L 5 RJ 634/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Ar 424/95.A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 634/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 2. Juli 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 1948 geborene Klägerin lebt in Jugoslawien. In der Bundesrepublik Deutschland hat sie von September 1966 bis Oktober 1979 als Küchenhilfe und Hilfsarbeiterin gearbeitet. Ein Rentenantrag vom 29.09.1988 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 02.01.1990 abgelehnt, nachdem die jugoslawische Invalidenkommission bei einer Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen war, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig arbeiten. Seit Juli 1989 bezieht sie vom jugoslawischen Versicherungsträgers eine Invalidenrente (Bescheid vom 04.03.1992).

Am 18.02.1994 beantragte die Klägerin erneut Rente aus der deutschen Rentenversicherung. Eine Untersuchung der Invalidenkommission kam zu dem Ergebnis, dass sie als Hilfsarbeiterin und Kraftfahrerin halb- bis untervollschichtig arbeiten könne, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber noch vollschichtig. Gestützt darauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.07.1994 und Widerspruchsbescheid vom 15.02.1995 den Rentenantrag ab.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG) hat die Klägerin die Qualifikation der jugoslawischen Gutachter bestritten und eine Untersuchung in Deutschland beantragt. Diesem Antrag hat das SG stattgegeben und die Klägerin durch den Neurologen und Psychiater Dr.G. sowie den Allgemeinarzt Dr.Z. am 30.06.1997 untersuchen lassen. Danach sei das Leistungsvermögen der Klägerin zwar herabgesetzt, doch könne sie mit einigen Einschränkungen noch vollschichtig arbeiten.

Daraufhin hat das SG mit Urteil vom 02.07.1997 die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt (L 5 Ar 595/97) und zur Begründung eine Reihe von ärztlichen Unterlagen überreicht. Ihr Gesundheitszustand weiche kontrastartig ab von den gutachterlich festgestellten Diagnosen.

Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten von Dr.L. vom 15.09.1998 eingeholt. Dieser hat auf seinem Gebiet seit 1994 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Belastungsschwäche der Wirbelsäule bei leichtem Schiefwuchs und altersentsprechendem Verschleiß der unteren Lendenwirbelsäule mit Zeichen abgelaufener Nervenwurzelreizerscheinungen (Lumboischialgie). Damit könnten der Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne wesentlichen Zeitdruck in körperlichem Wechselrhythmus zugemutet werden. Auch die zuletzt (in Deutschland) ausgeübten Tätigkeiten einer Betriebshelferin oder Küchenhilfe seien aus orthopädischer Sicht möglich.

Des weiteren wurde ein internistisches Gutachten von Dr.K. vom 21.09.1998 eingeholt, das sich auf eine fachinternistische und sozialmedizinische Untersuchung vom 15.09.1998 stützt. Darin werden folgende Diagnosen erhoben: 1. Obstruktive Atemwegserkrankung leichten Grades (entsprechend einer chronischen Bronchitis) mit leichter Rechtsherzbelastung und Belastungsminderung des Herz-Lungen-Systems. 2. Metabolisches Syndrom und Fettleber und Störungen der Harnsäure und des Fettstoffwechsels. 3. Bakterieller Harnwegsinfekt derzeit ohne klinische Symptomatik. 4. Zustand nach Magen-Teilentfernung, Gallenblasenentfernung und Blinddarmentfernung ohne klinische Restsymptomatik. Damit könne die Klägerin noch leichte und mittelschwere Arbeiten (mit gewissen Einschränkungen) verrichten.

Schließlich wurde noch ein nervenärztliches Gutachten von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.P. vom 15.09.1998 eingeholt, in dem folgende Diagnosen erhoben werden: 1. Depressives Syndrom bei psychosozialer Belastungssituation. 2. Schmerzsyndrom des Abdomens nach Magen-Teilentfernung und Gallenblasenentfernung. Die Sachverständige führt weiter aus, die psychische Belastbarkeit der Klägerin sei in mittelgradigem Umfang beeinträchtigt. Sie könne keine Tätigkeiten mehr ausüben, die besondere Anforderungen stellten an das Konzentrations- und Raktionsvermögen, die unter Zeitdruck, in Wechsel- und Nachtschicht geleistet werden müssten. Auch Fließband oder Akkordtätigkeiten seien zu vermeiden. Die Leistungsmotivation sei gering, Merk- und Konzentrationsfähigkeit im wechselnden Umfang insgesamt mäßig eingeschränkt. Tätigkeiten als Küchenhilfe seien der Klägerin nicht mehr zuzumuten, weil diese teilweise unter Einwirkung von Kälte und Nässe erfolgten und auch mit schwerem Heben und Bücken verbunden seien und teilweise mit Zwangshaltung. Eine zustandsangemessene körperlich leichte und psychisch nicht belastende Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes könne die Klägerin aus nervenärztlicher Sicht noch vollschichtig verrichten.

Mit Beschluss vom 15.04.1999 wurde das Verfahren ausgesetzt und auf Antrag vom 26.11.1999 unter dem neuen Aktenzeichen L 5 RJ 634/99 wieder aufgenommen.

Die Klägerin hat weitere ärztliche Unterlagen von einer Krankenhausbehandlung vom 19.05. bis 24.05.1999 vorgelegt. Dazu hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Dr.K. vom 14.06.2000 eingeholt, die zu dem Ergebnis kommt, dass hier eine völlig neue Diagnose in den Raum gestellt werde, die eine neuerliche Untersuchung erfordere.

