L 14 RJ 522/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 1495/97 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 522/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist unter den Beteiligten eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1946 geborene, in Kroatien lebende Klägerin hat in ihrer Heimat zwischen 1963 und 1969 sowie zwischen 1980 und 1994 offenbar als Verkäuferin 18 Jahre, 5 Monate und 4 Tage an Versicherungszeiten erworben; sie bezieht dort aus diesen Zeiten eine Invalidenrente. In der Bundesrepublik war sie zwischen 1969 und 1979 überwiegend in einer Textilfabrik ( ...pinnerei; nach Unterlagen der kroatischen Invalidenkommission Tätigkeit an der Maschine) versicherungspflichtig beschäftigt. Den ersten, 1994 gestellten Rentenantrag (darin Angaben zur schulischen Berufsausbildung: Trgovacki pomocnik, also Kaufmannsgehilfe, Abschluss 1965) hatte die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.1995 mit der Begründung abgelehnt, die Erwerbsfähigkeit werde zwar beeinträchtigt durch "depressive Verstimmungen, Beschwerden seitens der Wirbelsäule ohne neurologische Beteiligung", die Klägerin sei aber noch in der Lage, vollschichtig mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten zu verrichten und somit mindestens die Hälfte eines vergleichsweise heranzuziehenden Arbeitseinkommens einer gesunden Vergleichsperson zu erzielen. Maßgebend für diese Beurteilung war eine Untersuchung der Invalidenkommission in Zagreb am 03.11.1994, die eine Depression sowie eine Vielzahl orthopädischer Befunde erhoben hatte (Leistungsvermögen in der letzten Tätigkeit weniger als zwei Stunden, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt halb- bis unter vollschichtig - Gutachten vom 05.12.1994 -) ferner eine Begutachtung in der Ärztlichen Gutachterstelle der Beklagten in Regensburg vom 19.06. bis 21.06.1995 (Diagnosen: depressive Verstimmung; Beschwerden seitens der Wirbelsäule ohne neurologische Beteiligung). Im Gegensatz zu der Auffassung der Invalidenkommission und der Vielzahl vorhandener jugoslawischer ärztlicher Befunde war der Gutachter Dr.A ... der Ansicht, die vordergründig bestehende depressive Verstimmung sei nicht als leistungsrelevant zu betrachten und das Ausmaß der Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule noch altersentsprechend; die Versicherte sei daher in der Lage, als Verkäuferin oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, ohne Heben und Tragen von Lasten vollschichtig zu verrichten (Gutachten vom 06.07.1995).

Ihren zweiten Rentenantrag stellte die Klägerin am 23.01.1996 Fragen zu einer Berufsausbildung im Antragsformular wurden verneint. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.07.1996 erneut ab. Zwar hatte die Invalidenkommission in Zagreb aufgrund einer Untersuchung am 19.03.1996 erneut die Diagnose einer endoreaktiven depressiven Psychose neben einer Vielzahl von orthopädischen Diagnosen gestellt und war zu der Auffassung eines unter zweistündigen bzw. unter halbschichtigen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gekommen (Gutachten vom 03.05.1996); beigefügt waren eine Vielzahl von ärztlichen Befunden und Krankenhausberichten aus der Heimat der Klägerin, in denen u.a. von einer involutiven Psychose (paranoid-depressives Bild) und Arbeitsunfähigkeit ausgegangen wurde. Der Prüfarzt der Beklagten, Dr.D ..., hielt in Auswertung der Befunde jedoch weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte körperliche Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne besonderen Zeitdruck für gegeben.

Mit ihrem Widerspruch gegen die Ablehnung des Rentenantrags berief sich die Klägerin auf eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik in Zagreb in der Zeit vom 26.06. bis 01.08.1996, aus dem sie mit im Wesentlichen unverändertem psychischen Befund ("paranoide Psychose") entlassen wurde. Der Entlassungsbericht vom 01.08.1996 war nebst weiteren Befundunterlagen beigefügt.

