L 6 RJ 440/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 556/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 440/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zahlung eines Zuschusses zum Erwerb eines Kraftfahrzeugs.

Der am 1961 geborene Kläger hat im Jahre 1999 bei einem Motorradunfall u.a. einen Verlust des linken Beines im Oberschenkel erlitten. Auf den Antrag vom 02.08.1999 und den Weitergewährungsantrag vom 23.08.2001 leistete ihm die Beklagte mit Bescheiden vom 14.03.2001 und 18.10.2001 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 14.10.1999 bis 31.12.2003. Seit 01.12.2000 ist der Kläger bei seinem ehemaligen Arbeitgeber wieder in Teilzeit beschäftigt. Als berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation hat ihm die Beklagte mit Bescheid vom 01.03. 2000 die Übernahme der Kosten eines Arthrodesenstuhls sowie eine Umschulung zum CAD-Zeichner bewilligt.

Am 21.12.1999 hatte der Kläger bei der Beklagten Hilfe zu den Anschaffungskosten eines Kraftfahrzeugs beantragt. Er habe sich bereits einen Gebrauchtwagen angeschafft, der mit der notwendigen Automatik ausgestattet sei, über die sein früherer Pkw nicht verfügt habe.

Mit Bescheid vom 01.03.2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe ab mit der Begründung, gemäß § 10 Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) habe die Antragstellung vor dem Abschluss des Kaufvertrages über das neue Fahrzeug zu erfolgen. Da der Kaufvertrag bereits am 15.07.1999 abgeschlossen worden sei, sei der Antrag abzulehnen gewesen.

Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und ausgeführt, es habe sich kurzfristig die Möglichkeit ergeben, ein seinen Bedürfnissen als Oberschenkelamputierter entsprechendes Fahrzeug mit Automatik zu erwerben, das nicht längerfristig für ihn in Reserve habe gehalten werden können. Im Übrigen handele es sich bei § 10 KfzHV um eine "Soll-Bestimmung", die es auch ermögliche, über einen nach Abschluss des Kaufvertrages gestellten Antrag positiv zu entscheiden. Die Mehrkosten seien zunächst gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners geltend gemacht worden; nach einem sich über Monate hinziehenden Schriftwechsel habe festgestanden, dass dieser nicht zur Tragung der Kosten bereit gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Beim Kläger bestehe seit seinem Unfall bis voraussichtlich Ende 2001 vorübergehende Erwerbsunfähigkeit, weshalb aus derzeitiger Sicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer beruflichen Reha-Maßnahme und somit für die Gewährung einer Hilfe zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs nicht gegeben seien. Im Übringen hätte der Kläger auch angesichts der verspäteten Antragstellung keinen Anspruch auf einen Zuschuss haben können, wenngleich bei einem atypischen Fall aufgrund der Unfallfolgen die Notwendigkeit, ein Kraftfahrzeug anzuschaffen, noch gesehen werden könnte. Der Antrag des Klägers sei jedoch weit außerhalb der zulässigen Einmonatsfrist gestellt worden. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien keine Gründe ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben mit der Begründung, aufgrund der Oberschenkelamputation sei er nicht mehr in der Lage gewesen, sein bisheriges Kraftfahrzeug zu fahren, weshalb er am 15.07.1999 ein auf seine speziellen Bedürfnisse abgestimmtes Kraftfahrzeug mit Automatik erworben habe. Der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners habe sich nach mehrmonatiger Korrespondenz schließlich nur zur Übernahme der durch das Automatikgetriebe entstandenen Mehrkosten in Höhe von 2.400,- DM bereit erklärt. Nachdem dem Bevollmächtigten das letzte, weitere Ansprüche ablehnende Schreiben der Versicherung am 29.11.1999 zugegangen sei, sei am 21.12.1999 bei der Beklagten Antrag auf Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe gestellt worden. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der Antrag sei verspätet gestellt worden, da sich aus § 10 KfzHV keine zwingende Verpflichtung ergebe, die Leistung vor dem Abschluss eines Kaufvertrags zu beantragen.

Mit Urteil vom 11.07.2002 gemäß § 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, das dem Versicherungsträger in § 9 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eingeräumte Ermessen betreffend die Leistungen zur Teilhabe, wäre durch die Regelungen der KfzHV in einzelnen Aspekten näher eingeschränkt. So sei in § 10 KfzHV geregelt, dass Leistungen der Kraftfahrzeughilfe vor dem Abschluss eines Kaufvertrags über das Kraftfahrzeug und die behinderungsbedingte Zusatzausstattung beantragt werden sollten. Damit habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass der Rentenversicherungsträger, der hier eine zukunftsorientierte und mit prognoseähnlichen Elementen vermischte abwägende Entscheidung zu treffen habe, in die Lage versetzt werden solle, seiner Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung, zur Beratung und zur Ermessensentscheidung über die sinnvollste Rehabilitation des Versicherten ordnungsgemäß nachzukommen. Der Kläger habe mit seinem fünf Monate nach Anschaffung des Kraftfahrzeugs gestellten Antrag die Verpflichtung zur vorherigen Antragstellung offensichtlich verletzt. Zwar könnte unter besonderen Umständen beim Vorliegen eines sogenannten atypischen Sachverhalts der Antrag auch noch dann gestellt werden, wenn der Versicherte seinen Bedarf bereits selbst gedeckt habe. Dies folge daraus, dass § 10 KfzHV lediglich eine Sollvorschrift sei. Aber auch wenn man zugunsten des Klägers eine derartige atypische Sachverhaltssituation unterstelle, könne sein Begehren keinen Erfolg haben. In ständiger Rechtsprechung gehe das Bundessozialgericht davon aus, dass die Frist, innerhalb der ein Antrag in solchen Fällen zu stellen sei, dem § 10 Satz 2 KfzHV zu entnehmen sei. Diese Vorschrift sehe einen Zeitraum von einem Monat nach Rechnungsstellung vor. Hinsichtlich der Versäumung der Monatsfrist könne dem Kläger auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewährt werden, was nur dann möglich wäre, wenn jemand ohne Verschulden gehindert gewesen sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der entsprechende Antrag sei innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Auch wenn man bei der vorliegenden Sachlage zu Gunsten des Klägers unterstelle, dass er seinen Antrag auf Wiedereinsetzung konkludent durch Nachholung der versäumten Handlung rechtzeitig gestellt habe, sei er nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, die Frist des § 10 KfzHV einzuhalten. Schon relativ bald nach seinem Verkehrsunfall sei für den Kläger deutlich geworden, dass er künftig nur noch Fahrzeuge mit Automatikgetriebe würde führen können. Auch wenn deshalb zunächst primär Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer seines Unfallgegners geführt worden seien, sei er durch diese keineswegs gehindert gewesen, bei der Beklagten rechtzeitig einen Zuschuss unter Mitteilung der laufenden Verhandlungen zu beantragen. Es sei allgemein bekannt, dass die Bewilligung von Sozialleistungen eine vorherige Antragstellung erfordere. Ausgehend davon habe der Kläger mit seiner Verhaltensweise nicht die Sorgfalt beachtet, die einem gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen des Falles zuzumuten gewesen wäre. Die verspätete Antragstellung sei daher schuldhaft im Sinne der Vorschrift des § 27 SGB X gewesen. Dies gelte auch für den Fall, dass sich der Erwerb des Fahrzeuges im Juli 1999 kurzfristig angeboten habe und der Verkäufer großen Wert auf eine definitive Kaufzusage gelegt habe. Denn auch dann gelte, dass der Kläger den notwendigen Antrag jedenfalls innerhalb der für atypische Fälle geltenden nachträglichen Monatsfrist hätte stellen müssen und können.

Dagegen richtet sich die ohne Begründung eingelegte Berufung des Klägers. Der Senat hat ihn auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen (Urteile des BSG vom 16.11.1993, 16.12.1993 und 15.12.1994, in SozR 3-5765 § 10 KfzHV Nrn.1, 2, 3), die sich mit der Auffassung des Sozialgerichts decke.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.07.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zu dem am 15.07.1999 erfolgten Erwerb eines Kraftfahrzeuges der Marke Ford Mondeo (Zulassung 30.01.1998), stattzugeben, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen Bezug genommen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Akten der Beklagten sowie des Sozialgerichts Augsburg, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Zwar betrifft das Rechtsmittel eine (einmalige) Geldleistung; nachdem diese jedoch mit Sicherheit 500,- Euro übersteigt, musste es nicht eigens durch das Sozialgericht zugelassen werden (§ 144 Abs 1 Satz 1 SGG).

In der Sache erweist sich die Berufung als unbegründet, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf einen Zuschuss zum Erwerb eines Kraftfahrzeugs im Rahmen der Rehabilitation (Teilhabe) gemäß § 9 SGB VI hat. Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Leistung zur Teilhabe, insbesondere der Vorschrift des § 10 KfzHV, die dabei zu beachtenden Fristen und die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sieht der Senat gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen hat. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (Urteile vom 16.11.1992, 16.12.1993, 15.12.1994 in SozR 3-5765 § 10 Nrn 1, 2, 3) entschieden und auch eingehend dargestellt, dass dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Ein Rehabilitationsbedarf, der bereits vor Eingang des Antrags beim Rentenversicherungsträger durch eigene Bemühungen des Versicherten oder durch Leistung anderer befriedigt worden ist, kann nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts nicht Gegenstand einer Ermessensentscheidung über die Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation sein; der Renten- und Versicherungsträger ist kein bloßer Kostenträger (BSG vom 16.11.1993 aaO).

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg konnte deshalb keinen Erfolg haben und musste mit der Kostenfolge aus § 193 SGG als unbegründet zurückgewiesen werden. Es bestand auch keine rechtliche Grundlage für eine Entscheidung entsprechend dem hilfsweise gestellten Antrag, da die Entscheidung der Beklagten der Rechtslage entsprochen hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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