzunehmen. Sie hätten, wie bereits gegenüber der Beklagten ausgeführt, im vorgenannten Zeitraum unter Zwangsbedingungen ohne Versicherung und ohne Einkommen arbeiten müssen. 1949 seien sie mit Zustimmung der türkischen Regierung in die Türkei ausgewandert. Mit Schreiben vom 11.09.1996 teilte das Sozialgericht den Klägern zu 1 und 3 mit, dass noch keine Verwaltungsentscheidung getroffen sei und das Gericht sich deshalb gehindert sehe, tätig zu werden. Der Rechtsvorgänger der Klägerin zu 2, A. K. , hat seine Klage - nach einem Hinweis des Gerichts auf die Notwendigkeit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens - am 15.10.1996 zurückgenommen (Az. des SG Bayreuth S 11 Ar 557/96).

Mit Urteil vom 10.12.1996 hat das Sozialgericht die Klagen der Kläger zu 1 und 3 als unzulässig abgewiesen, weil ein Verwaltungsakt bislang nicht ergangen sei und der Beklagten auch keine Untätigkeit nachgewiesen werden könne.

Dagegen haben die Kläger in einem gemeinsam unterzeichneten Schriftsatz am 30.01.1997 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt und erneut auf ihre "zweifelsfrei bewiesene" Tätigkeit als Ostarbeiter unter Gefangenschaftsbedingungen hingewiesen. Mit Schreiben vom 21.05.1997 hat die Beklagte mitgeteilt, dass zwischenzeitlich der Rentenantrag des Klägers zu 1 (mit Bescheid vom 25.02.1997) abgelehnt wurde, weil Beiträge zur gesetzlichen deutschen Rentenversicherung weder glaubhaft gemacht noch nachgewiesen seien; die Wartezeit sei nicht erfüllt. Für Ostarbeiter im Reichsgebiet sei die Versicherungspflicht in der Invalidenversicherung grundsätzlich erst mit Wirkung vom 01.04.1944 eingeführt worden. Da der Kläger aber lediglich gegen Unterkunft und Verpflegung im landwirtschaftlichen Betrieb der Familie W. in S. beschäftigt gewesen sei, habe für die Gesamtzeit seines dortigen Aufenthalts Versicherungsfreiheit bestanden. Auf Anfrage des Senats haben die Kläger übereinstimmend erklärt, dass es ihnen weniger um eine Rentenversicherungsangelegenheit als um eine Schmerzensgeldklage gehe. Mit Beschluss vom 02.03.1998 sind die Berufungen der drei Brüder K zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. In der mündlichen Verhandlung am 27.05.1998 wurde die Streitsache vertagt. Die Beklagte erklärte sich bereit, weitere Ermittlungen durchzuführen und ergänzende bzw neue Bescheide zu erteilen; auf die Niederschrift wird insoweit verwiesen. Mit Schreiben vom 04.11.1998 haben die Kläger zwar erklärt, dass sie ihre Berufungen gegen die Urteile des SG Bayreuth vom 10.12.1996 als erledigt ansehen, haben aber gleichzeitig darum gebeten, ihre Klagen auf Rechte aus der Beschäftigungszeit als Ostarbeiter in Deutschland so schnell wie möglich durchzuführen. A. K ist am 05.09.1999 in Izmir verstorben. Die Beklagte hatte für diesen glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten zur deutschen Rentenversicherung vom 01.04.1946 bis 18.01.1947 (insgesamt 10 Monate) ermittelt, die unter Berücksichtigung türkischer Beitragszeiten (für die Wartezeiterfüllung) einen Anspruch auf Regelaltersrente begründeten. Dementsprechend erteilte die Beklagte an die Klägerin zu 2 als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes den Bescheid vom 28.11.2000, mit dem sie Regelaltersrente für die Zeit vom 01.10.1995 bis 30.09.1999 bewilligte. Mit weiterem Bescheid vom 01.08.2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Regelaltersrente für N. K ab, da die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Nach eigenen Angaben des Klägers zu 3 habe er von April 1944 bis Mai 1945 lediglich gegen Unterkunft und Verpflegung, jedoch ohne Entlohnung in einem landwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet. Aufgrund dessen habe Versicherungsfreiheit bestanden. Für die Nachkriegszeit sei eine Beitragsleistung zur Rentenversicherung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden.

Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich für die Kläger zu 1 bis 3 sinngemäß der Antrag,

die Urteile des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.12.1996 aufzuheben (Kläger zu 1 und 3) und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung bzw Abänderung der entgegenstehenden Bescheide Altersrente, bzw höhere Altersrente (Klägerin zu 2), hilfsweise Schmerzensgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers zu 1 gegen das Urteil des Sozi algerichts Bayreuth vom 10.12.1996 zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 25.02.1997 abzuweisen,
2. die Berufung der Klägerin zu 2 zu verwerfen und die Kla ge, soweit sie über den Bewilligungsbescheid vom 28.11.2000 hinausgeht, abzuweisen,
3. die Berufung des Klägers zu 3 zu verwerfen und die Klage gegen den Bescheid vom 01.08.2000 abzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des Sozialgerichts Bayreuth vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der Terminsnachricht hingewiesen worden war.

