L 6 RJ 564/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Ar 5468/91.JU
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 564/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.

Der am ...1934 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina, wo er sich auch ständig aufhält. Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung hat er sowohl in seiner Heimat - von 1957 bis 1968 (5 Jahre, 5 Monate, 10 Tage) - als auch in der Bundesrepublik Deutschland - vom 24.04.1969 bis 09.12.1984 - zurückgelegt; vom 10.12.1984 bis 22.02.1985 hat der Kläger Arbeitslosengeld bezogen.

Der Kläger gibt an, keine Berufsausbildung zurückgelegt zu haben und in seiner Heimat zunächst als Gießereiarbeiter, sodann als Maurer und später in Deutschland als Gabelstaplerfahrer versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein.

Nach Auskunft seines letzten deutschen Arbeitgebers (Zeitraum: 05.10.1969 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit am 05.05.1984), der Firma S ... , Waiblingen (Fa.S ...), vom 25.07.2000 ist der Kläger als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen. Es habe sich um eine angelernte Tätigkeit gehandelt; die Entlohnung sei nach Lohngruppe VIII des Tarifvertrags der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden (Metalltarifvertrag) erfolgt. Genauere Auskünfte seien nicht mehr möglich.

In seiner Heimat bewirtschaftet der Kläger ein landwirtschaftliches Anwesen von 55.417 qm. Seit 14.10.1985 bezieht er vom slowenischen Versicherungsträger Invalidenrente der I. Kategorie. Seit 01.05.1999 erhält er von der Beklagten Regelaltersrente.

Einen ersten auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag des Klägers vom 09.01.1984 hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.11.1984 und Widerspruchsbescheid vom 24.04.1985 abgelehnt. Zu dieser Zeit hielt sich der Kläger noch in Deutschland auf. Der Bescheid vom 29.11.1984 enthielt den Hinweis: "Für die Gewährung von Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sind vom 01.01.1984 an zusätzliche Voraussetzungen erforderlich. Auf das beiliegende Formblatt Nr. 6 wird hingewiesen."

Am 03.07.1985 führte die Beklagte eine Berichtigung des Versicherungsverlaufs durch, am 09.08.1985 ging bei ihr ein Erstattungsantrag der AOK für den Rems-Murr-Kreis ein, und am 01.10. 1985 erhielt sie vom slowenischen Versicherungsträger den Abdruck eines Bescheides, mit dem dieser (zunächst) den Anspruch auf Rente wegen Invalidität der I. Kathegorie abgelehnt hatte. Sodann übersandte die Beklagte dem Kläger unter dem 28.12.1986 einen Versicherungsverlauf.

Den am 09.07.1990 erneut gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.02.1991 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.1991 wies sie den hiergegen am 19.07.1991 erhobenen Widerspruch als verfristet und daher unzulässig zurück.

Am 09.10.1991 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut mit dem Begehren, die Beklagte unter Zugrundelegung seines Antrags vom 09.07.1990 zur Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zu verpflichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.1992 entschied die Beklagte über den Widerspruch vom 19.07.1991 insofern neu, als sie ihn nunmehr als zulässig aber unbegründet behandelte.

Das SG wies sodann die Klage mit Urteil vom 20.10.1992 ab, da im Zeitpunkt des Rentenantrags die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit nicht mehr erfüllt gewesen seien, und sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben habe, dass der Versicherungsfall schon früher eingetreten sei.

Am 11.01.1993 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 14.12.1992 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Er begehre Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit; von der Beklagten sei er nicht auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht worden, durch Zahlung freiwilliger Beiträge die Anwartschaft auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu erhalten.

Wegen der Kriegswirren in der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien wurde das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 19.05.1993 zunächst ausgesetzt.

Der Senat zog sodann in Fortsetzung des Verfahrens (ab Dezember 1996) die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Klageakten des SG Landshut bei, erholte eine Auskunft von der Fa.S ... vom 25.07.2000 und ließ sich von der Beklagten das Merkblatt 6 vorlegen, wie es im November 1984 üblicherweise Bescheiden beigefügt war, mit denen ein Antrag auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit abgelehnt wurde. Auf Anregung des Senats beschaffte die Beklagte vom slowenischen Versicherungsträger weitere medizinische Unterlagen. Ebenfalls auf Anregung des Senats wurde vom Kläger ein ärztliches Attest überreicht. Weiterhin ließ sich der Senat vom Kläger eine aktuelle Bestätigung über dessen Grundeigentum vorlegen sowie eine Ablichtung seines Reisepasses zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit.

