Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 383/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 727/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1951 geborene Kläger hat von 1965 bis 1968 die landwirtschaftliche Berufsschule besucht, ohne nach seinen Angaben im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Sozialgerichtsverfahren in einem entsprechenden Berufsausbildungsverhältnis gestanden zu sein; anschließend hat er in der Landwirtschaft der Eltern gearbeitet und dafür ab 01.05.1981 bis zur Aufgabe des Betriebs am 30.04.1988 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Seither bezieht der Kläger im wesentlichen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Während seiner Tätigkeit in der 20 Hektar umfassenden elterlichen Landwirtschaft habe er - so gibt er an - alle im Stall und auf dem Feld anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten verrichtet; schriftliche Arbeiten seien in größerem Umfang nicht angefallen, da keine Buchführungspflicht bestanden habe. Ende 1993 ist der Kläger in einer Elektrofirma als Lagerist rund zwei Monate geringfügig beschäftigt gewesen; das Beschäftigungsverhältnis ist wegen Arbeitsmangels beendet worden.
Am 25.09.1997 beantragte der Kläger, bei dem inzwischen ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 und das Merkzeichen RF anerkannt ist, wegen Schwerhörigkeit, Bandscheibenleiden und Kniebeschwerden bei der Beklagten Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.1997 und Widerspruchsbescheid vom 05.05.1998 ab, weil der uneingeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger mittelschwere Arbeiten noch vollschichtig verrichten könne. Die Beklagte stützte sich hierbei vor allem auf das Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin Dr. L. vom 20.11.1997.
Mit der am 20.05.1998 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter. Er begehre ab 01.10.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Zur Feststellung des Gesundheitszustands und des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers holte das SG im Wesentlichen medizinische Sachverständigengutachten ein, und zwar von dem Orthopäden-Chirurgen-Sportmedizin Dr. S. (Gutachten vom 20.10.1998), sodann - im Hinblick auf eine kritische Äußerung des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten - von dem Arzt für Orthopädie, Chirotherapie/Sportmedizin Dr. B. (Gutachten vom 10.06.1999) und von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. (Gutachten vom 03.12.1999).
Dr. S. stellte beim Kläger folgende Diagnosen:
- auf orthopädischem Fachgebiet:
1. Zustand nach Meniskusoperation linkes Kniegelenk 1981, jetzt Varusgonarthrose links.
2. Kompressionsfraktur BWK 9 und LWK 1, chronisch rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei Fixation der Wirbelsäule im throrakolumbalen Übergang.
3. Assimilationsstörung rechts lumbosacral.
4. Bandscheibenprolaps L5/Sl.
- auf fachfremdem Gebiet:
1. Ertaubung links, hochgradige Schwerhörigkeit rechts.
2. Psychische Hemmungen wegen der Schwerhörigkeit und der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule
Der Sachverständige kam zum Ergebnis, dass der Kläger wegen dieser Gesundheitsstörungen auch leichte Arbeiten nur noch halbschichtig mit verlängerten Pausen und unter Beachtung qualitativer Einschränkungen verrichten könne.
Nach Dr. B. liegen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vor:
1. Zustand nach mehrfachen Kniegelenksoperationen links mit letztendlich totaler Innenmeniskusresektion, erst bis zweitgradige mediale Gonarthrose, belastungsabhängige Schmerzen und gelegentlich auch Schwellungen, muskulär voll kompensierbare erstgradige Innenbandlaxität.
2. Zustand nach Kompressionsfraktur BWK 9 und LWK 1 bei landwirtschaftlichem Unfall 1985 mit knöcherner Konsolidierung in diskreter ventraler Keilform ohne wesentliche Auswirkung auf die Gesamtstatik der Wirbelsäule; lumbosacrale Assimilationsstörung, anamnestisch Bandscheibenprolaps L5/Sl 1991, chronisch rezidivierende belastungsabhängige lumbale Wirbelsäulenbeschwerden bei klinisch nur ganz diskretem Funktionsdefizit, anamnestisch pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung ins rechte Bein.
3. Ertaubung links, hochgradige Schwerhörigkeit rechts, Versorgung durch Hörgerät rechts mit gutem Verstehen der Umgangssprache in ruhiger Umgebung.
4. Anamnestisch psychische Hemmungen wegen der Schwerhörigkeit und der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, aktuell hierfür kein Anhalt.
