L 6 RJ 574/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 1120/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 574/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. August 2001 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Rentenbeginn und die Rentenhöhe.

Die Klägerin A. V. , geborene B. , wurde als deutsche Staatsangehörige am 1936 in M. geboren; inzwischen ist Staatsangehörige der Republik Österreich, wo sie sich auch ständig aufhält. Sie hat in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz Pflichtbeitragszeiten in den jeweiligen gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt. Seit 01.05. 1982 erhält die Klägerin "Invaliditätspension wegen dauernder Invalidität" von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle Salzburg. Die Eidgenössische Invalidenversicherung hat ab 01.04.1997 den Anspruch der Klägerin auf "Ordentliche Invalidenrente (ganze Rente)" festgestellt.

Ein erster, am 05.11.1981 gestellter Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gemäß den §§ 1246, 1247 RVO ist von der Beklagten mit Bescheid vom 10.03.1982 abgelehnt worden, weil die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Die Klage zum Sozialgericht München (SG) und die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) sind erfolglos geblieben (Urteile vom 15.03.1983 bzw. 25.10.1983). Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des BayLSG als unzulässig verworfen (Beschluss vom 03.08.1984).

Den erneuten auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag der Klägerin vom 10.10.1984 hat die Beklagte mit Bescheid vom 22.03.1985 und Widerspruchsbescheid vom 23.08.1985 ebenfalls abgelehnt. Erwerbsunfähigkeit liege zwar seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 10.10.1984 vor, mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen könne aber keine Rente gewährt werden. Die zum SG München erhobene Klage hat die Klägerin am 16.07.1987 zurückgenommen, nachdem die medizinische Begutachtung ein vollschichtiges berufliches Leistungsvermögen ergeben hatte (insbesondere Gutachten des Internisten und Röntgenologen Dr. W. vom 17.04. 1987).

Einen weiterer Rentenantrag der Klägerin vom 13.12.1992 ist von der Beklagten mit Bescheid vom 13.07.1993 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.1993 ohne Prüfung des Gesundheitszustands aus versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt worden.

Zum vorliegenden Verfahren führte der am 26.04.1996 von der Klägerin bei der Beklagten gestellte Antrag auf Zahlung von Altersrente für Frauen gemäß § 39 SGB VI, den die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.1996 ablehnte, weil die Klägerin nach Vollendung des 40. Lebensjahrs statt der erforderlichen 121 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten nur 59 zurückgelegt habe.

Die Beklagte deutete anschließend den Antrag vom 26.04.1996 in einen solchen auf Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit um und bewilligte der Klägerin nunmehr mit Bescheid vom 02.01.1997 ab 01.05.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Höhe ab 01.05.1996 rund 440,00 DM). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen waren im Hinblick auf das ab 01.01. 1994 im Verhältnis zu Österreich anwendbare Recht der Europäischen Gemeinschaft (insbesondere Art. 9a VO EWG Nr. 1408/71) erfüllt, da der Bezug der österreichischen Invaliditätspension jetzt als Aufschubtatbestand galt. Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen der Klägerin entnahm die Beklagte einem Gutachten des praktischen Arztes Dr.T. vom 21.10.1996, der zusammenfassend feststellte, dass die Klägerin aufgrund ihres Alters und der Tatsache des bereits langjährigen Invaliditätspensionsbezugs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsetzbar sei, obwohl ihr leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen sicherlich noch zumutbar seien. Dieser Auffassung schloss sich der Prüfarzt der Beklagten Dr.V. an; es handle sich dabei um eine großzügige Betrachtung, die aber gleichzeitig eine Feststellung der Erwerbsminderung für einen früheren Zeitpunkt ausschließe, da jetzt das vorgerückte Alter berücksichtigt werde.

Am 22.01.1997 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 02.01. 1997 Widerspruch ein (Schreiben vom 19.01.1997). Anläßlich eines Sprechtags in Bregenz (am 16.10.1996) seien ihr von dem anwesenden Bediensteten der Beklagten 800,00 DM Monatsrente und für den Zeitraum 01.01.1994 bis 01.01.1996 eine Nachzahlung von 20.000,00 DM versprochen worden.

In einer Stellungnahme hierzu erklärte der Bedienstete, dass diese Darstellung bezüglich des Zeitraums der Rentennachzahlung zutreffe; die unrichtige Auskunft sei erteilt worden, weil ihm der Tatbestand der Klagerücknahme vom 16.07.1987 nicht bekannt gewesen sei. Die Rentenhöhe (416,92 DM monatlich) habe er der Rentenauskunft vom 03.04.1995 entnommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.1997, der der Klägerin in Österreich zugestellt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.01.1997 als unbegründet zurück.