Zu seiner Fähigkeit befragt, freiwillige Beiträge zu zahlen, trug der Kläger vor, er wäre bereit und in der Lage gewesen, ab 01.03.1985 monatlich ca. 100 DM freiwillige Beiträge zu zahlen, da diese Kosten von seinem seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden und arbeitendem Sohn übernommen worden wären. Für die Einkommensverhältnissen des Sohnes legte der Kläger dessen Versicherungsverlauf (vom 05.05.2000) vor, außerdem eine Erklärung des Sohnes, dass dessen Ehefrau nicht berufstätig sei und zusammen mit den am 14.10.1973 und 01.05.1982 geborenen Töchtern in Bosnien lebe.

Zur Feststellung des Gesundheitszustands und des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers holte der Senat medizinische Sachverständigengutachten ein von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K ... (Gutachten vom 18.06.1999), von dem Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr.L ... (Gutachten vom 17.06.1999) und von dem Internisten Dr.S ... (Gutachten vom 05.07.1999 einschließlich einer ergänzenden Stellungnahme vom 10.01.2000).

Die medizinischen Sachverständigen des Senats stellten beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Bluthochdruck. 2. Muskuläre Linksherzinsuffizienz mit Zeichen der Linksbelastung und Linksschädigung; Schenkelblock; intermittierend auftretende Rhythmusstörung in Form einer Bigeminie. 3. Adipositas. 4. Chronisches Wirbelsäulensyndrom ohne Nachweis funktionell bedeutender radikulärer Reiz- oder Ausfallserscheinungen bei röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule. 5. Neigung zu depressiv gefärbten Verstimmungszuständen ohne Anhaltspunkte für eine prozesshaft verlaufende seelische Grunderkrankung. 6. Ausgeprägtes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom, leichtgradiges Brustwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebender Funktionseinschränkung ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes. 7. Coxarthrose rechts bei beginnender Gon- und Femoropatellararthrose beidseits mit Linksbetonung und verminderter Geh- und Stehfähigkeit. 8. Spreiz-Füße beidseits.

Dr.S ... kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Kläger habe bis 1996 leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten können; im Laufe des Jahres 1996 sei es zu einer Verschlechterung der kardialen Situation gekommen, die dann ab Anfang 1997 zu einem beruflichen Leistungsvermögen von nur noch etwa vier Stunden täglich geführt habe. Aufgrund des seit Anfang 1997 verschlechterten Gesundheitszustands stellte Dr.S ... auch eine Einschränkung des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte fest; der Kläger könne nur noch Fußwege von 600 bis 800 Metern an einem Stück in langsamer Geschwindigkeit und ohne das Bewältigen von Steigungen zurücklegen, um die Entfernungen zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zu überwinden. Für die Zeit vor Januar 1997 ermittelten die Sachverständigen des Senats, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers bereits eingeschränkt gewesen sei. Er habe aber leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten können, wobei Arbeiten in Zwangshaltungen ebensowenig zumutbar gewesen seien wie solche unter Zeitdruck, Akkord- oder Schichtarbeit, Arbeiten ausschließlich im Gehen, Stehen oder Sitzen, ausschließliches Arbeiten an Maschinen oder am Fließband, Arbeiten in Nässe, Kälte oder Hitze, Heben oder Tragen schwerer Lasten sowie häufiges Bücken.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.10.1992 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.02.1991 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.09.1991 und 21.02.1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.03. 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Be- rufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 20.10.1992 ist nicht zu beanstanden, da der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit hat. Er ist nämlich vor Januar 1997 weder berufs- noch erwerbsunfähig gewesen; als dann (frühestens) im Januar 1997 Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, sind die versicherungsrechtichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht mehr erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar gewesen.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs-oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.1992 an den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.1992 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (SGB VI). Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass der Anspruch jedenfalls seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.1991 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.

Der Kläger ist vor Januar 1997 nicht berufsunfähig gewesen.

Nach den §§ 1246 Abs. 2 RVO, 43 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (jeweiliger Satz 1 der genannten Vorschriften). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2 a.a.O.). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4 ebd.). Die hier geforderten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit haben beim Kläger vor Januar 1997 nicht vorgelegen.