5. Anamnestisch reaktive depressive Verstimmung, aktuell hierfür kein Anhalt.
Der Kläger wurde von Dr. B. für fähig erachtet, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig zu verrichten; hierbei sei schweres Heben oder Tragen ebensowenig zumutbar wie länger dauernde Zwangshaltungen für Rumpf oder Wirbelsäule, Klettern oder Steigen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten mit Absturzgefahr, besonderer Zeitdruck, Nachtschichtarbeit, Wechselschichtarbeit, Arbeiten an laufenden Maschinen, taktgebundene Arbeit, Akkordarbeit, Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen (wie große Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte, Nässe), Arbeiten unter Lärmbelastung, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit, an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen oder an die Umstellungs- oder Anpassungsfähigkeit, außerdem Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr. Der Kläger könne Anmarschwege zur Arbeitsstätte von über 500 Metern mehrfach täglich zurücklegen. Dem Gutachten Dr. S. könne nicht gefolgt werden. Aus dem orthopädischen Befund lasse sich eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründen. Dr. S. sei zu dieser auch nur aufgrund der Höreinschränkung und psychischer Probleme des Klägers gekommen. Die Höreinschränkung sei aber durch ein gut funktionierendes Hörgerät kompensiert und Anhaltspunkte für eine schwere Depression oder ein gehemmtes Verhalten lägen nicht mehr vor.
Dr. P. verwies bezüglich der Gesundheitsstörungen des Klägers zunächst auf diejenigen des orthopädischen Fachgebiets, die von allen Sachverständigen übereinstimmend festgestellt worden sei- an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor; auf psychiatrischem und neurologischen Fachgebiet seien keine wesentlichen Gesundheitsstörungen zu erheben. Bezüglich des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers schließe er sich dem Gutachten von Dr. B. an.
Das SG gab den Beteiligten berufskundliche Stellungnahmen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zur Kenntnis und wies sodann die Klage mit Urteil vom 27.06.2000 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil er nicht berufsunfähig im Sinn des § 43 SGB VI (sc. in der bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung - a.F. -) sei. Er könne nämlich vollschichtig arbeiten - das Gutachten Dr. S. sei nicht überzeugend - und sei, da Ermittlungen zur Qualität seines Berufs nicht mehr möglich seien, als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs im Sinn der Rechtsprechung des BSG anzusehen, somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Insbesondere könne der Kläger noch als Mitarbeiter in der Poststelle einer Behörde oder eines größeren Betriebs eingesetzt werden. Da der Kläger nicht berufsunfähig sei, sei er erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinn des § 44 SGB VI.
Am 19.12.2000 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 27.11.2000 zugestellte Urteil beim SG Augsburg ein. Zur Begründung trug er vor, wegen der seit Kindheit bestehenden Schwerhörigkeit sei es bereits zu schulischen Defiziten gekommen, auch sei eine reguläre Berufsausbildung nicht in Betracht gekommen. Er sei in der Folgen als Helfer im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern tätig gewesen. Diese Berufstätigkeit habe er aufgeben müssen, als weitere Gesundheitsstörungen hinzugekommen seien. Seither sei er arbeitslos. Bei ihm liege eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinn der Rechtsprechung des BSG vor, die es nötig mache, einen konkreten Verweisungsberuf zu benennen. Die vom SG benannte Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle einer Behörde oder eines größeren Betriebs sei für ihn aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet.
Der Senat zog die Klageakten des SG Augsburg, die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten der Landwirtschaftlichen Alterskasse Schwaben, die Schwerbehindertenakten des Amtes für Versorgung und Familienförderung (AVF) Augsburg und die Leistungsakten des Arbeitsamts Kempten bei.
Nachdem die Beklagte als einen für den Kläger gesundheitlich und sozial zumutbaren Verweisungsberuf die Tätigkeit eines Verpackers von Kleinteilen benannt hatte, wobei sie auf Ermittlungen des LSG Niedersachsen im Berufungsverfahren L 2 RJ 230/99 hinwies, zog der Senat einen Auszug aus der entsprechenden Sitzungsniederschrift vom 8.11.2000 bei. In dieser wird u.a. darauf erläutert, dass es sich um eine sehr leichte Tätigkeit handle, die einen selbstbestimmten Wechsel der Ausgangshaltung zulasse, und bei der Höreinschränkungen berücksichtigt werden könnten.
Der Kläger legte nun eine Reihe ärztlicher Atteste vor, die ihm u.a. bescheinigten, dass er im Berufsleben nicht mehr einsetzbar sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Augsburg vom 27.06.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.10.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Augsburg vom 27.06.2000 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12. 2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., weil er ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 25.09.1997 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.
Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig zu verrichten; hierbei ist schweres Heben oder Tragen ebensowenig zumutbar wie länger dauernde Zwangshaltungen für Rumpf oder Wirbelsäule, Klettern oder Steigen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten mit Absturzgefahr, besonderer Zeitdruck, Nachtschichtarbeit, Wechselschichtarbeit, Arbeiten an laufenden Maschinen, taktgebundene Arbeit, Akkordarbeit, Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen (wie große Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte, Nässe), Arbeiten unter Lärmbelastung, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit, an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen oder an die Umstellungs- oder Anpassungsfähigkeit, außerdem Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10).
Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich aus den vom SG eingeholten Gutachten des Arztes für Orthopädie, Chirotherapie/Sportmedizin Dr. B. und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P ... Minderen Beweiswert hat das Gutachten des Orthopäden-Chirurgen-Sportmedizin Dr. S. , das von Dr. B. , soweit es das berufliche Leistungsvermögen des Klägers betrifft, zutreffend widerlegt worden ist. Aus dem orthopädischen Befund läßt sich eine zeitliche Leistungseinschränkung nämlich nicht begründen. Die von Dr. S. zugrundegelegten psychischen Probleme des Klägers liegen nach dem einschlägigen Fachgutachten von Dr. P. nicht vor.
Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 21 ff. mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der eines - wie im Berufungsverfahren angegeben - landwirtschaftlichen Helfers, dem der Kläger schon aufgrund seiner orthopädischen Leiden (wohl unstreitig) nicht mehr gewachsen ist.
Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 Nr. 138).
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbi1dungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des ange1ernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag im Berufungsverfahren, wonach er schon in der Schule Schwierigkeiten gehabt hat, auch nicht in der Lage gewesen ist, eine normale Berufsausbildung zurückzulegen, und als landwirtschaftlicher Helfer beschäftigt gewesen ist.
Als angelerntem Arbeiter des unteren Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf praktisch alle - auch ungelernte - Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Vorliegend bedarf es der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs, da beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Als Berufstätigkeit kommt für den Kläger diejenige eines Verpackers von Kleinteilen in Betracht, da es sich hierbei um eine sehr leichte Tätigkeit handelt, die einen selbstbestimmten Wechsel der Ausgangslage zuläßt, und bei der auch die Einschränkung des Hörvermögens berücksichtigt werden kann. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz - maßgeblich ist das Gesamtgebiet der Bundesrepublik Deutschland - tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F., dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - (irgend)eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 27.06.2000 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1951 geborene Kläger hat von 1965 bis 1968 die landwirtschaftliche Berufsschule besucht, ohne nach seinen Angaben im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Sozialgerichtsverfahren in einem entsprechenden Berufsausbildungsverhältnis gestanden zu sein; anschließend hat er in der Landwirtschaft der Eltern gearbeitet und dafür ab 01.05.1981 bis zur Aufgabe des Betriebs am 30.04.1988 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Seither bezieht der Kläger im wesentlichen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Während seiner Tätigkeit in der 20 Hektar umfassenden elterlichen Landwirtschaft habe er - so gibt er an - alle im Stall und auf dem Feld anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten verrichtet; schriftliche Arbeiten seien in größerem Umfang nicht angefallen, da keine Buchführungspflicht bestanden habe. Ende 1993 ist der Kläger in einer Elektrofirma als Lagerist rund zwei Monate geringfügig beschäftigt gewesen; das Beschäftigungsverhältnis ist wegen Arbeitsmangels beendet worden.
Am 25.09.1997 beantragte der Kläger, bei dem inzwischen ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 und das Merkzeichen RF anerkannt ist, wegen Schwerhörigkeit, Bandscheibenleiden und Kniebeschwerden bei der Beklagten Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.1997 und Widerspruchsbescheid vom 05.05.1998 ab, weil der uneingeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger mittelschwere Arbeiten noch vollschichtig verrichten könne. Die Beklagte stützte sich hierbei vor allem auf das Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin Dr. L. vom 20.11.1997.
Mit der am 20.05.1998 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter. Er begehre ab 01.10.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Zur Feststellung des Gesundheitszustands und des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers holte das SG im Wesentlichen medizinische Sachverständigengutachten ein, und zwar von dem Orthopäden-Chirurgen-Sportmedizin Dr. S. (Gutachten vom 20.10.1998), sodann - im Hinblick auf eine kritische Äußerung des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten - von dem Arzt für Orthopädie, Chirotherapie/Sportmedizin Dr. B. (Gutachten vom 10.06.1999) und von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. (Gutachten vom 03.12.1999).
