L 5 RJ 618/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 826/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 618/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1948 geborene Kläger wohnt wieder in seinem Heimatland Kroatien und erhält dort ab dem 11.12.1996 Invalidenrente. In Deutschland war er vom 01.11.1991 bis 09.03.1996 durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt. Auf seinen Rentenantrag vom 04.03.1996 hin wurde er vom 22.09. bis 24.09.1997 in der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg durch den Arzt für Radiologie Dr. S. , den Internisten Dr. R. , den Internisten Dr. L. und den Psychiater Dr. A. begutachtet. Entgegen der Einschätzung der kroatischen Invalidenkommission vom 23.01.1997 stellten diese trotz eines Alkoholismus mit posttraumatisch-alkoholischer Epilepsie ein vollschichtiges Leistungsvermögen fest. Dies bestätigte der Nervenarzt Dr. L. als Beratungsarzt der Beklagten am 03.03. 1998, verneint es jedoch, dass der Kläger weiterhin als Kellner tätig sein könne.

Mit Bescheid vom 07.01.1998/Widerspruchsbescheid vom 17.03.1998 wies die Beklagte den Rentenantrag zurück.

Hiergegen hat der Kläger unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Hausarztes Dr. T. vom 28.04.1998 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) eingelegt und angeführt, dass er seinen Beruf als Kellner wegen seines Anfallsleidens nicht mehr ausüben könne. Ausgehend von einem Schädeltrauma im Dezember 1991 (Sturz wegen Glatteises) habe sich ein cerebrales Anfallsleiden entwickelt, wobei es u.a. am 20.03.1995 nach Alkoholgenuss und am 02.02.1996 zuletzt zu einem generalisierten Krampfanfall mit Bewusstseinsverlust gekommen sei. Nach einem Bericht des Neurologen Dr. B. vom 24.03.1995 komme es etwa zweimal im Jahr zu in typischer Weise stattfindenden Grand-mal-Anfällen.

Das SG hat am 10.03.1999 nach Aktenlage ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. und des Internisten Dr. R. vom 19.03.1999 eingeholt, wonach ohne Zweifel vom Vorliegen einer chronischen Alkoholabhängigkeit ausgegangen werden müsse. Danach komme es bei cerebralen Krampfanfällen auf deren Häufigkeit an. Allerdings sei man dabei meist auf die Angaben des Betroffenen oder seiner Umgebung angewiesen. In Deutschland sei eine Anfallshäufigkeit von zweimal pro Jahr, in Jugoslawien von acht- bis zehnmal aufgezeichnet. Der Kläger selbst habe in Regensburg eine Häufigkeit von allen zwei Monaten angegeben. Es falle aber auf, dass keine den Krämpfen gegensteuernde Behandlung mit entsprechenden chemischen Substanzen erfolge. Es sei daher von einem offenbar eher mäßig ausgeprägten Alkoholmissbrauch und vom Vorliegen cerebraler Krampfanfälle auszugehen, deren genaue Frequenz schlecht abzuschätzen sei. Bei dem völlig unauffälligen Befund bestehe auch keine schwerwiegende organische Wesensveränderung. Damit könne der Kläger durchaus noch leichte bis zeitweise mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen acht Stunden täglich verrichten. Unzumutbar seien Tätigkeiten mit Eigen- oder Fremdgefährdung durch einen Anfall und Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit. Es sei auch davon auszugehen, dass sich der 50-jährige Kläger auf einfache Anlerntätigkeiten noch ausreichend umstellen könne.

