Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 708/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 426/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.07.2000 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 06.09.1997, 20.11.1997 und 15.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.1999 verurteilt, dem Kläger anstelle der Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.02.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) anstelle von Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der am 1962 geborene Kläger erlitt als Schichtführer am 20.09.1993 einen Arbeitsunfall, dessen Folgen von der Textil- und Bekleidungs-BG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH entschädigt werden. Seine Erwerbsfähigkeit ist durch folgende Gesundheitsstörungen eingeschränkt: Eingeschränktes Gesichtsfeld infolge Entfernung des linken Auges, aufgehobener Geruchssinn mit dadurch gestörtem Geschmacksempfinden, vegetative Regulationsstörung mit häufigen Kopfschmerzen, mittelschwere Hirnleistungsstörung mit Defiziten der konzentrativen Dauerbelastbarkeit, Verminderung der Lernfähigkeit, gravierenden Defiziten in den mittel- und langfristigen Gedächtnisleistungen. Darüber hinaus liegt wahrscheinlich eine Stirnhirnschädigung mit erhöhter Erregbarkeit, verminderter Steuerungsfähigkeit und verminderter Lenkbarkeit vor.
Im Anschluss an das Gutachten des Sozialmediziners Dr.K. vom 04.07.1997, der erwerbsbringende Tätigkeiten nicht mehr für möglich hielt, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 06.09.1997 zunächst Rente wegen BU auf Zeit vom 01.04.1997 bis 31.03.1999 (der Kläger betrieb noch selbstständig eine Landwirtschaft). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 01.10.1997 Widerspruch. Mit Bescheid vom 20.11.1997 berechnete die Beklagte die Rente wegen Anrechnung der BG-Rentenleistungen ab 01.01.1998 neu. Mit Vertrag vom 28.01.1998 verpachtete der Kläger seinen gesamten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz mit Ausnahme des landwirtschaftlichen Wohnhauses ab 01.02.1998 an seine Ehefrau.
Im (Kontroll-)Gutachten vom 21.12.1998 vertrat Dr.K. den Standpunkt, der Kläger könne leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus wieder vollschichtig verrichten. Dagegen hielt die Ärztin für Psychiatrie Dr.F. im Gutachten vom 20.05.1999 leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch zweistündig bis unterhalbschichtig für zumutbar. Mit Bescheid vom 15.07.1999 bewilligte die Beklagte Rente wegen BU über den 31.03.1999 hinaus ohne zeitliche Beschränkung. Den Widerspruch des Klägers vom 01.10.1997 wies die Beklagte zurück, weil der Kläger wegen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht erwerbsunfähig sei. Die Landwirtschaft werde nicht von seiner Ehefrau allein betrieben. Der Kläger selbst habe erklärt, dass er noch stundenweise mitarbeite, und die berufliche Stellung seiner Ehefrau mit "Hausfrau" angegeben. Nach den einschlägigen Vorschriften des ALG gehöre zu den Voraussetzungen der Betriebsaufgabe, dass der abgebende Ehegatte unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage erwerbsunfähig nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei. Daran fehle es, weil der Kläger seit 01.04.1999 wieder bis unterhalbschichtig einsatzfähig sei (Widerspruchsbescheid vom 24.08.1999). Im Übrigen bestehe zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau auch nach der Verpachtung eine sog "Ehegatten-Innengesellschaft". Damit übe der Kläger weiterhin eine selbstständige Erwerbstätigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 3 SGB VI aus, zumal kaum vorstellbar sei, dass seine Ehefrau neben der Betreuung von drei minderjährigen Kindern die Landwirtschaft alleine betreiben könne.
Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat im anschließenden Klageverfahren nach Beinahme verschiedener ärztlicher Unterlagen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten (vom 18.02.2000) eingeholt. Der ärztliche Sachverständige Dr.B. ist darin zu der Beurteilung gelangt, die dem Kläger zumutbare Arbeitszeit liege pro Tag bei unter vier Stunden. Nach jeweils ca eineinhalb Stunden Arbeitszeit seien längere Pausen (bis zu drei Stunden) erforderlich. Im neuropsychologischen Zusatzgutachten ist zudem die Dipl.Psychologin H. zu dem Ergebnis gelangt, im Falle des Klägers sei eine permanente Begleitung dringend empfehlenswert.
Mit Urteil vom 19.07.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. EU iS des Gesetzes liege nicht vor. Im Anschluss an die Ausführungen von Dr.B. sei der Kläger noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bis unterhalbschichtig auszuüben. Zur Frage der selbstständigen Erwerbstätigkeit im landwirtschaftlichen Anwesen der Ehefrau hat das SG auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen; diesen Ausführungen sei nichts hinzuzufügen.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Berufung verweist der Kläger durch seinen Bevollmächtigten auf die Feststellungen der vom SG gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.B. und H ... Ein regelmäßiges, sinnvolles Arbeiten über zwei Stunden sei ihm nicht möglich. Außerdem führe er häufig völlig unnötige und mit der Landwirtschaft in keinem Zusammenhang stehende Arbeiten aus. Eine Überwachung bei jeglicher Art von Tätigkeit sei in einem landwirtschaftlichen Unternehmen praktisch unmöglich. Der Betrieb werde deshalb von seiner Ehefrau unter Mithilfe des ältesten Sohnes und seiner Mutter bewirtschaftet. Bei umfangreichen Arbeiten kämen zusätzlich sein Bruder und seine Schwiegermutter zu Hilfe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Bayreuth vom 19.07.2000 abzuändern und die Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 06.09.1997, 20.11.1997 und 15.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.1999 zu verurteilen, ihm anstelle der Rente wegen BU ab 01.02.1998 Rente wegen EU zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ausgehend von einem zweistündigen bis unterhalbschichtigen Restleistungsvermögen des Klägers ist die Beklagte unverändert der Auffassung, dass keine Betriebsaufgabe (Unternehmensabgabe) iS des ALG vorliegt. Danach müsse der Kläger unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage (medizinisch) erwerbsunfähig nach den Vorschriften des SGB VI sein (= höchstens bis zu zweistündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt). Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt.