In der Zeit vom 17. bis 19.03.1997 ließ die Beklagte die Klägerin erneut in der Gutachterstelle Regensburg untersuchen. Nach Erhebung von internistischen und radiologischen Befunden, einem allgemein-körperlichen Befund sowie einem neurologischen und einem psychologischen Befund kam der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.M ... zusammenfassend zu den Diagnosen "reaktive depressive Verstimmungszustände, wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Abnutzungserscheinungen ohne neurologische Ausfälle". Er hatte weder anamnestisch noch klinisch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer endogenen Psychose, für Abbauerscheinungen oder eine organische Wesensänderung gefunden, auch waren keine Anhaltspunkte für Denkstörungen, psychomotorische Verlangsamung oder gröbere Störungen der mnestischen Funktionen feststellbar. Dr.M ... hielt deshalb die Klägerin weiterhin als Verkäuferin oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichtere bis mittelschwere Arbeiten ohne Akkordarbeit, ohne Nachtschicht und ohne häufiges Bücken vollschichtig einsetzbar.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.1997 zurück.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht machte die Klägerin geltend, für jegliche Arbeitsverrichtung vollkommen untauglich zu sein. Sie legte in der Folgezeit eine Vielzahl neuer Unterlagen über Behandlungen und Kontrolluntersuchungen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet vor. Die Beklagte sah darin keine aussagekräftigen Funktionsbefunde auf orthopädischem Gebiet und keine psychopathologischen Befunde von quantitativer Leistungsrelevanz auf nervenärztlichem Gebiet enthalten und ging daher nach Auswertung der Unterlagen durch ihre Prüfärzte Dr.L ... (Nervenarzt, Sozialmedizin) und Dr.Li ... (Chirurg, Sozialmedizin) weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen aus.

Das SG ließ die Klägerin durch den Internisten und Sozialmediziner Dr.P ... sowie durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.R ... am 22.02.1999 untersuchen und begutachten. Dr.R ... diagnostizierte auf nervenärztlichem Gebiet ein psychovegetatives Syndrom im Rahmen einer neurotischen Entwicklung mit Psycho-Somatisierung und eine leichte Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. Er führte dazu aus, bei der Klägerin bestehe eine neurotische Entwicklung mit Überlagerung der körperlichen Symptomatik; ein Anhaltspunkt für eine eigentliche produktive Symptomatik oder eine depressive Verstimmung habe sich nicht ergeben, dagegen habe sich eine gewisse Diskrepanz zwischen der geschilderten Symptomatik und den objektivierbaren Befunden gezeigt. Trotz der vorliegenden Erkrankungen sei die Klägerin aus nervenärztlicher Sicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine vollschichtige Arbeitsleistung zu erbringen und besitze auch das hierzu nötige Anpassungs- und Umstellungsvermögen. Der psychische Zustand sei unter derzeitiger Medikation gut stabilisiert. Insgesamt hielt der Gutachter die Klägerin für in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten, ohne Nacht-, Schicht- oder Wechselschicht und nicht an gefährdenden Maschinen (wegen der Medikation) vollschichtig zu verrichten. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte ergaben sich nicht.

