L 19 RJ 473/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 90/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 473/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1938 geborene Kläger ist portugiesischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seiner Heimat. In Deutschland hat er vom 25.09.1963 bis 02.11.1979 versicherungspflichtig gearbeitet. Nach eigenen Angaben war er anschließend in seiner Heimat als Händler und Inhaber eines Cafés mit Diskothekbetrieb berufstätig; er habe die Tätigkeit etwa zwei Jahre vor seinem in Portugal gestellten Rentenantrag (am 18.09.1996) aufgegeben. Seit 18.09.1996 bezieht er Invalidenrente vom portugiesischen Rentenversicherungsträger, zu dem er im März 1988 den letzten Beitrag entrichtet hat.

Der portugiesische Rentenantrag ist der Beklagten als Antrag auf Leistungen aus der deutschen Versicherung zugeleitet worden. Der Kläger sei zu Beginn des Jahres 1980 in seine Heimat zurückgekehrt, weil er nervenkrank gewesen sei; außerdem habe er Beschwerden in der Wirbelsäule gehabt, unter einer ulcerösen Colitis gelitten und Probleme mit der Lunge gehabt, alles Folge seiner Arbeit in Deutschland. Bezüglich der fehlenden Beiträge zur deutschen Rentenversicherung verwies er auf die Vorschriften der EG, nach denen seine Aufenthaltszeiten in Portugal den Versicherungszeiten in Deutschland gleichgestellt seien. Hinsichtlich des medizinischen Sachverhalts bezog sich der Kläger auf ein Gutachten des portugiesischen Sozialversicherungsträgers vom 14.10.1996.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 18.08.1997 und Widerspruchsbescheid vom 06.07.1998 ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. In den maßgeblichen letzten fünf Jahren vor Rentenantragstellung habe der Kläger nicht mindestens drei Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt; im Zeitraum vom 18.09.1991 bis 17.09.1996 seien keine entsprechenden Beiträge vorhanden.

Gegen den ihm am 03.12.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 04.02.1999 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Dieses hat die Klage mit Urteil vom 18.04.2000 abgewiesen. Es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Leistungsfall der Erwerbs(EU)- bzw Berufsunfähigkeit (BU) bereits im Jahre 1990 oder früher eingetreten sei. Dagegen spräche die eigene Einlassung des Klägers. Dieser habe erst im September 1996 Rentenantrag gestellt. In dem portugiesischen Rentengutachten vom 14.10.1996 sei vermerkt, der Kläger arbeite nicht mehr seit etwa zwei Jahren. Ebenso enthielten die vorgelegten ärztlichen Unterlagen keine ausreichenden Hinweise für eine bereits weit zurückliegende erhebliche Leistungsminderung. Da der Kläger selbst angegeben habe, im eigenen Geschäft bzw dem der Ehefrau bis 1994 mitgearbeitet zu haben, sei ein weiter zurückliegender Leistungsfall (der BU/EU) nicht glaubhaft zu machen. Sei ein Leistungsfall aber nicht im Jahre 1990 oder früher eingetreten, sei die erforderliche Beitragsdichte nicht mehr gegeben. Im maßgeblichen Zeitraum seien keine sog. Schubzeiten enthalten; auch die Voraussetzungen der Sondervorschrift des § 241 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien nicht erfüllt.

Gegen das ihm am 03.05.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.08.2000 Berufung eingelegt. Unter Vorlage verschiedener medizinischer Unterlagen hat er seine Krankengeschichte geschildert. Er habe im Mai 1980 bei der LVA in Düsseldorf vorgesprochen, die ihm aber keine korrekten Auskünfte über seine Rentenrechte gegeben habe. Nachdem er nach Portugal zurückgekehrt sei, hätte die Beklagte die Pflicht gehabt, ihn dort anzuschreiben und über die gesetzlichen Vorschriften zu informieren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Würzburg vom 18.04.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.1998 zu verurteilen, Rente wegen EU, hilfweise wegen BU aufgrund des Antrags vom 18.09.1996 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist sie auf die erstinstanzielle Urteilsbegründung und auf ihre angefochtenen Entscheidungen.

Der Senat hat Auskünfte der AOK Rheinland (der Kläger war Mitglied vom 22.04.1968 bis 22.11.1979), des den Kläger zuletzt in Deutschland behandelnden Arztes Dr.H. , Neuß, und des Evang. Krankenhauses Düsseldorf eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die beigezogenen Unterlagen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und die Streitakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgercht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG). Der Kläger hat zwar die an sich gegebene Berufungsfrist von drei Monaten nicht eingehalten. Für ihn galt aber die Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG, da die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG Würzburg insofern unrichtig war, als sie nicht auf die dreimonatige Berufungsfrist, die bei Zustellungen von Urteilen im Ausland gilt (vgl Meyer-Ladewig SGG 6. Auflage § 151 RdNr 6), hingewiesen hat. Der Kläger durfte daher auf Grund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil innerhalb eines Jahres seit Zustellung Berufung einlegen.

Das Rechtsmittel erweist sich in der Sache als unbegründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 18.04.2000 zu Recht entschieden, dass der Kläger mangels Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält der Versicherte, der die Wartezeit und die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne des Gesetzes ist. Nach dem aktenkundigen Versicherungsverlauf und den Feststellungen der Beklagten ist die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren des § 50 Abs 1 Nr 2 SGB VI erfüllt, nicht jedoch die erforderliche Beitragsleistung vor Eintritt des Leistungsfalles. Auch im Berufungsverfahren konnte nicht festgestellt werden, dass der Leistungsfall der BU bzw EU bereits zu einem so frühen Zeitpunkt eingetreten ist, als die erforderliche Beitragsleistung noch gegeben war. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt, dass der Kläger den letzten Beitrag zur portugiesischen Versicherung im März 1988 entrichtet hat und der Versicherungsfall der BU bzw EU nicht vor dem Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe in Portugal (1994) eingetreten ist. Insoweit wird gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, da der Senat die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist. Die vom Senat eingeholten Auskünfte der AOK Rheinland und des Dr.H. haben keine verwertbaren Hinweise dafür ergeben, dass beim Kläger eine bedeutsame berufliche Leistungsminderung bereits im Jahre 1990 oder früher bestanden hat. Der Kläger kann einen Rentenanspruch auch nicht aus einem sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Selbst wenn der Kläger, wie vorgebracht, im Jahr 1980 bei der LVA in Düsseldorf sich wegen Wahrnehmung seiner Rechte informiert hat, liegt es auf der Hand, dass der Versicherungsträger über die im Jahre 1984 in Kraft getretene Verschärfung der Zugangsvorausetzungen für Versichertenrenten (Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983) noch keine Auskunft erteilen konnte. Im Übrigen waren und sind die Versicherungsträger nicht verpflichtet, von sich aus alle Versicherten (gleichgültig ob in Deutschland oder im Ausland lebend) über Gesetzesänderungen persönlich und individuell zu informieren.

Mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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