Dem Senat haben die Unterlagen der Beklagten und die Streitakten erster und zweiter Instanz vorgelegen; auf deren Inhalt wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich auch als begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und entgegen der Ansicht des SG stehen dem Kläger ab 01.02.1998 Leistungen wegen EU zu. Denn der Kläger ist ab diesem Zeitpunkt erwerbsunfähig iS des Gesetzes.
Anspruch auf Rente wegen EU hat ein Versicherter bei Vorliegen weiterer hier nicht streitiger Voraussetzungen, wenn er erwerbsunfähig ist (§ 44 Abs 1 Nr 1 SGB VI, aufgehoben mit Wirkung vom 01.01.2001 durch Gesetz vom 20.12.2000 - BGBl I 1827; hier und nachfolgend jeweils zitiert in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung). Selbst bei einem nach ärztlicher Feststellung nur noch geringfügigen (auf weniger als zwei Stunden täglich abgesunkenen) Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist nach § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI nicht erwerbsunfähig, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübt. Insbesondere diese negative Tatbestandsvoraussetzung ist zur Überzeugung des Senats vorliegend nicht gegeben, weil der Kläger ab 01.02.1998 nicht mehr selbstständig erwerbstätig ist. Er hat seine vormals selbstständige Tätigkeit in der Landwirtschaft durch den mit seiner Ehefrau geschlossenen Pachtvertrag vom 28.01.1998 rechtswirksam aufgegeben.
Abweichend davon sieht die Beklagte in der ab 01.02.1998 vollzogenen Verpachtung aus mehreren Gründen kein für den streitigen Anspruch auf Rente wegen EU relevantes Ausscheiden des Klägers aus seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit als Landwirt: Zum einen werde die Landwirtschaft im Hinblick auf die unstreitige Mitarbeit des Klägers im Betrieb nicht von seiner Ehefrau allein betrieben, weshalb der Kläger nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden sei; an der Abgabe des Unternehmens iS des ALG fehle es aber auch deshalb, weil der Kläger ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage (dh eines ihm verschlossenen Arbeitsmarktes) nicht erwerbsunfähig iS des SGB VI sei; schließlich müsse auch wegen einer zwischen den Eheleuten bestehenden "Ehegatten-Innengesellschaft" von einer über den 31.01.1998 hinaus fortdauernden Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgegangen werden.
Mit keiner dieser Einwendungen kann die Beklagte durchdringen. Wann der Versicherte eine selbstständige Tätigkeit ausübt bzw nicht mehr ausübt, ist in § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI nicht näher definiert, bestimmt sich aber für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ausschließlich nach dem SGB VI. Die Frage ist nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles zu beantworten. Allgemein muss die Tätigkeit auf Erwerb ausgerichtet und in der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt werden (vgl Kasseler Kommentar - Niesel, Stand 01.03.2001, Rdnr 24 zu § 44 SGB VI). Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits in seinem Urteil vom 15.12.1977 - 11 RA 6/77 - (SozR 2200 zu der durch das Rentenreformgesetz 1972 vom 16.10.1972 in die RVO eingefügten Bestimmung des § 1247 Abs 2 Satz 2) ausgeführt hat, übt der Versicherte eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus, wenn er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwerbstätig ist. Das ist der Fall, wenn er die für sein "Unternehmen" erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich und persönlich unabhängig trifft und vom wirtschaftlichen Ergebenis den unmittelbaren Vor- oder Nachteil hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welcher Weise er sich nach außen oder innen am Geschäftsbetrieb beteiligt. Vielmehr genügt es, wenn er kraft seiner Unternehmerstellung den notwendigen Einfluss zu nehmen vermag. Er kann deshalb das Geschäft auch durch andere betreiben lassen. Solange er Unternehmer bleibt, ist ihm der Geschäftsbetrieb als selbstständige Erwerbstätigkeit zuzurechnen (BSG aaO).
In diesem Zusammenhang kommt es nach Auffassung des Senats also in erster Linie auf die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der für die Unternehmerstellung entscheidenden Einflussnahme auf die Leitung des Betriebs und nicht auf tatsächliche Mitwirkungshandlungen an. Im Gegensatz zur unternehmerischen Nutzung als Landwirt handelt es sich bei der Verpachtung lediglich um Vermögensnutzung und -verwaltung, die klar von einer selbstständigen Tätigkeit als Landwirt zu unterscheiden ist. Mit dem Landpachtvertrag vom 28.01.1998 hat der Kläger seiner Ehefrau den gesamten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz zur alleinigen Bodenbewirtschaftung und Fruchtziehung überlassen. Dadurch hat er ab 01.02.1998 aus Rechtsgründen seine Unternehmerstellung verloren. Der Zustimmungsvorbehalt für die Entnahme von Langholz aus den mitverpachteten Waldgrundstücken (vgl § 23 "sonstige Vereinbarungen") räumt ihm insbesondere kein Mitbestimmungsrecht beim Betrieb und in der Leitung des Unternehmens ein. Es kann deshalb nicht davon gesprochen werden, dass die Ehegatten ab 01.02.1998 das Unternehmen gemeinschaftlich betrieben haben.