Der Gutachter Dr.P ... erhob bei der Klägerin eine leichte Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie eine Fettstoffwechselstörung bei Adipositas. Er hielt die Leistungsfähigkeit der Klägerin lediglich qualitativ, nicht aber quantitativ für beeinträchtigt und führte dazu aus, die Überprüfung der kardiopulmonalen Leistungsbreite mittels Ruhe- und Belastungs-EKG, Lungenfunktion, Blutgasen und Röntgen-Thorax habe keine grob pathologischen Befunde ergeben; die Belastbarkeit am Fahrradergometer sei bis 75 Watt ohne pathologischen Befund möglich gewesen, die Lungenfunktion und die Blutgase hätten keine Hinweise auf eine Lungenfunktionsbeeinträchtigung ergeben. Der Gutachter hielt zusammenfassend leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne Akkord und Schichtdienst, ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten sowie nicht an gefährdenden Maschinen vollschichtig für möglich. Eine Besserung bzw. weitere Stabilisierung des psychischen Zustandes durch konsequente nervenärztliche Weiterbehandlung hielt er für möglich.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24.02.1999, gestützt auf die Gutachten des Dr.R ... und Dr.P ..., ab. Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung sei erwiesen, dass die Klägerin trotz einiger Einschränkungen noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge, das das Vorliegen von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ausschließe. Dabei ging das SG davon aus, dass die Klägerin entsprechend ihren Angaben im Rentenantrag keinen Beruf erlernt und in Deutschland ganz offensichtlich keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt habe, so dass sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik verweisbar sei. Mangels unüblicher Leistungseinschränkungen bedürfe es keiner Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit. Auch könne die Tatsache, dass die Klägerin in ihrer Heimat als invalide anerkannt sei, für den deutschen Rentenanspruch keine Berücksichtigung finden. Dieser richte sich allein nach deutschem Recht und den inländischen sozialmedizinischen Maßstäben.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und trägt u.a. vor, ihre Gesundheitsstörungen seien nicht angemessen gewürdigt worden. Die medizinischen Unterlagen (Krankengeschichten und Kontrolluntersuchungen) des Psychiatrischen Krankenhauses in Zagreb ergäben ein anderes Bild, als dies bei der eintägigen Untersuchung durch Dr.R ... der Fall gewesen sei; ebenso bestünden rheumatologische Beschwerden und bedeutende Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet, die u.a. eine intensive Diät erforderten, welche auf lange Dauer mit einer Arbeitsaufnahme nicht zu vereinbaren seien. Die Klägerin verweist dazu auf die seit sechs Jahren bestehende Invalidisierung beim kroatischen Versicherungsträger und die seitdem bestehende Arbeitsunfähigkeit. Sie fügt als Krankengeschichte bezeichnete Unterlagen des Psychiatrischen Krankenhauses V ... aus der Zeit von März bis September 1999 sowie orthopädische Befunde der Orthopädischen Universitätsklinik in Zagreb vom 22.04., 06.05. und 19.08.1999 (darin physikalische Therapie sowie Abnehmen - "kein Brot essen, keine fette und süße Nahrung, sechs kleinere Portionen täglich" - empfohlen) bei.

In der Folgezeit reicht sie weitere Bescheinigungen über psychiatrische Kontrolluntersuchungen sowie einen Entlassungsbrief über einen stationären Aufenthalt in der Zeit vom 04.02. bis 03.03.2000 ein, ferner Unterlagen über eine orthopädische Untersuchung des Allgemeinen Krankenhauses für Physikalische Medizin vom 01.12.1999.

Die Beklagte nahm durch ihre Prüfärzte hierzu dahingehend Stellung, dass im Wesentlichen nur Diagnosen aufgeführt und medizinische Therapien aufgelistet würden, ein ausführlicher psychopathologischer Befund werde nicht mitgeteilt, die entsprechende Symptomatik sei nach wie vor unklar; im Übrigen habe Dr.R ... trotz der entsprechenden Unterlagen der behandelnden Psychiater in Jugoslawien bei der Klägerin keine paranoiden Störungen feststellen können.

Der Senat holte Unterlagen der AOK Villingen-Schwenningen über die seinerzeit gemeldeten Tätigkeiten der Klägerin ein. Danach war sie zunächst jeweils einige Monate als Metallarbeiterin und Reinigungsfrau, dann von Mai 1970 bis Juli 1978 bei der Firma J.C.W ..., D ... als Spinnereiarbeiterin und erneut dort vom 11.06.1979 bis 12.10.1979 mit dem Tätigkeitsschlüssel 331/11 gemeldet.

Der Senat beauftragte den Orthopäden Dr.La ... und den Nervenarzt Dr.K ... mit der erneuten Untersuchung und Begutachtung der Klägerin.