Am 05.05.1997 erhob die Klägerin Klage zum SG München. Sie begehre die ihr zustehende Rente, nämlich in Höhe von 800,00 DM monatlich ab 01.01.1994, unter Anrechnung der Schweizer Zeiten sowie der 1950 bis 1953 in M. zurückgelegten Arbeitszeit.

Die Klägerin macht zu dem Zeitraum 1950 (bzw. 1951 laut Schreiben an die Beklagte vom 23.04.1996) bis 1953 folgende Angaben: Sie sei in dieser Zeit, in der es kaum Hilfskräfte gegeben habe, im evangelischen Kinderheim am O. in M. als unbezahlte Arbeitskraft berufstätig gewesen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern; damals habe sie unter Vormundschaft gestanden und sei nur ausgenützt worden; das evangelische Kinderheim existiere schon lange nicht mehr (Schreiben vom 08.07.1996 an das Stadtjugendamt in M. , Antrag auf unbare Zahlung vom 28.06.1996, Klageschrift vom 29.04.1997 im Verfahren S 10 RJ 1120/97). Einen Beruf habe sie nicht erlernt (Fragebogen vom 16.05.1997 im Verfahren S 10 RJ 1120/97).

Aufgrund der Veränderung des aktuellen Rentenwerts passte die Beklagte mit Bescheid vom 25.06.1998 die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin ab 01.07.1998 an.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 22.02.2001 ab. Der Eintritt der Erwerbsminderung sei von der Beklagten zutreffend auf den Zeitpunkt des Rentenantrags vom April 1996 festgestellt worden. Die von der Beklagten hinsichtlich der Beschäftigungszeiten von 1950 bis 1953 durchgeführten Ermittlungen seien ergebnislos verlaufen. Im übrigen werde gemäß § 136 Abs.3 SGG auf den Widerspruchsbescheid vom 13.03.1997 verwiesen.

Mit Bescheid vom 16.08.2001 zahlte die Beklagte der Klägerin ab 01.07.2001 Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs.

Am 04.10.2001 ging die Berufung der Klägerin gegen das ihr am 20.07.2001 in Österreich zugestellte Urteil vom 22.02.2001 beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung legte sie eine Erklärung der Zeugin H. P. vor, in der diese erklärte, sie habe die Klägerin zum Sprechtag der LVA Oberbayern in Bregenz begleitet. Dort habe der Bedienstete der LVA festgestellt, dass die monatliche Rente 800,00 DM und die zu erwartende Nachzahlung 20.000,00 DM betragen werde.

Der Senat zog die Klageakten des SG München Az.: S 7 Ar 527/82, S 4 Ar 1834/85 und - das vorliegende Verfahren betreffend - S 10 RJ 1120/97 sowie die erledigte Berufungsakte des BayLSG Az.: L 6 Ar 352/83 und die Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Versicherungskarten der Klägerin bei.

Die Beklagte führte im Hinblick auf die durchgeführte Aktenverdünnung Ermittlungen bezüglich der von der Klägerin geltend gemachten Versicherungszeiten von 1950 bis 1953 durch und legte das nach ihrer Mitteilung negative Ergebnis dem Senat vor.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des SG München vom 22.02.2001 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 02.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1997 einschließlich des Folgebescheides vom 25.06.1998 sowie des Bescheides 16.08.2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr bereits ab 01.01.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen und hierbei ab Rentenbeginn eine Rentenhöhe von monatlich 800,00 DM festzustellen sowie bei der Rentenberechnung die von 1950 bis 1953 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten zu be- rücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 16.08.2001 abzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG München vom 22.02.2001 ist nicht zu beanstanden, weil die Renten der Klägerin (Erwerbsunfähigkeitsrente und Altersrente) von der Beklagten sowohl bezüglich des Rentenbeginns als auch der Höhe nach richtig festgestellt worden sind; insbesondere sind auch keine weiteren Zeiten anrechenbar.

Als einziger Punkt, der für die Höhe der Rente Bedeutung haben könnte, wird von der Klägerin geltend gemacht, sie habe im Zeitraum 1950 bis 1953 weitere rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt. In Betracht kämen nach dem Vortrag der Klägerin, sie habe keine Berufsausbildung zurückgelegt und sei in dieser Zeit in dem evangelischen Kinderheim am O. in M. als Arbeitskraft berufstätig gewesen, weiterhin nach dem Eintrag in der Meldekarte der Stadt M. , die Klägerin sei Hausgehilfin, nur Pflichtbeitragszeiten.

