L 5 RJ 405/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 694/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 405/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1948 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Vom 12.08.1969 bis 31.07.1979 hat er in der deutschen Rentenversicherung eine Versicherungszeit von insgesamt 113 Monaten zurückgelegt. Gearbeitet hat er als Metallarbeiter, Monteur und Springer. Nach seiner Rückkehr nach Jugoslawien wurden dort noch bis zum 31.01.1991 Pflichtversicherungszeiten erworben (12 Jahre, 4 Monate, 20 Tage) und nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit weitere 4 Monate vom 01.07.1991 bis 31.10.1991.

Am 10.07.1993 erlitt der Kläger einen Myokardinfarkt und stellte am 08.02.1994 Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, der in Jugoslawien zu einer Invalidenrente der I. Kategorie ab 13.01.1994 führte. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.05.1995 ab, weil die Rentenanwartschaft nicht gewahrt sei. Im anschließenden Klageverfahren erklärte sich die Beklagte, nachdem der Kläger weitere Unterlagen aus seiner Heimat vorgelegt hatte, bereit, die Klageschrift als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu bewerten und einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen.

Im Zuge dieser Überprüfung wandte sie sich an den jugoslawischen Versicherungsträger, der die Zeit vom 01.07.1991 bis 31.10.1991 als zusätzliche Versicherungszeit bestätigte. Daraufhin lehnte die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Becheid vom 19.01.1998 den Rentenantrag erneut ab. Auch unter Mitberücksichtigung dieser Zeit sei die Anwartschaft nicht gewahrt. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vor der Antragstellung am 08.02.1994 seien nur insgesamt 28 Kalendermonate an jugoslawischen Versicherungszeiten vorhanden. In seinem dagegen gerichteten Widerspruch vom 04.03.1998 trug der Kläger vor, er sei in der Zeit von Februar 1991 bis Dezember 1992 beim Fond für Arbeitsbeschaffung Serbiens, Dienststelle Franje, gemeldet gewesen und habe Anspruch auf Leistungen gehabt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.1998 zurück und führte zur Begründung aus, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung habe man über die Frage, ob überhaupt eine Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, keine Entscheidung getroffen. Bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung fehle es an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Zeiten der Krankheit und Arbeitslosigkeit in Jugoslawien sowie Zeiten des Bezugs jugoslawischer Invalidenrente seien keine Aufschubtatbestände nach § 43 Abs.3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), weil das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 insoweit keine Gleichstellung beinhalte.

Dagegen hat der Kläger erneut das Sozialgericht Landshut (SG) angerufen, das ein Aktenlagegutachten von Dr.R. , Internist und Radiologe, vom 21.01.2000 eingeholt hat. Darin stellt der Sachverständige fest, dass der Kläger im Juli 1993 einen Herzinfarkt erlitten habe mit Extrasystolen und anginösen Herzbeschwerden. Solche hätten auch in der Folgezeit bestanden. Dies sei durch die eingehende stationäre kardiologische Untersuchung im Mai 1994 nachgewiesen. Im EKG vom April 1995 habe sich wieder ein regelmäßiger Sinusrhythmus bei normalen Vorhof- und Kammerausschlägen gezeigt. Wesentliche Störungen der Erregungsrückbildung seien nicht zu erkennen gewesen. Nach klinischer Erfahrung werde durch die koronare Herzerkrankung und Infarktnarbe die Herzleistungsbreite mittelgradig eingeschränkt. Schwere und mittelschwere Arbeiten könnten nicht mehr zugemutet werden. Eine leichte Berufstätigkeit ohne Kraftaufwand und ohne Stresswirkung wirke hingegen nicht überfordernd. Anginöse Beschwerden könnten durch coronarerweiternde Medikamente behandelt werden. Vor dem Herzinfarkt sei der Kläger vollschichtig einsatzfähig gewesen auch im Beruf als Dreher. Die wesentliche Leistungseinschränkung bestehe erst seit diesem Zeitpunkt. Jetzt sei der Kläger wieder in der Lage, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten.

Gestützt auf dieses Gutachten hat das SG die Klage mit Urteil vom 12.05.2000 abgewiesen. Der Kläger sei nicht berufsunfähig und auch nicht erwerbsunfähig, weil er nach dem Gutachten Dr.R. noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Berufsschutz als Dreher stehe ihm nicht zu.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, und zur Begründung ausgeführt, das vom Gericht eingeholte Gutachten sei falsch, da es auf einer unvollständigen Krankengeschichte beruhe. Obwohl er dem zugestimmt habe, sei er nicht untersucht worden. Das zwischenstaatliche Abkommen sei teilweise nicht beachtet worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Landshut vom 12.05.2000 sowie des Bescheides vom 19.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.1998 zu verurteilen, ihm aufgrund des Antrages vom 19.03.1994 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 12.05.2000 zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Nach §§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung sowie nach § 43 Abs.1 Nr.2, Abs.2 Nr.1 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) besteht Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. teilweiser oder voller Erwerbsminderung nur, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt wurden. Dieses Erfordernis der sogenannten versicherungsfallnahen Belegung war beim Kläger zuletzt im Juni 1993 erfüllt, denn im vom Juni 1993 an zurückgerechneten Fünfjahreszeitraum lagen insgesamt 36 Monate an jugoslawischen Versicherungszeiten vor, die nach Art.25 Abs.1 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens vom 12.10.1968 für den Anspruchserwerb deutschen Versicherungszeiten gleichstehen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen im Verwaltungs- und inbesondere auch im sozialgerichtlichen Verfahren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bereits im Juni 1993 berufs- oder erwerbsunfähig war. Berufsunfähig sind nach § 43 Abs.2 SGB VI in der damals geltenden Fassung (a.F.) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs oder der besonderen Anforderungen in ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgrenze übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt.

