Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 236/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 211/02 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 15.04.2002 aufgehoben. Es wird angeordnet, dass die Kosten für das Gutachten des Dr. E. vom 10.12.2000 auf die Staatskasse zu übernehmen sind.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens fordert die Übernahme der Kosten des gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - durch den Sachverständigen Dr. E. erstatteten Gutachtens auf die Staatskasse.
Gegenstand des Ausgangsverfahrens war die Frage, ob der Bescheid der Beklagten des Ausgangsverfahrens vom 15.04.1999, mit welchem diese der Klägerin wegen der Folgen eines am 29.04.1996 erlittenen Wegeunfalles Kostenerstattung für die Behebung von Zahnschäden an diversen, erst kurze Zeit vor dem Unfall sanierten Zähnen versagt hatte, zu Recht ergangen sei.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1999 über den Widerspruch der Klägerin gegen den Ausgangsbescheid rief diese das Sozialgericht Regensburg an. Dieses hat zunächst auf den Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten des Zahnarztes Dr. E. eingeholt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 10.12.2000 darauf hingewiesen, auf Grund des langen Zeitabstandes zwischen seiner Begutachtung und dem Unfall sowie aufgrund der Eingliederung von nicht mängelfreien Kronen sei keine sichere Aussage zu treffen, jedoch müsse dem Unfall eine mindestens fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit für den fraglichen Kausalzusammenhang angelastet werden. Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Prof. Dr. H. , Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der technischen Universität M. vom 15.02.2002 eingeholt, worin dieser Arzt dargelegt hat, da sich die Klägerin in dem Zeitraum zwischen dem Unfall und der bei ihm am 04.12.2001 durchgeführten Nachuntersuchung bereits wieder bei vier verschiedenen Zahnärzten in Behandlung begeben habe, könnten nunmehr über einen Zusammenhang mit dem Trauma nur noch Mutmaßungen angestellt werden; eine retrospektive gutachterliche Aussage zu einer Unfallabhängigkeit der Frakturen der Keramikinlays und der Keramikkronen sei nicht mehr möglich.
Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 19.11.2002 hat die Klägerin ihre Berufung schließlich zurückgenommen. Den Antrag auf Übernahme der Kosten des genannten Gutachtens hatte das Sozialgericht mit Beschluss vom 15.04.2002 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, der das Erstgericht nicht abgeholfen hat. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 11.07.2002 Bezug genommen, mit welchem diese einen Antrag auf Wiedereinsetzung hinsichtlich der Beschwerdefrist gestellt und begründet hat.
II.
Der Senat gewährt der Klägerin hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil insoweit ein der Klägerin zurechenbares Verschulden offensichtlich nicht vorliegt.
Die damit zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts hat die begehrte Erstattung zu Unrecht versagt. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Gutachten des Herrn Dr. E. auf die Staatskasse steht der Klägerin zu. Die Kosten für dieses Gutachten sind wie nach §§ 103, 106 SGG veranlasste Kosten von Ermittlungsmaßnahmen von der Staatskasse zu tragen.
