L 19 RJ 533/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 110/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 533/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.06.1998 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen, als sie den Anspruch auf Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01.10.1994 bis 31.12.1995 betrifft.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die Beklagte die Klägerin zur Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit von Oktober 1994 bis Dezember 1995 zuzulassen hat.

Die am 1941 in Griechenland geborene Klägerin hat in Deutschland vom 21.10.1970 bis 31.10.1982 versicherungspflichtig gearbeitet. Sie hat zwei Kinder (P. , geb. 1982, und A. , geb. 1986), für die Berücksichtigungszeiten (BÜZ) wegen Kindererziehung vom 02.11.1982 bis 05.05.1996 anerkannt sind (Feststellungsbescheid vom 28.03.1997 mit Rentenauskunft). Nach dem beigefügten Versicherungsverlauf ist die Zeit vom 01.01.1984 bis 30.09.1994 durchgehend mit anwartschaftserhaltenden Zeiten belegt. Ab 01.10.1994 war die Klägerin als Gastwirtin selbstständig erwerbstätig. Davor sind außer den BÜZ zuletzt Pflichtbeiträge während Krankengeldbezug (02.04. bis 03.05.1992) und Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (24.06. - 06.10.1994) vorgemerkt.

Am 04.03.1997 beantragte die Klägerin die Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit ab Mai 1996. Mit Bescheid vom 21.03.1997 ließ die Beklagte die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen ab 01.05.1996 zu. Auf Anfrage des Ehemannes der Klägerin vom 30.05.1997 teilte die Beklagte diesem fernmündlich mit, dass im Versicherungsverlauf der Klägerin eine Lücke von November 1994 bis April 1996 bestehe. Im Rahmen einer Vorsprache bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in Nürnberg am 06.06.1997 machte er geltend, im September 1994 vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit seiner Ehefrau beim städt. Versicherungsamt Fürth falsch beraten worden zu sein. Eine Dame habe ihm dort erklärt, es sei noch nichts zu zahlen, da die Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bis zum 10. Lebensjahr des Kindes aufrecht erhalten bleibe; erst danach seien freiwillige Beiträge zu entrichten. Auf eine Nachfrage im Herbst 1995 habe er die gleiche Auskunft erhalten. Deswegen seien erst ab 01.05.1996 freiwillige Beiträge gezahlt worden. Dazu teilte das Versicherungsamt der Stadt Fürth am 04.07.1997 mit, nach den dort vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin oder ihr Ehemann erstmals am 08.02.1993 "zur Kontenklärung" vorgesprochen. Eine Beratung hinsichtlich der Kinderberücksichtigungszeit sei damals unproblematisch gewesen, da die Klägerin die Gastwirtschaft erst im Oktober 1994 eröffnet habe. Aufzeichnungen über Vorsprachen in den Jahren 1994 bis 1996 existierten nicht, wenn diese nicht mit einem schriftlichen Antrag verbunden gewesen seien. Erst am 04.03.1997 habe der Ehemann der Klägerin erneut vorgesprochen und in deren Vertretung die Entrichtung freiwilliger Beiträge nach Vollendung des 10. Lebensjahres der Tochter A. beantragt.

