L 20 RJ 91/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 905/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 91/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.01.1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, auch die Zeit vom 16.09.1972 bis 31.10.1978 als nachgewiesene Beitragszeit bei der Berechnung der Altersrente des Klägers ungekürzt zu berücksichtigen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, in welchem Umfang Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bei der Rente des Klägers zu berücksichtigen sind. Der am ...1936 geborene Kläger ist am 17.11.1978 aus Rumänien in die Bundesrepublik übergesiedelt. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises "A". Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens hat er angegeben, in Rumänien von 1951 bis 1978, mit Unterbrechung durch Militärdienst von 1958 bis 1960, als Schreiner gearbeitet zu haben.

Auf seinen Antrag vom 20.05.1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für Erwerbsunfähige ab 01.06.1996 (Bescheid vom 25.06.1996, Rentenhöhe netto DM 1.691,63). Für die in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigte die Beklagte die gekürzten Tabellenwerte nach der Anlage 14 zum SGB VI. Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 12.07.1996 Widerspruch ein und forderte für die FRG-Zeiten die Erhöhung der Tabellenwerte um 1/5. Er legte ua vor eine Adeverinta des Industriebetriebes ... Nr 445 vom 05.02.1996, eine Bescheinigung des Betriebes ... Nr 5355 vom 06.11.1995 und eine weitere Adeverinta Nr 234 vom 25.01.1996 der Handelsgesellschaft ... in Schässburg. Diese Bescheinigungen enthalten für die Zeit von 1951 bis 1978 Angaben über die pro Jahr geleisteten effektiven Arbeitstage und über Fehltage wegen Krankheit, Erholungsurlaub, unbezahlten Urlaub und unentschuldigte Fehltage. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30.10.1996 zurück. Nach § 22 Abs 1 und Abs 3 FRG in der ab 01.01.1992 geltenden Fassung müssten glaubhaft gemachte Beitrags- und Beschäftigungszeiten in den Entgeltpunkten um 1/6 gekürzt werden. Die erst im Widerspruchsverfahren übergebenen Bescheinigungen, die dem Kläger bereits bei Rentenantragstellung vorgelegen hätten, seien nicht geeignet, eine ungekürzte Berechnung der Entgeltpunkte vorzunehmen.

Dagegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 15.11.1996 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat die Zeugen S ... und T ... im Wege der Rechtshilfe und den Zeugen Karl Reuss zu den Beschäftigungszeiten des Klägers einvernommen. Auf die Niederschriften wird insoweit verwiesen. Mit Urteil vom 12.01.1999 hat das SG die Beklagte - antragsgemäß - verurteilt, die Beitragszeiten vom 25.01.1951 bis 06.04.1958, vom 01.06.1960 bis 01.02.1963 und vom 01.02.1963 bis 15.09.1972 als nachgewiesene Zeiten zu berücksichtigen. Die vorgelegten Bescheinigungen, betreffend diese Zeiträume, die jeweils von den kaufmännischen und technischen Leitern der Betriebe unterschrieben seien, enthielten neben Art und Dauer der Beschäftigungszeiten auch die Zeiten der Arbeitsunterbrechungen des Klägers. Es könne davon ausgegangen werden, dass keine weiteren Fehlzeiten in den im Archiv vorhandenen Zahlungs- und Lohnlisten der Unternehmen nachweisbar seien. Die in den Bescheinigungen enthaltenen Angaben seien auch durch die Aussagen der Zeugen S ... und T ... im Wesentlichen bestätigt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 22.02.1999 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Diese bezweifelt die Beweiskraft der vorgelegten rumänischen Unterlagen, ohne allerdings konkret auszuführen, in welchen Punkten diese im Einzelnen fehlerhaft sein sollten oder könnten. Der Bevollmächtigte des Klägers hält die Entscheidung des SG Nürnberg für zutreffend. Außerdem hat er im Wege der Anschlussberufung und über sein Vorbringen in erster Instanz hinaus unter Vorlage der Bescheinigung Nr 234 vom 25.01.1996 der Handelsgesellschaft N ... auch für den Zeitraum vom 16.09.1972 bis 31.10.1978 die ungekürzte Anrechnung der Entgeltpunkte geltend gemacht.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 12.01.1999 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und auf die Anschlussberufung hin auch die Zeit vom 16.09.1972 bis 31.10.1978 bei Berechnung seiner Altersrente ungekürzt zu berücksichtigen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Darüber hinaus haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass auch der Anspruch auf ungekürzte Anrechnung der Zeit vom 16.09.1972 bis 31.10.1978 Gegenstand des Berufungsverfahrens sein soll.

