L 15 SB 33/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SB 1613/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 33/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.02.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Am 22.03.1999 beantragte der am 1944 geborene Kläger die Feststellung seiner Behinderung. Als Gesundheitsstörungen gab er an: Rücken-Lendenwirbelsäule, Gehen und Stehen und langes Sitzen, Schmerzen im Zehengroßgelenk rechts, rechtes Bein bereits um ca. 1,5 cm kürzer, dadurch dauernde Entzündung in der Achillessehne, Schmerzen in den Fingergelenken rechts und links mit Taubheitsgefühl hauptsächlich links. Im Übrigen verwies er auf ein Attest des Orthopäden Dr.M. vom 18.03.1999, in dem dieser ein chronisch fortschreitendes Leiden der Lendenwirbelsäule mit Wurzelkompressionssymptomatik und damit einhergehender Einschränkung der Belastbarkeit sowie der Geh- und Stehfähigkeit und einen chronischen Weichteilrheumatismus und eine Beinverkürzung rechts mit entsprechender statischer Beschwerdesymptomatik beschrieb. Dieser Arzt gab in dem vom Beklagten angeforderten Befundbericht vom 20.04.1999 als Befund an: regelrechter Gang, antalgische Skoliose, Druckschmerzhaftigkeit und Klopfschmerzhaftigkeit im Bereich L 4/5 und L 5/S 1 rechts; Schobersches Zeichen 10/12 cm eingeschränkt, keine neurologische Ausfallsymptomatik, Wurzelreizsyndrom S 1 rechts; Röntgen: Dorsalosteophyt L 5/S 1 rechts. Der vom Beklagten gehörte Medizinaldirektor Dr.B. stellte am 30.06.1999 hierzu fest, für Schmerzen im Großzehengelenk rechts, Entzündung der Achillessehne und Schmerzen der Fingergelenke fehle ein Nachweis; für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und die Fehlstatik bei Beinverkürzung rechts hielt er einen Einzel-GdB bzw. Gesamt-GdB von 20 für angemessen.

Mit Bescheid vom 14.07.1999 stellte der Beklagte diese Behinderung mit einem GdB von 20 fest.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 02.08.1999 Widerspruch ein und bat um eine amtsärztliche Untersuchung.

Anlässlich der versorgungsärztlichen Untersuchung durch den Medizinaldirektor Dr.L. (Urologe, Sozialmedizin, Sportmedizin) am 10.09.1999 gab der Kläger an, es bestünden permanente Schmerzen in den Gelenken, z. Zt. vorwiegend in den Händen und Fingergelenken sowie in den Zehengelenken, verstärkt rechte Seite; Wirbelsäulenbeschwerden bestünden permanent, vorwiegend im LWS-Bereich; ärztlicherseits werde auf ein Carpaltunnelsyndrom verwiesen und auf eine Achillodynie rechts; morgens bestünden Anlaufschmerzen beim Aufstehen im LWS-Bereich, Ausstrahlungen in die Beine; im HWS-Bereich eigentlich keine Probleme. Als spezielle Untersuchungsbefunde fand Dr.L. bei der WS: bei Aufsicht Achsengerade etwas flach, leichte Fehlhaltung; kein auffallender Klopfschmerz, allerdings endgradige Funktionseinschränkung im LWS-Bereich mit Nervenwurzelreizsymptomen bei den seitlichen Beugebewegungen und Drehbewegungen im Sitzen; auf der U-Liege allerdings Lasegue sches Zeichen negativ; zügiges Aufsetzen und Hinlegen auf die U-Liege ohne Nervenwurzelreizung; HWS-Beweglichkeit frei; an den Gliedmaßen: obere: beide Arme gleich lang, mit symmetrischer Oberarmmuskulatur und freien Funktionsverhältnissen in sämtlichen Gelenken mit vollständigem Schulter-, Schürzen-, Nackengriff; Fingerspreizen, Daumen-, Finger-, Spitzgriff und Faustschluss seitengleich; untere: beide Beine gleich lang mit symmetrischer Muskulatur und freien Funktionsverhältnissen in sämtlichen Gelenken; normaler Bewegungsablauf; Zehenspitzgang aktuell etwas erschwert unter subjektiver Schmerzsymptomatik im Vorfußbereich derzeit links bei Senk-Spreizfußbildung mit statischer Auswirkung und Hallux-Bildung; es werden Schuheinlagen nach Maß orthopädischerseits verordnet getragen; gewisse Schmerzsymptomatik im Achillessehnen-Bereich links im Sinne einer Achillodynie; funktionell ansonsten im Bereich der unteren Gliedmaßen keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Bewegungseinschränkung; diskrete vordere Kreuzbandlockerung beidseits, rechts eher mehr als links, jedoch insgesamt im physiologischen Funktionsbereich, normale Durchblutungsverhältnisse. Den bisherigen GdB von 20 hielt der Gutachter für sachgerecht und angemessen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.1999 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und stellte als Behinderungen fest: "1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen; 2. statische Auswirkung durch Senk-Spreizfußbildung beidseits mit Hallux-Bildung, Achillodynie; 3. Carpaltunnelsyndrom beidseits; 4. psychovegetative Störungen durch Überlastungs- und Überforderungssymptomatik."

