L 6 RJ 578/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 794/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 578/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf die gesetzlichen Leistungen wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.01.1998.

Der am 1952 in Slowenien geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In seiner Heimat war er in der Zeit vom 12.05.1969 bis 08.05.1973 unterbrochen durch den Wehrdienst vom 12.05.1971 bis 17.08.1972 als Industriearbeiter beschäftigt. Am 05.06.1973 nahm er eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland auf und war hier ohne größere Unterbrechung zuletzt bis zum einem Arbeitsunfall vom 31.05.1990 versicherungspflichtig als Monteur im Kraftwerksbau beschäftigt.

Bei dem Arbeitsunfall hatte der Kläger einen körperfernen Bruch des Oberschenkels rechts erlitten, der eine geringe Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Kniegelenkes zur Folge hatte. Als Entschädigung hat die Verwaltungsberufsgenossenschaft dem Kläger für die Zeit vom 20.08.1993 bis 14.08.1994 eine Unfallrente in Höhe nach einer MdE um 20 v.H. gewährt. Für die Zeit ab 15.08.1994 wurde der Grad der MdE durch die Unfallfolgen anlässlich eines vor dem Sozialgericht Augsburg geführten Prozesses gegen die Verwaltungsberufsgenossenschaft durch den Arzt für Orthopädie Dr.L. noch mit 10 v.H. eingeschätzt. Der Bruch sei knöchern fest verheilt und habe chirurgischerseits lediglich eine geringe Bewegungseinschränkung der Beugung im rechten Kniegelenk hinterlassen. Neurologisch seien keine objektivierbaren unfallbedingten Ausfälle zu verzeichnen.

Nachdem die Beklagte den ersten Rentenantrag des Klägers vom 29. Juni 1993 mit Bescheid vom 13. April 1994 sowie Widerspruchsbescheid vom 28. September 1994 abgelehnt hatte, beantragte der Kläger am 25.01.1995 bei der Beklagten erneut Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 1995 ab. Der Kläger sei nach ihren Feststellungen noch in der Lage vollschichtig mittelschwere Arbeiten ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne häufiges Bücken und Überkopfarbeiten, ohne häufiges Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten und ohne häufiges Klettern und Steigen zu verrichten. Er sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig.

Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1995 zurück.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und eine Arbeitgeberauskunft der Firma M. GmbH vom 21.03.1996 eingeholt, wonach der Kläger dort als Facharbeiter mit einer Entlohnung in Lohngruppe 10 des Manteltarifvertrags der Bayerischen Metallindustrie beschäftigt gewesen sei.

Das Sozialgericht hat zunächst ein orthopädisches Gutachten von Dr.G. vom 28.08.1996 eingeholt. Dieser hat von seiten seines Fachgebietes einen in Idealstellung knöchern fest verheilten Oberschenkelbruch rechts, eine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks, eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, ein chronisches Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit diskreten degenerativen Veränderungen und ohne neurologische Defizite, eine Gichtarthropathie beider Großzehengrundgelenke festgestellt und den Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom geäußert. Diese Gesundheitsstörungen schränkten das berufliche Leistungsvermögen im Wesentlichen nur insoweit ein, als dem Kläger ausgesprochene Schwerarbeit nicht mehr zuzumuten seien, insbesondere Zeitdruckarbeit in Akkord oder am Fließband sowie Wechsel- oder Nachtschichten. Möglich seien jedoch Arbeiten überwiegend im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen und ohne Zwangshaltung und nicht mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel oder unter Zwangshaltungen und unter ungeschützter Einwirkung von Kälte, Nässe, Temperaturschwankungen oder Zugluft.

Im Auftrage des Sozialgerichts hat Dr.S. sodann ein nervenärztliches Gutachten vom 10.12.1996 erstattet. Darin hat er eine depressive Entwicklung leichten Grades erhoben, der Kläger sei im wesentlichen lediglich durch die von seiten des orthopädischen Fachgebietes zu beurteilenden Gesundheitsstörungen in seinem beruflichen Leistungsvermögen eingeschränkt. Im Übrigen hat er den Kläger in seinen intelektuellen und psychischen Fähigkeiten uneingeschränkt belastbar und normgerecht geschildert. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.02.1997 hat der ärztliche Sachverständige im Einzelnen ausgeführt, dass eine intensive Schulungsmaßnahme mit vorwiegend theoretischem Unterricht angesichts der Struktur des Klägers nicht mehr in Frage komme. Eine praxisorientierte intensive Einarbeitung in einen neuen Arbeitsbereich könne er jedoch bewältigen. Der Kläger sei intelektuell nicht eingeschränkt und lediglich einer klassischen, theoretisch orientierten Schulungsmaßnahme nicht mehr zugänglich.

Im Auftrag des Sozialgerichts hat der Chefarzt der Abteilung für Neurologie und Neuropsychologie an der Fachklinik H. Dr.S. ein weiteres nervenärztlich rehabilitationsmedizinisches Fachgutachten vom 17.03.1998 erstattet. Darin hat er als Gesundheitsstörungen eine somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie sowie ein Fibromyalgie-Syndrom festgestellt. Beim Kläger habe sich nunmehr ein Somatisierungssyndrom eingestellt, das in seinem jetzigen Ausprägungsgrad sicherlich zum 01.01.1998 bereits bestanden habe. Dadurch sei der Kläger in seinem beruflichen Leistungsvermögen über die von den Vorgutachtern getroffene Beurteilung hinaus insoweit eingeschränkt, als nunmehr nur noch eine unter voll- aber über halbschichtigte allgemeine Leistungsfähigkeit für eine Berufstätigkeit vorliege. Diese sei durch die psychosomatische Fixierung und Chronifizierung der Schmerzstörung begründet.