Mit der Verpachtung ist die Ehefrau des Klägers als nunmehr alleinige Unternehmerin Landwirtin iS des § 1 Abs 2 ALG geworden. Vom selben Zeitpunkt an würde der Kläger von der Regelung des § 1 Abs 3 ALG erfasst, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, dh er gilt als Landwirt, solange er nicht von seiner Ehefrau getrennt lebt und nicht - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - erwerbsunfähig iS der Vorschriften des SGB VI ist. Insoweit handelt es sich aber um eine auf den Anwendungsbereich des ALG beschränkte Fiktion, die verhindern soll, dass der bisherige Allein- oder Mitunternehmer trotz ihm weiterhin möglicher (wenn auch uU eingeschränkter) Mitarbeit im Betrieb allein aufgrund vermögens- oder besitzrechtlich wirksamer Vereinbarung zwischen den Eheleuten Leistungsansprüche auf (landwirtschaftliche) Rente wegen EU erwerben kann. Trotz der Fiktionswirkung des § 1 Abs 3 Satz 1 ALG (iS des Fortbestehens der Eigenschaft als Landwirt und Unternehmer) hat also der Kläger durch die Verpachtung des gesamten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes mit Wirkung vom 01.02.1998 seine selbstständige Erwerbstätigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI aufgegeben.
Diese Rechtswirkung wird auch nicht durch die Regelung des § 21 Abs 9 Satz 1 Nr 1 ALG in Frage gestellt. Zugunsten eines Landwirts nach § 1 Abs 2 ALG, der landwirtschaftlich genutzte Flächen an seinen Ehegatten abgibt, gelten danach die Voraussetzungen der "Abgabe des Unternehmens" nur dann als erfüllt, wenn - wie hier - der abgebende Ehegatte aus dem Unternehmen ausgeschieden und - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - erwerbsunfähig iS der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Auch diese Vorschrift bleibt nach Auffassung des Senats mit ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich auf das Recht der Alterssicherung für Landwirte beschränkt und ist wegen der unterschiedlichen Versicherungs-, Finanzierungs- und Leistungsgrundlagen beider Rechtsgebiete nicht auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung übertragbar, wenngleich die in § 21 ALG genannten Tatbestände weitgehend Lebenssachverhalte umschreiben, die mit der Beendigung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI gleichzusetzen sind.
Gleichermaßen besteht auch keine Bindung des Rentenversicherungsträgers an die Entscheidungen der Landwirtschaftlichen Alterskasse. Dem Bescheid vom 29.06.1998, mit dem die Landwirtschaftliche Alterskasse Oberfranken und Mittelfranken dem Kläger ab 01.02.1998 gemäß § 13 Abs 1 ALG Rente wegen EU an Landwirte bewilligt hat, kommt deshalb keine Tatbestandswirkung in dem Sinne zu, dass die Beklagte die darin (ua) getroffenen Feststellungen, der Kläger habe sein landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben und sei erwerbsunfähig nach den Vorschriften des SGB VI, ihrer eigenen Entscheidung über den bei ihr geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen EU (nach § 44 SGB VI) zugrunde legen müsste.
Ungeachtet dessen wird von der Beklagten aber zu Unrecht die Erfüllung der zweiten Voraussetzung einer (nach dem Recht der Alterssicherung für Landwirte) wirksamen Unternehmensabgabe zwischen Ehegatten gemäß § 21 Abs 9 Satz 1 Nr 1 ALG (in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung) verneint, wonach der abgebende Ehegatte unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage erwerbsunfähig nach den Vorschriften des SGB VI sein muss.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger auch während der hier streitigen Zeit ab 01.02.1998 noch über ein Restleistungsvermögen verfügte, das war über die Zeitgrenze von täglich zwei Stunden hinausgeht, insgesamt aber (selbst bei möglicher Verteilung der Einsatzstunden über die volle betriebliche Normalarbeitszeit) nur noch eine arbeitstägliche Belastung von weniger als vier Stunden zulässt. Das ergibt sich aus der Leistungsbeurteilung, zu der im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren die Ärztin für Psychiatrie Dr.F. (Gutachten vom 20.05.1999) gelangte und die im erstinstanzlichen Verfahren (unter Einbeziehung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.Psychologin H.) der gerichtliche Sachverständige Dr.B. in seinem Gutachten vom 18.02.2000 vertreten hat. Beide gelangten übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die dem Kläger pro Tag zumutbare Arbeitszeit unter vier Stunden liege, wobei Dr.F. nur noch leichte Tätigkeiten für möglich hielt, während Dr.B. auch eine Belastung mit mittelschweren Arbeiten als zumutbar erachtete. Diese unterschiedliche Bewertung der rein körperlichen Belastbarkeit des Klägers rechtfertigt im Gegensatz zu vielen anderen Streitfällen vorliegend nicht die Feststellung, dass der Kläger bei Beschränkung eines denkbaren Arbeitseinsatzes auf körperlich leichte Tätigkeiten (solche kommen praktisch nur außerhalb der Landwirtschaft in Betracht) eine höhere Stundenzahl erbringen könnte und dass deshalb Dr.B. unter dieser Prämisse zur Annahme eines zeitlichen Vermögens von wenigstens vier bis zu sechs Stunden täglich hätte gelangen müssen. Diese Schlussfolgerung hat der gerichtliche Sachverständige mit Recht nicht gezogen, da die von ihm angenommene Verkürzung der täglichen Arbeitszeit vornehmlich auf andere als die körperlich-funktionellen Einschränkungen aufgrund der unfallbedingten Gesundheitsstörungen des Klägers zurückzuführen ist. Hier sind in erster Linie eine vegetative Regulationsstörung mit häufigen Kopfschmerzen, eine mittelschwere Hirnleistungsstörung mit Defiziten der konzentrativen Dauerbelastbarkeit, Verminderung der Lernfähigkeit und mit gravierenden Defiziten bei den mittel- und