Diese Voraussetzungen waren beim Kläger frühestens durch den Herzinfarkt am 10.07.1993 (zumindest zeitweilig) erfüllt. Nach der sehr eingehenden Untersuchung im Mai 1994, über die umfassende Unterlagen vorliegen, lagen damals alle typischen Erscheinungen eines Herzinfarktes vor. Bei der Ergometrie und dem Belastungs-EKG ergaben sich Hinweise auf eine Herzmangeldurchblutung. Es lagen typische Infarktnarbenzeichen vor. Eine Kontrastdarstellung der Herzkranzgefäße ergab einen Verschluss des vorderen intraventrikulären Koronarastes (RIA). Die anderen Koronaräste waren nicht pathologisch verändert. Auch eine Arrhythmie war damals nicht feststellbar. Im April 1995 ergab ein weiteres EKG einen regelmäßigen Sinusrhythmus bei normalen Vorhof- und Kammerausschlägen. Wesentliche Störungen der Erregungsrückbildung lagen nicht mehr vor. Offensichtlich war der Koronarverschluss durch Ausbildung eines Umgehungskreislaufes kompensiert. Eine gravierende Funktionsstörung des Herzmuskels lag nicht mehr vor. Aufgrund der umfassenden Untersuchungsergebnisse aus der Heimat des Klägers gelangte der Sachverständige Dr.R. in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass durch die koronare Herzerkrankung und Infarktnarbe eine mittelgradige Einschränkung der Herzleistungsbreite gegeben sei, so dass schwere und mittelschwere Arbeiten nicht mehr zugemutet werden könnten. Eine leichte Berufstätigkeit ohne Kraftaufwand und Stress ist demnach seit 1995 wieder möglich. Als Dreher kann der Kläger nicht mehr arbeiten. Da die Leistungseinschränkung allein auf den Herzinfarkt zurückzuführen ist, muss davon ausgegangen werden, dass in der Zeit davor eine relevante Erwerbsminderung nicht vorgelegen hat. Der Versicherungsfall ist demnach im Juli 1993 eingetreten. Zu dieser Zeit war die Anwartschaft nicht mehr erhalten, denn im davor liegenden Fünfjahreszeitraum wurden nur insgesamt 35 Monate an Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt und nicht die erforderlichen 36 Monate.

Die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Tätigkeit als Metalldreher, Monteur und Springer als Facharbeiter oder als angelernter Arbeiten einzustufen ist, kann dahingestellt bleiben, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Berufsunfähigkeit (§ 43 Abs.1 Nr.2 SGB VI a.F.) insoweit mit denen für Erwerbsunfähigkeit übereinstimmen (§ 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI a.F.).

Der Vorwurf des Klägers, Dr.R. habe bei Erstellung seines Aktenlagegutachtens wesentliche Krankheiten außer Betracht gelassen, trifft nicht zu. Vielmehr führt Dr.R. zu dem vom Kläger genannten Ulcus-Leiden ausdrücklich aus, dass das bereits 1977 festgestellte Zwölffingerdarmgeschwür 1980 erfolgreich operiert wurde. Seitdem sind keine Rezidive mehr aktenkundig. Auch zu der von der Invalidenkommission angeführten Psychasthenie hat sich der Gutachter geäußert und vertritt dazu die Meinung, dass hierdurch zwar die nervliche Belastbarkeit bei Stress reduziert sei, sich diese ansonsten aber nicht wesentlich leistungsmindernd auswirke. Auch die Invalidenkommission selber hat die von ihr angenommene Leistungsminderung des Klägers erst auf den Zeitpunkt ihrer Untersuchung im Januar 1994 datiert. Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass das Vorliegen von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit vor dem Herzinfarkt im Juli 1993 nicht nachweisbar ist. Eine Untersuchung des Klägers in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann insoweit keine neuen Gesichtspunkte mehr ergeben und war deshalb entbehrlich.

Die Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers in den Jahren 1991 und 1992 in Jugoslawien ist nicht geeignet, den fünfjährigen Anrechnungszeitraum zu verlängern, weil dies im deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen aus dem Jahre 1968 nicht vorgesehen ist. Zum damaligen Zeitpunkt bestand für eine entsprechende vertragliche Regelung schon deswegen keine Veranlassung, weil es damals nach deutschem Rentenversicherungsrecht das Erfordernis der versicherungsfallnahen Belegung noch nicht gegeben hat. Eine Anpassung des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens an die seit 1984 geltende Rechtslage ist bislang nicht erfolgt.

Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der deutschen Rentenversicherung hat, weil die Rentenanwartschaft nicht erhalten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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