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage vom 23.12. 1999, die er mit Schriftsatz vom 24.02.2000 im Wesentlichen mit einer fehlerhaften Gesamtwertfeststellung begründete; unter keinen denkbaren Gesichtspunkten seien Überschneidungen zwischen der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Behinderung durch Nervenwurzelreizerscheinungen mit den psychovegetativen Störungen durch Überlastungs- und Überforderungssymptomatik vorstellbar, so dass diese Einzelwerte zu addieren seien; er beantragte, u.a. einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Das Gericht zog einen Befundbericht des Orthopäden Dr.Ma. vom 22.03.2000 bei, in dem eine "typische Wurzelreiz-Symptomatik S 1 rechts bei dorsalen Osteophyten L 5/S 1 rechts" und eine "rezidivierende Verschlechterung der Beschwerden, so dass eine stationäre Aufnahme zwecks operativer Behandlung bereits vorgesehen war" angegeben wurde.

Der anschließend von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr.F. stellte in seinem orthopädischen Gutachten vom 13.05.2000 vom Bewegungsmuster her geringe Funktionsausfälle an der Halswirbelsäule, eine Bewegungsstörung der Brustwirbelsäule und ein Funktionsdefizit der Lendenwirbelsäule fest, wobei Letzteres mit den deutlichsten Verschleißerscheinungen verbunden sei; berücksichtige man die gefundene Lendenstrecksteife, die sich mit einer auf der Übersichtsaufnahme zu erkennenden Einengung des Wirbelkanals im letzten Segment vereinbaren lasse, so sei der GdB mit 20 zu niedrig angesetzt, da der Kläger unter Berücksichtigung der an allen drei Wirbelsäulenabschnitten ablaufenden Verschleißerscheinungen eindeutig mehr behindert sei, als wenn lediglich mittelgradige Funktionsstörungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ohne zusätzliche Komplikationen bestünden; er halte einen GdB von 30 wegen der festgestellten Wirbelsäulenveränderungen für korrekt, könne jedoch keinen GdB von 40 empfehlen, da der Kläger nicht so behindert sei, als wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestünden; zu bedenken sei in der Beurteilung des Funktionsverlustes der Gesamtwirbelsäule, dass sich Bewegungseinschränkungen der Brustwirbelsäule wenig gravierend auswirkten, da auf Grund des hier ansetzenden Rückenkäfigs schon unter physiologischen Bedingungen die Entfaltbarkeit sehr gering sei (2 cm auf eine Distanz von 20 cm); infolgedessen schlage hier der Bewegungsausfall von einem weiteren Zentimeter nicht entscheidend zu Buche; die Behinderungen seien durch die Lendenstrecksteife bei Wirbelkanalstenose zu ergänzen; weitere Behinderungen resultierten aus einem Reizzustand der Achillessehnen und der Großzehengrundgelenke bei wahrscheinlich vorliegender gichtiger Genese; solche Fußbeschwerden seien bereits zusätzlich anerkannt und mit einem GdB von 10 richtig bewertet; insgesamt sei ein GdB von 30 angemessen.