Mit Bescheid vom 02.09.1997 lehnte die Beklagte die Entrichtung freiwilliger Beiträge im Rahmen des § 197 Abs 3 SGB VI ab, weil die dort genannten Voraussetzungen nicht vorlägen. Es sei nicht nachgewiesen, dass im Rahmen der angeblichen Vorsprache im September 1994 die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mitgeteilt wurde. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 28.01.1998 zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) den Ehemann der Klägerin als Zeugen gehört, der bekundete, er habe erstmals bei der Vorsprache am 04.03.1997 im Antrag auf Entrichtung freiwilliger Beiträge beim Versicherungsamt auch schriftlich darauf hingewiesen, dass die Klägerin seit 01.10.1994 Betriebsinhaberin einer Gastwirtschaft sei. Noch vor Eröffnung des Geschäftsbetriebes habe er sich persönlich vom Versicherungsamt Fürth beraten lassen; die Erkundigungen hätten sich sowohl auf seine eigene Rentenangelegenheit als auch auf die Auswirkungen auf die geplante selbstständige Tätigkeit der Klägerin als Gastwirtin bezogen. Schriftliche Anträge seien damals nicht aufgenommen worden. Es sei ihm jedoch mitgeteilt worden, dass seine Ehefrau aufgrund der 10-jährigen Berücksichtigungszeit für das Kind A. erst ab Mai 1996 Rentenbeiträge entrichten müsse. Auch bei einer weiteren Vorsprache im Mai oder Juni 1995 habe er auf die selbstständige Tätigkeit der Klägerin hingewiesen. Im Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin vom 23.06.1998 hat das SG auch Frau M. K. , Verwaltungsangestellte der Stadt Fürth, als Zeugin einvernommen. Diese hat bekundet, sie könne sich im Einzelnen nicht mehr daran erinnern, ob der Ehemann zwischen Februar 1993 und März 1997 in weiteren Versprachen um Auskünfte oder Beratungen gebeten habe; die Beratung eines Antragstellers, wonach sich die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit rentenrechtlich nicht auf die Kinderberücksichtigungszeit auswirke, halte sie aber schlichtweg für ausgeschlossen. Nicht ausschließen könne sie jedoch, dass irgendwann (etwa in Stresssituationen durch Publikumsverkehr oder Verständigungsschwierigkeiten bei schlecht Deutsch sprechenden Antragstellern) "am Problem vorbeigeredet", und eine Anfrage entweder missverstanden oder fehlgedeutet bzw die Antwort vom Antragsteller nicht zutreffend erfasst worden sei.

Mit Urteil vom 23.06.1998 hat das SG die Beklagte verpflichtet, die Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für den Zeitraum ab 01.10.1994 bis 30.04.1996 zuzulassen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass dem Ehemann der Klägerin im September 1994 und Frühsommer 1995 mitgeteilt wurde, von der Klägerin seien freiwillige Beiträge erst nach Ablauf der Kinderberücksichtigungszeit zu entrichten, obwohl der Zeuge bei den Vorsprachen auf die beabsichtigte und (im Frühsommer 1995) auf die ausgeübte Tätigkeit als selbstständige Gastwirtin hingewiesen habe. Die Beklagte müsse sich die fehlerhafte Auskunft von Mitarbeitern des Versicherungsamtes zurechnen lassen. Aufgrund eines sozialgerichtlichen Herstellungsanspruchs sei die Beklagte deshalb verpflichtet, diejenige Rechtsfolge herbeizuführen, die eingetreten wäre, wenn eine ordnungsgemäße Beratung erfolgt wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, im Hinblick auf die Darlegungen des Ehemanns der Klägerin und der Zeugin K. sei eine fehlerhafte Beratung nicht nachgewiesen. Insoweit hätte das SG bei Würdigung der Aussage des Zeugen P. bedenken müssen, dass dieser als Ehemann der Klägerin ein eindeutiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast habe das SG die nicht bewiesene und auch nicht weiter aufklärbare Frage, ob der Ehemann der Klägerin bei seinen Vorsprachen auf die selbstständige Tätigkeit der Klägerin hingewiesen habe, seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen. Die Beklagte hat zwischenzeitlich die Beitragszahlung auch für die Zeit vom 01.01.1996 bis 30.04.1996 zugelassen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.06.1998 aufzuheben, soweit es den Zeitraum vom 01.10.1994 bis 31.12.1995 betrifft, und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat nochmals die Verwaltungsangestellte der Stadt Fürth, Frau M. K. , und den Ehemann der Klägerin einvernommen; insoweit wird auf die Niederschrift vom 04.04.2001 verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Streitakten erster und zweiter Instanz sowie die vom Senat beigezogenen Unterlagen der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes = SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet. Auf den Antrag der Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.06.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die allein noch streitige Zeit vom 01.10.1994 bis 31.12.1995.

Nach § 197 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind freiwillige Beiträge nur dann wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres gezahlt werden, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen. Da eine Unterbrechung der Frist nach § 198 Abs 1 SGB VI (durch ein Beitrags- oder Rentenverfahren) nicht eingetreten ist, hätte die Entrichtung der Beiträge für die Zeit von Oktober bis Dezember 1994 spätestens am 31.03.1995 und für das Kalenderjahr 1995 spätestens am 31.03.1996 erfolgen müssen. Beides ist unstreitig nicht geschehen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X), die der Klägerin die versäumte Beitragsentrichtung gestatten würde, ist vorliegend nicht zulässig, da es sich bei den Fristen des § 197 SGB VI um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handelt (§ 197 Abs 4 SGB VI). Ist die obengenannte Frist zur Entrichtung freiwilliger Beiträge verstrichen, gibt es grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten nachträglicher Zulassung: Gemäß § 197 Abs 3 SGB VI kann in Fällen besonderer Härte auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen zugelassen werden, wenn die Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war. Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden. Diese Frist hat die Klägerin eingehalten. Denn sie hat der Beklagten durch ihren Ehemann am 03.06.1997 mitgeteilt (und damit glaubhaft gemacht), dass ihr das Fehlen der anwartschaftserhaltenden Beiträge für die Zeit ab Oktober 1994 erst durch den Bescheid und den Versicherungsverlauf vom 28.03.1997 bewusst geworden ist. Die Klägerin war aber nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Fristen zur Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Jahre 1994 und 1995 gehindert; denn bloße Rechtsunkennntis, die sich vorliegend auf die Beseitigung der anwartschaftserhaltenden Wirkung der BÜZ bei Ausübung einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit, aber auch auf die Möglichkeit und Notwendigkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge beziehen könnte, kann idR die Schuldlosigkeit iS des § 197 Abs 3 SGB VI nicht begründen (vgl Kass Komm/Peters § 197 RdNr 18). Ein in der Person der Klägerin liegender Entschuldigungsgrund (etwa Handlungsunfähigkeit wegen schwerer Erkrankung) ist erkennbar nicht gegeben.

Außer der Härteregelung über die Zulassung zur nachträglichen Entrichtung freiwilliger Beiträge nach § 197 Abs 3 SGB VI kommt ein darauf gerichteter Anspruch allenfalls über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Betracht, wie ihn das SG im angefochtenen Urteil angenommen hat. Neben der bis 31.12.1991 für Pflichtbeträge geltenden Härteregelung des § 1418 Abs 2, 3 RVO hat das BSG keinen Raum für einen Herstellungsanspruch gesehen (SozR 2200 § 1418 Nr 8), sondern bei Fehlverhalten des Versicherungsträgers uU eine besondere Härte angenommen und demgegenüber mangelnde Sorgfalt des Versicherten zurücktreten lassen. Dagegen wurde der Herstellungsanspruch anerkannt, wenn der Versicherte aufgrund unrichtiger Rechtsauskunft die Entrichtung freiwilliger Beiträge unterlassen hatte (BSGE 49, 76; zurückhaltender dagegen BSG in SozR 3-1200 § 14 Nr 5 a E). Da die neue Härteregelung (§ 197 Abs 3 SGB VI) nunmehr auch für freiwillige Beiträge gilt, spricht sich Peters (Kass Komm § 197 RdNr 19) dafür aus, die bisherige Rechtsprechung des BSG auf freiwillige Beiträge auszudehnen, was bedeuten würde, dass vorliegend ein Herstellungsanspruch von vorneherein ausscheidet. Der Senat brauchte die Frage nicht abschließend zu beantworten. Ein die Beklagte trotz Fristablaufs noch zur Entgegennahme freiwilliger Beiträge für die Jahre 1994/95 verpflichtender Herstellungsanspruch kommt allgemein unter der Voraussetzung in Betracht, dass die Folgen einer im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses eintretenden Pflichtverletzung (des Leistungsträgers) im Gesetz weder speziell geregelt noch in anderer Weise, etwa durch Härteklauseln, Wiedereinsetzung oder Fiktionen erfasst sind. Der auf Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger muss eine Pflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis, die ihm dem Anspruchssteller gegenüber obliegt, objektiv rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt haben; diese Pflichtverletzung muss (als wesentliche Bedingung) einen sozialrechtlichen Nachteil verursacht, dh zu Lasten des Betroffenen ein Recht (zB die rechtliche Möglichkeit zur wirksamen Beitragsentrichtung) vereitelt haben, das ihm ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte. Darüberhinaus ist zu prüfen, ob sich der behauptete Nachteil nach Art und Entstehungsweise aus einer Gefahr entwickelt hat, zu deren Abwendung die verletzte konkrete Pflicht diente. Die verletzte Pflicht muss (mit anderen Worten) darauf gerichtet sein, den Betroffenen im Sinne eines inneren Zusammenhangs vor den eintretenden Nachteilen zu bewahren. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Betroffene vom Leistungsträger verlangen, so gestellt zu werden, als stehe ihm das beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu (vgl aus der Rechtsprechung des BSG: SozR 2100 § 27 Nr 2; SozR 3-4100 § 103 Nr 8; SozR 5070 § 10 Nr 31). Zu den Obliegenheiten, deren Verletzung den Herstellungsanspruch begründen kann, gehört insbesondere die Pflicht zur Auskunft und Beratung nach §§ 14 und 15 SGB I. Zu verlangen ist vom Leistungsträger eine dem konkreten Anlass entsprechende "verständnisvolle Förderung" der Interessen des Betroffenen. Ebenso führt ein gegen diese Pflichten verstoßendes Fehlverhalten des Versicherungsträgers bei Abwägung gegen ein nur leichtes Verschulden des Versicherten uU zur Annahme einer besonderen Härte iS des § 197 Abs 3 SGB VI.