Das nach Satz 1 dieser Vorschriften zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist vor Januar 1997 bereits eingeschränkt gewesen. Er hat aber leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten können, wobei Arbeiten in Zwangshaltungen ebensowenig zumutbar gewesen sind wie solche unter Zeitdruck, Akkord- oder Schichtarbeit, Arbeiten ausschließlich im Gehen, Stehen oder Sitzen, ausschließliches Arbeiten an Maschinen oder am Fließband, Arbeiten in Nässe, Kälte oder Hitze, Heben oder Tragen schwerer Lasten sowie häufiges Bücken. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte haben nicht vorgelegen, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege hat zurücklegen können (vgl. hierzu Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).

Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers vor Januar 1997 ergibt sich vor allem aus den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K ..., des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr.L ... und des Internisten Dr.S ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieser schlüssigen und überzeugenden Gutachten an.

Beim Kläger liegen jetzt folgende wesentliche Gesundheitsstörungen vor: 1. Bluthochdruck. 2. Muskuläre Linksherzinsuffizienz mit Zeichen der Linksbelastung und Linksschädigung; Schenkelblock; intermittierend auftretende Rhythmusstörung in Form einer Bigeminie. 3. Adipositas. 4. Chronisches Wirbelsäulensyndrom ohne Nachweis funktionell bedeutender radikulärer Reiz- oder Ausfallserscheinungen bei röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule. 5. Neigung zu depressiv gefärbten Verstimmungszuständen ohne Anhaltspunkte für eine prozeßhaft verlaufende seelische Grunderkrankung. 6. Ausgeprägtes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom, leichtgradiges Brustwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebender Funktionseinschränkung ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes. 7. Coxarthrose rechts bei beginnender Gon- und Femoropatellararthrose beidseits mit Linksbetonung und verminderter Geh- und Stehfähigkeit. 8. Senk-Spreiz-Füße beidseits.

Diese Gesundheitsstörungen sind bis einschließlich Dezember 1996 noch nicht so ausgeprägt gewesen wie dann ab Januar 1997, so dass bis Dezember 1996 noch ein vollschichtiges berufliches Leistungsvermögen mit den oben dargestellten qualitativen Einschränkungen bestanden hat. Die von Dr.S ... festgestellte Einschränkung des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte hat bis Dezember 1996 nicht vorgelegen, da sie auf der Verschlechterung der kardialen Situation ab Januar 1997 beruht.

Aus den Feststellungen zum beruflichen Leistunsvermögen (vgl. oben) folgt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers bezogen auf seinen maßgeblichen Beruf als Gabelstaplerfahrer bereits vor Januar 1997 auf weniger als die Hälfte derjenigen gesunder Versicherter dieser Berufsgruppe gesunken gewesen ist, da - dies ist allgemeinkundig - ein Gabelstaplerfahrer ganz überwiegend sitzen muss. Von dem Beruf als Gabelstaplerfahrer ist deshalb auszugehen, weil die Berufsunfähigkeit ausschließlich nach der in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Berufstätigkeit zu beurteilen ist (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 26 mit weiteren Nachweisen).

Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es jedoch nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 RVO Nr. 138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des ange1ernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar höchstens des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Die Fa.S ... hat dem Senat mitgeteilt, genauere Auskünfte, außer dass der Kläger als angelernter Arbeiter beschäftigt worden und nach Lohngruppe VIII des Metalltarifvertrags entlohnt worden sei, könnten nicht mehr gegeben werden. Dies genügt nicht, um dem Kläger auch nur den (eingeschränkten) Berufsschutz eines angelernten Arbeiters des oberen Bereichs zuzubilligen, da der genaue Inhalt und damit die tatsächliche Qualität seiner Tätigkeit nicht mehr feststellbar sind. Die tarifliche Einstufung, die richtig, aber auch zu hoch oder zu niedrig sein kann, ist damit ohne Bedeutung. Auch kann keine hypothetische Einstufung erfolgen, da hierzu der genaue Inhalt der Tätigkeit bekannt sein müßte.

Als angelerntem Arbeiter des unteren Bereichs ist dem Kläger für die Zeit vor Januar 1997 die Verweisung auf praktisch alle - auch ungelernte - Berufstätigkeiten sozial zumutbar gewesen, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen gewesen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es damit grundsätzlich nicht. Auch hat beim Kläger weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorgelegen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einem Versicherten erforderlich machen würde, der der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen ist. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt hätte werden können, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt die klarstellende Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8).

Der Kläger, der schon deshalb vor Januar 1997 keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gehabt hat, weil er in einem anderen als seinem bisherigen Beruf hat noch vollschichtig arbeiten können, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß den §§ 1247 Abs. 1 RVO, 44 Abs. 1 SGB VI gehabt, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des jeweiligen zweiten Absatzes dieser Vorschriften nicht erfüllt hat.