langfristigen Gedächtnisleistungen zu erwähnen. Daraus folgt nach den überzeugenden Ausführungen Dr.B. und der Dipl.Psychologin H. , dass der Kläger seine Leistungsfähigkeit - unabhängig davon, ob es sich um körperlich leichte oder mittelschwere Arbeiten handelt - aufgrund der Beeinträchtigung seines geistig-seelischen Durchhaltevermögens jeweils nur für kurze Zeitspannen aufrecht erhalten kann. Er leidet nach entsprechender Arbeitsbelastung unter so starken Konzentrationsmängeln oder ist körperlich und insbesondere geistig so erschöpft, dass er längere Pausen einlegen muss. Diese Angaben der Ehefrau des Klägers, die im Rahmen einer umfangreichen Anamneseerhebung zu den genannten Gutachten gehört wurde, sind durch Frau H. in ihrem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 16.02.2000 eindeutig bestätigt worden. Während der fast vierstündigen Testphase waren immer wieder erhebliche Leistungseinbrüche zu beobachten. In Anbetracht dieser als chronisch zu bezeichnenden, zu wesentlichen Anteilen hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob der Kläger noch in der Lage ist, das nach ärztlicher Beurteilung bei ihm vorhandene Restleistungsvermögen mit der vom Gesetz geforderten "Regelmäßigkeit" zu erbringen. Die Frage kann letztlich auf sich beruhen, da der Kläger aus anderen Gründen auf dem für die Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit maßgebenden allgemeinen Arbeitsmarkt wegen schwerer spezifischer Leistungseinschränkungen nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Nach den - auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen - Feststellungen der erstgerichtlichen Sachverständigen Dr.B. und H. benötigt der Kläger bereits nach ca eineinhalb Stunden Arbeitszeit jeweils eine längere Pause bis zu drei Stunden. Ein dem freien Wettbewerb zugänglicher Arbeitsplatz, der diese Bedingungen erfüllt, erscheint dem Senat - ohne dass dies einer besonderen Begründung bedürfte - nicht denkbar und kommt bei einer realistischen Einschätzung des Arbeitsmarktes in der Betriebswirklichkeit nicht vor. Soweit es dennoch Ausnahmen gibt, beruhen sie praktisch ausnahmslos auf einem besonderen sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers und können wegen ihrer geringen Anzahl nicht verallgemeinert werden. Auch wenn schwere spezifische Leistungseinschränkungen im Zusammentreffen mit einem vollschichtigen Einsatzvermögen regelmäßig unter dem Aspekt des verschlossenen Arbeitsmarktes beurteilt werden, gehen nach Auffassung des Senats bei einer auf weniger als vier Stunden verkürzten Arbeitszeit die Unfähigkeit des Versicherten, sein Restleistungsvermögen unter betriebsüblichen Bedingungen zu verwerten, und der damit verbundene Verlust jeglicher Wettbewerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt allein auf medizinische Gründe zurück, weshalb die EU des Klägers unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht.
Gegen eine von der Rechtsordnung anzuerkennende Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit des Klägers spricht weiter auch nicht der Umstand, dass sie auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Eheleuten beruht. Solche dem Prinzip der Vertragsfreiheit unterliegende Gestaltungsmöglichkeiten stehen auch Ehegatten offen. Der Senat hält es zwar nicht von vorneherein für ausgeschlossen, dass bürgerlich-rechtlich zulässigen Vertragsgestaltungen aus sozialrechtlicher Sicht die Anerkennung zu versagen ist, soweit sie eine Gesetzesumgehung darstellen, also zB in der Lebenswirklichkeit nicht vollziehen, was vertraglich vereinbart ist. Anhaltspunkte in dieser Richtung bestehen vorliegend nicht. Das im landwirtschaftlichen Betrieb oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbare Leistungsvermögen des Klägers ist durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen so stark beeinträchtigt, dass die Verpachtung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke lediglich nachvollzieht, was schon vorher den tatsächlichen Verhältnissen entsprach, dass nämlich die Hauptlast aller im Betrieb anfallenden Arbeiten bei der Ehefrau des Klägers (und nunmehrigen Pächterin) lag.
Beim Kläger liegen auch die Voraussetzungen einer Ehegatten-Innengesellschaft nicht vor. Ehegatten können - unabhängig davon, wer im Außenverhältnis in Erscheinung tritt und wer Inhaber bzw Eigentümer des Betriebes ist - eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB) auch als bloße Innengesellschaft bilden. In einem solchen Fall ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass (je nach Gestaltung der wechselseitigen Mitwirkung am betrieblichen Geschehen) beide Ehegatten eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Ob eine solche Innengesellschaft in Form der Ehegattengesellschft vorliegt, beurteilt sich in erster Linie danach, ob sich die Ehepartner aufgrund einvernehmlicher - zwar auch stillschweigend möglicher, aber inhaltlich feststellbarer, weil faktisch vollzogener - Übereinkunft in den Dienst einer gemeinsamen, über die eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehenden Aufgabe gestellt und eine Berufsgemeinschaft gebildet haben. Beide Ehegatten müssen im Unternehmen aktiv und/ oder direktiv tätig sein, wobei die Anteile ihrer Mitwirkung am Geschäftsbetrieb nach einer am wirtschaftlichen Betriebsergebnis ausgerichteten Bewertung in etwa die gleiche Bedeutung haben müssen. Bei nur geringfügiger oder ausschließlich familienhafter Mitarbeit eines Ehepartners, wie sie beim Kläger im Vergleich mit dem Anteil seiner als Pächterin und alleinige Unternehmerin fungierenden Ehefrau vorliegt, besteht keine Ehegatten-Gesellschaft (vgl Verbandskommentar, Stand Juni 2000, Anm 8 zu § 44 SGB VI).