Vorliegend kann daher zur Überzeugung des Senats schon deshalb dahinstehen, ob die Vorschriften über die Härteregelung oder die Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zur Anwendung kommen, weil in beiden Fällen die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Hier wie dort wäre nämlich Voraussetzung, dass, (was die Klägerin auch behauptet) der Beklagten schon seit September 1994 ihre Absicht bekannt gewesen ist, selbstständig erwerbstätig zu sein. In diesem Fall nämlich hätte die Beklagte (repräsentiert durch das Versicherungsamt Fürth, dem der Ehemann der Klägerin - verbunden mit einem Beratungsersuchen über evtl. Auswirkungen des mitgeteilten Sachverhalts - diese Information gegeben haben will) objektiv eine Beratungspflicht schuldhaft verletzt. Auch wäre die Klägerin aufgrund einer falschen oder pflichtwidrig unterlassenen Auskunft ohne Verschulden daran gehindert gewesen, rechtzeitig freiwillige Beiträge zu entrichten.

Zur Überzeugung des Senats war dem Versicherungsamt Fürth und der Beklagten die Tatsache der selbstständigen Erwerbstätigkeit der Klägerin bis zum 04.03.1997 nicht bekannt. Jedenfalls ist dieses Vorbringen der Klägerin nicht bewiesen. Beim Versicherungsamt der Stadt Fürth werden keine Aufzeichnungen über Zeiten, Teilnehmer und Inhalt von Beratungsgesprächen geführt. Die Klägerin befindet sich deshalb schon mit dem Nachweis, dass die behaupteten Vorsprachen ihres Ehemannes beim Versicherungsamt Fürth im September 1994 und im Frühsommer 1995 stattgefunden haben, in Beweisnot. Die Zeugin K. konnte sich bei der Vielzahl täglicher Beratungsgesuche nach 2 bzw 3 Jahren verständlicherweise nicht mehr daran erinnern, ob der Ehemann der Klägerin zwischen den dokumentierten Vorsprachen (im Februar 1993 und im März 1997) zu weiteren Beratungsgesprächen bei ihr war. Die Angaben des Zeugen P. können jedoch insoweit als richtig unterstellt werden, ohne dass sich in der Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme eine Änderung ergibt. Wie schon im Rahmen ihrer Einvernahme durch das Sozialgericht hat es die Zeugin K. auch bei ihrer Anhörung durch den Senat ausgeschlossen, dass der Ehemann der Klägerin bei seinen Vorsprachen auf die - geplante bzw am 01.10.1994 begonnene - selbständige Erwerbstätigkeit der Klägerin hingewiesen hat, ohne dass sie auf die - ihr bekannten - Konsequenzen für die BÜZ aufmerksam gemacht hätte. Die Zeugin hat dem Senat in diesem Zusammenhang glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, wie sie in solchen Fällen vorgegangen ist und dass sie sich dabei weitgehend an den Fragenkatalog auf Seite 2 des sog Kindererziehungszeitenbogens gehalten hat. Allgemein war damit im Interesse der Antragsteller und Auskunft suchenden Personen am sichersten gewährleistet, dass keine wichtigen Gesichtspunkte übersehen wurden. So hat die Zeugin nach Erfassung der Kindergeburtsdaten und Fragen nach den (mit)erziehenden Pesonen zur Prüfung der Aufrechterhaltung der Anwartschaft für eine spätere Rente wegen EU/BU regelmäßig die Frage gestellt, ob die Versicherte noch arbeite, ob sie abhängig oder selbstständig beschäftigt sei und wenn ja, in welchem zeitlichen Umfang. Der Zeugin war bei diesen Fragen "selbstverständlich" der rechtliche Hintergrund gegenwärtig, dass nämlich bei Ausübung einer mehr als geringfügigen selbstständigen Erwerbstätigkeit der Schutz der Berücksichtungszeit "Kindererziehungszeit" nicht mehr besteht und deshalb für die Erhaltung der Anwartschaft freiwillige Beiträge entrichtet werden müssen. Die Zeugin kann sich deshalb auch in Fällen des Auftretens von Stresssituationen bei der Beratung nicht vorstellen, dass sie die Fragen nach der Ausübung einer abhängigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit unterlassen hat.