Das Rechtsmittel der Beklagten erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beitragzeiten des Klägers vom 25.01.1951 bis 15.09.1972 mit Unterbrechungen als nachgewiesene Zeiten in vollem Umfang bei der Berechnung der Altersrente zu berücksichtigen sind. Nachgewiesen iSd § 22 Abs 3 FRG sind Zeiten dann, wenn mit der für den vollen Beweis erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sie ohne relevante Unterbrechungen zurückgelegt sind. Dies kann angenommen werden, wenn eine Arbeitsbescheinigung nicht nur konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungs- bzw Beitragszeiten, sondern auch über dazwischen liegende "Ausfallzeiten" enthält. Der Beweis einer (gemessen am Monatsprinzip) lückenlosen Beitragsleistung zur Rentenversicherung eines nicht deutschen Versicherungsträgers wird in erster Linie durch Urkunden, amtliche Auskünfte und Zeugenaussagen geführt. Dabei wird der Urkundenbeweis regelmäßig als das zuverlässigste Beweismittel gelten können. Sowohl schriftliche Urkunden als auch die von früheren Arbeitgebern ausgestellten Bescheinigungen (in Rumänien: Adeverintas) sind regelmäßig geeignet, den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen zu erbringen. Das gilt nach der Überzeugung des Senats auch für die hier maßgeblichen Adeverintas Nr 445 vom 05.02.1996 des Industriebetriebs A ... und Nr 5355 vom 06.11.1995 des Industriebetriebs S ..., die Grundlage der sozialgerichtlichen Entscheidung waren. Diese Bescheinigungen umfassen den Zeitraum vom 25.01.1951 bis 15.09.1972 und entsprechen in vollem Umfange den Anforderungen, die der Senat bisher an den Nachweis rumänischer Beitragszeiten gestellt hat. Die Bescheinigungen, die der Beklagten im Original mit Stempel und Unterschriften der rumänischen Beschäftigungsbetriebe vorliegen, enthalten nachprüfbare und verwertbare Aussagen über alle denkbaren, während des Arbeitslebens auftretenden Fehlzeiten, aufgeschlüsselt nach Jahren und einzelnen Tagen. Es sind sowohl die effektiven Arbeitstage als auch die Fehlzeiten wegen Krankheit, Erholungsurlaubs, unbezahlten Urlaubs und unentschuldigter Fehltage vermerkt. Ein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit dieser Bescheinigungen besteht für den Senat ebenso wenig wie für das SG. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass deren Inhalt zugunsten des Klägers gefälscht oder verfälscht sein könnte. Den Aussagen der vom SG gehörten Zeugen kommt gegenüber dem Inhalt dieser Bescheinigungen kein weitergehender Beweiswert iS einer Bekräftigung oder Abschwächung des Nachweises zu. Gleiches gilt für die Adeverinta Nr 234 vom 25.01.1996 der Handelsgesellschaft N ..., die der Beklagten ebenfalls im Original vorliegt. Auch diese Bescheinigung enthält die vorstehend genannten Angaben und Daten, die nach der Auffassung des Senats für einen Nachweis von Beitragzeiten erforderlich sind. Die Bescheinigung weist nur geringfügige Krankheitszeiten des Klägers (für das Jahr 1975 fünf Tage und für das Jahr 1977 drei Tage), ansonsten nur den üblichen Jahresurlaub aus. Dieser Bescheinigung kommt der gleiche Beweiswert zu wie den Adeverintas Nrn 445 und 5355. Die vorstehend bezeichneten drei Adeverintas erfüllen für sich allein die Anforderungen an einen Nachweis der darin bestätigten Versicherungszeiten. Fehlzeiten haben zur Überzeugung des Senats nur in dem Umfang vorgelegen, wie sie bescheinigt wurden. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 12.01.1999 war zurückzuweisen; darüber hinaus sind die in der Adeverinta Nr 234 vom 25.01.1996 bestätigten Zeiten in ungekürztem Umfang zu berücksichtigen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nich t ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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