Seit Januar 1997 ist der Kläger aufgrund seines Herzleidens erwerbsunfähig, wie Dr.S ... überzeugend dargelegt hat. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit besteht jedoch nicht, da der Kläger die hierfür erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und auch nicht mehr herstellen kann (entsprechendes gilt auch für die Rente wegen Berufsunfähigkeit).

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI - wegen des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit erst nach dem 31.03.1992 sind nur noch die Vorschriften des SGB VI anzuwenden - haben Versicherte (u.a.) nur dann Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge haben. Diese Voraussetzung ist beim Kläger, der seit 23.02.1985 keine rentenrechtlichen Zeiten mehr aufweist, offensichtlich nicht gegeben.

Aus den Vorschriften des im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bosnien vorübergehend weiter anwendbaren Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (Abk. Jugoslawien SozSich) lassen keine Streckungstatbestände herleiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48). Auch der Bezug der slowenischen Invalidenrente kann nicht als Streckungstatbestand gewertet werden. Dies gilt schon deshalb, weil das zum 01.09.1999 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit vom 24.09.1997 (Abk. Slowenien SozSich) in Art. 41 Abs. 1 bestimmt, dass Ansprüche auf Leistungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten nicht begründet werden, und vorliegend nur Rentenleistungen bis zum Bezug der Altersrente (ab 01.05.1999) streitig sind.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind auch nicht nach den §§ 43 Abs. 4, 44 Abs. 4 SGB VI in Verbindung mit § 53 SGB VI erfüllt, weil es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung, Gewahrsam im Sinne des § 1 des Häftlingshilfegesetzes, Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung).

Dem Kläger hilft auch nicht die Möglichkeit der §§ 241 Abs. 2, 240 Abs. 2 SGB VI, da er die Zeit ab Januar 1984 nicht voll mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt hat und sie auch nicht mehr mit solchen Zeiten belegen kann.

So liegt beim Kläger keine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit vor, die vor dem 31.12.1983 begonnen und bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit angedauert hätte (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1259 RVO Nr. 12). Wie sich aus seinem Versicherungsverlauf zweifelsfrei ergibt, ist der Kläger nämlich jedenfalls vom 01.04. bis 03.05.1984 im Beruf des Gabelstaplerfahrers arbeitsfähig gewesen.

Freiwillige Beiträge, die im vorliegenden Fall als weitere Anwartschaftserhaltungszeiten in Betracht kämen, hätten jeweils bis zum 31.12. des Jahres, für das sie gelten hätten sollen, gezahlt werden müssen, vgl. § 1418 Abs. 1 RVO, somit die Beiträge für 1985 bis zum 31.12.1985 usw.

Eine Zulassung des Klägers zur nachträglichen Beitragszahlung ist nicht möglich. Es kann vorliegend dahinstehen, ob hinsichtlich der Versäumung der Zahlungsfrist von freiwilligen Beiträgen unter der Geltung der RVO Wiedereinsetzung in der vorigen Stand gemäß § 27 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) zulässig gewesen wäre. Denn eine etwa statthafte Wiedereinsetzung wäre schon deshalb nicht möglich, weil nicht erkennbar ist, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert gewesen wäre, freiwillige Beträge rechtzeitig zu entrichten. Die beim Kläger ab 1984 möglicherweise vorhandene Unkenntnis über die gesetzlichen Regelungen - insbesondere betreffend die Möglichkeit, durch Entrichtung freiwilliger Beträge die Rentenanwartschaft zu erhalten - ist einem Unverschulden an der Säumnis nicht gleichzusetzen; dies folgt aus dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen (vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 27 SGB X Nr. 3 - insbesondere S.14 ff. -). Aus eben diesem Grund scheitert auch eine Zulassung zur nachträglichen Beitragszahlung aufgrund des vor dem 01.01.1992 geltenden Rechtsinstituts der Nachsichtgewährung oder - für die Zeit nach dem 31.12.1991 - gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI.