Bei der orthopädischen Untersuchung am 16.11.2000 klagte die Klägerin über Beschwerden beider Schultergelenke, an der Außenseite des rechten Oberarms im körpernahen Drittel, über eine rezidivierende Schwellneigung der Hände, diffuse Beschwerden der Ellenbogengelenke, Schmerzen der Hals- und Lendenwirbelsäule, des linken Kniegelenks, über eine rezidivierende Schwellneigung beider Beine und Sprunggelenke sowie über Kopfschmerzen. Der Gutachter bezeichnete das während der Untersuchung gezeigte Kraftmuster und die muskuläre Situation der Klägerin als ausgesprochen gut. Aufgrund der klinischen Untersuchungen und der Auswertung der Röntgenaufnahmen erhob er folgende Gesundheitsstörungen: 1. Periarthropathie des Schultergelenks beidseits bei freier Funktion, 2. leichtgradige Heberdenarthrose der Finger Dig 2 beidseits bei Ausübbarkeit der Grob- und Feingriffformen, 3. leicht- bis mittelgradiges Hals-, Schulter-, Arm- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebender geringgradiger Funktionseinschränkung ohne Zeichen eines peripherneurogenen Defekts, 4. beginnende Gon- und Femoropatellararthrose beidseits mit Linksbetonung, mittelgradiger Geh- und Stehminderung bei Senk-Spreizfüßen beidseits, 5. Besenreiservarizen im Entfall eines Ulkusleidens der Haut.

Im Einzelnen führte Dr.La ... dazu aus, es bestehe "die dringende Notwendigkeit der Diagnoserelativierung im Hinblick auf die Diagnosefülle der kroatischen Kollegen". Es bestehe bei der sich in altersgemäß guter körperlicher Verfassung befindenden Klägerin ein allenfalls als leicht- bis mittelgradig zu bezeichnendes Halswirbelsäulen-, Schulter-Arm- sowie Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebender geringgradiger Funktionseinschränkung ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes. Erforderlich sei insoweit der gelegentliche Wechsel der Arbeitsposition im Gehen, Stehen und Sitzen; häufigstes Bücken, ausschließliches Arbeiten an Maschinen und am Fließband seien aufgrund der damit verbundenen Zwangshaltung des Achsenorgans nicht mehr zumutbar. Diese Einschränkung entspreche auch der als Periarthropathie zu bezeichnenden Gesundheitsstörung der Schultern. An Kraft und Fingergeschicklichkeit beider Hände dürften bei beginnender Heberdenarthrose Dig 2 beidseits normale Ansprüche gestellt werden; klinikrelevante Zeichen einer Arthrose und einer Kontraktur des rechten Handgelenkes, gravierende arthrosetypische Veränderungen der Fingergelenke und eine Entzündung der Plantarfaszie hätten entgegen vorhandener jugoslawischer Befunde vom 23.10. und 24.04.1997 auch nur ansatzweise nicht vorgelegen. Wegen der beginnenden Gon- und Femoropatellararthrose verbiete sich häufigstes Treppensteigen sowie häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten und eine ausschließlich stehende oder gehende Tätigkeit; eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung der Wegefähigkeit liege aber nicht vor, die Klägerin könne arbeitstäglich eine Wegstrecke von deutlich mehr als viermal 500 m zum Arbeitsplatz in angemessener Zeit zurücklegen.