Der ebenfalls von Amts wegen gehörte Sachverständige Dr.Be. bestätigte in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 28.08.2000, aus neurologischer Sicht seien die beim Kläger bestehenden Behinderungen mit einem Gesamt-GdB von 20 zutreffend bewertet; im Übrigen verwies er auf das Gutachten des Dr.F. und hielt die Einholung eines weiteren Gutachtens ebenfalls nicht für erforderlich.

Mit Schriftsatz vom 25.09.2000 unterbreitete der Beklagte daraufhin ein Vergleichsangebot, für die in der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr.Bi. vom 15.09.2000 genannten Behinderungen ab 24.03.1999 einen GdB von 30 festzustellen; Dr.Bi. schlug als Behinderungen vor: "1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 30), 2. statische Auswirkungen durch Senk-Spreizfußbildung beidseits mit Halluxbildung, Achillodynie (Einzel-GdB 10), Karpaltunnelsyndrom beidseits (Einzel-GdB 10)."

Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 30.10.2000 mit, dem Vergleich könne er nicht zustimmen; das Gutachten des Neurologen halte er nicht für kompetent; die Beurteilung könne auf Grund der vorhandenen Schmerzen nicht korrekt sein. Mit Schriftsatz vom 08.12.2000 teilte er mit, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt seien Überschneidungen zwischen der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Behinderung durch Nervenwurzelreizerscheinungen mit den psychovegetativen Störungen durch Überlastungs- und Überforderungssymptomatik vorstellbar, so dass die Einzelwerte zu addieren seien und insgesamt ein GdB von 50 festgestellt werden müsse.

Mit Urteil vom 22.02.2001 wies das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 14.07.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 - soweit sie über das Angebot des Beklagten hinausgehe - ab; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass dem Kläger kein höherer Gesamt-GdB als 30 zustehe; eine vom Kläger begehrte höhere Beurteilung sei nicht möglich, da für einen Einzel-GdB von 40 mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestehen müssten.

Zur Begründung seiner hiergegen am 17.04.2001 eingelegten Berufung trug der Kläger unter Hinweis auf die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) u.a. vor, das Ersturteil sei deshalb fehlerhaft, weil es die Fußleiden und die psychovegetativen Störungen nicht berücksichtige; da diese Auswirkungen mit einem Einzel-GdB zu bewerten seien, habe dies für die Bildung des Gesamt-GdB, wie sich aus § 4 Abs.3 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) ergebe, Bedeutung; lägen nämlich mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, sei der GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen; dies habe das Sozialgericht nicht getan; das Erhöhungsverbot gälte nur dann, wenn sich mehrere Funktionsbeeinträchtigungen überschnitten und im Wesentlichen den gleichen Lebensbereich beträfen; hier gehe es aber um Funktionsstörungen in mehreren Lebensbereichen; dabei gälten die Grundsätze nicht, die bei Beeinträchtigung in nur einem Lebensbereich anzuwenden seien.

Der Beklagte wies in seiner Berufungserwiderung vom 23.05.2001 darauf hin, die Berufung könne keinen Erfolg haben, weil sie nicht mit den Vorgaben der "Anhaltspunkte" übereinstimme; dort werde in Rdnr.19 Abs.4 ausgeführt, dass Einzel-GdB von 10 nur in Ausnahmefällen Auswirkungen auf den Gesamt-GdB hätten; Beeinträchtigungen mehrerer Lebensbereiche kämen so häufig vor, dass man sie nicht als die besagten Ausnahmefälle ansehen könne.

Mit Schreiben vom 21.06.2001 wiederholte der Kläger seinen Rechtsstandpunkt und rügte, das Sozialgericht hätte die Behinderung durch psychovegetative Störungen nicht berücksichtigt.

Dem entgegnete der Beklagte im Schreiben vom 09.07.2001, eine eingehende Prüfung der in Rdnr.19 Abs.3 der "Anhaltspunkte" beschriebenen Fallgestaltungen sei nicht erforderlich gewesen, da außer dem Wirbelsäulenleiden alle Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten seien, die nicht zu einer Erhöhung führten, weil es sich um verschiedene Lebensbereiche handle, wie der Kläger selber einräume; es könne schon aus diesem Grunde nicht fehlerhaft sein, dass das Sozialgericht die psychovegetativen Störungen bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht berücksichtigt habe.