Eine Berechtigung des Klägers, freiwillige Beiträge für die nicht belegten Zeiten ab März 1985 nachzuzahlen, kann auch nicht über einen sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet werden. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Anspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenden Pflichten, insbesondere zur Betreuung und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Grundlage der Beratungspflicht ist § 14 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I). Danach hat jeder Anspruch auf Beratung und Belehrung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz. In der Regel wird die Beratungspflicht durch ein entsprechendes Begehren ausgelöst. Aber auch wenn ein Beratungsbegehren - wie hier - nicht vorliegt, ist der Versicherungsträger gehalten, den Versicherten bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden (vgl. u.a. BSG SozR 1200 § 14 SGB I Nr. 15 und 25; SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr. 5 und 6). Ein solcher konkreter Anlass kann sich nach der Rechtsprechung des BSG aus einem laufenden Rentenfeststellungsverfahren (vgl. BSG SozR 2200 § 1290 Nr. 11 RVO) oder nach dem erfolglosen Anschluss eines Rentenverfahrens bzw. eines Rechtsstreits über die beanspruchte Rente ergeben (vgl. u.a. Urteil des BSG vom 23.4.1990 - 5 RJ 65/89 -).

Zunächst ist festzustellen: der dem Kläger im Bescheid vom 29.11.1984 gegebene Hinweis auf die für die Gewährung von Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ab 01.01.1984 zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen war in Verbindung mit dem beigefügten Formblatt Nr. 6 als Beratung im konkreten Fall durchaus zureichend. Gerade der Passus über die nicht rentenversicherungspflichtigen Personen, insbesondere die nicht versicherungspflichtigen Selbständigen, im ersten Absatz der Nummer 2 des Merkblatts, hätten den Kläger zu einer Nachfrage bei der Beklagten veranlassen müssen; auf diese Möglichkeit ist er unter Nummer 4 ausdrücklich aufmerksam gemacht worden. Eine über den Inhalt des Formblatts hinausgehende zusätzliche Beratung ist deshalb nicht erforderlich gewesen, da zur Zeit der Rentenablehnung (Widerspruchsbescheid vom 24.04.1985) der Versicherungsverlauf des Klägers ab 01.01.1984 praktisch noch lückenlos gewesen ist, somit keine Veranlassung bestanden hat, den Kläger auch über die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Beitragsnachentrichtung aufzuklären. Für die Frage der Notwendigkeit einer laufenden Beitragszahlung sind die Hinweise im Bescheid vom 29.11.1984 und im beigefügten Formblatt Nr. 6 ausreichend und verständlich gewesen; sofern dem Kläger die dortigen Hinweise subjektiv nicht verständlich gewesen sein sollten, hätte er von der angebotenen Beratungsmöglichkeit Gebrauch machen müssen.

Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass auch eine etwa unzureichende Beratung nicht kausal für das Unterlassen der freiwilligen Beitragsleistung gewesen wäre, denn es ist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beweisbar, dass der Kläger tatsächlich bereit gewesen wäre, die erforderlichen freiwilligen Beiträge zu entrichten (vgl. hierzu BSG-Urteil vom 25.08.1993 - 13 RJ 43/92; BSG-Urteil vom 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 = SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr. 22 - Seite 77 -).

Der am 29.06.1934 geborene Kläger ist nämlich beim Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1985 erst fünfzig Jahre alt gewesen (vgl. zum Gesichtspunkt des Lebensalters BSG-Urteil vom 06.08.1992 - Az. 8 RKn 9/91, unveröffentlicht, am Ende). Es ist für ihn damals noch keineswegs absehbar gewesen, ob überhaupt und gegebenenfalls wann einmal bei ihm Erwerbsunfähigkeit eintreten würde, ob es sich somit überhaupt lohnen würde, monatlich etwa 100,00 DM an Beiträgen zu zahlen. Dass der Kläger 1985 seine Aussichten, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erlangen, aus unmittelbarer Kenntnis seines tatsächlichen Befindens ehrlicherweise als eher ungünstig angesehen haben muss, ergibt sich aus der Tatsache, dass er mit dem nächsten Rentenantrag doch fünf Jahre gewartet hat. Aus der Sicht des Jahres 1985 hat er im schlimmsten Fall damit rechnen müssen, dass er über viele Jahre hinaus monatlich einen für ihn erheblichen finanziellen Aufwand haben würde, der niemanden zugute käme, wenn er, ohne eine Witwe zu hinterlassen (auch damit musste er rechnen), vorzeitig versterben würde; die zu erwartende geringfügige Erhöhung seiner Altersrente, deren Bezugsdauer ja mehr als ungewiß ist, hat er kaum als ein den Aufwand und den Verzicht lohnendes Ziel ansehen können. Generell muss bei realistischer Betrachtung menschlichen Verhaltens davon ausgegangen werden, dass dann, wenn die Aufrechterhaltung einer Rentenanwartschaft für einen Versicherten mit erheblichen Verzichten auf unbestimmte Zeit verbunden ist, ein solcher Versicherter diese Unannehmlichkeiten nicht auf sich nimmt, da er das Geld für das tägliche Leben braucht; dies gilt nicht nur dann, wenn die Zahlung freiwilliger Beiträge den Versicherten unter die Sozialhilfegrenze drücken würde, sondern auch dann, wenn ein Versicherter trotz Zahlung der freiwilligen Beiträge noch ein ganzes Stück von der Sozialhilfegrenze entfernt wäre (z.B. zahlreiche Hausfrauen, deren Ehemann ein nur geringes, aber über der Sozialhilfegrenze liegendes Einkommen hat). Eine Verpflichtung der Sozialhilfeverwaltung, diese Beiträge zu übernehmen (§ 12 BSHG), kann in den Fällen, in denen die freiwillige Beitragsleistung zur Sozialhilfebedürftigkeit führen würde, im Übrigen nicht gesehen werden, da die Sozialhilfeverwaltung, solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist, damit rechnen muss, dass der Hilfeempfänger später einmal - ohne Eingriffsmöglichkeit der Sozialhilfeverwaltung - eine Lücke in der Beitragsleistung entstehen läßt, die die frühere - auf Kosten des Steuerzahlers erfolgte - Zahlung freiwilliger Beiträge sinnlos macht. Die Beurteilung der Frage der Leitsungswilligkeit darf nicht ex nunc, wenn der Leistungsfall bereits eingetreten ist, erfolgen, sonder muss die damalige Lage des Versicherten möglichst objektiv zugrundelegen und fragen, ob er auch geleistet hätte, wenn es ihm im dargelegten Sinn schwer gefallen wäre.