Durch Urteil vom 21.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Berufsunfähig sei der Kläger nicht, weil er als angelernter Servierer (Lohngruppe III/9c des Manteltarifvertrags des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg) auf der (nicht oberen) Anlernebene einzuordnen und damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne. Dort habe er aber nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen noch ein Restleistungsvermögen in vollschichtigem Ausmaß. Soweit aber wegen seiner Weigerung zur Untersuchung anzureisen, eine Untersuchung nicht habe stattfinden können, gehe dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu seinen Ungunsten aus.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Nach Beiziehung der Unterlagen der Arbeitsverwaltung hat der Senat ein Gutachten nach Untersuchung beim Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. vom 19.01.2001 eingeholt. Dieser diagnostizierte die bereits bekannten Leiden und sieht zusätzlich neben dem cerebralen Anfallsleiden und dem Alkoholabhängigkeitssyndrom eine Anpassungsstörung mit vorwiegend reaktiv-depressiver Symptomatik bei psychosozialer Belastungssituation. Dennoch sei der Kläger in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit regelmäßig acht Stunden arbeitstäglich Arbeiten zu verrichten, sofern in qualitativer Hinsicht Abstriche gemacht würden (keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder auf laufenden Maschinen oder in Wechsel- bzw. Nachschicht). Durch die Alkoholabhängigkeit, die Anpassungsstörung mit reaktiver Depression und das Kopfschmerzsyndrom ergäben sich weitere Einschränkungen dahingehend, dass keine Arbeiten mit erleichtertem Zugriff auf Alkohol durchgeführt werden sollten, ebenso keine Arbeiten unter Zeitdruck und mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen. Die Leistungsfähigkeit sei in diesem Ausmaß bereits seit 1992 gemindert, zumindest aber seit dem 04.03.1996 bzw. ab Januar 1998. Zusätzlich hat der Facharzt für innere Medizin W. M. junior am 09.12.2000 (126 ff.) ein Gutachten erstattet, welches die bisherigen Gutachtensergebnisse bestätigte. Auch danach ist der Kläger in der Lage, acht Stunden täglich Arbeiten zu verrichten. Zweifelhaft sei, ob die Diagnose eines Diabetes mellitus bestätigt werden könne.

Wegen des Anfallsleidens hat der Senat die Beklagte befragt (Stellungnahme von Dr. L. vom 25.04.2001), wonach die Häufigkeit der Anfälle mit etwa fünf bis zehn Anfällen pro Jahr anzunehmen sei. Dazu ist nochmals eine qualifizierte Stellungnahme am 13.08.2001 angefordert worden, die Dr. L. am 23.08.2001 dahingehend beantwortet, dass das Anfallsleiden in die Kategorie C einzuordnen sei. Möglicherweise wäre auch eine Einordnung in B der Fall, keinesfalls jedoch in eine solche in Gefährdungskategorie D. Dazu hat dann auch Dr. D. noch am 05.10.2001 Stellung genommen. Danach sei eine differenzierte Befragung des Klägers zu seinen Anfällen kaum möglich gewesen. Im Gegensatz dazu habe die Ehefrau über etwa fünf Anfälle pro Jahr berichtet, bei denen er aber nicht immer umfalle, jedoch immer starr vor sich hinblicke mit Schaum vor dem Mund. Allein aus der Diskrepanz der Daten in den medizinischen Unterlagen und den Angaben der Ehefrau ergebe sich, dass die Angaben des Klägers selbst sehr unzuverlässig seien. Auffällig sei auch, dass eine adäquate antiepileptische Therapie nicht durchgeführt werde. Von einer regelmäßigen Einnahme könne keinesfalls ausgegangen werden. So sei der Kläger ohne entsprechende Medikamente angereist. Hierdurch wäre auch eine Reduktion der Anfallshäufigkeit zu erwarten. Daher erscheine insgesamt eine Anfallsfrequenz in Höhe von fünf bis zehn Anfällen im Jahr am plausibelsten, also weniger als einem Anfall im Monat. Unter Berücksichtigung der angedienten Literatur werde man daher von der Gefährdungskategorie B bis zur Kategorie C ausgehen müssen. Zur Frage der resultierenden Arbeitsunfähigkeitszeiten würde dies, ausgehend von zehn Anfällen pro Jahr, bedeuten, dass maximal zehn bis zwanzig Arbeitstage wegen dieses Leidens ausfielen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Landshut vom 21.05.1999 sowie des Bescheides vom 07.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1998 zu verur- teilen, ihm ab 01.04.1996 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 21.05.1999 zurückzuweisen.

Wegen Einzelheiten wird auf die Akten erster und zweiter Instanz, sowie die vom Beklagten vorgelegten Aktenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetzes - SGG), aber nicht begründet.

Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EU wie BU) richtet sich nach dem SGB VI, weil er sich ausschließlich auf Zeiten nach dem 31. Dezember 1991 bezieht (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI). Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen EU, wenn sie

1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und 3. vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Voraussetzungen nach Ziffer 2 haben bis April 1998 vorgelegen (vgl. § 44 Abs. 4 SGB VI) sowie zum Zeitpunkt der Entscheidung ab 1.12.1998 wegen des neuen Abkommens mit Kroatien aus dem Jahr 1998 (G vom 25.8.1998 zum Abk vom 24.11.1997, BGBl. II, 2034, vgl. Artikel 25 Absatz 2), wonach die ab 11.12. 1996 bezogen kroatische Rente als Streckungszeit gilt (§§ 44 Abs. 4, 43 Abs. 3 Nr.1 SGB VI).

Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 SGB VI (RRG 92 nach 1996 und vor 2001) Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße bzw. ab 01.04.1999 einen Betrag von 630 DM übersteigt. Diese Vorschrift beschreibt den Versicherungsfall der EU im wesentlichen dahin, dass das Herabsinken der Fähigkeit, auf dem Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein und Einkommen zu erzielen, von einem bestimmten Grade an einen Rentenanspruch auslöst. Dazu hat das BSG in erweiternder Auslegung des bloßen Wortlauts ("in gewisser Regelmäßigkeit") entschieden, dass das Leistungsvermögen an den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarktes zu messen ist. Nur diejenigen Möglichkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt konkret feststellbar sind, können als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Erwerbseinkommen zu erzielen, herangezogen werden (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 14 mwN). Dies betrifft zunächst die sogenannte Arbeitsmarktrente. Denn einem Versicherten, der nurmehr im Maß des Untervollschichtigen tätig sein kann, gilt der Arbeitsmarkt praktisch als verschlossen (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12.1996, BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr.13; beibehalten im Reformgesetz der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. 1827 nach § 43 Abs.3, 2. Halbsatz n.F.). Bei dieser sogenannten Arbeitsmarktrente beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht nur nach der im Gesetz allein genannten - gesundheitlichen - Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten, sondern auch danach, durch Arbeit Erwerb zu erzielen, was bei einem lediglich zur Teilzeitarbeit fähigen Versicherten - zur Zeit - nicht der Fall ist.

Am vollschichtigen Erwerbsvermögen des Klägers bestehen keine Zweifel. Dies bestätigen überzeugend sämtliche Sachverständige, Dres. H. , D. , R. und W. M. junior sowie die Gutachter der Beklagten Dres. S. , R. , L. , A. und L ... Die anders lautenden Feststellungen der Invalidenkommission sind insoweit widerlegt. Die Fähigkeit des Klägers, iS von § 44 Abs 2 SGB VI eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben (oder mehr als nur geringfügiges Einkommen durch Erwerbstätigkeit zu erzielen), ist durch diese gesundheitlichen Einschränkungen von etwa fünf bis zehn Anfällen pro Jahr auch nicht wegen nicht mehr hinnehmbarer Ausfallzeiten aufgehoben. Die Anfälle treten damit beim Kläger nach Ansicht des Senats nicht derart häufig auf, dass damit erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten verbunden sind, die die Fähigkeit ausschließen, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14).

Im Regelfall ist damit für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich, wenn der Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig ohne weitere große Einschränkungen verrichten kann. Die konkrete Bezeichnung von Verweisungstätigkeiten ist nur dann erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Gleiches gilt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters im unteren Bereich und der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters (GS vom 19.12.1996, SozR 3-2600 § 44 Nr 8 (Leitsatz 1-3 und Gründe), wie es beim Kläger nach den zutreffenden Feststellungen der Vorinstanz der Fall ist. Der Senat weist insoweit die BU-Rente betreffend (vgl. § 43 SGB VI VI a.F. bis 01.01.2001 bzw. § 240 n.F.) die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG als unbegründet zurück und sieht - insbesondere was die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit und das Unvermögen zur Ausübung der letzten Berufstätigkeit und den sog. Berufsschutz mit seinen Auswirkungen auf einen Anspruch auf BU-Rente betrifft - von einer weiteren eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG in der Fassung der Vereinfachungsnovelle vom 11.01.1993, BGBl. I, 50). Ergänzend wird ausgeführt, dass der Kläger schon nach seinen Angaben keinen Beruf erlernt hat und in der Bundesrepublik Deutschland als angelernter Arbeiter tätig war, zuletzt als Speisekellner. Nach der Auskunft des Arbeitgebers über die Beschäftigung vom 01.08.1994 - 06.04.1995 handelte es sich um eine Tätigkeit mit weniger als drei Monaten Anlernzeit, deren Bezahlung der niedersten beim Servierpersonal entsprach.