In der Zeit vom 29.09.1998 bis 27.10.1998 hat die Beklagte dem Kläger in der Rheumaklinik S. ein stationäres Heilverfahren gewährt. Als Entlassungsdiagnosen sind ein ausgeprägtes Fibromyalgie-Syndrom und ein Übergewicht mit Hyperuricämie genannt.

Die Beklagte hat darauf mit Schreiben vom 05.05.1999 den Eintritt der dauernden Berufsunfähigkeit zum 05.02.1998 anerkannt und dementsprechend die Leistung von Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit ab 01.03.1998 bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahres angeboten.

Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen, sondern eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend gemacht. Das Sozialgericht hat darauf weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte und von Dr.S. ein weiteres nervenärztliches Gutachten vom 10.11.1999 eingeholt. Darin hat Dr.S. im Wesentlichen die Beurteilung durch Dr.S. bestätigt. Der Gesundheitszustand habe sich seit seinem Vorgutachten vom November 1996 wesentlich verschlechtert. Seit der Untersuchung durch Dr.S. seien dem Kläger entsprechend dessen Beurteilung nur noch eine unter vollschichtige aber über halbschichtige Erwerbstätigkeit von vier bis sechs Stunden täglich zumutbar.

Die Beklagte hat sich darauf mit Schriftsatz vom 14.04.2000 bereit erklärt, neben dem Eintreten von dauernder Berufsunfähigkeit zum 01.01.1998 auch Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab 01.01. 1998 anzuerkennen und zunächst befristet bis 31.07.2001 wegen verschlossenen Arbeitsmarktes Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und für die Zeit vom 01.02.1998 bis 27.10.1998 Ersatzübergangsgeld zu gewähren.

Der Kläger hat dieses Vergleichsangebot nicht angenommen, sondern auf eine gerichtliche Entscheidung bestanden.

Mit Urteil vom 28. Juni 2000 hat das Sozialgericht die Klage, soweit sie über das Anerkenntnis der Beklagten vom 14. April 2000 hinaus gehe, abgewiesen. Das Eintreten des Leistungsfalles der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sei erst im Januar 1998 nachgewiesen. Dementsprechend habe der Kläger nur die bereits von der Beklagten zugestandenen Leistungsansprüche.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er weiter die gesetzlichen Leistungen wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit der Rentenantragstellung im Januar 1995 bis 31.01.1998 begehrt. Im Laufe des Berufungsverfahrens gewährte die Beklagte mit Bescheiden vom 12.04.2001 und 17.08.2001 dem Kläger für die Zeit vom 01.02.1998 bis 28.09.1998 Ersatzübergangsgeld und verlängerte die zunächst bis 31.07.2001 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zunächst bis 30.06.2004 aufgrund verschlossenen Arbeitsmarktes.

Mit Rücksicht darauf beantragte der Kläger, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 28.06.2000 sowie des Bescheides der Beklagten vom 24.07.1995 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 06.12.1995 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.01.1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit, hilfweise die gesetzlichen Leistungen wegen Berufs- unfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozial- gerichts Augsburg in Streitigkeiten aus der Arbeiterrentenversicherung, der Unfallversicherung und des Schwerbehindertenrechts sowie die Akten der Verwaltungsberufsgenossenschaft, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sachlich ist sie jedoch nicht begründet, weil der Kläger für den nunmehr streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.1995 bis 31.01.1998 nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Bestehen von Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung erfüllt.

Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs.2 SGG den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts an und sieht deshalb insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der geltenden Rechtslage entschieden.

Dazu ist lediglich ergänzend auszuführen, dass die zunächst im Vordergrund des Krankheitsbildes stehenden direkten Folgen des Arbeitsunfalles vom 31.05.1990 den Kläger in seinem beruflichen Leistungsvermögen nur zeitlich begrenzt im Sinne einer Arbeitsunfähigkeit beeinträchtigt haben. Ab dem 15.08. 1994 hat die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der Unfallfolgen nach den ärztlichen Feststellungen der Verwaltungsberufsgenossenschaft und des Sozialgerichts Augsburg im Verfahren S 3 U 247/94 lediglich 10 v.H. betragen, woraus sich eine nur unwesentliche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit ergibt. Die übrigen seinerzeit beim Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen, wie altersgemäße Degenerationserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat und Schmerzsyndrom ohne organisches Substrat, die als chronische Leiden schon vor dem Unfallereignis vorgelegen haben müssen, haben den Kläger bis zu seinem Arbeitsunfall nicht an seiner beruflichen Tätigkeit gehindert und beeinträchtigen für sich allein das berufliche Leistungsvermögen ebenfalls nicht erheblich. Die Rentenansprüche des Klägers begründen sich vielmehr aus der sich in der Krankgengeschichte abzeichnenden Entwicklung von Gesundheitsstörungen die der Beurteilung des psychiatrischen Fachgebietes unterliegen. Diese haben jedoch nach der Aussage der dazu befragten ärztlichen Sachverständigen, insbesondere der Dres.S. und S. nachweislich erst zum 01.01.1998 ein Ausmaß erreicht, das das berufliche Leistungsvermögen des Klägers in rentenberechtigendem Grade einschränkt. Dies auch für den Senat überzeugende Ergebnis der Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren berücksichtigt die Entscheidung des Sozialgerichts bereits zutreffend. Die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit sind deshalb erst für die Zeit ab 01.01.1998 nachgewiesen. Dem entspricht das Anerkenntnis der Beklagte und die Entscheidung des Sozialgerichts.

Die Berufung gegen die Entscheidung des Sozialgerichts war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved