L 5 RJ 498/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 Ar 5171/90.Ju
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 498/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 31. Januar 1991 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der am 1937 geborene Kläger arbeitete von 1969 bis zu einem Unfall 1976 in Deutschland zuletzt als Betonfacharbeiter.

Vom 14.02.1978 bis 31.10.1978 bezog er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit. Die Weitergewährung scheiterte (zuletzt Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 15.12.1981). Ein weiterer Rentenantrag vom 09.01.1984 blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid vom 18.04.1985, Urteile des Sozialgerichts Landshut (SG), und des Bayer. Landessozialgericht vom 11.06.1987).

Den Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.09.1989/Widerspruchsbescheid vom 18.01.1990 ab. Zwar werde die Erwerbsfähigkeit durch einen Herzklappenfehler (Aortenstenose), Wirbelsäulenbeschwerden bei Abnützungserscheinungen und eine depressive Neurose beeinträchtigt. Der Kläger könne aber noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne Schicht- bzw. Nachtdienst verrichtet. Dies ergebe sich - trotz einer stationären Behandlung in Tuzla wegen des Herzfehlers vom 01.12. bis 15.12.1983 - aus den Gutachten der Invalidenkommission in Bosnien vom 27.10.1988 und der Gutachtensstelle der Beklagte in Regensburg vom 25.08. bzw. 14.09.1989 (Dres. R. und L.).

Mit vom Kläger am 19.02.1990 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobener Klage hat er seinen schlechten Gesundheitszustand angeführt. Erstmals hat die Beklagte auf das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hingewiesen.

Durch Urteil vom 31.01.1991 hat das SG die Klage abgewiesen, da eine versicherungsfallnahe Belegungsdichte (§§ 1246 Abs.2 a, 1247 Abs.2 a RVO) nicht vorliege.

Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung ist wegen der Kriegswirren in seiner Heimat Bosnien Herzegowina ausgesetzt und erst am 12.10.1999 wieder aufgenommen worden. Mit Schreiben vom 12.07.2000 hat die Beklagte bekundet, dass der Kläger noch berechtigt sei, freiwillige Beiträge zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft ab 01.01.1984 nachzuentrichten (§ 1420 Abs.2 RVO bzw. 198 SGB VI).

Der Senat hat daraufhin am 09.07.2001 bei dem Facharzt für Chirurgie Dr.L. und am 03.07.2001 bei dem Neurologen und Psychiater Dr.K. Gutachten eingeholt. Diese haben folgende Diagnosen gestellt: 1. depressive Neurose 2. chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne Zeichen peripherneurogener Defekte. 3. Gonalgien bei Senk-Spreizfüßen ohne gravierende Geh- und Stehminderung. 4. Vena saphena parva-Varikosis im Entfall eines Ulkusleidens der Haut. 5. Kleiner Narbenbruch bei Zustand nach Weichteilverletzung rechter Oberschenkel. Damit könne der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit regelmäßig noch acht Stunden arbeitstäglich Leistungen erbringen. Entfallen sollte lediglich das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie häufiges Bücken. Die Hauptdiagnose bestehe in einer depressiven Neurose ohne Anhaltspunkte für eine schwerwiegende psychiatrische Grunderkrankung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der Beklagten Bezug genommen. Der Kläger stellt den Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialge- richts Landshut vom 31.01.1991 sowie des Bescheides vom 25.09.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.1990 zu verurteilen, ihm ab 01.09.1988 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 31.01.1991 zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht binnen drei Monaten (vgl. § 153 Abs.1 i.V.m.; § 87 Abs.1 Satz 2 SGG, BSG SozR § 151 SGG Nr.11; BSG SozR 1500 § 151 SGG Nr.4) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG in der Fassung, des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 01.03.1993).

In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.

Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass dem Kläger weder ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) noch wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) zusteht.

Nach §§ 1246, 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO), welche wegen des vor dem 01.01.1992 gestellten Antrags (vgl. § 300 Abs.1 und 2 SGB VI) Anwendung finden, sind trotz vor 01.01.1984 erfüllter Wartezeit und möglichem Besitzschutz gem. Art.II § 6 Abs.2 ArNVG Ansprüche nur gegeben, wenn Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit besteht.