Mit Schreiben vom 06.08.2001 rügte die Klageseite nochmals die Nichtberücksichtigung der psychovegetativen Störungen und deren GdB-Höhe bzw. die Unterlassung der Prüfung, ob ein Ausnahmefall nach Rdnr.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" vorliege.

Mit Schreiben vom 24.08.2001 teilte das Gericht der Klageseite mit, es sei nicht beabsichtigt, ein Gutachten von Amts wegen einzuholen; für eine eventuelle Antragstellung nach § 109 SGG setzte es eine Frist bis spätestens 17.09.2001, die die Klageseite verstreichen ließ. Mit Schreiben vom 15.10.2001 fragte das Gericht beim Klägervertreter an, ob der Rechtsstreit weiter betrieben werde, auf den Ablauf der Frist nach § 109 SGG wies es nachhaltig hin. Daraufhin teilte der Klägervertreter am 19.10.2001 mit, der Rechtsstreit solle fortgesetzt werden.

Nachdem der Bevollmächtigte des Klägers mit Fax vom 18.02.2002 zunächst um kurzfristige Vertagung gebeten hatte, nahm er diesen Antrag gegenüber dem Vorsitzenden des 15. Senates, der ihm telefonisch dargelegt hatte, der Rechtsstreit sei entscheidungsreif und die Anwesenheit des Klägerbevollmächtigten sei nicht zwingend erforderlich, zurück; gleichzeitig erklärte er, das Gericht könne in seiner Abwesenheit entscheiden.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2002 wurde dem Kläger das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18.02.2002 mit Vermerk des Senatsvorsitzenden vom gleichen Tage zur Kenntnis gegeben.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 22.02.2001 sowie des Bescheides vom 14.07.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 zu verurteilen, den bei ihm bestehenden GdB ab März 1999 mit mindestens 50 festzustellen; hilfsweise beantragt er, ein Gutachten nach § 109 SGG von dem Orthopäden Dr.M., München, einzuholen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.02.2001 zurückzuweisen.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 543 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakte nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers (§§ 143 ff., 151 SGG) ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts München vom 22.02. 2001 und der ihm zugrunde liegende Bescheid des Beklagten vom 14.07.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11. 1999 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die nach § 69 Abs.1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) zuständigen Behörden des Beklagten weitere Behinderungen bzw. einen GdB höher als 30 feststellen. Damit entfällt auch sein Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises nach § 69 Abs.5 in Verbindung mit § 2 Abs.2 SGB IX, weil bei ihm kein GdB von wenigstens 50 vorliegt.

Ausweislich der aktuellen Feststellungen des Sachverständigen Dr.F. in seinem orthopädischen Gutachten vom 13.05.2000, denen auch der Kläger selbst zustimmt bzw. keinen anders lautenden Befund entgegensetzen kann, leidet der Kläger vom Bewegungsmuster her unter geringen Funktionsausfällen an der Halswirbelsäule, einer Bewegungsstörung der Brustwirbelsäule und einem Funktionsdefizit der Lendenwirbelsäule, wobei Letzteres mit den deutlichsten Verschleißerscheinungen verbunden ist. Gleichzeitig fand dieser Sachverständige eine Lendenstrecksteife, die sich mit einer auf der Übersichtsaufnahme zu erkennenden Einengung des Wirbelkanals im letzten Segment vereinbaren lassen. Unter Berücksichtigung dieser an allen drei Wirbelsäulenabschnitten ablaufenden Verschleißerscheinungen ist der Kläger demnach eindeutig mehr behindert, als wenn lediglich mittelgradige Funktionsstörungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ohne zusätzliche Komplikationen bestehen, so dass der vom Sachverständigen vorgeschlagene GdB entsprechend den "Anhaltspunkten" hierfür mit 30 angemessen festgesetzt ist (vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, 1996, - "Anhaltspunkte" - Rdnr.26.18). Andererseits weist dieser Sachverständige zutreffend darauf hin, er könne keinen GdB von 40 empfehlen, da der Kläger nicht so behindert sei, als wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestünden; zu bedenken sei in der Beurteilung des Funktionsverlustes der Gesamtwirbelsäule, dass sich Bewegungseinschränkungen der Brustwirbelsäule wenig gravierend auswirkten, da aufgrund des hier ansetzenden Rückenkäfigs schon unter physiologischen Bedingungen die Entfaltbarkeit sehr gering sei (2 cm auf eine Distanz von 20 cm); infolge dessen schlage hier der Bewegungsausfall von einem weiteren Zentimeter nicht entscheidend zu Buche; weitere Behinderungen resultierten aus einem Reizzustand der Achillessehnen und der Großzehengrundgelenke und einer Lendenstrecksteife bei Wirbelkanalstenose; die Fußbeschwerden seien bereits zusätzlich berücksichtigt und mit einem GdB von 10 richtig bewertet. Der ebenfalls von Amts wegen gehörte Sachverständige Dr.Be. bestätigte in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 28.08.2000, aus neurologischer Sicht seien die beim Kläger bestehenden Behinderungen mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet; im Übrigen verwies er auf das Gutachten des Dr.F., so dass sich auch insoweit keine Änderung des GdB ergibt.