Das fragliche Gutachten kann im Hinblick auf die Kostentragung nicht wie ein nach § 109 SGG in Auftrag gegebenes Gutachten gewertet werden. Da § 103 SGG dem Gericht die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen auferlegt, darf einem Antrag nach § 109 SGG erst dann gefolgt werden, wenn aus der Sicht des Gerichts die Sachverhaltsaufklärung im Sinne des § 103 SGG abgeschlossen ist. Dies deshalb, weil das Gutachten nach § 109 SGG gerade kein Instrument zur Erfüllung der gerichtlichen Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen im Sinne des § 103 SGG darstellt. Wäre es anders, so würde der Umfang der sich aus § 103 SGG ergebenden gerichtlichen Aufgaben u.a. davon abhängen, ob und ggf. wann ein Beteiligter von seinem Recht aus § 109 SGG Gebrauch macht. Dies kann aber nicht richtig sein; ein Antrag nach § 109 SGG darf schon seiner Zielsetzung nach keinen Einfluss auf die Aufgaben des Gerichts nach § 103 SGG haben. Denn die Nachteile für den Versicherten im Falle einer nach diesen Regeln verfrühten Begutachtung nach § 109 SGG liegen auf der Hand: es wird ihm die Möglichkeit genommen, im Wege eines Antrages nach § 109 SGG das zu tun, was der Zweck dieser Bestimmung ist, nämlich mit dem Gutachten eines Sachverständigen seiner Wahl und ggf. auf seine Kosten auf ein für ihn unbefriedigendes Ergebnis der von Amts wegen zu pflegenden Ermittlungen (§ 103 SGG) zu reagieren (vgl. Ehlers u.a.; Medizinisches Gutachten im Prozess, 2. Aufl., München, 2000, Rnr. 237). Diese Feststellung steht im übrigen nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass ein nach § 109 SGG schließlich angefertigtes Gutachten sehr wohl, je nach seiner Überzeugungskraft, Einfluss auf das weitere Vorgehen des Gerichts haben kann und haben soll. Denn ist ein Gutachten eingeholt, sei es nach § 109 SGG oder nach § 103 SGG, so stellt es ein im Auftrag des Gerichts angefertigtes Beweismittel dar und unterliegt in vollem Umfang den auch ansonsten geltenden Regeln für die Beweiswürdigung im Sinne des § 128 Abs. 1 SGG. Nach diesen Maßstäben kann das fragliche Gutachten einem nach den Regeln des § 109 SGG eingeholten nicht gleichgesetzt werden; es ist vielmehr zu werten als ein im Auftrag des Gerichts zur Erfüllung der sich aus § 103 SGG ergebenden Aufgaben.
Dass dies hier so war, folgt schließlich auch daraus, dass das Sozialgericht selbst nach Erstellung des fraglichen Gutachtens Anlass gesehen hat, auch von Amts wegen ein Gutachten, das Gutachten des Prof. Dr. H. , einzuholen, und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass es das Gutachten des Dr. E. nicht als geeignete Entscheidungsgrundlage und den Sachverhalt noch als aufklärungsbedürftig angesehen hat. Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit, hier vor der Ausführung des Antrages nach § 109 SGG ein Gutachten von Amts wegen eingeholt zu haben, gerade auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. H. selbst. Denn dieser hat sinngemäß erklärt, eine frühere Begutachtung durch ihn hätte größere Chancen zur Aufklärung geboten.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, vgl. § 177 SGG.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens fordert die Übernahme der Kosten des gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - durch den Sachverständigen Dr. E. erstatteten Gutachtens auf die Staatskasse.
Gegenstand des Ausgangsverfahrens war die Frage, ob der Bescheid der Beklagten des Ausgangsverfahrens vom 15.04.1999, mit welchem diese der Klägerin wegen der Folgen eines am 29.04.1996 erlittenen Wegeunfalles Kostenerstattung für die Behebung von Zahnschäden an diversen, erst kurze Zeit vor dem Unfall sanierten Zähnen versagt hatte, zu Recht ergangen sei.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1999 über den Widerspruch der Klägerin gegen den Ausgangsbescheid rief diese das Sozialgericht Regensburg an. Dieses hat zunächst auf den Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten des Zahnarztes Dr. E. eingeholt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 10.12.2000 darauf hingewiesen, auf Grund des langen Zeitabstandes zwischen seiner Begutachtung und dem Unfall sowie aufgrund der Eingliederung von nicht mängelfreien Kronen sei keine sichere Aussage zu treffen, jedoch müsse dem Unfall eine mindestens fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit für den fraglichen Kausalzusammenhang angelastet werden. Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Prof. Dr. H. , Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der technischen Universität M. vom 15.02.2002 eingeholt, worin dieser Arzt dargelegt hat, da sich die Klägerin in dem Zeitraum zwischen dem Unfall und der bei ihm am 04.12.2001 durchgeführten Nachuntersuchung bereits wieder bei vier verschiedenen Zahnärzten in Behandlung begeben habe, könnten nunmehr über einen Zusammenhang mit dem Trauma nur noch Mutmaßungen angestellt werden; eine retrospektive gutachterliche Aussage zu einer Unfallabhängigkeit der Frakturen der Keramikinlays und der Keramikkronen sei nicht mehr möglich.
Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 19.11.2002 hat die Klägerin ihre Berufung schließlich zurückgenommen. Den Antrag auf Übernahme der Kosten des genannten Gutachtens hatte das Sozialgericht mit Beschluss vom 15.04.2002 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, der das Erstgericht nicht abgeholfen hat. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 11.07.2002 Bezug genommen, mit welchem diese einen Antrag auf Wiedereinsetzung hinsichtlich der Beschwerdefrist gestellt und begründet hat.
II.
Der Senat gewährt der Klägerin hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil insoweit ein der Klägerin zurechenbares Verschulden offensichtlich nicht vorliegt.
Die damit zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts hat die begehrte Erstattung zu Unrecht versagt. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Gutachten des Herrn Dr. E. auf die Staatskasse steht der Klägerin zu. Die Kosten für dieses Gutachten sind wie nach §§ 103, 106 SGG veranlasste Kosten von Ermittlungsmaßnahmen von der Staatskasse zu tragen.
Das fragliche Gutachten kann im Hinblick auf die Kostentragung nicht wie ein nach § 109 SGG in Auftrag gegebenes Gutachten gewertet werden. Da § 103 SGG dem Gericht die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen auferlegt, darf einem Antrag nach § 109 SGG erst dann gefolgt werden, wenn aus der Sicht des Gerichts die Sachverhaltsaufklärung im Sinne des § 103 SGG abgeschlossen ist. Dies deshalb, weil das Gutachten nach § 109 SGG gerade kein Instrument zur Erfüllung der gerichtlichen Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen im Sinne des § 103 SGG darstellt. Wäre es anders, so würde der Umfang der sich aus § 103 SGG ergebenden gerichtlichen Aufgaben u.a. davon abhängen, ob und ggf. wann ein Beteiligter von seinem Recht aus § 109 SGG Gebrauch macht. Dies kann aber nicht richtig sein; ein Antrag nach § 109 SGG darf schon seiner Zielsetzung nach keinen Einfluss auf die Aufgaben des Gerichts nach § 103 SGG haben. Denn die Nachteile für den Versicherten im Falle einer nach diesen Regeln verfrühten Begutachtung nach § 109 SGG liegen auf der Hand: es wird ihm die Möglichkeit genommen, im Wege eines Antrages nach § 109 SGG das zu tun, was der Zweck dieser Bestimmung ist, nämlich mit dem Gutachten eines Sachverständigen seiner Wahl und ggf. auf seine Kosten auf ein für ihn unbefriedigendes Ergebnis der von Amts wegen zu pflegenden Ermittlungen (§ 103 SGG) zu reagieren (vgl. Ehlers u.a.; Medizinisches Gutachten im Prozess, 2. Aufl., München, 2000, Rnr. 237). Diese Feststellung steht im übrigen nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass ein nach § 109 SGG schließlich angefertigtes Gutachten sehr wohl, je nach seiner Überzeugungskraft, Einfluss auf das weitere Vorgehen des Gerichts haben kann und haben soll. Denn ist ein Gutachten eingeholt, sei es nach § 109 SGG oder nach § 103 SGG, so stellt es ein im Auftrag des Gerichts angefertigtes Beweismittel dar und unterliegt in vollem Umfang den auch ansonsten geltenden Regeln für die Beweiswürdigung im Sinne des § 128 Abs. 1 SGG. Nach diesen Maßstäben kann das fragliche Gutachten einem nach den Regeln des § 109 SGG eingeholten nicht gleichgesetzt werden; es ist vielmehr zu werten als ein im Auftrag des Gerichts zur Erfüllung der sich aus § 103 SGG ergebenden Aufgaben.
Dass dies hier so war, folgt schließlich auch daraus, dass das Sozialgericht selbst nach Erstellung des fraglichen Gutachtens Anlass gesehen hat, auch von Amts wegen ein Gutachten, das Gutachten des Prof. Dr. H. , einzuholen, und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass es das Gutachten des Dr. E. nicht als geeignete Entscheidungsgrundlage und den Sachverhalt noch als aufklärungsbedürftig angesehen hat. Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit, hier vor der Ausführung des Antrages nach § 109 SGG ein Gutachten von Amts wegen eingeholt zu haben, gerade auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. H. selbst. Denn dieser hat sinngemäß erklärt, eine frühere Begutachtung durch ihn hätte größere Chancen zur Aufklärung geboten.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, vgl. § 177 SGG.
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