An einer Entscheidung über die Berufungen (und über die während des Berufungsverfahrens ergangenen Sachentscheidungen der Beklagten) war der Senat auch nicht durch die Erklärungen der Kläger vom 04.11.1998 gehindert, die isoliert als Rücknahme ihrer Rechtsmittel verstanden werden könnten. Die Berufungsrücknahme muss jedoch eindeutig sein. Daran fehlt es hier, wenn die Kläger in ihrem Begleitschreiben vom 04.11.1998, also gleichzeitig, dem Wunsch Ausdruck geben, die Klage wegen ihrer Rechte aus den Beschäftigungszeiten in Deutschland so schnell wie möglich durchzuführen und zu erledigen. Diese, einer Rücknahme der Berufungen völlig widersprechenden Ausführungen lassen nur die Vermutung zu, dass die Kläger den Inhalt der ihnen vorformuliert zugeleiteten "Erledigungserklärungen" nicht verstanden haben und Erklärungen dieses Inhalts auch nicht abgeben wollten. Wegen dieser Widersprüchlichkeit der gleichzeitig bei Gericht eingegangenen Schreiben kann nicht von der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit der Rücknahmerklärungen ausgegangen werden.

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.12.1996 erweisen sich zum Teil als unbegründet, zum Teil als unzulässig.

1. Die statthafte und zulässige Berufung des G. K (Kläger zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.12.1996 war als unbegründet zurückzuweisen, denn das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klage mangels vorausgegangener Verwaltungsenscheidung unzulässig war. Dem Landessozialgericht obliegt - bei Zulässigkeit des Rechtsmittels - die Prüfung des Streitsfalls in gleichem Umfang wie dem Sozialgericht und erstreckt sich deshalb auch auf die Zulässigkeitvoraussetzungen der Klage (vgl § 157 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Dazu gehört das in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Rechtsschutzinteresse für die Einleitung und Fortsetzung des Klageverfahrens. Wenn die Klage als Antrag auf die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes definiert wird (vgl § 53 SGG) und vorweg die Feststellung zu treffen ist, dass der "Rechtsuchende" diese Schutzes nicht bedarf, zB weil er sein Recht außerprozessual durchsetzen kann, so erweist sich sein "Antrag" als unzulässig. Aus dieser Sicht kann die Regelung des § 54 Absätze 1 und 4 SGG als gesetzlich normierter Unterfall eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses angesehen werden: Dem Versicherten soll es verwehrt sein, die Gerichte anzurufen, bevor er seine vermeintlichen Ansprüche beim zuständigen Leistungsträger geltend macht und - vom Fall der Untätigkeitsklage abgesehen - einen (zumindest teilweise ablehnenden) Bescheid erhalten hat. Einen solchen Bescheid hat die Beklagte unter dem 25.02.1997 zwar erlassen; dies geschah jedoch erst nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils und nach Einlegung der Berufung. Am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es deshalb bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens und über den Beginn der Rechtshängigkeit des Berufungsverfahrens hinaus. Die Erteilung des Bescheides vom 25.02.1997 führt nicht zur nachträglichen Zulässigkeit der Klage. Der Bescheid vom 25.02.1997 ist allerdings gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach seinem Wortlaut und bei enger Auslegung gilt § 96 Abs 1 SGG nicht, wenn vor Klageerhebung noch kein Verwaltungsakt erlassen wurde. Da die Vorschrift nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung im Sinne einer prozessökonomischen Verfahrensgestaltung extensiv ausgelegt wird, ist sie unter diesem Gesichtspunkt dahin zu verstehen, dass auch ein erst nach Klageabweisung, wie vorliegend also erstmals während des Berufungsverfahrens erlassener Verwaltungsakt in das gerichtliche Verfahren einbezogen und damit seine materiell-rechtliche Prüfung ermöglicht wird. Auf die Zulässigkeit der Klage kommt es insoweit nicht an; auch der Durchführung eines Vorverfahrens bedarf es nicht (Meyer-Ladewig SGG 6. Auflage § 96 RdNr 7, 11 und 11 c). Über Bescheide, die erst während des Berufungsverfahrens ergangen sind, entscheidet das Landessozialgericht jedoch nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern erstinstanzlich ("als Klage").

Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass für den Kläger keine Versicherungszeiten zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen oder glaubhaft gemacht sind. Sie konnte sich dabei auf die eigenen und vom Kläger mehrfach vorgebrachten Bekundungen stützen, dass er in der Zeit ab Oktober 1943 in S. in der Landwirtschaft lediglich gegen Unterkunft und Verpflegung gearbeitet hat, was nach § 1227 Reichsversicherungsordnung (RVO) alter Fassung keine Versicherungspflicht begründet hatte. Für die Nachkriegszeiten haben die Ermittlungen der Beklagten (u.a. bei den Gemeinden Oberstaufen und Mittenwald, bei der Stadt Augsburg sowie bei den Landesversicherungsanstalten Thüringen und Schwaben) ergeben, dass weder die Ausstellung von Versicherungskarten zur Rentenversicherung noch eine entsprechende Beitragsleistung bestätigt werden konnte.

2. Die Berufung der Klägerin zu 2 als Rechtsnachfolgerin des A. K war zu verwerfen. Der Kläger hatte seine beim SG Bayreuth anhängige Klage mit Schreiben vom 15.10.1996 zurückgenommen. Dadurch wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Satz 2 SGG). Gleichzeitig endete die Rechtshängigkeit. Dass es im Interesse der Klagepartei uU nahegelegen hätte, das Klageverfahren zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens analog § 114 Abs 2 SGG auszusetzen und dadurch das einzig ersichtliche Prozesshindernis für eine Sachentscheidung zu beseitigen (vgl BSGE 25, 6; SozR 1500 § 78 Nr 6), ändert an den Rechtswirkungen der Klagerücknahme nichts. Ist aber die Klage wirksam zurückgenommen worden, kann nach herrschender Meinung eine neue Klage grundsätzlich nicht erhoben werden (BSG in SozR Nrn 9 und 10 zu § 102 SGG; aA Meyer-Ladewig aaO RdNr 11 zu § 102, der eine neue Klage innerhalb der Anfechtungsfrist für zulässig hält). Da über den (mit der Klageerhebung durch Schriftsatz vom 26.07.1996 gleichzeitig erhobenen) Widerspruch frühestens mit der Erteilung des Abhilfebescheides vom 28.11.2000 entschieden wurde, wäre die Drei-Monats-Frist des § 87 Abs 1 Satz 2 SGG in jedem Falle eingehalten. Zudem lässt die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl BSG in Sozialgerichtsbarkeit 1985 S 471) eine Ausnahme von der Ausschlusswirkung einer Klagerücknahme für den hier gegebenen Fall zu, dass bei Erforderlichkeit des Vorverfahrens die (wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung unzulässige) Klage auf Anregung des Gerichts zurückgenommen wurde. Auch wenn der Senat i.H. darauf von einer als solcher zulässigen Klage ausgehen würde, die nach Rücknahme dieses Rechtsbehelfs im Verfahren S 11 Ar 557/96 beim SG Bayreuth und vor Entscheidung über den Widerspruch durch die Beklagte mit der am 30.01.1997 eingelegten "Berufung" erneut erhoben wurde, braucht er die damit in Zusammehang stehenden Rechtsfragen nicht abschließend zu beantworten, weil dem Bayer. Landessozialgericht die funktionelle Zuständigkeit zur Prüfung und Entscheidung der unmittelbar in 2. Instanz erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage des Rechtsvorgängers der Klägerin zu 2 fehlt. Im dreistufigen Gerichtsaufbau der Sozialgerichtsbarkeit (§ 2 SGG) entscheiden die Landessozialgerichte im 2. Rechtszug über Berufungen gegen Urteile sowie über Beschwerden gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte (§ 29 SGG), während den Sozialgerichten alle Streitigkeiten im ersten Rechtszug zur Entscheidung zugewiesen sind, für die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offen steht. Die Auswahl des (örtlich, sachlich, funktionell) zuständigen Gerichts unterliegt regelmäßig nicht der Dispositionsbefugnis der Beteiligten (§ 59 SGG). Die in Fällen dieser Art an sich gebotene Verweisung an das für die Erstentscheidung funktionell zuständige SG Bayreuth (§ 98 SGG iVm §§ 17, 17 a und 17 b GVG) hielt der Senat mit Rücksicht auf die ihm (ebenfalls gemäß § 96 SGG) zufallende Verpflichtung zur sachlichen Prüfung des streitigen Anspruchs auf Altersrente für untunlich. Die damit festzustellende Unzulässigkeit der Berufung ergibt sich im Übrigen aus dem Umstand, dass auf die vom Ehemann der Klägerin zu 2 erhobene Klage (wegen der Rücknahme des Rechtsbehelfs) keine streitige Entscheidung ergangen ist und dass er auch an den Verfahren seiner Brüder G. und N. K nicht beteiligt, von den dort ergangenen Urteilen vom 10.12.1996 also nicht betroffen war. Der Beurteilung durch das Berufungsgericht unterliegt ein Rechtsschutzbegehren nur insoweit, als darüber in der Vorinstanz entschieden wurde (vgl Meyer-Ladewig aaO RdNr 3 c vor § 143 SGG). Nur in diesem Umfang kommt der Berufung Devolutiveffekt zu (sog Anfallwirkung); denn sie ist das Mittel, um gerichtliche Entscheidungen in der höheren Instanz nachprüfen zu lassen. Eine anfechtbare Entscheidung des SG ist in dem (den Rechtsvorgänger der Klägerin zu 2 betreffenden) Verfahren S 4 Ar 557/96 aber überhaupt nicht ergangen, weshalb nach § 143 SGG auch keine Berufung stattfindet.