Diese Beurteilung entspricht sowohl den "Anhaltspunkten" als auch der Rechtsprechung des BSG zu dem in Rdnr.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" ausgesprochenen Verbot einer GdB-Erhöhung, wenn weitere nur geringfügige Funktionsstörungen sich unabhängig voneinander in verschiedenen Lebensbereichen auswirken (vgl. z.B. BSG vom 13.12.2000, Az.: B 9 V 8/00 R = SozR 3-3870 § 4 Nr.28 = Breithaupt 2001, S.376 ff.). Nachdem mit Ausnahme der Nervenwurzelreizerscheinungen, die bei der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bereits berücksichtigt sind, auch nach Auffassung des Klägers sämtliche weiteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 10 in verschiedenen Lebensbereichen sich auswirken - dies gilt auch für die psychovegetativen Störungen - gilt das Erhöhungsverbot Rdnr.19 Abs.4 der Anhaltspunkte zu Recht. Abgesehen davon vermögen die Auswirkungen einer nur mit einem Einzel-GdB von 10 bewerteten Funktionsstörung den Gesamt-GdB in aller Regel deshalb nicht zu erhöhen, weil sie zu geringfügig sind. Die "Anhaltspunkte" drücken diesen Gedanken durch die Formulierungen "leichte Gesundheitsstörungen" und "wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung" aus. Daraus schließt das BSG (a.a.O.), das Erhöhungsverbot der Rdnr.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" gilt ausnahmslos, wenn die Funktionsbeeinträchtigungen verschiedene Lebensbereiche betreffen. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB wegen eines zusätzlichen Einzel-GdB um 10 und damit ein Ausnahmefall im Sinne der "Anhaltspunkte" kann - anders als hier - nur dann in Betracht kommen, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt. Diesbezüglich weist das BSG auf den in den "Anhaltspunkten" angeführten Fall einer hochgradigen Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit hin. Abschließend stellt es klar, dass eine Addition mehrerer, aus den Gesundheitsstörungen auf verschiedenen medizinischen Gebieten folgender Einzel-GdB nicht zulässig ist.

Dem Hilfsantrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, war nicht stattzugeben. Bereits mit Schreiben vom 24.08.2001 war dem Klägerbevollmächtigten, dessen Wissen und Handeln sich der Kläger zurechnen lassen muss, die Absicht des Gerichtes mitgeteilt worden, kein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen; für eine eventuelle Antragstellung nach § 109 SGG wurde eine Frist bis spätestens 17.09.2001 gesetzt. Diese Frist ließ die Klageseite ungenutzt verstreichen und teilte auf Anfrage des Gerichtes vom 15.10.2001 und 19.10.2001 lediglich mit, der Rechtsstreit werde fortgesetzt. Der in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2002 erstmals gestellte Antrag nach § 109 SGG ist deshalb nach Auffassung des Senates verspätet und nach seiner freien Überzeugung aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden (§ 109 Abs.2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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