Dr. S. stellte beim Kläger folgende Diagnosen:
- auf orthopädischem Fachgebiet:
1. Zustand nach Meniskusoperation linkes Kniegelenk 1981, jetzt Varusgonarthrose links.
2. Kompressionsfraktur BWK 9 und LWK 1, chronisch rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei Fixation der Wirbelsäule im throrakolumbalen Übergang.
3. Assimilationsstörung rechts lumbosacral.
4. Bandscheibenprolaps L5/Sl.
- auf fachfremdem Gebiet:
1. Ertaubung links, hochgradige Schwerhörigkeit rechts.
2. Psychische Hemmungen wegen der Schwerhörigkeit und der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule
Der Sachverständige kam zum Ergebnis, dass der Kläger wegen dieser Gesundheitsstörungen auch leichte Arbeiten nur noch halbschichtig mit verlängerten Pausen und unter Beachtung qualitativer Einschränkungen verrichten könne.
Nach Dr. B. liegen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vor:
1. Zustand nach mehrfachen Kniegelenksoperationen links mit letztendlich totaler Innenmeniskusresektion, erst bis zweitgradige mediale Gonarthrose, belastungsabhängige Schmerzen und gelegentlich auch Schwellungen, muskulär voll kompensierbare erstgradige Innenbandlaxität.
2. Zustand nach Kompressionsfraktur BWK 9 und LWK 1 bei landwirtschaftlichem Unfall 1985 mit knöcherner Konsolidierung in diskreter ventraler Keilform ohne wesentliche Auswirkung auf die Gesamtstatik der Wirbelsäule; lumbosacrale Assimilationsstörung, anamnestisch Bandscheibenprolaps L5/Sl 1991, chronisch rezidivierende belastungsabhängige lumbale Wirbelsäulenbeschwerden bei klinisch nur ganz diskretem Funktionsdefizit, anamnestisch pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung ins rechte Bein.
3. Ertaubung links, hochgradige Schwerhörigkeit rechts, Versorgung durch Hörgerät rechts mit gutem Verstehen der Umgangssprache in ruhiger Umgebung.
4. Anamnestisch psychische Hemmungen wegen der Schwerhörigkeit und der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, aktuell hierfür kein Anhalt.
5. Anamnestisch reaktive depressive Verstimmung, aktuell hierfür kein Anhalt.
Der Kläger wurde von Dr. B. für fähig erachtet, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig zu verrichten; hierbei sei schweres Heben oder Tragen ebensowenig zumutbar wie länger dauernde Zwangshaltungen für Rumpf oder Wirbelsäule, Klettern oder Steigen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten mit Absturzgefahr, besonderer Zeitdruck, Nachtschichtarbeit, Wechselschichtarbeit, Arbeiten an laufenden Maschinen, taktgebundene Arbeit, Akkordarbeit, Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen (wie große Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte, Nässe), Arbeiten unter Lärmbelastung, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit, an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen oder an die Umstellungs- oder Anpassungsfähigkeit, außerdem Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr. Der Kläger könne Anmarschwege zur Arbeitsstätte von über 500 Metern mehrfach täglich zurücklegen. Dem Gutachten Dr. S. könne nicht gefolgt werden. Aus dem orthopädischen Befund lasse sich eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründen. Dr. S. sei zu dieser auch nur aufgrund der Höreinschränkung und psychischer Probleme des Klägers gekommen. Die Höreinschränkung sei aber durch ein gut funktionierendes Hörgerät kompensiert und Anhaltspunkte für eine schwere Depression oder ein gehemmtes Verhalten lägen nicht mehr vor.
Dr. P. verwies bezüglich der Gesundheitsstörungen des Klägers zunächst auf diejenigen des orthopädischen Fachgebiets, die von allen Sachverständigen übereinstimmend festgestellt worden sei- an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor; auf psychiatrischem und neurologischen Fachgebiet seien keine wesentlichen Gesundheitsstörungen zu erheben. Bezüglich des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers schließe er sich dem Gutachten von Dr. B. an.
Das SG gab den Beteiligten berufskundliche Stellungnahmen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zur Kenntnis und wies sodann die Klage mit Urteil vom 27.06.2000 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil er nicht berufsunfähig im Sinn des § 43 SGB VI (sc. in der bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung - a.F. -) sei. Er könne nämlich vollschichtig arbeiten - das Gutachten Dr. S. sei nicht überzeugend - und sei, da Ermittlungen zur Qualität seines Berufs nicht mehr möglich seien, als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs im Sinn der Rechtsprechung des BSG anzusehen, somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Insbesondere könne der Kläger noch als Mitarbeiter in der Poststelle einer Behörde oder eines größeren Betriebs eingesetzt werden. Da der Kläger nicht berufsunfähig sei, sei er erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinn des § 44 SGB VI.