Berufsunfähigkeit ist ein Versicherter nach § 1246 Abs.2 RVO, wenn seine Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten hierbei zu beurteilen ist, all jene Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und die ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines Berufes und der besonderen Anforderung an seine Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Nach § 1247 Abs.2 RVO liegt Erwerbsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähigkeit liegt weiter vor, wenn dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12.1996, BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr.13; beibehalten im Reformgesetz der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. 1827 nach § 43 Abs.3, 2.Halbsatz n.F.). Bei dieser sogenannten Arbeitsmarktrente beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht nur nach der im Gesetz allein genannten - gesundheitlichen - Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten, sondern auch danach, durch Arbeit Erwerb zu erzielen, was bei einem lediglich zur Teilzeitarbeit fähigen Versicherten - zur Zeit - nicht der Fall ist.

Nach der Überzeugung des Senats besitzt der Kläger ein vollschichtiges Erwerbsvermögen. Damit ist er weder im Sinne des Gesetzeswortlauts noch der sog. Arbeitsmarktrente erwerbsunfähig. Diese Erkenntnis beruht auf den schlüssigen Gutachten des Dr.L. und Dr.K ... Danach kann der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit regelmäßig noch acht Stunden arbeitstäglich Leistungen erbringen. Die Hauptdiagnose besteht in einer depressiven Neurose ohne Anhaltspunkte für eine schwerwiegende psychiatrische Grunderkrankung und ohne Auswirkungen auf die zeitliche Einsatzfähigkeit. Zeichen einer eingeschränkten Herzleistungsbreite zeigten sich nicht. Insgesamt ist nach den zutreffenden Ausführungen der Sachverständigen im Laufe des Verfahren keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustands eingetreten. Die Befunde decken sich damit weitgehend mit denjenigen im Gutachten vom 17.02.1987 des Internisten und Neurologen Dr.K. sowie der Dres.R. und L. in Regensburg während der Begutachtung vom 17.07. bis 19.07.1989 und der Echokardiographie von Dr.W. am 20.07.1989.

Ob der Kläger tatsächlich in einen zumutbaren Arbeitsplatz vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen und das Risiko der Vermittlung nicht von der gesetzlichen Renten-, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr.19).

Bei dem vorhandenen negativen Leistungsbild - entfallen sollten das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie häufiges Bücken, ein gelegentlicher Wechsel der Arbeitsposition ist erforderlich - liegt kein sog. Katalogfall vor (vgl. SozR 2200 § 1246 Nrn.30, 75, 81, 90, 104, 109, 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr.8, § 1246 Nr.41) vor. Denn weder hat der Kläger besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.104, 117), noch weist er Leistungseinschränkungen auf, die sich in Verbindung mit anderen Einschränkungen besonders erschwerend bei einer Arbeitsplatzsuche auswirkten, wie z.B. die von der Rspr. erwähnten Fälle der Erforderlichkeit zusätzlicher Arbeitspausen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.136), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, jederzeit selbstbestimmtem Wechsel vom Sitzen zum Gehen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr.8), Einarmigkeit und Einäugigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.30).

Ein Berufsschutz, wonach es beim Kläger darauf ankäme, ob seine Erwerbsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist, besteht nicht. Der Kläger hat in Deutschland als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Beschäftigung als Betonfacharbeiter in Tarifgruppe IV 4 für das Baugewerbe in Hessen erfüllt nicht die qualitativen Anforderungen einer Tätigkeit als Facharbeiter. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Bay. LSG im Urteil vom 11.06.1987 (S.7) voll Bezug genommen.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch ab 1992 zu. Gem. § 44 Abs.2 SGB VI RRG 92 (in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung) sind Versicherte erwerbsunfähig, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. ab 01.04.1999 einen Betrag von 630.- DM monatlich) übersteigt. Eine inhaltliche Änderung gegenüber den Vorschriften der RVO ist nicht eingetreten.

Nach der ab 01.01.2001 geltenden Vorschrift des § 43 Abs.2 S.1 und 2 SGB VI (Reformgesetzes der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. 1827) ist voll erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs.1 Satz 2 n.F.), wer auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Danach besteht erst recht kein Anspruch, da die Voraussetzungen an eine volle Erwerbsunfähigkeit erheblich verschärft worden sind (mindestens unter sechs statt früher acht Stunden täglich).

Nach allem war das Rechtsmittel daher unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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