Im Hinblick auf diese Bekundungen der Zeugin K. hält der Senat den von ihrem Ehemann als Zeuge bestätigten Vortrag der Klägerin, der Beklagten sei - über das Versicherungsamt der Stadt Fürth - die Tatsache ihrer selbstständigen Tätigkeit als Gastwirtin schon 1994 bekannt geworden, nicht für glaubhaft, geschweige denn nachgewiesen. Abgesehen von dem persönlichen Eindruck sind für die erheblichen Zweifel des Senats an der Glaubwürdigkeit des Zeugen teilweise gravierende Unrichtigkeiten seiner Angaben maßgebend. So erweist sich seine Einlassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als falsch, ihm sei nach der Geburt seiner Tochter (1986) in der Beratungsstelle der Beklagten (anlässlich des Antrags auf Feststellung von Zeiten der Kindererziehung) gesagt worden, seine Frau brauche bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres dieses Kindes keine Beiträge zu entrichten. Im Zeitpunkt der aktenkundigen Vorsprachen des Zeugen am 25.06.1986 und am 10.08.1987 galten noch abweichende Regelungen. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sind in § 57 SGB VI geregelt. Dieser wurde mit Wirkung vom 01.01.1992 durch Art 1 RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) eingeführt. Eine dem § 57 SGB VI entsprechende Vorschrift gab es im früheren Recht nicht. Nach § 1246 Abs 2a Satz 2 Nr 5 Reichtsversicherungsordnung (RVO) hatte die Zeit der Erziehung eines Kindes lediglich für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und nur bis zum vollendeten 5. Lebensjahr die Bedeutung einer Anwartschaftserhaltungszeit.

Fragwürdig ist auch die Aussage des Zeugen, er sei im Zusammenhang mit der Aufnahme der Zahlung freiwilliger Beiträge in dem Sinne beraten worden, dass er nach dem "voraussichtlichen" Ende der BÜZ (Mai 1996) noch ein Jahr Zeit zur Entrichtung der freiwilligen Beiträge für 1996 habe. Jedem in der Beratung tätigen Bediensteten eines Versicherungsamtes war 1995/96 die Bestimmung des § 197 Abs 2 SGB VI so geläufig, dass die Annahme eines solchen Beratungsinhalts, wie von dem Zeugen behauptet, abwegig erscheint.

Zusammenfassend geht der Senat somit davon aus, dass die Beklagte vor Zugang des am 04.03.1997 beim Versicherungsamt Fürth aufgenommenen Antrags auf Beitragszahlung zur freiwilligen Rentenversicherung keine Kenntnis von der selbstständigen Erwerbstätigkeit der Klägerin hatte. Für diesen Vortrag, auf den die Klägerin den streitigen Nachentrichtungsanspruch stützt, trägt sie letztlich die Beweislast. Grundsätzlich ist zwar im sozialgerichtlichen Verfahren der Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, die Unerweislichkeit von Tatsachen geht aber zu Lasten des Beteiligten, der aus ihnen eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet (Grundsatz der objektiven Beweislast).

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann nicht davon gesprochen werden, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, die Lücke in ihrem Versicherungsverlauf durch freiwillige Beiträge ab November 1994 zu schließen. Es lag vielmehr allein in ihrer Dispositionsfreiheit, sich nach den Folgen der Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit während der Dauer einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung zu erkundigen. Die Berufung der Beklagten erweist sich daher als begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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