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das Urteil des SG Bayreuth vom 19.087.2000 waren daher abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.02.1998 Rente wegen EU zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht gegeben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) anstelle von Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der am 1962 geborene Kläger erlitt als Schichtführer am 20.09.1993 einen Arbeitsunfall, dessen Folgen von der Textil- und Bekleidungs-BG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH entschädigt werden. Seine Erwerbsfähigkeit ist durch folgende Gesundheitsstörungen eingeschränkt: Eingeschränktes Gesichtsfeld infolge Entfernung des linken Auges, aufgehobener Geruchssinn mit dadurch gestörtem Geschmacksempfinden, vegetative Regulationsstörung mit häufigen Kopfschmerzen, mittelschwere Hirnleistungsstörung mit Defiziten der konzentrativen Dauerbelastbarkeit, Verminderung der Lernfähigkeit, gravierenden Defiziten in den mittel- und langfristigen Gedächtnisleistungen. Darüber hinaus liegt wahrscheinlich eine Stirnhirnschädigung mit erhöhter Erregbarkeit, verminderter Steuerungsfähigkeit und verminderter Lenkbarkeit vor.
Im Anschluss an das Gutachten des Sozialmediziners Dr.K. vom 04.07.1997, der erwerbsbringende Tätigkeiten nicht mehr für möglich hielt, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 06.09.1997 zunächst Rente wegen BU auf Zeit vom 01.04.1997 bis 31.03.1999 (der Kläger betrieb noch selbstständig eine Landwirtschaft). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 01.10.1997 Widerspruch. Mit Bescheid vom 20.11.1997 berechnete die Beklagte die Rente wegen Anrechnung der BG-Rentenleistungen ab 01.01.1998 neu. Mit Vertrag vom 28.01.1998 verpachtete der Kläger seinen gesamten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz mit Ausnahme des landwirtschaftlichen Wohnhauses ab 01.02.1998 an seine Ehefrau.
Im (Kontroll-)Gutachten vom 21.12.1998 vertrat Dr.K. den Standpunkt, der Kläger könne leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus wieder vollschichtig verrichten. Dagegen hielt die Ärztin für Psychiatrie Dr.F. im Gutachten vom 20.05.1999 leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch zweistündig bis unterhalbschichtig für zumutbar. Mit Bescheid vom 15.07.1999 bewilligte die Beklagte Rente wegen BU über den 31.03.1999 hinaus ohne zeitliche Beschränkung. Den Widerspruch des Klägers vom 01.10.1997 wies die Beklagte zurück, weil der Kläger wegen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht erwerbsunfähig sei. Die Landwirtschaft werde nicht von seiner Ehefrau allein betrieben. Der Kläger selbst habe erklärt, dass er noch stundenweise mitarbeite, und die berufliche Stellung seiner Ehefrau mit "Hausfrau" angegeben. Nach den einschlägigen Vorschriften des ALG gehöre zu den Voraussetzungen der Betriebsaufgabe, dass der abgebende Ehegatte unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage erwerbsunfähig nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei. Daran fehle es, weil der Kläger seit 01.04.1999 wieder bis unterhalbschichtig einsatzfähig sei (Widerspruchsbescheid vom 24.08.1999). Im Übrigen bestehe zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau auch nach der Verpachtung eine sog "Ehegatten-Innengesellschaft". Damit übe der Kläger weiterhin eine selbstständige Erwerbstätigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 3 SGB VI aus, zumal kaum vorstellbar sei, dass seine Ehefrau neben der Betreuung von drei minderjährigen Kindern die Landwirtschaft alleine betreiben könne.
Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat im anschließenden Klageverfahren nach Beinahme verschiedener ärztlicher Unterlagen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten (vom 18.02.2000) eingeholt. Der ärztliche Sachverständige Dr.B. ist darin zu der Beurteilung gelangt, die dem Kläger zumutbare Arbeitszeit liege pro Tag bei unter vier Stunden. Nach jeweils ca eineinhalb Stunden Arbeitszeit seien längere Pausen (bis zu drei Stunden) erforderlich. Im neuropsychologischen Zusatzgutachten ist zudem die Dipl.Psychologin H. zu dem Ergebnis gelangt, im Falle des Klägers sei eine permanente Begleitung dringend empfehlenswert.
Mit Urteil vom 19.07.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. EU iS des Gesetzes liege nicht vor. Im Anschluss an die Ausführungen von Dr.B. sei der Kläger noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bis unterhalbschichtig auszuüben. Zur Frage der selbstständigen Erwerbstätigkeit im landwirtschaftlichen Anwesen der Ehefrau hat das SG auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen; diesen Ausführungen sei nichts hinzuzufügen.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Berufung verweist der Kläger durch seinen Bevollmächtigten auf die Feststellungen der vom SG gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.B. und H ... Ein regelmäßiges, sinnvolles Arbeiten über zwei Stunden sei ihm nicht möglich. Außerdem führe er häufig völlig unnötige und mit der Landwirtschaft in keinem Zusammenhang stehende Arbeiten aus. Eine Überwachung bei jeglicher Art von Tätigkeit sei in einem landwirtschaftlichen Unternehmen praktisch unmöglich. Der Betrieb werde deshalb von seiner Ehefrau unter Mithilfe des ältesten Sohnes und seiner Mutter bewirtschaftet. Bei umfangreichen Arbeiten kämen zusätzlich sein Bruder und seine Schwiegermutter zu Hilfe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Bayreuth vom 19.07.2000 abzuändern und die Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 06.09.1997, 20.11.1997 und 15.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.1999 zu verurteilen, ihm anstelle der Rente wegen BU ab 01.02.1998 Rente wegen EU zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ausgehend von einem zweistündigen bis unterhalbschichtigen Restleistungsvermögen des Klägers ist die Beklagte unverändert der Auffassung, dass keine Betriebsaufgabe (Unternehmensabgabe) iS des ALG vorliegt. Danach müsse der Kläger unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage (medizinisch) erwerbsunfähig nach den Vorschriften des SGB VI sein (= höchstens bis zu zweistündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt). Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt.
Dem Senat haben die Unterlagen der Beklagten und die Streitakten erster und zweiter Instanz vorgelegen; auf deren Inhalt wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich auch als begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und entgegen der Ansicht des SG stehen dem Kläger ab 01.02.1998 Leistungen wegen EU zu. Denn der Kläger ist ab diesem Zeitpunkt erwerbsunfähig iS des Gesetzes.
Anspruch auf Rente wegen EU hat ein Versicherter bei Vorliegen weiterer hier nicht streitiger Voraussetzungen, wenn er erwerbsunfähig ist (§ 44 Abs 1 Nr 1 SGB VI, aufgehoben mit Wirkung vom 01.01.2001 durch Gesetz vom 20.12.2000 - BGBl I 1827; hier und nachfolgend jeweils zitiert in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung). Selbst bei einem nach ärztlicher Feststellung nur noch geringfügigen (auf weniger als zwei Stunden täglich abgesunkenen) Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist nach § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI nicht erwerbsunfähig, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübt. Insbesondere diese negative Tatbestandsvoraussetzung ist zur Überzeugung des Senats vorliegend nicht gegeben, weil der Kläger ab 01.02.1998 nicht mehr selbstständig erwerbstätig ist. Er hat seine vormals selbstständige Tätigkeit in der Landwirtschaft durch den mit seiner Ehefrau geschlossenen Pachtvertrag vom 28.01.1998 rechtswirksam aufgegeben.
Abweichend davon sieht die Beklagte in der ab 01.02.1998 vollzogenen Verpachtung aus mehreren Gründen kein für den streitigen Anspruch auf Rente wegen EU relevantes Ausscheiden des Klägers aus seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit als Landwirt: Zum einen werde die Landwirtschaft im Hinblick auf die unstreitige Mitarbeit des Klägers im Betrieb nicht von seiner Ehefrau allein betrieben, weshalb der Kläger nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden sei; an der Abgabe des Unternehmens iS des ALG fehle es aber auch deshalb, weil der Kläger ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage (dh eines ihm verschlossenen Arbeitsmarktes) nicht erwerbsunfähig iS des SGB VI sei; schließlich müsse auch wegen einer zwischen den Eheleuten bestehenden "Ehegatten-Innengesellschaft" von einer über den 31.01.1998 hinaus fortdauernden Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgegangen werden.
Mit keiner dieser Einwendungen kann die Beklagte durchdringen. Wann der Versicherte eine selbstständige Tätigkeit ausübt bzw nicht mehr ausübt, ist in § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI nicht näher definiert, bestimmt sich aber für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ausschließlich nach dem SGB VI. Die Frage ist nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles zu beantworten. Allgemein muss die Tätigkeit auf Erwerb ausgerichtet und in der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt werden (vgl Kasseler Kommentar - Niesel, Stand 01.03.2001, Rdnr 24 zu § 44 SGB VI). Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits in seinem Urteil vom 15.12.1977 - 11 RA 6/77 - (SozR 2200 zu der durch das Rentenreformgesetz 1972 vom 16.10.1972 in die RVO eingefügten Bestimmung des § 1247 Abs 2 Satz 2) ausgeführt hat, übt der Versicherte eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus, wenn er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwerbstätig ist. Das ist der Fall, wenn er die für sein "Unternehmen" erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich und persönlich unabhängig trifft und vom wirtschaftlichen Ergebenis den unmittelbaren Vor- oder Nachteil hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welcher Weise er sich nach außen oder innen am Geschäftsbetrieb beteiligt. Vielmehr genügt es, wenn er kraft seiner Unternehmerstellung den notwendigen Einfluss zu nehmen vermag. Er kann deshalb das Geschäft auch durch andere betreiben lassen. Solange er Unternehmer bleibt, ist ihm der Geschäftsbetrieb als selbstständige Erwerbstätigkeit zuzurechnen (BSG aaO).
In diesem Zusammenhang kommt es nach Auffassung des Senats also in erster Linie auf die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der für die Unternehmerstellung entscheidenden Einflussnahme auf die Leitung des Betriebs und nicht auf tatsächliche Mitwirkungshandlungen an. Im Gegensatz zur unternehmerischen Nutzung als Landwirt handelt es sich bei der Verpachtung lediglich um Vermögensnutzung und -verwaltung, die klar von einer selbstständigen Tätigkeit als Landwirt zu unterscheiden ist. Mit dem Landpachtvertrag vom 28.01.1998 hat der Kläger seiner Ehefrau den gesamten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz zur alleinigen Bodenbewirtschaftung und Fruchtziehung überlassen. Dadurch hat er ab 01.02.1998 aus Rechtsgründen seine Unternehmerstellung verloren. Der Zustimmungsvorbehalt für die Entnahme von Langholz aus den mitverpachteten Waldgrundstücken (vgl § 23 "sonstige Vereinbarungen") räumt ihm insbesondere kein Mitbestimmungsrecht beim Betrieb und in der Leitung des Unternehmens ein. Es kann deshalb nicht davon gesprochen werden, dass die Ehegatten ab 01.02.1998 das Unternehmen gemeinschaftlich betrieben haben.