Darüber hinaus ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger auch nicht wegen der Art seiner Leistungseinschränkungen erwerbsunfähig ist. Bei bestehendem Epilepsieverdacht bei ungelernten Versicherten ist zwar weiter daran zu denken, ob ihnen eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist, wenn sie in ihrem Berufsleben nur körperlich beanspruchende Tätigkeiten verrichtet haben und nur noch körperlich leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung ohne besondere Anforderungen an Übersicht, Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein verrichten können (vgl. BSG 13. Senat, 23. März 2000, Az: B 13 RJ 65/99 R). Nach den Feststellungen der Sachverständigen, insbesondere des Dr. D. , leidet der Kläger an einer Epilepsie mit seltenen großen Anfällen (zweimal im Jahr oder etwa fünf bis zehn Anfällen pro Jahr, Anfallsleiden der Kategorie C, keinesfalls jedoch der Gefährdungskategorie D) und einer Anpassungsstörung mit vorwiegend reaktiv-depressiver Symptomatik bei psychosozialer Belastungssituation. Eine Beweisregel , dass in Zweifelsfällen die Anspruchsvoraussetzungen zugunsten des Anspruchstellers anzunehmen sind, kennt das sozialgerichtliche Verfahren nicht. Es erfolgt keine Abkehr vom Grundsatz der objektiven Beweislast und verbleibt bei der Beweisanforderung eines der Gewissheit nahekommenden Grades der Wahrscheinlichkeit (BSGE 7, 106, 19, 53; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 118, RdNr.5). Insgesamt erscheint nach den Ausführungen von Dr. D. eine Anfallsfrequenz in Höhe von fünf bis zehn Anfällen im Jahr plausibel. Daraus resultieren Arbeitsunfähigkeitszeiten von maximal zehn bis zwanzig Tagen. Dazu hat Dr. D. die fremdanamnestischen Angaben gewürdigt und selbst den Kläger und dessen Ehefrau befragt. Als bewiesen im o.g. Sinne sind jedoch nur 5 Anfälle im Jahr anzusehen. An einer größeren Anfallsfrequenz muss gezweifelt werden, weil der Kläger keine den Krämpfen gegensteuernde Behandlung mit entsprechenden chemischen Substanzen durchführt und sein Hausarzt Dr. T. , der ihn am besten kennen muss, im Antrag auf Rehabilitation/Entzugsbehandlung vom 13.02.1996 von zwei generalisierten Anfällen im Jahr spricht, im übrigen nur diejenigen vom April 1995 und 02.02.1996 anführt und das Leiden als niedrigfrequent bezeichnet. Auch nach dem Bericht des Neurologen Dr. B. vom 24.03.1995 kommt es nur etwa zweimal im Jahr zu in typischer Weise stattfindenden Grand-mal-Anfällen.

Damit liegt kein schweres Anfallsleiden vor, das unübliche Arbeitsbedingungen erfordert und was bereits von dem "Katalog seltener Tätigkeiten" erfasst wird (BSG 13. Senat, 8. November 1995, Az: 13/4 RA 93/94, aber auch des 4. und 5. Senats mit Urteilen vom 25. Juni 1986 und 9. September 1986 - SozR 2200 § 1246 Nrn 137, 139 - bzw. Urteil der 4. Senat vom 25. Januar 1994 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 41, in dem der "Katalog" als abschließend bezeichnet wird). Eine derartige Erkrankungsintensität sieht der Senat nicht als gegeben. Der Schweregrad der Erkrankung ist abgeklärt. Der Sachverständige Dr. D. hat die maßgebliche arbeitswissenschaftliche und sozialmedizinische Literatur beachtet. Auch im Zusammenwirken mit dem Beratungsarzt Dr. L. sind Gefährdungskategorien von B und ev. C (bei insgesamt 0,A,B,C,D, vgl. Suchenwirth, Kunze, Krasney, Neurologische Begutachtung, 3. Auflage 2000, S.442 ff. Tabelle 26; Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Aufl. 440 ff. ) anzunehmen. Hinzu kommt, dass der maßgebliche Auslöser der Anfälle, nämlich Alkoholgenuss, im Arbeitsleben weitgehend entfällt, vermeidbar ist und die Einschränkung auf Arbeitsplätze ohne Zugang zu Alkohol den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wesentlich verengt. Auch bestehen bei Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften keine Regresspflichten des Arbeitgebers (Suchenwirth a.a.O. S.443). Im übrigen geht der Senat zusammen mit der bekannten obergerichtlichen Rechtssprechung davon aus, dass bis zu zwei Anfällen im Monat auf dem Arbeitsmarkt noch toleriert werden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg 2. Senat, 15. September 1999, Az: L 2 RJ 1/98), zumal ein solcher Anfall auch am Wochenende auftreten kann und sich damit nicht arbeitsmäßig auswirkt.