Letzteres gilt auch für den Vortrag, der Sohn hätte die Zahlungen übernommen. Auch der Sohn hätte nämlich die nach dem objektiven Befund erforderlichen Überlegungen angestellt: Das Lebensalter des Vaters von erst fünfzig Jahren, die Frage, ob sich der Aufwand lohnen würde. Der Sohn des Klägers hat sich sicher keine anderen Vorstellungen über den Gesundheitszustand seines Vaters gemacht als dieser selbst; somit musste er die Aussichten auf eine Rente wegen Erwerbsminderung eher ungünstig beurteilen. Noch mehr als sein Vater musste der Sohn damit rechnen, dass die freiwilligen Beiträge für die Familie verloren sein könnten. Aus der Sicht des Sohnes wäre eine unmittelbare monatliche Unterstützung des Vaters (so erforderlich) im Vergleich zu einer freiwilligen Beitragsleistung sicher als einzig vernünftige Verhalten erschienen. Auch darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass der Sohn in der Zeit ab 1985 seine nicht erwerbstätige Ehefrau und die 1973 und 1982 geborenen Töchter zu versorgen, die familiäre Zukunft aufzubauen hatte. Nach dem vorgelegten Versicherungsverlauf hatte der Sohn des Klägers 1985 ein monatliches Bruttoeinkommen von nur (27.749,00 DM: 12 Monate =) 2.312,00 DM, überschlägig entsprechend netto höchsten 1.700,00 DM; hiervon monatlich etwa 100,00 DM in eine Beitragsleistung zu investieren, deren Wirtschaftlichkeit höchst unsicher erscheinen musste, hätte der Sohn nicht als sinnvoll ansehen können; wenn überhaupt, hätte ihm die Investition dieses Betrags in eine Lebensversicherung auf den Erlebens- und Todesfall viel wirtschaftlicher erscheinen müssen, da sich dann der Verzicht auf jeden Fall ausgezahlt hätte.

Damit ist klar, dass die Übernahme der Beitragsleistung durch den Sohn des Klägers jedenfalls für das Jahre 1985 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen werden kann; eher muss als bewiesen angesehen werden, dass der Sohn die fraglichen Zahlungen nicht geleistet hätte. Weil jeder Monat Lücke bereits schädlich ist, muss die bessere Einkommensentwicklung des Sohnes in den folgenden Jahren außer Betracht bleiben. Es sei jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass es hierauf nicht ankommt, da der Kläger von der Beklagten ausreichend aufgeklärt worden ist, somit keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hat.

Da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch beim Eintritt der Erwerbsunfähigkeit (schon im April 1987 und erst recht) im Januar 1997 nicht mehr vorgelegen haben und auch nicht mehr herstellbar sind, der Kläger somit keinen Rentenanspruch hat, war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 20.10.1992 zurückzuweisen.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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