Insgesamt kann die Klägerin nach dem Gutachten des Dr.La ... vom 16.11.2000 noch leichte, kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Arbeitsposition ohne häufiges Treppensteigen, ohne ausschließlich gehende und stehende Tätigkeiten, ohne häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne Kälte-, Nässe- und Reizstoffdispostion noch vollschichtig verrichten, lediglich im Beruf der Verkäuferin sei wegen des damit verbundenen Gehens und Stehens von einem nur halb- bis unter vollschichtigem Leistungsvermögen auszugehen.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K ... kam in seinem Gutachten vom 17.11.2000 nach umfangreicher Anamnese und Be- psychiatrischer Befunderhebung und ausführlicher Darlegung der Krankheitsvorgeschichte zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin neben einem chronisch-rezidivierenden Cervikal- und Lumbalsyndrom ohne derzeitige aktuelle neurologische Ausfälle reaktiv bedingte depressive Verstimmungszustände bei einer primär sensitiv-psychasthenischen Persönlichkeitsstruktur vorlägen. Nach seinen Ausführungen hierzu bestand bei der Klägerin ein normaler körperlicher Untersuchungsbefund, bezüglich des in jugoslawischen Unterlagen bescheinigten Wirbelsäulensyndroms bzw. Lumbal- und Cervikalsyndroms ergaben sich keine damit korrespondierenden radikulären Reiz- oder Ausfallerscheinungen. Auf psychiatrischem Gebiet ließen sich die im Heimatland der Klägerin in den letzten Jahren gestellten Diagnosen nicht bestätigen, weder im Hinblick auf die hirnorganisch bedingten Störungen noch im Hinblick auf die diagnostische Zuordnung hinsichtlich einer endogenen Depression bzw. im Hinblick auf eine paranoide Psychose. Die Möglichkeit, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Persönlichkeitsstruktur zu einer vermehrten Kränkbarkeit tendiere und durch bestimmte, von ihr im Einzelnen dargelegte Erlebnisse in ihrem Selbstverständnis nachhaltig beeinträchtigt sei, habe mit einer Psychose von Prozesscharakter nichts zu tun; im Übrigen spreche auch der Verlauf der Erkrankung gegen eine schizophrene Psychose wie auch gegen eine schizoaffektive Psychose. Der Gutachter bestätigte die bei den vorangegangenen Begutachtungen getroffenen Leistungsbeurteilungen. Die Klägerin könne seit Antragstellung noch leichte, fallweise auch mittelschwere körperliche Arbeiten aus wechselnden Ausgangspositionen vollschichtig verrichten, wobei Akkord- und Schichtarbeiten und Arbeiten unter hohem Zeitdruck nicht mehr möglich seien. Die Umstellungsfähigkeit auf andere Erwerbstätigkeiten bejahte der Gutachter bei der Klägerin, Einschränkungen bei der Zurücklegung von Wegen sah er nicht.

Nach Zusendung beider Gutachten übersandte die Klägerin mit eine Bescheinigung über eine Kontrolluntersuchung im Psychiatrischen Krankenhaus Vrapce am 22.01.2001 sowie einen orthopädischen Kontrollbefund vom 19.01.2001 der Orthopädischen Universitätsklinik Zagreb. Aus letzterem ergibt sich bei im Wesentlichen bekannten Diagnosen (neu: Myalgia dorsi, Contractura lumbalis, Ischialgia sympt.) die Empfehlung der Weiterführung der bisherigen physikalischen Therapie sowie von Antirheumatica und im Übrigen der Vermerk "ohne Änderung im Vergleich mit vorherigen Untersuchungen bzw. die Änderung ist minimal".

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils vom 24.02.1999 sowie des Bescheides der Beklagten vom 08.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1997 zu verpflichten, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogene Rentenakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie erweist sich aber nicht als begründet.

Auch der Senat ist - wie schon das Erstgericht - nach erneuter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass der Klägerin ein Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, nicht zusteht.

Nach § 43 Abs.2 S.1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der hier noch geltenden Fassung bis zum 31.12.2000 sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, an denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, nur Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nach § 43 Abs.2 S.4 SGB VI (zwar nach dem 2. SGB VI-Änderungsgesetz vom 02.05.1996 erst nach der Antragstellung in Kraft getreten, aber die bis dahin geltende Rechtslage dokumentierend) nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 44 Abs.2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt ...Erwerbsunfähig ist nicht, wer ...eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG hat im Einzelnen dargelegt, dass diese Voraussetzungen bei der Klägerin nicht gegeben waren, und sich dabei auf die von ihm eingeholten Gutachten des Dr.R ... und des Dr.P ... gestützt. Die im Berufungsverfahren zusätzlich eingeholten Gutachten auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet haben im Wesentlichen die Einschätzung und Bewertung der Sachverständigen der ersten Instanz bestätigt. Eine wesentliche Veränderung oder Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin konnte nicht festgestellt werden. Es ist daher weiterhin von einer noch vollschichtigen Einsatzfähigkeit der Klägerin für leichte und fallweise auch mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszugehen, wobei diese in wechselnder Körperhaltung stattfinden sollen und lediglich häufiges Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten, Disposition von Kälte, Nässe und Reizstoffen sowie Arbeiten unter hohem Zeitdruck und in Akkord- oder Schichtarbeit ausscheiden müssen.