Auch unter Beachtung der Grundsätze zur schweren spezifischen Leistungsbehinderung (BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 8 und 14, S. 44) gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfügbar ist (vgl. § 119 SGB III). Auch im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen brauchen dem Kläger (der noch in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 6 kg ohne Nachtschicht, ohne Akkordarbeit, ohne geistige und nervliche Beanspruchung, nicht an ungeschützten Maschinen und ohne Führen von Fahrzeugen zu verrichten) keine konkreten Berufstätigkeiten benannt werden. Die genannten qualitativen Einschränkungen sind Leistungseinschränkungen, die bei einer Vielzahl von Versicherten bis zur Erreichung der Regelaltersrente zu finden sind. Sie stellen keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen dar. Das Feld körperlich leichter Arbeiten wird nicht zusätzlich wesentlich eingeschränkt, weil diese nicht typischerweise unter den Bedingungen der qualitativ ausgeschlossenen Tätigkeiten ausgeübt werden. Es sind dem Kläger mit seinem Restleistungsvermögen zumindest Arbeitsfelder in ungelernten Tätigkeiten zumutbar, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von gesicherten Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen. Dabei handelt es sich um Leistungen, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. Diese Beschreibung genügt hier beim Schweregrad des vorliegenden Anfallsleidens, anders als bei qualifizierten Berufstätigkeiten. Denn Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ("Hilfsarbeiten") entziehen sich einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeit beschreiben. Hinzu kommt, dass sich allgemeine Hilfsarbeiten von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz nur wenig unterschieden.

Einem epileptischen Versicherten kann zwar weiterhin Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes zustehen, wenn für sein Restleistungsvermögen geeignete Arbeitsplätze zwar vorhanden und allgemein zugänglich sind, jedoch bei den in Frage kommenden Arbeitgebern erhebliche, sachlich gerechtfertigte Vorbehalte (im Gegensatz zu unmittelbaren krankheits- d.h. personen-bezogene Einstellungshemmnisse) gegen die Einstellung vergleichbarer Anfallsleidender bestehen (BSG 13. Senat, 8. November 1995, Az: 13/4 RA 93/94). Betroffen sind insoweit auch die Fälle ansteckender und ekelerregender Krankheiten. Dazu ist das BSG in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass diejenigen Versicherten, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt deshalb verschlossen oder besonders stark erschwert ist, weil sie an ekelerregenden oder anstecken- den Krankheiten leiden, nicht auf die Tätigkeiten verwiesen werden können, die sie an sich noch zumutbar verrichten könnten, es sei denn, sie hätten einen solchen Arbeitsplatz nicht nur vergönnungsweise inne oder ihnen würde ein solcher Arbeitsplatz angeboten (vgl. z.B. BSGE 31, 233, 234 = SozR Nr 86 zu § 1246 RVO; dazu auch Kunze SozVers 1979, 35, 37 mwN). Aber auch schon das Reichsversicherungsamt (AN 1925, 35) hat angenommen, dass die Weigerung der Mitangestellten gegenüber einem an einer ansteckenden Krankheit leidenden Arbeitnehmer nach der besonderen Sachlage gerechtfertigt sein muss, um bei diesem BU annehmen zu können (zustimmend BSGE 13, 255, 257). Angesichts der subjektiven Ausprägung der Einstellungshindernisse kann eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen Krankheit nur mit Zurückhaltung bejaht werden (vgl. BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 5 mwN). Die der Beschäftigung eines epileptischen Versicherten entgegenstehenden Hemmungen müssten derart stark sein, dass ihm praktisch kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht (vgl. BSG SozR Nr. 11 zu § 46 RKG mwN). Das kann angesichts der modernen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse und Vorkehrungen (Suchenwirth a.a.O. S.443 f.) bei Anfallsleidenden nicht mehr angenommen werden. Zum anderen kann nicht jedweder noch so starke Vorbehalt der Arbeitgeber oder der Belegschaften gegen Anfallsleidende - unabhängig davon, worauf er beruht - zu einem Rentenanspruch führen. Ebenso wie bei der Bedeutsamkeit häufiger Krankheitszeiten ist hier auf die Beurteilung "vernünftig und billig denkender Arbeitgeber" abzustellen (vgl dazu BSGE 9, 192, 194 f; BSG, Urteil vom 21. Juli 1992 - 4 RA 13/91 -). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es zu den Aufgaben der Arbeitsverwaltung gehört, unbegründete Vorbehalte der Arbeitgeber gegen die Einstellung behinderter Arbeitsuchender abbauen zu helfen (vgl § 2 Nr. 4, §§ 13 ff des Arbeitsförderungsgesetzes ).

Beim Schweregrad des vorliegenden Anfallsleidens ist auf derartige Vorbehalte nicht abzustellen. Dazu ist die Anfallshäufigkeit zu gering.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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