Daraufhin wurde Dr.K. mit der Erstellung eines weiteren internistischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat die Klägerin am 26.09.2000 untersucht und dabei in seinem Gutachten vom 15.10.2000 folgende Diagnosen gestellt: - Allergische Diathese mit obstruktiver Atemwegserkrankung und Rechtsherzbelastung mittleren Schweregrades, - metabolisches Syndrom ohne Auswirkung auf die Fragestellung des Gutachtensauftrages, - Zustand nach Bauchoperation ohne wesentliche Restsymptomatik, - Bluthochdruck leichten Grades, - Belastungsminderung der Kniegelenke leichten Grades, - Hand- und Fingerendgelenkbeschwerden leichten Grades, - depressiver Verstimmungszustand leichten Grades, - sensible Ausfallerscheinungen im Bereich der rechten unteren Extremität leichten Grades.

Die Klägerin könne nurmehr leichte Arbeiten, nicht unter extremen Umwelteinflüssen, in Zwangshaltung oder unter Zeitdruck oder unter zeitlichen Sonderbedingungen vollschichtig verrichten. Seit der Untersuchung am 15.09.1998 habe sich der Gesundheitszustand nicht wesentlich geändert. Es bestehe jedoch die Tendenz einer abnehmenden kardiopulmunalen Belastungsmöglichkeit. Auch die orthopädischen Beschwerden neigten eher zur Verschlechterung. Das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet sei praktisch unverändert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 02.07.1997 sowie des Bescheides der Beklagten vom 04.07.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.1995 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG Landshut zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig aber unbegründet, weil die Klägerin nach dem Ergebnis der gerichtsärztlichen Untersuchung noch vollschichtig arbeiten kann.

Nach den bis zum 31.12.2000 geltenden §§ 43 Abs.1, 44 Abs.1 alte Fassung (a.F.) Sozialgesetzbuch sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Gemäß § 43 Abs.2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder wegen Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs oder der besonderen Anforderungen ihrer bisheriger Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 44 Abs.2 SGB VI sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgrenze bzw. (ab 01.04.1999) 630,00 DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Nach § 43 SGB VI in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti- gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres Versicherte, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti- gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Für die Klägerin ergibt sich nach keiner der o.g. gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung, weil die Klägerin nach dem Ergebnis der sehr umfangreichen Beweiserhebung auf medizinischem Gebiet noch leichte Arbeiten, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, vollschichtig verrichten kann. Die Klägerin ist zur Feststellung des ihr verbliebenen Gesundheitszustandes auf orthopädischem, neurologisch-psychiatrischem und zweimal auf internistischem Fachgebiet untersucht worden. Das letzte internistische Gutachten datiert vom 16.10.2000 und berücksichtigt auch die neuesten ärztlichen Unterlagen aus der Heimat der Klägerin. Außerdem liegt diesem Gutachten eine neuerliche Untersuchung vom 26.09.2000 zu Grunde, bei der auch die früher erhobenen Befunde und Diagnosen mitberücksichtigt wurden. Der Sachverständige beschreibt auf seinem Fachgebiet eine allergische Diathese mit obstruktiver Atemwegserkrankung und Rechtsherzbelastung mittleren Schweregrades. Ein metabolisches Syndrom ist gegenüber der Voruntersuchung leicht gebessert und hat keine leistungsmindernde Auswirkung. Ähnliches gilt für den Zustand nach Magen-Teilentfernung, Gallenblasen- und Blinddarmentfernung. Ein bestehendes Bluthochdruckleiden hat nur geringen Umfang. Die auf den übrigen Fachgebieten vorliegenden Leiden wie Belastungsminderung der Kniegelenke, Hand- und Fingergelenkbeschwerden und depressiver Verstimmungszustand werden in Übereinstimmung mit den dazu eingeholten Gutachten als leicht bezeichnet. Das Lendenwirbelsäulensyndrom weist eine Symptomatik mittleren Umfanges auf. Nicht nachgewiesen werden konnten eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung, eine relevante Anämie, eine Nierensteinerkrankung sowie eine chronische Nierenbeckenentzündung. Zusammenfassend gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten kann. Dabei sind allerdings eine Reihe von zusätzlichen Einschränkungen zu beachten. So ist ein dauerndes Stehen zu vermeiden. Die Handgeschicklichkeit ist leich eingeschränkt. Zwangshaltungen wie Bücken, Hocken, Knien, Heben und Tragen von Lasten, Steigen auf Leitern und Gerüsten und unphysiologische Körperhaltungen sollen vermieden werden. An Umwelteinflüssen sind Hitze, Kälte, Nässe, physikalische und chemische Reizstoffe zu vermeiden. Besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen können nicht mehr gestellt werden, Wechsel- oder Nachtschicht sind zu vermeiden. Der Gutachten kommt zudem zu dem Ergebnis, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Betriebshelferin oder Küchenhilfe weiterhin zumutbar ist.

Der Senat hat keine Bedenken, sich den überzeugenden Ausführungen seiner Gutachter anzuschließen, insbesondere dem letzten Gutachten von Dr.K. , das die bereits vorher eingeholten Gutachten, auch auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, bestätigt und zusammenfasst. Es ist demnach davon auszugehen, dass die Klägerin leichte Arbeiten, wenn auch mit einer Reihe von Einschränkungen, noch vollschichtig verrichten kann. Damit sind die Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den o.g. Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den zu beachtenden zusätzlichen Einschränkungen, da diese nur solche Belastungen ausschließen, die sich ohnehin nicht unter dem Begriff der leichten Arbeit subsumieren lassen. Ob die Klägerin tatsächlich noch als Küchenhilfe arbeiten könnte, kann dahingestellt bleiben, da sie auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist.

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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