Zunächst sind für den streitigen Zeitraum keine Unterlagen vorhanden, die zum Nachweis eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses dienen würden. So fehlt ein die Klägerin betreffender Eintrag in den bei der Stadt M. vollständig vorhandenen Unterlagen über die ausgestellten und aufgerechneten Versicherungskarten; hieraus ist zu schließen, dass anlässlich der von der Klägerin angegebenen Beschäftigung ab 1950 keine Versicherungskarte ausgestellt worden ist. Auch die AOK Memmingen konnte für den fraglichen Zeitraum keine Mitgliedschaft feststellen. Zudem ist die Quittungskarte Nr. 1 erst am 15.10.1953 auf die LVA Ober- und Mittelfranken ausgestellt worden aufgrund eines am 13.10.1953 beginnenden Beschäftigungsverhältnisses in N. ; auch dies ist ein Hinweis dafür, daß für die davorliegende Zeit nie eine Versicherungskarte existiert hat. Aus dem Fehlen dieser Beitragsnachweise muss auf das Fehlen der Beitragsleistung geschlossen werden.

Dass 1950 bis 1953 für die Klägerin Beiträge gezahlt worden sind, oder dass Beiträge vom Lohn abgezogen worden und dann nicht abgeführt worden sind, ist gänzlich unwahrscheinlich, weil die Klägerin selbst angibt, sie habe für die fragliche Beschäftigung kein Entgelt erhalten. Eine nachträgliche Zah- lung von Pflichtbeiträgen für den streitigen Zeitraum gemäß § 197 SGB VI wäre im Übrigen nicht mehr möglich, selbst wenn man vom Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäfti- gungsverhältnisses ausginge, das aber wegen des Untergangs der Einrichtung ohnehin nicht einmal mehr glaubhaft gemacht werden kann. Sollte der Vormund eine möglicherweise rechtlich vorliegende Schwarzarbeit damals - vielleicht aus Unkenntnis - gedeckt haben, wäre dies der Klägerin nämlich zuzurechnen.

Damit kommt die Berücksichtigung weiterer Beitrags- oder sonstiger rentenrechtlicher Zeiten bei der Berechnung der Renten der Klägerin nicht in Betracht.

Dass die Klägerin über den Rentenbeginn anläßlich des Sprechtags in Bregenz am 16.10.1996 eine nicht zutreffende mündliche Auskunft erhalten hat, ist ohne rechtliche Bedeutung, zumal eine Entscheidung über die Rentenleistung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf, vgl. § 117 SGB VI. Über die Rentenhöhe ist sie sicher richtig informiert worden, weil der Bedienstete der Beklagten die vorliegende Rentenauskunft benutzt hat; aber selbst wenn der die Rentenhöhe betreffende Vortrag der Klägerin zutreffen sollte, gälte auch hier § 117 SGB VI.

Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Beklagte den Eintritt der Erwerbsminderung auf den 26.04.1996 (Zeitpunkt des Antrags) und den Beginn der Erwerbsunfähigkeitsrente demgemäß (§ 99 Abs.1 Satz 1 SGB VI) auf den 01.05.1996 festgestellt hat. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr.T ... Hiernach steht fest, dass das Absinken des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin auf einem schleichenden Prozess beruht hat, nicht auf einem zeitlich fixierbaren dramatischen Ereignis, daß somit eine genaue Datierung nicht möglich ist; diese Unmöglichkeit der konkreten Feststellung geht nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Weiterhin ist Dr.T. bei seiner Beurteilung von einem grundsätzlich noch vollschichtigen beruflichen Leistungsvermögen ausgegangen; er hat nur im Hinblick auf das vorgerückte Alter und die lange Arbeitsabstinenz - beides Kriterien, die an sich bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit irrelevant sind - das Votum "dauernd invalid" abgegeben. Hieraus könnte sogar entnommen werden, dass die Klägerin bei strenger Betrachtungsweise damals noch gar nicht erwerbsgemindert gewesen ist. Die Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung ist damit für die Klägerin keinesfalls ungünstig.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 22.02.2001 war somit zurückzuweisen, ihre Klage gegen den Bescheid vom 16.08.2001, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen gerichtlichen Verfahrens geworden war, war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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