Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 378/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 448/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.07.1998 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.03.1998 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Klägerin über das 18. Lebensjahr hinaus Halbwaisenrente zusteht. Die am ...1971 geborene Klägerin ist die Tochter des Versicherten ..., der am 14.04.1995 verstorben ist. Die Klägerin, die bei der Universität Erlangen versicherungspflichtig beschäftigt war, hat am 25.03.1997 eine Tochter geboren. Ab 25.09.1997 nahm sie an einem Lehrgang der Fernakademie für Erwachsenenbildung (FEB) teil mit dem Ziel der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin für Englisch; die Dauer des Lehrgangs war auf 15 Monate angelegt (Bescheinigung der FEB vom 13.10.1997). Die Klägerin selbst hat der Beklagten am 19.11.1997 mitgeteilt, dass sie für den Unterricht an der FEB wöchentlich 16 Stunden aufwende. Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Halbwaisenrente vom 07.10.1997 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.12.1997 ab: Fernunterricht stelle in der Regel keine Schul- oder Berufsausbildung iS des § 48 SGB VI dar; nur wenn zum Fernunterricht ein regelmäßig begleitender mündlicher Direktunterricht hinzutrete, könne Schul- oder Berufsausbildung gegeben sein. Darüber hinaus müsse auch bei Fernunterricht die zeitliche Belastung durch die Ausbildung wöchentlich mehr als 20 Stunden betragen (was bei der Klägerin nicht der Fall sei). Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein und machte geltend, dass sie den Lehrgang in der Regelstudiendauer absolvieren wolle; dafür seien ca 25 - 30 Stunden Arbeitszeit pro Woche aufzuwenden. Ihr Leistungsstand werde regelmäßig durch Aufgaben und Korrekturen überprüft. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der FEB vom 15.12.1997 vor, in der ihre Angaben bzgl der Regelstudiendauer und des wöchentlichen Arbeitsaufwandes bestätigt wurden; der Lehrgang werde in einem solchen Fall in Vollzeitunterricht durchgeführt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16.03.1998 zurück: Die erforderliche Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung sei beim Fernunterricht nicht gewährleistet, weil es den Teilnehmern überlassen bleibe, wie intensiv die Ausbildung von ihnen betrieben werde und ob sie den Kurs tatsächlich in der Regelstudienzeit abschließen wollten oder könnten.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 16.04.1998 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben und unter Hinweis auf die Grundsätze der §§ 1570 ff BGB vorgetragen, dass ihr als Mutter eines Kleinkindes selbst eine Halbtagsbeschäftigung nicht zumutbar sei. Sie wende durchschnittlich 25 - 30 Stunden wöchentlich für den Vorbereitungslehrgang auf und sende alle zwei Wochen eine Hausarbeit an die Fernakademie.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Klägerin erklärt, sie lerne täglich von ca 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr morgens, bevor ihre Tochter aufwache, dann nochmals von 10.00 bis ca 11.30 Uhr. Nachmittags arbeite sie mit dem Unterrichtsmaterial etwa von 14.00 bis 15.30 Uhr und am Abend nochmals von ca 20.00 bis 22.30 Uhr (zusammen 7,5 Stunden täglich, wobei die Zahl der Arbeitstage pro Woche oder Monat nicht festgelegt wurde). Mit Urteil vom 21.07.1998 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.03.1998 verurteilt, ausgehend vom Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin bis längstens 31.03.1998 Halbwaisenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Klägerin befinde sich seit 25.09.1997 in Berufsausbildung. Der Fernunterricht sei einer Schul- bzw Berufsausbildung gleichzusetzen, wenn und soweit die generelle Gewähr für eine der herkömmlichen Schulausbildung vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gegeben und ihre Dauer nicht allein der Verantwortung des Schülers überlassen sei (BSG vom 25.11.1976, Az: 11 RA 146/75 in SozR 2200 § 1262 RVO Nr 9). Wegen der Notwendigkeit, alle zwei Wochen eine (dort korrigierte) Hausaufgabe bei der Fernakademie einzureichen, sei es nicht allein in die Entscheidung der Klägerin gestellt, wann sie sich zur Prüfung bei der IHK melde, zumal dies erst möglich sei, wenn von der Fernakademie der notwendige Wissensstand bescheinigt werde. Nach der Rechtsprechung des BSG komme es hinsichtlich der Teilnahme an einem Telekolleg allein darauf an, ob dadurch die Arbeitskraft des Teilnehmers überwiegend beansprucht werde (vgl BSG vom 25.08.1987, Az: 11 a RA 26/86). Der für die Klägerin anfallende Arbeitsaufwand betrage nach den Ausführungen der FEB im Schreiben vom 15.12.1997 wöchentlich ca 25 - 30 Stunden. Letztlich könne dahinstehen, ob die Ausbildung an der FEB die Klägerin mehr oder weniger als 28 Stunden pro Woche in Anspruch nehme. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Klägerin als Mutter eines Säuglings eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden (die das BSG als Obergrenze der Gesamtbelastung durch Beruf und Ausbildung angesehen habe) nicht zugemutet werden könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 18.08.1998 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Diese hat eine Auskunft der FEB vom 22.01.1999 vorgelegt, wonach für den Lehrgang der Klägerin eine reguläre Studienzeit von 15 Monaten vorgesehen sei. Dem Teilnehmer stehe aber eine kostenlose Überziehungszeit von weiteren 9 Monaten zur Verfügung. Innerhalb dieser dann 24 Monate habe der Teilnehmer die Möglichkeit, die vorgegebenen Hausaufgaben einzureichen. Für die Absolvierung des Lehrganges in der Regelstudienzeit von 15 Monaten werde von einer wöchentlichen Bearbeitungszeit von ca 10 Stunden ausgegangen. Dabei sei versucht worden zu ermitteln, wieviele Stunden ein mittelmäßig begabter Schüler neben seiner beruflichen Tätigkeit für die Bearbeitung eines Studienheftes benötige. Abhängig von den persönlichen Fähigkeiten der Teilnehmer sei es aber sehr schwierig, eine durchschnittliche Bearbeitungszeit festzulegen. Wenn ein Teilnehmer innerhalb kurzer Zeit viele Hausaufgabenlösungen einsende, gehe man von einer Vollzeitbearbeitung aus.
Des Weiteren hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass eine Ausbildung (iS des § 48 Abs 4 SGB VI) nach allgemeiner Ansicht nur dann anzunehmen sei, wenn dadurch die Arbeitskraft der Auszubildenden überwiegend in Anspruch genommen werde (BSG vom 25.08.1987 aaO). Fernunterricht, der in der Regel keine Berufsausbildung sei, könne als Ausbildung gelten, wenn mündlicher Direktunterricht hinzutrete und durch die Ausbildung der überwiegende Teil der Arbeitszeit der Auszubildenden beansprucht werde (Eicher-Haase-Rauschenbach, Anm 5 e zu § 48 SGB VI). Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Ein mündlicher Direktunterricht werde nicht erteilt. Auch das Kriterium der überwiegenden Inanspruchnahme der Arbeitszeit erfülle die Klägerin nicht, da für einen durchschnittlich begabten Auszubildenden lediglich eine Wochenarbeitszeit von etwa 10 Stunden anzusetzen sei. Die Klägerin hat ausgeführt, dass sie in der Zeit vom 25.09.1997 bis 31.03.1998 insgesamt 18 Hausaufgaben zur Korrektur bei der Fernakademie eingereicht habe (Bescheinigung der FEB vom 28.01.1999), was einer Leistung von monatlich 3 Hausaufgaben entspreche. Die Klägerin hat ferner die Zwischenzeugnisse der FEB vom 04.08.1998 und 28.04.1999 sowie das Diplom der FEB vom 02.06.1999 vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.07.1998 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.12.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 16.03.1998 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte des Sozialgerichts Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da sie vom SG im Urteil zugelassen worden ist. Sie ist auch begründet. In seinem Urteil vom 25.11.1976 (SozR 2200 § 1262 RVO Nr 9) hat das BSG Kriterien der Bewertung von Fernunterrichtslehrgängen zur Vorbereitung auf das Abitur als Schulausbildung aufgestellt: Danach ist der Fernunterricht einer Schulausbildung gleichzuachten, wenn und soweit die generelle Gewähr für eine der herkömmlichen Schulausbildung vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gegeben und ihre Dauer nicht allein der Verantwortung des Schülers überlassen ist; diese Voraussetzung könne bei einem 5-semestrigen Fernlehrgang zur Vorbereitung auf das Abitur gegeben sein, wenn der erste Ausbildungsabschnitt (2 Semester) erfolgreich absolviert sei und im zweiten Ausbildungsabschnitt zum Fernunterricht zusätzlich mündlicher Unterricht (hier: von 8 Wochenstunden) erteilt werde. Das BSG hat dabei zwischen dem ersten und weiteren Ausbildungsabschnitten unterschieden. In der ersten Phase der Ausbildung sei es weitgehend dem Schüler selbst überlassen, den Unterrichtsstoff durchzuarbeiten; eine stetige Kontrolle des Leistungsstandes des Schülers sei damit nicht gewährleistet, die völlige Lernfreiheit der Schüler in dieser Phase des Lehrganges vielmehr unübersehbar. In dieser Stufe der Ausbildung sei unter den genannten Umständen eine Zweckerfüllung des Kinderzuschusses nicht ausreichend sichergestellt. Diese Überlegungen gelten nach Auffassung des Senats auch für den Anspruch auf Waisenrente.
Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung iS eines Vorbereitungslehrganges auf die öffentlich-rechtliche Abschlussprüfung zur Fremdsprachenkorrespondentin entspricht der hier im Urteil des BSG beschriebenen ersten Phase der Ausbildung. Ein mündlicher Unterricht hat zu keiner Zeit stattgefunden; er war im Lehrplan auch nicht vorgesehen. Nach der Auskunft der FEB vom 22.01.1999 an die Beklagte erfolgte die Zusendung des Lehrmaterials unabhängig davon, ob der Teilnehmer das verlangte Arbeitspensum bereits geschafft hatte. Es sei durchaus möglich, dass ein Teilnehmer lediglich das Lehrmaterial erhalte, ohne Hausaufgaben einzuschicken. Letzteres bleibe jedem Teilnehmer selbst überlassen; ihm stehe jedenfalls für den Lehrgang eine Gesamtbetreuungszeit von 24 Monaten zur Verfügung. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Berufsausbildung vorliegt, kann nur der objektiv notwendige Arbeitsaufwand sein (BSG aaO sowie BSGE 65, 243). Dazu hat die FEB mitgeteilt, dass für den betreffenden Lehrgang bei einer Regelstudienzeit von 15 Monaten von einer wöchentlichen Bearbeitungszeit von ca 10 Stunden auszugehen ist, wobei als Maßstab herangezogen wurde, wieviele Stunden ein mittelmäßig begabter Schüler neben seiner beruflichen Tätigkeit für die Bearbeitung eines Studienheftes benötigt. Die Frage, welche Arbeitszeit bzw wieviele Lernstunden die Klägerin für ihr Fernstudium aufgewendet hat, ist nicht eindeutig beantwortet und wird letztlich auch nicht objektiv zu klären sein. Ihre Angaben vor dem Sozialgericht, die eine tägliche Studienzeit von 7,5 Stunden ergeben würden, erscheinen dem Senat in diesem Umfang nicht glaubhaft, soweit damit der objektive Zeitaufwand für die Bearbeitung der Kursunterlagen einschließlich der Hausaufgaben bezeichnet werden sollte. Diese Würdigung ihrer Einlassung schließt jedoch nicht aus, dass sich die Klägerin zur Verbesserung ihrer englischen Sprachkenntnisse und ihrer Prüfungschancen über den eigentlichen Prüfungsstoff hinaus mit anderen (im Buchhandel nahezu unerschöpflich verfügbaren) Arbeitsmaterialien beschäftigt hat. Das kann sich angesichts der Forderung nach einem objektiven Maßstab aber nicht zu ihren Gunsten auswirken. Abgesehen davon ist der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des SG angegebene Zeitaufwand für die Bearbeitung der Studienhefte in seiner Regelmäßigkeit und Stetigkeit nicht bewiesen. Die Klägerin selbst hat im Antragsverfahren gegenüber der Beklagten die Wochenarbeitszeit für den Lehrgang mit 16 Stunden angegeben. Selbst wenn man unterstellt, dass ein durchschnittlich begabter Schüler für den Fernlehrgang (neben einer Berufstätigkeit) einen Zeitaufwand von etwa 10 Wochenstunden benötigt und dass die Klägerin mit einem durchschnittlichen Aufwand von 16 Stunden deutlich mehr Zeit aufwenden musste, war damit eine "überwiegende Beanspruchung" von Zeit und Arbeitskraft der Klägerin durch den Lehrgang im Vergleich mit der zumutbaren Gesamtbelastung von wöchentlich 48 Stunden (die auch auf Zeiten der Kinderbetreuung entfallen können) nicht gegeben. Im Übrigen hat die Klägerin, wie die Zwischenzeugnisse und das Abschlussdiplom zeigen, den Lehrgang nicht in der Regelstudienzeit von 15 Monaten absolviert, sondern dafür ca 20 Monate benötigt (September 1997 bis Juni 1999). Sie hat damit die von der Fernakademie gebotene Möglichkeit genutzt, die Art der Bearbeitung des Unterrichtsstoffes und die zeitliche Verteilung der Arbeit selbst zu gestalten, was weniger für eine schulmäßige Ausbildung als für eine frei gestaltete und frei wählbare Ausbildungsalternative spricht.
Im Hinblick darauf, dass der Vorbereitungslehrgang der Klägerin nicht von einem mündlichen Unterricht begleitet war und dass der objektiv erforderliche Zeitaufwand für die Arbeit im Lehrgang mit durchschnittlich 10 Wochenstunden anzusetzen ist, kann vorliegend nicht von einer Schul- oder Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 SGB VI ausgegangen werden.
Auf die Berufung der Beklagten war demnach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen die streitbefangenen Bescheide abzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision leigen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Klägerin über das 18. Lebensjahr hinaus Halbwaisenrente zusteht. Die am ...1971 geborene Klägerin ist die Tochter des Versicherten ..., der am 14.04.1995 verstorben ist. Die Klägerin, die bei der Universität Erlangen versicherungspflichtig beschäftigt war, hat am 25.03.1997 eine Tochter geboren. Ab 25.09.1997 nahm sie an einem Lehrgang der Fernakademie für Erwachsenenbildung (FEB) teil mit dem Ziel der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin für Englisch; die Dauer des Lehrgangs war auf 15 Monate angelegt (Bescheinigung der FEB vom 13.10.1997). Die Klägerin selbst hat der Beklagten am 19.11.1997 mitgeteilt, dass sie für den Unterricht an der FEB wöchentlich 16 Stunden aufwende. Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Halbwaisenrente vom 07.10.1997 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.12.1997 ab: Fernunterricht stelle in der Regel keine Schul- oder Berufsausbildung iS des § 48 SGB VI dar; nur wenn zum Fernunterricht ein regelmäßig begleitender mündlicher Direktunterricht hinzutrete, könne Schul- oder Berufsausbildung gegeben sein. Darüber hinaus müsse auch bei Fernunterricht die zeitliche Belastung durch die Ausbildung wöchentlich mehr als 20 Stunden betragen (was bei der Klägerin nicht der Fall sei). Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein und machte geltend, dass sie den Lehrgang in der Regelstudiendauer absolvieren wolle; dafür seien ca 25 - 30 Stunden Arbeitszeit pro Woche aufzuwenden. Ihr Leistungsstand werde regelmäßig durch Aufgaben und Korrekturen überprüft. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der FEB vom 15.12.1997 vor, in der ihre Angaben bzgl der Regelstudiendauer und des wöchentlichen Arbeitsaufwandes bestätigt wurden; der Lehrgang werde in einem solchen Fall in Vollzeitunterricht durchgeführt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16.03.1998 zurück: Die erforderliche Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung sei beim Fernunterricht nicht gewährleistet, weil es den Teilnehmern überlassen bleibe, wie intensiv die Ausbildung von ihnen betrieben werde und ob sie den Kurs tatsächlich in der Regelstudienzeit abschließen wollten oder könnten.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 16.04.1998 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben und unter Hinweis auf die Grundsätze der §§ 1570 ff BGB vorgetragen, dass ihr als Mutter eines Kleinkindes selbst eine Halbtagsbeschäftigung nicht zumutbar sei. Sie wende durchschnittlich 25 - 30 Stunden wöchentlich für den Vorbereitungslehrgang auf und sende alle zwei Wochen eine Hausarbeit an die Fernakademie.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Klägerin erklärt, sie lerne täglich von ca 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr morgens, bevor ihre Tochter aufwache, dann nochmals von 10.00 bis ca 11.30 Uhr. Nachmittags arbeite sie mit dem Unterrichtsmaterial etwa von 14.00 bis 15.30 Uhr und am Abend nochmals von ca 20.00 bis 22.30 Uhr (zusammen 7,5 Stunden täglich, wobei die Zahl der Arbeitstage pro Woche oder Monat nicht festgelegt wurde). Mit Urteil vom 21.07.1998 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.03.1998 verurteilt, ausgehend vom Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin bis längstens 31.03.1998 Halbwaisenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Klägerin befinde sich seit 25.09.1997 in Berufsausbildung. Der Fernunterricht sei einer Schul- bzw Berufsausbildung gleichzusetzen, wenn und soweit die generelle Gewähr für eine der herkömmlichen Schulausbildung vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gegeben und ihre Dauer nicht allein der Verantwortung des Schülers überlassen sei (BSG vom 25.11.1976, Az: 11 RA 146/75 in SozR 2200 § 1262 RVO Nr 9). Wegen der Notwendigkeit, alle zwei Wochen eine (dort korrigierte) Hausaufgabe bei der Fernakademie einzureichen, sei es nicht allein in die Entscheidung der Klägerin gestellt, wann sie sich zur Prüfung bei der IHK melde, zumal dies erst möglich sei, wenn von der Fernakademie der notwendige Wissensstand bescheinigt werde. Nach der Rechtsprechung des BSG komme es hinsichtlich der Teilnahme an einem Telekolleg allein darauf an, ob dadurch die Arbeitskraft des Teilnehmers überwiegend beansprucht werde (vgl BSG vom 25.08.1987, Az: 11 a RA 26/86). Der für die Klägerin anfallende Arbeitsaufwand betrage nach den Ausführungen der FEB im Schreiben vom 15.12.1997 wöchentlich ca 25 - 30 Stunden. Letztlich könne dahinstehen, ob die Ausbildung an der FEB die Klägerin mehr oder weniger als 28 Stunden pro Woche in Anspruch nehme. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Klägerin als Mutter eines Säuglings eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden (die das BSG als Obergrenze der Gesamtbelastung durch Beruf und Ausbildung angesehen habe) nicht zugemutet werden könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 18.08.1998 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Diese hat eine Auskunft der FEB vom 22.01.1999 vorgelegt, wonach für den Lehrgang der Klägerin eine reguläre Studienzeit von 15 Monaten vorgesehen sei. Dem Teilnehmer stehe aber eine kostenlose Überziehungszeit von weiteren 9 Monaten zur Verfügung. Innerhalb dieser dann 24 Monate habe der Teilnehmer die Möglichkeit, die vorgegebenen Hausaufgaben einzureichen. Für die Absolvierung des Lehrganges in der Regelstudienzeit von 15 Monaten werde von einer wöchentlichen Bearbeitungszeit von ca 10 Stunden ausgegangen. Dabei sei versucht worden zu ermitteln, wieviele Stunden ein mittelmäßig begabter Schüler neben seiner beruflichen Tätigkeit für die Bearbeitung eines Studienheftes benötige. Abhängig von den persönlichen Fähigkeiten der Teilnehmer sei es aber sehr schwierig, eine durchschnittliche Bearbeitungszeit festzulegen. Wenn ein Teilnehmer innerhalb kurzer Zeit viele Hausaufgabenlösungen einsende, gehe man von einer Vollzeitbearbeitung aus.
Des Weiteren hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass eine Ausbildung (iS des § 48 Abs 4 SGB VI) nach allgemeiner Ansicht nur dann anzunehmen sei, wenn dadurch die Arbeitskraft der Auszubildenden überwiegend in Anspruch genommen werde (BSG vom 25.08.1987 aaO). Fernunterricht, der in der Regel keine Berufsausbildung sei, könne als Ausbildung gelten, wenn mündlicher Direktunterricht hinzutrete und durch die Ausbildung der überwiegende Teil der Arbeitszeit der Auszubildenden beansprucht werde (Eicher-Haase-Rauschenbach, Anm 5 e zu § 48 SGB VI). Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Ein mündlicher Direktunterricht werde nicht erteilt. Auch das Kriterium der überwiegenden Inanspruchnahme der Arbeitszeit erfülle die Klägerin nicht, da für einen durchschnittlich begabten Auszubildenden lediglich eine Wochenarbeitszeit von etwa 10 Stunden anzusetzen sei. Die Klägerin hat ausgeführt, dass sie in der Zeit vom 25.09.1997 bis 31.03.1998 insgesamt 18 Hausaufgaben zur Korrektur bei der Fernakademie eingereicht habe (Bescheinigung der FEB vom 28.01.1999), was einer Leistung von monatlich 3 Hausaufgaben entspreche. Die Klägerin hat ferner die Zwischenzeugnisse der FEB vom 04.08.1998 und 28.04.1999 sowie das Diplom der FEB vom 02.06.1999 vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.07.1998 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.12.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 16.03.1998 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte des Sozialgerichts Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da sie vom SG im Urteil zugelassen worden ist. Sie ist auch begründet. In seinem Urteil vom 25.11.1976 (SozR 2200 § 1262 RVO Nr 9) hat das BSG Kriterien der Bewertung von Fernunterrichtslehrgängen zur Vorbereitung auf das Abitur als Schulausbildung aufgestellt: Danach ist der Fernunterricht einer Schulausbildung gleichzuachten, wenn und soweit die generelle Gewähr für eine der herkömmlichen Schulausbildung vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gegeben und ihre Dauer nicht allein der Verantwortung des Schülers überlassen ist; diese Voraussetzung könne bei einem 5-semestrigen Fernlehrgang zur Vorbereitung auf das Abitur gegeben sein, wenn der erste Ausbildungsabschnitt (2 Semester) erfolgreich absolviert sei und im zweiten Ausbildungsabschnitt zum Fernunterricht zusätzlich mündlicher Unterricht (hier: von 8 Wochenstunden) erteilt werde. Das BSG hat dabei zwischen dem ersten und weiteren Ausbildungsabschnitten unterschieden. In der ersten Phase der Ausbildung sei es weitgehend dem Schüler selbst überlassen, den Unterrichtsstoff durchzuarbeiten; eine stetige Kontrolle des Leistungsstandes des Schülers sei damit nicht gewährleistet, die völlige Lernfreiheit der Schüler in dieser Phase des Lehrganges vielmehr unübersehbar. In dieser Stufe der Ausbildung sei unter den genannten Umständen eine Zweckerfüllung des Kinderzuschusses nicht ausreichend sichergestellt. Diese Überlegungen gelten nach Auffassung des Senats auch für den Anspruch auf Waisenrente.
Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung iS eines Vorbereitungslehrganges auf die öffentlich-rechtliche Abschlussprüfung zur Fremdsprachenkorrespondentin entspricht der hier im Urteil des BSG beschriebenen ersten Phase der Ausbildung. Ein mündlicher Unterricht hat zu keiner Zeit stattgefunden; er war im Lehrplan auch nicht vorgesehen. Nach der Auskunft der FEB vom 22.01.1999 an die Beklagte erfolgte die Zusendung des Lehrmaterials unabhängig davon, ob der Teilnehmer das verlangte Arbeitspensum bereits geschafft hatte. Es sei durchaus möglich, dass ein Teilnehmer lediglich das Lehrmaterial erhalte, ohne Hausaufgaben einzuschicken. Letzteres bleibe jedem Teilnehmer selbst überlassen; ihm stehe jedenfalls für den Lehrgang eine Gesamtbetreuungszeit von 24 Monaten zur Verfügung. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Berufsausbildung vorliegt, kann nur der objektiv notwendige Arbeitsaufwand sein (BSG aaO sowie BSGE 65, 243). Dazu hat die FEB mitgeteilt, dass für den betreffenden Lehrgang bei einer Regelstudienzeit von 15 Monaten von einer wöchentlichen Bearbeitungszeit von ca 10 Stunden auszugehen ist, wobei als Maßstab herangezogen wurde, wieviele Stunden ein mittelmäßig begabter Schüler neben seiner beruflichen Tätigkeit für die Bearbeitung eines Studienheftes benötigt. Die Frage, welche Arbeitszeit bzw wieviele Lernstunden die Klägerin für ihr Fernstudium aufgewendet hat, ist nicht eindeutig beantwortet und wird letztlich auch nicht objektiv zu klären sein. Ihre Angaben vor dem Sozialgericht, die eine tägliche Studienzeit von 7,5 Stunden ergeben würden, erscheinen dem Senat in diesem Umfang nicht glaubhaft, soweit damit der objektive Zeitaufwand für die Bearbeitung der Kursunterlagen einschließlich der Hausaufgaben bezeichnet werden sollte. Diese Würdigung ihrer Einlassung schließt jedoch nicht aus, dass sich die Klägerin zur Verbesserung ihrer englischen Sprachkenntnisse und ihrer Prüfungschancen über den eigentlichen Prüfungsstoff hinaus mit anderen (im Buchhandel nahezu unerschöpflich verfügbaren) Arbeitsmaterialien beschäftigt hat. Das kann sich angesichts der Forderung nach einem objektiven Maßstab aber nicht zu ihren Gunsten auswirken. Abgesehen davon ist der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des SG angegebene Zeitaufwand für die Bearbeitung der Studienhefte in seiner Regelmäßigkeit und Stetigkeit nicht bewiesen. Die Klägerin selbst hat im Antragsverfahren gegenüber der Beklagten die Wochenarbeitszeit für den Lehrgang mit 16 Stunden angegeben. Selbst wenn man unterstellt, dass ein durchschnittlich begabter Schüler für den Fernlehrgang (neben einer Berufstätigkeit) einen Zeitaufwand von etwa 10 Wochenstunden benötigt und dass die Klägerin mit einem durchschnittlichen Aufwand von 16 Stunden deutlich mehr Zeit aufwenden musste, war damit eine "überwiegende Beanspruchung" von Zeit und Arbeitskraft der Klägerin durch den Lehrgang im Vergleich mit der zumutbaren Gesamtbelastung von wöchentlich 48 Stunden (die auch auf Zeiten der Kinderbetreuung entfallen können) nicht gegeben. Im Übrigen hat die Klägerin, wie die Zwischenzeugnisse und das Abschlussdiplom zeigen, den Lehrgang nicht in der Regelstudienzeit von 15 Monaten absolviert, sondern dafür ca 20 Monate benötigt (September 1997 bis Juni 1999). Sie hat damit die von der Fernakademie gebotene Möglichkeit genutzt, die Art der Bearbeitung des Unterrichtsstoffes und die zeitliche Verteilung der Arbeit selbst zu gestalten, was weniger für eine schulmäßige Ausbildung als für eine frei gestaltete und frei wählbare Ausbildungsalternative spricht.
Im Hinblick darauf, dass der Vorbereitungslehrgang der Klägerin nicht von einem mündlichen Unterricht begleitet war und dass der objektiv erforderliche Zeitaufwand für die Arbeit im Lehrgang mit durchschnittlich 10 Wochenstunden anzusetzen ist, kann vorliegend nicht von einer Schul- oder Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 SGB VI ausgegangen werden.
Auf die Berufung der Beklagten war demnach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen die streitbefangenen Bescheide abzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision leigen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG.
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