Der gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid der Beklagten vom 28.11.2000 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat für die Zeiten vom 01.04. bis 13.08.1946, 15.08. bis 11.12.1946 und 14.01. bis 18.01.1947 insgesamt 10 Monate Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung (als glaubhaft gemacht) ermittelt, die zusammen mit den türkischen Beitragszeiten des Versicherten zum Rentenanspruch ab 01.10.1995 führten. Der von der Beklagten festgestellte Rentenbeginn ab 01.10.1995 ergibt sich aus der Annahme eines im Oktober 1995 gestellten Antrags. In diesem Monat hat sich der Versicherte erstmals an eine deutsche Behörde mit der Bitte gewandt, aus seinen Beschäftigungszeiten in Deutschland entsprechende Leistungen zu erhalten. Ein vorher in der Bundesrepublik gestellter Antrag ist nicht ersichtlich. Zwar kommt ein früherer Leistungsbeginn in Betracht, wenn der verstorbene Ehemann der Klägerin zu 2 vorher Antrag auf (der Altersrente) entsprechende Leistungen nach türkischem Recht gestellt hat (Art 46 Abs 1 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens). Darüber brauchte der Senat aber ebensowenig zu entscheiden wie über die rentensteigernde Anrechnung einer weiteren Versicherungszeit vom 13. bis 31.03.1946, weil sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Senats bereit erklärt hat, diesbezüglich eine Neuprüfung vorzunehmen und darüber rechtsbehelfsfähig zu entscheiden. Insoweit bestand für die Klägerin zu 2 kein Rechtsschutzbedürfnis zur Fortführung des gerichtlichen Verfahrens. Weitere Versicherungszeiten nach Kriegsende sind vom Kläger weder geltend gemacht noch aus dem Akteninhalt ersichtlich; für die bis zum Kriegsende zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung als Ostarbeiter gelten die Ausführungen über Leistungsansprüche des Klägers zu 1 sinngemäß.

3. Auch die Berufung des Necip K (Kläger zu 3) hatte keinen Er- folg. Mit dem angefochtenen Urteil vom 10.12.1996 hat das Sozialgericht die Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen, weil eine Verwaltungsentscheidung (ein beschwerender Verwaltungsakt) noch nicht ergangen war. Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2000, der ebenfalls Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch in Bezug auf den Kläger zu 3, gilt, dass für die Zeit seiner Beschäftigung als Ostarbeiter im damaligen Reichsgebiet (bis Kriegsende) Versicherungsfreiheit nach § 1227 RVO alter Fassung bestand. Der Kläger hat hierzu, wie auch seine Brüder, eingeräumt, dass er lediglich gegen Unterkunft und Verpflegung gearbeitet hat. Die Ermittlungen der Beklagten bei der Gemeinde S. (jetzt Verwaltungsgemeinschaft Eichsfeld) haben keine Hinweise auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers erbracht. Für die Nachkriegszeit blieben die Anfragen der Beklagten bei der LVA Thüringen und der LVA Schwaben, bei den Gemeinden Mittenwald und Oberstaufen sowie bei der AOK, Direktion Kempten, ohne verwertbare Ergebnisse, so dass nach wie vor anrechenbare Versicherungszeiten zu Gunsten des Klägers weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sind.

Der Senat hat davon abgesehen, bei den Klägern zu 1 bis 3 eine Verweisung wegen ihrer "Schmerzensgeldklagen" an das zuständige Landgericht vorzunehmen. Trotz aufklärender Schreiben an die Kläger bezüglich der insoweit abweichenden Zuständigkeit haben diese eine Verweisung an das Landgericht ausdrücklich nicht beantragt; eine Verweisung gegen den erklärten Willen der Kläger kommt nach Auffassung des Senats trotz der ab 01.01.1991 antragsunabhängigen Verweisungsmöglichkeit auch wegen des damit für die Kläger verbundenen Kostenrisikos nicht in Betracht.

Die Berufungen der Kläger zu 1 bis 3 waren im Ergebnis zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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