Mit der Verpachtung ist die Ehefrau des Klägers als nunmehr alleinige Unternehmerin Landwirtin iS des § 1 Abs 2 ALG geworden. Vom selben Zeitpunkt an würde der Kläger von der Regelung des § 1 Abs 3 ALG erfasst, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, dh er gilt als Landwirt, solange er nicht von seiner Ehefrau getrennt lebt und nicht - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - erwerbsunfähig iS der Vorschriften des SGB VI ist. Insoweit handelt es sich aber um eine auf den Anwendungsbereich des ALG beschränkte Fiktion, die verhindern soll, dass der bisherige Allein- oder Mitunternehmer trotz ihm weiterhin möglicher (wenn auch uU eingeschränkter) Mitarbeit im Betrieb allein aufgrund vermögens- oder besitzrechtlich wirksamer Vereinbarung zwischen den Eheleuten Leistungsansprüche auf (landwirtschaftliche) Rente wegen EU erwerben kann. Trotz der Fiktionswirkung des § 1 Abs 3 Satz 1 ALG (iS des Fortbestehens der Eigenschaft als Landwirt und Unternehmer) hat also der Kläger durch die Verpachtung des gesamten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes mit Wirkung vom 01.02.1998 seine selbstständige Erwerbstätigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI aufgegeben.
Diese Rechtswirkung wird auch nicht durch die Regelung des § 21 Abs 9 Satz 1 Nr 1 ALG in Frage gestellt. Zugunsten eines Landwirts nach § 1 Abs 2 ALG, der landwirtschaftlich genutzte Flächen an seinen Ehegatten abgibt, gelten danach die Voraussetzungen der "Abgabe des Unternehmens" nur dann als erfüllt, wenn - wie hier - der abgebende Ehegatte aus dem Unternehmen ausgeschieden und - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - erwerbsunfähig iS der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Auch diese Vorschrift bleibt nach Auffassung des Senats mit ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich auf das Recht der Alterssicherung für Landwirte beschränkt und ist wegen der unterschiedlichen Versicherungs-, Finanzierungs- und Leistungsgrundlagen beider Rechtsgebiete nicht auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung übertragbar, wenngleich die in § 21 ALG genannten Tatbestände weitgehend Lebenssachverhalte umschreiben, die mit der Beendigung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB VI gleichzusetzen sind.
Gleichermaßen besteht auch keine Bindung des Rentenversicherungsträgers an die Entscheidungen der Landwirtschaftlichen Alterskasse. Dem Bescheid vom 29.06.1998, mit dem die Landwirtschaftliche Alterskasse Oberfranken und Mittelfranken dem Kläger ab 01.02.1998 gemäß § 13 Abs 1 ALG Rente wegen EU an Landwirte bewilligt hat, kommt deshalb keine Tatbestandswirkung in dem Sinne zu, dass die Beklagte die darin (ua) getroffenen Feststellungen, der Kläger habe sein landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben und sei erwerbsunfähig nach den Vorschriften des SGB VI, ihrer eigenen Entscheidung über den bei ihr geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen EU (nach § 44 SGB VI) zugrunde legen müsste.
Ungeachtet dessen wird von der Beklagten aber zu Unrecht die Erfüllung der zweiten Voraussetzung einer (nach dem Recht der Alterssicherung für Landwirte) wirksamen Unternehmensabgabe zwischen Ehegatten gemäß § 21 Abs 9 Satz 1 Nr 1 ALG (in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung) verneint, wonach der abgebende Ehegatte unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage erwerbsunfähig nach den Vorschriften des SGB VI sein muss.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger auch während der hier streitigen Zeit ab 01.02.1998 noch über ein Restleistungsvermögen verfügte, das war über die Zeitgrenze von täglich zwei Stunden hinausgeht, insgesamt aber (selbst bei möglicher Verteilung der Einsatzstunden über die volle betriebliche Normalarbeitszeit) nur noch eine arbeitstägliche Belastung von weniger als vier Stunden zulässt. Das ergibt sich aus der Leistungsbeurteilung, zu der im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren die Ärztin für Psychiatrie Dr.F. (Gutachten vom 20.05.1999) gelangte und die im erstinstanzlichen Verfahren (unter Einbeziehung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.Psychologin H.) der gerichtliche Sachverständige Dr.B. in seinem Gutachten vom 18.02.2000 vertreten hat. Beide gelangten übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die dem Kläger pro Tag zumutbare Arbeitszeit unter vier Stunden liege, wobei Dr.F. nur noch leichte Tätigkeiten für möglich hielt, während Dr.B. auch eine Belastung mit mittelschweren Arbeiten als zumutbar erachtete. Diese unterschiedliche Bewertung der rein körperlichen Belastbarkeit des Klägers rechtfertigt im Gegensatz zu vielen anderen Streitfällen vorliegend nicht die Feststellung, dass der Kläger bei Beschränkung eines denkbaren Arbeitseinsatzes auf körperlich leichte Tätigkeiten (solche kommen praktisch nur außerhalb der Landwirtschaft in Betracht) eine höhere Stundenzahl erbringen könnte und dass deshalb Dr.B. unter dieser Prämisse zur Annahme eines zeitlichen Vermögens von wenigstens vier bis zu sechs Stunden täglich hätte gelangen müssen. Diese Schlussfolgerung hat der gerichtliche Sachverständige mit Recht nicht gezogen, da die von ihm angenommene Verkürzung der täglichen Arbeitszeit vornehmlich auf andere als die körperlich-funktionellen Einschränkungen aufgrund der unfallbedingten Gesundheitsstörungen des Klägers zurückzuführen ist. Hier sind in erster Linie eine vegetative Regulationsstörung mit häufigen Kopfschmerzen, eine mittelschwere Hirnleistungsstörung mit Defiziten der konzentrativen Dauerbelastbarkeit, Verminderung der Lernfähigkeit und mit gravierenden Defiziten bei den mittel- und langfristigen Gedächtnisleistungen zu erwähnen. Daraus folgt nach den überzeugenden Ausführungen Dr.B. und der Dipl.Psychologin H. , dass der Kläger seine Leistungsfähigkeit - unabhängig davon, ob es sich um körperlich leichte oder mittelschwere Arbeiten handelt - aufgrund der Beeinträchtigung seines geistig-seelischen Durchhaltevermögens jeweils nur für kurze Zeitspannen aufrecht erhalten kann. Er leidet nach entsprechender Arbeitsbelastung unter so starken Konzentrationsmängeln oder ist körperlich und insbesondere geistig so erschöpft, dass er längere Pausen einlegen muss. Diese Angaben der Ehefrau des Klägers, die im Rahmen einer umfangreichen Anamneseerhebung zu den genannten Gutachten gehört wurde, sind durch Frau H. in ihrem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 16.02.2000 eindeutig bestätigt worden. Während der fast vierstündigen Testphase waren immer wieder erhebliche Leistungseinbrüche zu beobachten. In Anbetracht dieser als chronisch zu bezeichnenden, zu wesentlichen Anteilen hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob der Kläger noch in der Lage ist, das nach ärztlicher Beurteilung bei ihm vorhandene Restleistungsvermögen mit der vom Gesetz geforderten "Regelmäßigkeit" zu erbringen. Die Frage kann letztlich auf sich beruhen, da der Kläger aus anderen Gründen auf dem für die Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit maßgebenden allgemeinen Arbeitsmarkt wegen schwerer spezifischer Leistungseinschränkungen nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Nach den - auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen - Feststellungen der erstgerichtlichen Sachverständigen Dr.B. und H. benötigt der Kläger bereits nach ca eineinhalb Stunden Arbeitszeit jeweils eine längere Pause bis zu drei Stunden. Ein dem freien Wettbewerb zugänglicher Arbeitsplatz, der diese Bedingungen erfüllt, erscheint dem Senat - ohne dass dies einer besonderen Begründung bedürfte - nicht denkbar und kommt bei einer realistischen Einschätzung des Arbeitsmarktes in der Betriebswirklichkeit nicht vor. Soweit es dennoch Ausnahmen gibt, beruhen sie praktisch ausnahmslos auf einem besonderen sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers und können wegen ihrer geringen Anzahl nicht verallgemeinert werden. Auch wenn schwere spezifische Leistungseinschränkungen im Zusammentreffen mit einem vollschichtigen Einsatzvermögen regelmäßig unter dem Aspekt des verschlossenen Arbeitsmarktes beurteilt werden, gehen nach Auffassung des Senats bei einer auf weniger als vier Stunden verkürzten Arbeitszeit die Unfähigkeit des Versicherten, sein Restleistungsvermögen unter betriebsüblichen Bedingungen zu verwerten, und der damit verbundene Verlust jeglicher Wettbewerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt allein auf medizinische Gründe zurück, weshalb die EU des Klägers unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht.
Gegen eine von der Rechtsordnung anzuerkennende Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit des Klägers spricht weiter auch nicht der Umstand, dass sie auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Eheleuten beruht. Solche dem Prinzip der Vertragsfreiheit unterliegende Gestaltungsmöglichkeiten stehen auch Ehegatten offen. Der Senat hält es zwar nicht von vorneherein für ausgeschlossen, dass bürgerlich-rechtlich zulässigen Vertragsgestaltungen aus sozialrechtlicher Sicht die Anerkennung zu versagen ist, soweit sie eine Gesetzesumgehung darstellen, also zB in der Lebenswirklichkeit nicht vollziehen, was vertraglich vereinbart ist. Anhaltspunkte in dieser Richtung bestehen vorliegend nicht. Das im landwirtschaftlichen Betrieb oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbare Leistungsvermögen des Klägers ist durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen so stark beeinträchtigt, dass die Verpachtung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke lediglich nachvollzieht, was schon vorher den tatsächlichen Verhältnissen entsprach, dass nämlich die Hauptlast aller im Betrieb anfallenden Arbeiten bei der Ehefrau des Klägers (und nunmehrigen Pächterin) lag.
Beim Kläger liegen auch die Voraussetzungen einer Ehegatten-Innengesellschaft nicht vor. Ehegatten können - unabhängig davon, wer im Außenverhältnis in Erscheinung tritt und wer Inhaber bzw Eigentümer des Betriebes ist - eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB) auch als bloße Innengesellschaft bilden. In einem solchen Fall ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass (je nach Gestaltung der wechselseitigen Mitwirkung am betrieblichen Geschehen) beide Ehegatten eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Ob eine solche Innengesellschaft in Form der Ehegattengesellschft vorliegt, beurteilt sich in erster Linie danach, ob sich die Ehepartner aufgrund einvernehmlicher - zwar auch stillschweigend möglicher, aber inhaltlich feststellbarer, weil faktisch vollzogener - Übereinkunft in den Dienst einer gemeinsamen, über die eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehenden Aufgabe gestellt und eine Berufsgemeinschaft gebildet haben. Beide Ehegatten müssen im Unternehmen aktiv und/ oder direktiv tätig sein, wobei die Anteile ihrer Mitwirkung am Geschäftsbetrieb nach einer am wirtschaftlichen Betriebsergebnis ausgerichteten Bewertung in etwa die gleiche Bedeutung haben müssen. Bei nur geringfügiger oder ausschließlich familienhafter Mitarbeit eines Ehepartners, wie sie beim Kläger im Vergleich mit dem Anteil seiner als Pächterin und alleinige Unternehmerin fungierenden Ehefrau vorliegt, besteht keine Ehegatten-Gesellschaft (vgl Verbandskommentar, Stand Juni 2000, Anm 8 zu § 44 SGB VI).
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das Urteil des SG Bayreuth vom 19.087.2000 waren daher abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.02.1998 Rente wegen EU zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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