Der Senat hält die Befunderhebung sowie die Beurteilung des Leistungsvermögens durch die beauftragten Gutachter für schlüssig und überzeugend und schließt sich ihnen auch in Kenntnis der unterschiedlichen Befunderhebung und Beurteilung durch die behandelnden Ärzte der Klägerin in vollem Umfang an. Das Vorliegen einer rentenrechtlich relevanten Psychose mit Prozesscharakter wurde eindeutig widerlegt, die Diagnosefülle auf orthopädischem Gebiet nachvollziehbar relativiert. Die nachgereichten ärztlichen Befunde erbringen angesichts der im Wesentlichen unverändeten Diagnosen und in Anbetracht der zeitnahen deutschen Untersuchungsergebnisse keine Änderung.

Mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen ist die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar. Die Umstellungsfähigkeit für andere Erwerbstätigkeiten ist gegeben, Einschränkungen bei der Zurücklegung von Wegen bestehen nicht.

Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist die Klägerin entsprechend ihrer in Deutschland verrichteten Tätigkeiten auch verweisbar. Ausgehend von dem von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Rahmen der Prüfung von Berufsunfähigkeit entwickelten Berufsgruppenschema (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr.140) ist sie mit ihrer zuletzt hier versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit als Spinnereiarbeiterin bzw. mit der als 331/11 bezeichneten Tätigkeit (die Schlüsselzahl 331/11 steht für eine Nicht-Facharbeiter-Tätigkeit ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich Textilspinnerei) dem Bereich der ungelernten Arbeitnehmer (Anlernzeit von weniger als drei Monaten) zuzuordnen. Aber selbst wenn sie als Spinnereiarbeiterin Tätigkeiten des angelernten Bereichs verrichtet hätte, wäre sie nach der Rechtsprechung (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.86, 102) gemäß § 43 Abs.2 SGB VI grundsätzlich auf Tätigkeiten der niedrigeren Gruppe (also auf den ungelernten Bereich) zumutbar verweisbar, soweit diese sie weder nach ihrem beruflichen Können und Wissen noch bezüglich ihrer gesundheitlichen Kräfte überfordern. Für eine Tätigkeit im gehobenen angelernten Bereich (mit einer regelmäßigen Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.45) bestehen keine Anhaltspunkte. Im übrigen bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in Deutschland in "ihrem erlernten Beruf als Verkäuferin" (so eine offensichtlich auf einem Irrtum oder einem Missverständnis beruhende Formulierung im Gutachten des Dr.K ... sowie eine entsprechende Annahme im Gutachten des Dr.La ...) tätig geworden wäre. Dies entspricht nicht ihren früheren Angaben bei den Begutachtungen in der ärztlichen Gutachterstelle in Regensburg sowie im erstinstanzlichen Verfahren. Hier hatte die Klägerin angegeben, in Deutschland in einer Fabrik und in ihrer Heimat als Verkäuferin in einem Kaufhaus gearbeitet zu haben. Im Übrigen belegen die der Krankenkasse gemeldeten Tätigkeiten eindeutig, dass sie in der Bundesrepublik nicht als Verkäuferin gearbeitet hat.

Es muss der Klägerin auch ein konkreter Verweisungsberuf nicht benannt werden. Insbesondere liegt "eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder eine "schwere spezifische Leistungsminderung" nicht vor. Ihre gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung leichterer Arbeiten ist trotz gewisser weiterer Einschränkungen noch nicht in so vielfältiger, außergewöhnlicher Weise beschränkt, dass nur noch eine theoretische Möglichkeit bestehen würde, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Ob der Klägerin allerdings ein entsprechender Arbeitsplatz des allgemeinen Arbeitsmarktes tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der Rentenversicherung zu tragen ist.

Bei dieser Sachlage war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved