L 19 RJ 44/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 568/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 44/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.12.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein Anspruch auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht.

Der am 1961 geborene Kläger hat eine 1976 begonnene Lehre als Elektroinstallateur nicht abgeschlossen. Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit war er vom 01.07.1978 bis 26.06.1981 mit zunächst kleineren, in den beiden letzten Jahren länger dauernden Unterbrechungen in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen überwiegend als Hilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Im Oktober 1980 leistete er Wehr- bzw Zivildienst und wurde von der weiteren Dienstleistung aus gesundheitlichen Gründen freigestellt. Danach war er nur noch vom 06.04. bis 26.06.1981 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 03.05.1982 war er bis heute - unterbrochen von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - durchgehend arbeitslos gemeldet. Auf Kosten der Bundesanstalt für Arbeit nahm er vom 02.11.1994 bis 08.04.1995 an einer beruflichen Ausbildung zum Möbeltischler teil, die nach seinen uneinheitlichen Angaben nach 6 Monaten aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen wurde bzw 20 Monate angedauert haben und mit einer Prüfung vor der Handwerkskammer Bayreuth abgeschlossen worden sein soll.

Am 04.09.1998 beantragte der Kläger Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) und legte zur Begründung eine ärztliche Bescheinigung des praktischen Arztes S. vom 08.10.1998 vor, in der die Diagnosen "Zustand nach rezidivierender Pankreatitis mit massiven Pankreasverkalkungen, Diabetes mellitus" aufgeführt sind. Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Unterlagen bei, ua einen Arztbrief (Entlassungsbericht) des Kreiskrankenhauses Naila über die stationäre Behandlung vom 07. bis 13.03.1995 und ein MDK-Gutachten des Chirurgen Dr.A. vom 10.07.1998, der darin in Auswertung ihm vorliegender Fremdbefunde die Auffassung vertrat, der Kläger sei trotz der bekannten Pankreatitis ab 18.07.1998 wieder arbeitsfähig.

Die Beklagte ließ den Kläger sozialmedizinisch von Medizinaldirektorin Dr.G. untersuchen, die im Gutachten vom 09.10.1998 folgende Gesundheitsstörungen feststellte: Chronische Pankreatitis alimentärer Genese, Leberparenchymschaden, Nikotinmissbrauch, diätpflichtiger Diabetes mellitus. Leichte Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen könne der Kläger noch ganztags und regelmäßig verrichten. Dieser Leistungsbeurteilung schloss sich die Beklagte an und lehnte die Bewilligung von Rentenleistungen durch Bescheid vom 22.10.1998 mit der Begründung ab, dass weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege.

Im Widerspruchsverfahren ließ die Beklagte nach Beiziehung weiterer Behandlungs- und Befundunterlagen (ua der Krankenhausberichte des Klinikums Hof vom 12.01. und 23.02.1999 und des Kreiskrankenhauses Münchberg vom 04.02.1999) den Kläger auf mehreren Fachgebieten untersuchen. Im Teilgutachten vom 20.04.1999, das sich nur auf klinische, nicht aber röntgenologische Befunde stützen konnte, weil der Kläger eine radiologische Untersuchung ablehnte, stellte der Chirurg Dr.R. folgende Diagnosen: Allenfalls geringgradige Funktionseinschränkung im BWS-LWS-Bereich ohne eindeutige Nervenwurzelreizung zum Untersuchungszeitpunkt; Druck- und Bewegungsschmerz am inneren Kniegelenksspalt links ohne eindeutigen Nachweis eines Meniskusschadens; unklare Missempfindungen an der Vorderseite beider Oberschenkel. Aus der Sicht seines Fachgebietes sei der Kläger durchaus noch in der Lage, leichte (und gelegentlich mittelschwere) Tätigkeiten im Wechselrhythmus vollschichtig zu verrichten; dabei sollten Heben und Tragen von Gewichten über 15 - 20 kg vermieden werden. Die Ärztin für Psychiatrie Dr.F. diagnostizierte im Gutachten vom 20.04.1999 einen "chronischen Alkoholmissbrauch, gebessert". Von psychiatrischer Seite bestehe kein Anhalt für eine depressive Verstimmung von Krankheitswert, abnorme Ängste oder Zwänge sowie für Konzentrations- oder Merkfähigkeitsstörungen im Rahmen eines allgemeinen Hirnabbaus. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung seien dem Kläger - bei Vermeidung von Arbeiten unter Zeitdruck, im Schichtbetrieb oder unter Absturzgefahr - noch vollschichtig zumutbar. Der Internist Dr.H. stellte im Gutachten vom 22.04.1999 die Diagnosen "wiederkehrende chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit weitgehendem Funktionsausfall sowie Zystenbildung; Blutzuckerkrankheit auf dem Boden der chronischen Pankreatitis mit intensivierter Insulinbehandlung; Einengung der kleinen Atemwege" und vertrat unter Einbeziehung der auf chirurgischem und psychiatrischem Fachgebiet erhobenen Befunde den Standpunkt, dass der Kläger auch weiterhin in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der bereits genannten qualitativen Einsatzbeschränkungen vollschichtig zu verrichten. Darüber hinaus seien Tätigkeiten in alkoholexponierten Berufen zu vermeiden. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 24.06.1999).

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat Befundberichte der praktischen Ärztin Dr.S. , des Allgemeinarztes Dr.S. und des Internisten Dr.R. eingeholt. Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Internist Prof. Dr.K. bestätigte im Gutachten vom 15.12.1999 im Wesentlichen die bereits bekannten Gesundheitsstörungen. Körperlich leichte Arbeiten (zB auch Schreinerarbeiten in einem Betrieb für die Herstellung von Spielwaren) könne der Kläger im Gehen, Stehen und Sitzen, vorwiegend in geschlossenen Räumen noch vollschichtig leisten. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Treppensteigen, Arbeiten an Maschinen oder auf Leitern und Gerüsten.

Mit Urteil vom 15.12.1999 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen: Aufgrund seines zwar eingeschränkten, von den gerichtsärztlichen Sachverständigen aber iS vollschichtiger Einsetzbarkeit überzeugend festgestellten Leistungsvermögens sei der uneingeschränkt auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbare Kläger weder erwerbs- noch berufsunfähig, zumal wesentliche qualitative Einsatzbeschränkungen nicht vorlägen.

Seine hiergegen eingelegte Berufung begründet der Kläger ua damit, das Gutachten Dr.K. sei wegen Voreingenommenheit des Sachverständigen abzulehnen. Ein Diabetiker-Tagebuch habe er zur Untersuchung mangels vorheriger Aufforderung nicht vorlegen können; die HbA 1-Werte seien durchaus nicht leidlich eingestellt; nicht nachvollziehbar sei für ihn die Verknüpfung seiner Dauerarbeitslosigkeit mit dem medizinischen Sachverhalt. Außerdem legt der Kläger ein ärztliches Attest der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Medizinerin H. vom 11.02.2000 und des Urologen Dr.H. vom selben Tage vor.

Der Senat hat zunächst die Leistungsakte einschießlich der ärztlichen Unterlagen des Arbeitsamtes Hof und Befundberichte des Urologen Dr.H. , der Gemeinschaftspraxis Dr.A. und A. S. sowie der Nervenärztin H. eingeholt. Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat Prof. Dr.A. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 02.06.2000 stellte er folgende Gesundheitsstörungen fest: Chronisch kalzifierende Pankreatitis mit exokriner und endokriner Insuffizienz; sekundärer Diabetes mellitus mit intensivierter Insulin-Therapie; chronische Bronchitis bei Nikotinabusus; Fettleber; Cholezystolithiasis, LWS-Syndrom, erektile Dysfunktion. Allein aufgrund der chronischen Pankreatitis, aber auch im Hinblick auf den insulinpflichtigen Diabetes sei der Kläger nur noch für leichte Tätigkeiten geeignet. Diese könne er regelmäßig und vollschichtig ausüben, wenn folgende Arbeitsplatzbedingungen eingehalten würden: Die Tätigkeiten sollten im Wechselrhythmus durchgeführt werden; zu vermeiden seien Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten mit Eigen- und Fremdgefährdung; auch Tätigkeiten in Wechsel- bzw in Nachtschicht sowie Arbeiten unter Zeitdruck kämen nicht mehr in Frage. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich, Anmarschwege bis 1,5 km zumutbar. Die "zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Tischler" könne nicht mehr verrichtet werden; dagegen sei der Kläger beispielsweise als Pförtner, Lagerarbeiter oder Arbeiter in einer Spielwarenfabrik einsetzbar.

Zum Gutachten Prof. Dr.A. äußerte sich der Kläger dahingehend, dass sich sein Gesundheitszustand bzw die Beinschwäche beidseits verschlimmert habe. Der Senat zog daraufhin Befundberichte des Nervenarztes Dr.F. und des Neurologen und Psychiaters Dr.K. bei, die beim Kläger eine spastische Paraparese unklarer Genese mit einer muskulären Atrophie bei deutlicher Kraftminderung der unteren Extremitäten festgestellt haben.

Der Senat ernannte daraufhin den Nervenarzt Dr.B. zum gerichtlichen Sachverständigen. Gestützt auf eine ausführliche klinisch-neurologische und hirnelektrische Untersuchung gelangte dieser in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 23.07.2001 zu der Feststellung, dass der Kläger seit September 1998 unter einer Myelopathie (Erkrankung des Rückenmarks) leide, deren Ursache noch nicht geklärt sei. Die Erkrankung führe zu einer Gangstörung (spastisch-ataktisches Gangbild) und zu einer leichten muskulären Schwäche der hüftnahen Beinmuskulatur; des Weiteren sei die Zielgenauigkeit der Handbewegungen leicht reduziert. Als Ursache der auf das Rückenmark zu beziehenden Schädigungen kämen differentialdiagnostisch der frühere Alkoholmissbrauch des Klägers, aber auch ein Vitamin-B-12-Mangel und darüber hinaus entzündliche Erkrankungen in Frage. Im Interesse des Klägers sei die stationäre Abklärung mittels Kernspintomographie des Rückenmarks einschließlich Untersuchung des Liquors dringend geboten, was vom Kläger aber auf keinen Fall gewünscht werde. Durch die geschilderten Symptome sei der Kläger im täglichen Leben nicht eingeschränkt; auch berufliche Tätigkeiten leichter Art seien ihm mit Sicherheit vollschichtig zuzumuten, wobei Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit überwiegend stehender und gehender Tätigkeit ausscheiden müssten. Dies gelte auch für besondere Anforderungen an zielgerichtete Handbewegungen. Aus neurologischer Sicht sollten ferner Umwelteinflüsse iS der Einwirkung von Reizstoffen vermieden werden, die prinzipiell zu Nervenschäden führen könnten. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel oder eines privaten PKW sowie das Zurücklegen von Fußwegen mit täglichen Gehstrecken von mindestens 4 x 500 Metern sei - auch für den Zeitraum von 1998 bis 2000 - zumutbar.

Der Kläger, für den in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Bayreuth vom 15.12.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22.10.1998 idG des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1999 zu verurteilen, ihm ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die beigezogenen Unterlagen der Beklagten und des Arbeitsamtes Hof sowie die Streitakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes = SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel des Klägers ist sachlich nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vielmehr zu Recht festgestellt, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Denn der Kläger ist weder berufs- noch erwerbsunfähig iS des Gesetzes (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -).

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält der Versicherte, der die Wartezeit und die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat und berufs- oder erwerbsunfähig ist. Nach dem aktenkundigen Versicherungsverlauf und den Feststellungen der Beklagten sind zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dieser Rentenarten erfüllt, beim Kläger liegt aber EU nach der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung des § 44 Abs 2 SGB VI nicht vor. Danach sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben. Der in erster Linie geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen EU steht dem Kläger nach dem Ergebnis der im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren durchgeführten medizinischen Sachaufklärung nicht zu, da der Kläger, der den vor mehreren Jahren eingestellten Alkoholkonsum in der Zwischenzeit - wenn auch in deutlich geringerem Umfang - wieder aufgenommen hat, trotz der bei ihm festgestellten Gesundheitsstörungen und der damit verbundenen Leistungseinbuße nach wie vor zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig und regelmäßig verrichten kann, ohne dass wegen einer "gravierenden Einzelbehinderung" oder im Hinblick auf das Vorliegen einer außergewöhnlichen "Summierung krankheitsbedingter Leistungseinschränkungen" von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen wäre.

Auf internistischem Fachgebiet steht im Vordergrund der Erkrankungen mit deutlichen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers die chronisch-kalzifizierende Pankreatitis mit exokriner (dh durch die Ernährung beeinflusster) und endokriner Insuffizienz der Bauchspeicheldrüse. Wie Prof. Dr.A. in Auswertung aller aktenkundigen Vorbefunde überzeugend ausgeführt hat, ist das Krankheitsbild beim Kläger seit mindestens 7 Jahren bekannt und zeigte auch nach Einstellung des früher erheblichen Alkoholkonsums durch den Kläger bis heute unverändert einen schubförmigen Verlauf. Nach den Angaben des Klägers zur aktuellen Anamnese treten die mit der chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse verbundenen Bauchschmerzen etwa in Abständen von 3 Monaten auf, wobei die Schübe ca 14 Tage anhalten. Während der Entzündungsphasen ist die Einnahme von Schmerzmitteln alle 4 bis 8 Stunden notwendig. Die Schmerzentwicklung wird dadurch in einem erträglichen Rahmen gehalten und ist begleitend auch neben der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit möglich, was nicht ausschließt, dass immer wieder an einzelnen oder mehreren zusammenhängenden Tagen Arbeitsunfähigkeit bestehen kann. Sowohl in den von ihm veranlassten Laboruntersuchungen als auch aus den Sonograhie-Befunden ergibt sich nach den Ausführungen Prof. Dr.A. derzeit kein Anhalt für einen akuten entzündlichen Schub. Auch die deutliche Gewichtszunahme des Klägers, insbesondere im Verlaufe des Jahres 1999, spricht für einen stabilen Krankheitsverlauf. Gleichwohl bedarf der Kläger aufgrund des vorliegenden Schweregrades der Pankreatitis insoweit der körperlichen Schonung im Zusammenhang mit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, dass ihm nur noch leichte Arbeiten, diese aber vollschichtig und regelmäßig zumutbar sind.

Die durch den Ausfall der Stoffwechsel- und Verdauungsfunktion der Bauchspeicheldrüse als Sekundärfolge hervorgerufene Zuckererkrankung schränkt das Leistungsvermögen des Klägers in quantitativer Hinsicht nicht stärker ein, sondern hat lediglich in qualitativer Hinsicht weitere Einsatzbeschränkungen zur Folge, die sich insbesondere darauf beziehen, dass der Kläger keinen Einsatzbedingungen ausgesetzt werden darf, die mit einer Selbstgefährdung durch Absturz (zB beim Auftreten von Unterzucker) verbunden sind. Auch Nacht- und Wechselschicht sowie körperliche Schwerarbeit oder dauernd mittelschwere Arbeiten sind wegen der damit verbundenen Gefährdung einer gleichmäßigen und zuverlässigen Insulintherapie für den Kläger nicht geeignet. Im Übrigen lässt sich die notwendige Insulinversorgung verbunden mit den dazu erforderlichen Blutzuckermessungen in den Ablauf einer in Tagschicht oder Normalarbeitszeit ablaufenden Beschäftigung unter Berücksichtigung der tarifüblichen Pausen ohne Weiteres einbeziehen, so dass in Übereinstimmung mit Prof. A. betriebsunübliche Pausen nicht erforderlich werden.

Weitere Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus sind bisher beim Kläger nicht aufgetreten, insbesondere haben sich bei der letzten augenärztlichen Untersuchung im Oktober 1999 keine Netzhautveränderungen iS einer diabetischen Retinopathie ergeben. Auch objektive Zeichen einer diabetischen Polyneuropathie konnten beim Kläger nicht nachgewiesen werden. Die - entgegen dringender ärztlicher Empfehlung - durch einen exzessiven Nikotinkonsum aufrecht erhaltene Belastung der Atemwege und der Lunge hat bisher noch nicht zu einer relevanten Funktionseinschränkung geführt, was aber für die Zukunft bei Fortsetzung der Rauchgewohnheiten nicht auszuschließen ist. Die sonstigen von Dr.A. genannten Gesundheitsstörungen (Fettleber, Gallensteine, LWS-Syndrom und erektile Dysfunktion) sind für das Leistungsvermögen rentenrechtlich ohne wesentliche Bedeutung.

Durch das von Dr.B. erstattete neurologisch-psychiatrische Fachgutachten ist beim Kläger eine Rückenmarksschädigung aufgedeckt worden, deren Ursache nicht eindeutig abgeklärt werden konnte. Dazu bedarf es einer eingehenden Diagnostik, die im Rahmen der Rentenbegutachtung durch den Senat aber nicht erfolgen musste. Denn für die Leistungsbeurteilung kommt es entscheidend auf die in funktioneller Hinsicht bestehende Beeinträchtigung an, die sich im Falle des Klägers in einem eindeutig spastisch-ataktischen Gangbild manifestiert. Wie Dr.B. überzeugend ausgeführt hat, ist damit aber noch keine Gangstörung verbunden, die den Kläger daran hindern würde, die im Arbeitsleben üblichen Fußwege zwischen Wohnung und Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel bzw zwischen diesen Haltestellen und dem Arbeitsplatz zurückzulegen. Auch eine zeitliche Einschränkung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich etwa 8 Stunden ist mit diesem Krankheitsbefund nicht verbunden, so dass die Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen EU nicht gegeben sind.

Für den streitigen Rentenanspruch ist schließlich auch der Umstand unbeachtlich, dass der Kläger keinen seinem Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatz inne hat. Der Senat verkennt nicht, dass es für den Kläger im Hinblick auf seine Arbeitsentwöhnung schwierig sein wird, einen zustandsangemessenen Arbeitsplatz in abhängiger Beschäftigung zu finden. Dieses Risiko hat jedoch nicht der hier beklagte Rentenversicherungsträger, sondern die Arbeitslosenversicherung zu tragen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Rente wegen BU. Er genießt keinen Berufsschutz. Die Lehre als Elektroinstallateur hat der Kläger nicht abgeschlossen und sich unabhängig davon durch seine späteren Tätigkeiten von diesem Beruf gelöst. Auch ein Berufsschutz als Möbeltischler kommt für den Kläger nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass er einen erfolgreichen Abschluss nicht nachweisen kann, ist nach den aktenkundigen Unterlagen davon auszugehen, dass die Ausbildung von vorneherein nur auf 6 Monate angelegt war; ungeachtet dessen, hat der Kläger nach Abschluss der Ausbildung zum Möbeltischler in diesem Beruf niemals versicherungspflichtig gearbeitet. Ein Berufsschutz kann aber nicht durch die bloße Ausbildung für einen Beruf erworben werden. Vielmehr ist erforderlich, dass der Beruf - wenn auch uU bis zum Eintritt des Leistungsfalls nur kurze Zeit - im Rahmen einer kontinuierlichen beruflichen Entwicklung ausgeübt wurde. Auch diese Voraussetzung ist im Falle des Klägers nicht gegeben.

Obwohl die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Rentenantragsstellung am 04.09.1998 erfüllt waren (in dem der Antragsstellung vorausgehenden 5-Jahreszeitraum sind für den Kläger mehr als 36 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten nachgewiesen), besteht daher für den Kläger kein Anspruch auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Berufung des Klägers musste daher zurückgewiesen werden.

Aufgrund seines vollschichtigen Einsatzvermögens erfüllt der Kläger auch nicht die Voraussetzungen des durch Art 1 Nr 19 des Rentenreformgesetzes 1999 neu gefassten und durch Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - Bundesgesetzblatt I 1827 - geänderten, am 01.01.2001 in Kraft getretenen § 43 SGB VI. Nach dessen Abs 1 hat bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wer (neben weiteren Leistungsvoraussetzungen) wegen Krankheit oder Behinderung außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden erwerbstätig zu sein. Eine quantitative Einschränkung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich ca 8 Stunden liegt jedoch - wie bereits ausgeführt wurde - beim Kläger nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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