Am 19.12.2000 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 27.11.2000 zugestellte Urteil beim SG Augsburg ein. Zur Begründung trug er vor, wegen der seit Kindheit bestehenden Schwerhörigkeit sei es bereits zu schulischen Defiziten gekommen, auch sei eine reguläre Berufsausbildung nicht in Betracht gekommen. Er sei in der Folgen als Helfer im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern tätig gewesen. Diese Berufstätigkeit habe er aufgeben müssen, als weitere Gesundheitsstörungen hinzugekommen seien. Seither sei er arbeitslos. Bei ihm liege eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinn der Rechtsprechung des BSG vor, die es nötig mache, einen konkreten Verweisungsberuf zu benennen. Die vom SG benannte Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle einer Behörde oder eines größeren Betriebs sei für ihn aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet.
Der Senat zog die Klageakten des SG Augsburg, die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten der Landwirtschaftlichen Alterskasse Schwaben, die Schwerbehindertenakten des Amtes für Versorgung und Familienförderung (AVF) Augsburg und die Leistungsakten des Arbeitsamts Kempten bei.
Nachdem die Beklagte als einen für den Kläger gesundheitlich und sozial zumutbaren Verweisungsberuf die Tätigkeit eines Verpackers von Kleinteilen benannt hatte, wobei sie auf Ermittlungen des LSG Niedersachsen im Berufungsverfahren L 2 RJ 230/99 hinwies, zog der Senat einen Auszug aus der entsprechenden Sitzungsniederschrift vom 8.11.2000 bei. In dieser wird u.a. darauf erläutert, dass es sich um eine sehr leichte Tätigkeit handle, die einen selbstbestimmten Wechsel der Ausgangshaltung zulasse, und bei der Höreinschränkungen berücksichtigt werden könnten.
Der Kläger legte nun eine Reihe ärztlicher Atteste vor, die ihm u.a. bescheinigten, dass er im Berufsleben nicht mehr einsetzbar sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Augsburg vom 27.06.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.10.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Augsburg vom 27.06.2000 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12. 2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., weil er ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 25.09.1997 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.
Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig zu verrichten; hierbei ist schweres Heben oder Tragen ebensowenig zumutbar wie länger dauernde Zwangshaltungen für Rumpf oder Wirbelsäule, Klettern oder Steigen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten mit Absturzgefahr, besonderer Zeitdruck, Nachtschichtarbeit, Wechselschichtarbeit, Arbeiten an laufenden Maschinen, taktgebundene Arbeit, Akkordarbeit, Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen (wie große Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte, Nässe), Arbeiten unter Lärmbelastung, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit, an das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen oder an die Umstellungs- oder Anpassungsfähigkeit, außerdem Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10).
Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich aus den vom SG eingeholten Gutachten des Arztes für Orthopädie, Chirotherapie/Sportmedizin Dr. B. und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P ... Minderen Beweiswert hat das Gutachten des Orthopäden-Chirurgen-Sportmedizin Dr. S. , das von Dr. B. , soweit es das berufliche Leistungsvermögen des Klägers betrifft, zutreffend widerlegt worden ist. Aus dem orthopädischen Befund läßt sich eine zeitliche Leistungseinschränkung nämlich nicht begründen. Die von Dr. S. zugrundegelegten psychischen Probleme des Klägers liegen nach dem einschlägigen Fachgutachten von Dr. P. nicht vor.
Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 21 ff. mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der eines - wie im Berufungsverfahren angegeben - landwirtschaftlichen Helfers, dem der Kläger schon aufgrund seiner orthopädischen Leiden (wohl unstreitig) nicht mehr gewachsen ist.
Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 Nr. 138).
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbi1dungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des ange1ernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag im Berufungsverfahren, wonach er schon in der Schule Schwierigkeiten gehabt hat, auch nicht in der Lage gewesen ist, eine normale Berufsausbildung zurückzulegen, und als landwirtschaftlicher Helfer beschäftigt gewesen ist.
Als angelerntem Arbeiter des unteren Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf praktisch alle - auch ungelernte - Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Vorliegend bedarf es der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs, da beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Als Berufstätigkeit kommt für den Kläger diejenige eines Verpackers von Kleinteilen in Betracht, da es sich hierbei um eine sehr leichte Tätigkeit handelt, die einen selbstbestimmten Wechsel der Ausgangslage zuläßt, und bei der auch die Einschränkung des Hörvermögens berücksichtigt werden kann. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz - maßgeblich ist das Gesamtgebiet der Bundesrepublik Deutschland - tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F., dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - (irgend)eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 27.06.2000 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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