Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 129/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 177/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.03.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der Nr.1302 der Anlage 1 zur BKVO streitig.
Der am ...1957 geborene Kläger, von Beruf Maschinenführer im Bereich Tiefdruck und zwischenzeitlich Rentner, war seit 1979 bei der Fa. 4 P Verpackungen ... GmbH beschäftigt. Am 21.05. 1991 zeigte der Betriebsarzt Dr.W ... das Vorliegen einer Berufskrankheit an. Der Kläger leide seit 1985 an Schlaf- und Sehstörungen. Der behandelnde Arzt Dr.M ... habe eine chronische Intoxikation durch Lösemittel, eventuell auch Schwermetalle angenommen.
Die Beklagte holte Befunde der behandelnden Ärzte des Klägers - des Neurologen und Psychiaters Dr.H ..., des Allgemeinarztes Dr.W ..., des Neurologen Dr.N ..., des praktischen Arztes Dr.V ..., des Arztes für Allgemeinmedizin Dr.R ... , des Hautarztes und Allergologen Dr.M ... sowie des Dr.N ...- ein und zog des weiteren Unterlagen über stationäre Behandlungen des Klägers bei. Die vorgenannten Ärzte berichteten über multiple Befindlichkeitsstörungen des Klägers, ein klinisch fassbares neuropathologisches Korrelat sei jedoch nicht gefunden, entzündliche Veränderungen labordiagnostisch ausgeschlossen worden. Es wurde u.a. eine schwere Psychosomatose mit erheblichen funktionellen Herzbeschwerden und häufigen Schwindelzuständen angenommen, wobei auch insoweit eine organische Ursache nach Hinzuziehung eines Kardiologen nicht gefunden wurde. Dr.M ... habe zunächst eine Schwermetall-Intoxikation angenommen und mit DMAP behandelt. Nachdem eine Befindlichkeitsbesserung ausgeblieben sei, seien eine chronische Lösemittel-Intoxikation angenommen und weitere Untersuchungen durchgeführt worden. Hierbei habe sich aber kein Hinweis auf einen bedenklichen Gehalt kanzerogener Substanzen gefunden, die üblicherweise in industriellen Lösungsmitteln vorkämen, insbesondere sei kein Benzol gefunden worden. Die Beklagte hat ferner ein Gutachten von Prof.Dr.F ... vom 21.02.1992/Stellungnahme vom 20.07.1992 eingeholt, der eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit im Sinne der Ziffer 1302 der BKVO verneinte. Denn die Diagnose einer berufsbedingten Erkrankung im vorgenannten Sinn könne nur dann gestellt werden, wenn es bei nachgewiesenen typischen berufsbedingten außergewöhnlichen Umständen oder Expositionen zu charakteristisch gut bekannten und beschriebenen Krankheitsbildern komme. Eine Erkrankung mit entsprechenden objektivierbaren Befunden läge jedoch beim Kläger nicht vor. Der staatliche Gewerbearzt folgte dieser Einschätzung (Stellungnahme vom 15.04.1992). Dr.N ..., Oberarzt der Abteilung Neurologie des Psychiatrischen Landeskrankenhauses W ... , in dem der Kläger vom 10.06. bis 26.06.1992 behandelt worden war, hielt dagegen einen Zusammenhang zwischen der langjährigen Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln und den Beschwerden des Klägers für sehr wahrscheinlich. Weitere Aufklärungsversuche im Wege der Beauftragung von Prof.Dr.T ... bzw. Prof.Dr.L ... zur Erstellung eines Gutachtens blieben ohne Erfolg, weil diese Sachverständigen die Gutachtensaufträge zurückgaben. Daraufhin hat der Kläger vorgeschlagen, Priv.-Doz. Dr.F ... zu hören. Die Beklagte lehnte jedoch einen weiteren Gutachtensauftrag ab, da der letztgenannte Sachverständige beim Krebsforschungszentrum in Heidelberg tätig sei und es sich beim Kläger nicht um eine berufsbedingte Krebserkrankung handle.
Mit Bescheid vom 12.08.1993 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.1302 der Anlage 1 zur BKVO, gestützt auf das Gutachten des Prof.Dr.F ..., ab.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger Kontakt mit verschiedenen schädigenden Stoffen geltend, trug vor, dass die Aussagen in den TAB-Berichten falsch seien und verwies des Weiteren auf Befunde behandelnder Ärzte. In dem von ihm überlassenen Gutachten des Dr.M ... vom 11.12.1994 sei dieser unter Hinweis auf die durchgeführte Hirnszintigraphie zu der Auffassung gekommen, dass eine psychosomatische Erkrankung endgültig widerlegt sei. Die dort gefundene Perfusionsminderung der Hirnrinde decke sich mit den Befunden, die F ... in Hamburg bei zahlreichen lösungsmittelgeschädigten Patienten finden konnte. Die multifocale Verteilung erkläre die vielseitige und auch wechselnde Symptomatik ohne weiteres. Dipl.-Chemiker und Arzt Dr.M ..., Gewerbemedizinaldirektor a.D., Essen, übte am 30.05.1995 Kritik an den vorgenannten Ausführungen, schlug jedoch weitere Ermittlungen und Beiziehung von Befunden vor. Zu den Ergebnissen der weiteren Sachaufklärung, insbesondere auch den von der Beschäftigungsfirma vorgelegten Unterlagen (zu den verwendeten Druckfarben und Messergebnissen) sowie zu den vom Betriebsarzt Dr.W ... überlassenen Datenblättern isocyanathaltiger Zubereitungen holte die Beklagte eine abschließende Stellungnahme des Dr.M ... vom 22.02.1996 ein. Nachdem dieser eine Verursachung der Syndrome durch Lösemittel nicht feststellen konnte, wies die Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.1996 als unbegründet zurück.
Mit seiner beim Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage machte der Kläger u.a. geltend, dass die Beklagte es versäumt habe, am Ende der Arbeitsschicht eine entsprechende Lösungsmittelkonzentration in der Blutbahn überprüfen zu lassen, um entsprechende Werte und Befunde zu erzielen. Es sei lediglich die Arbeitsplatzkonzentration von Ethylacetat gemessen worden. Nachweislich seien jedoch auch fluorhaltige Mittel sowie fungizidhaltige Lacke verarbeitet worden, deren Zusammensetzung bisher nicht ermittelt worden sei. Auch die Zusammensetzung des Stoffes Hotmelt als Klebstoff sei nicht geklärt. Nicht abgeklärt sei auch die Erhöhung der im Blut befindlichen Quecksilber- und Bleiwerte. Zur Aufklärung des Sachverhalts wurden diverse Befunde auf röntgenologischem Fachgebiet sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Die Beklagte verwies darauf, dass die Ermittlungen des technischen Aufsichtsdienstes ergeben hätten, dass mengenmäßig und toxikologisch lediglich der Arbeitsstoff Ethylacetat relevant sei. Dieser sei aber kein Listenstoff im Sinne der BKVO. Zum Anderen sei nach den messtechnischen Ergebnissen der zulässige MAK-Wert stets eingehalten worden. Ethylacetat sei nicht Gegenstand der neuen BK- Ziffer 1317. Prof.K ..., Mitglied des Ärztlichen Sachverständigenbeirates, gab anlässlich einer Besprechung bekannt, dass Ethylacetat auf Grund seines raschen metabolischen Abbaus nicht zu den Neurotoxinen gezählt werde. Das Sozialgericht hat sodann den Internisten und Nephrologen Prof. Dr.H ... gehört. Dieser kam in seinem Gutachten vom 01.12.1999 zum Ergebnis, dass eine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoff im Sinne der Nr.1302 möglich, jedoch nicht gesichert sei.
Mit Urteil vom 30.03.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Voraussetzungen des § 9 SGB VII lägen nicht vor, eine Berufskrankheit sei beim Kläger nicht nachgewiesen. Bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit habe Prof.Dr.H ... die persistierende Verminderung der Immunabwehrlage für maßgeblich gehalten. Diese sei erstmals 1992/1993 mit dem Nachweis der Verminderung von IgG und IgM objektiviert und durch weitere Untersuchungen bestätigt worden, des weiteren sei eine deutliche Verminderung in der linken Hirnhemisphäre der Speicherkapazität bestätigt worden sowie Gleichgewichtsstörungen und Polyneuropathie. Der Kläger sei wiederholt an schweren Streptokokken- Infekten erkrankt gewesen, die trotz hochdosierter antibiotischer Behandlung kaum beherrschbar gewesen seien. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dies die Folge eines persistierenden Immunglobulinmangels sei. Der Nachweis einer toxischen Enzephalopathie fehle dagegen, da die erforderlichen pränarkotischen Symptome wie Schwindel, Benommenheit und Gefühl der Trunkenheit nicht vorlägen. Das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild der persistierenden Verminderung der Immunabwehrlage werde jedoch von der BKVO nicht erfasst, wie sich aus dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr.1302 ergebe. Auffallend sei auch, dass von einer Vielzahl von Ärzten kein organisches Korrelat für die angegebenen Beschwerden des Klägers gefunden werden konnte. Lediglich der Hautarzt und Allergologe Dr.M ..., Isny, habe einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und seinen Beschwerden vermutet, aber auch erst dann, nachdem er zunächst auf Schwermetall-Intoxikation behandelt hatte. Nach allem habe sich Prof. Dr.H ... eingehend mit allen vorliegenden Befunden auseinandergesetzt und zutreffend ausgeführt, dass eine Berufskrankheit des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt: Das Urteil sei unrichtig, nebulös und unsubstantiert. Das Gutachten des Prof. Dr.H ... basiere auf einer völlig falschen Tatsachenwiedergabe, insbesondere hinsichtlich der von ihm angegebenen Beschwerden. Es sei inzwischen medizinisch nachweisbar, ermittelbar und anerkannt, dass toxische Stoffe das Immunsystem schädigen oder sogar zerstören können. Dass dies in den Merkblättern für die ärztliche Untersuchung für die BKVO noch nicht enthalten sei, negiere nicht die rechtliche und gesetzliche Möglichkeit, weitere Erkrankungsbilder anzuerkennen. Es sei gänzlich unwahrscheinlich und fast nahezu ausgeschlossen, dass er sich diese Schäden außerhalb des Berufes geholt haben sollte, zumal sie im Übrigen absolut typisch für Lösungsmittelschäden seien.
Mit ausführlicher Begründung, insbesondere unter Hinweis auf die Ergebnisse der Gutachten von Prof.Dr.F ..., Prof. Dr.H ... und Prof.Dr.K ... (im Gutachten vom 16.07.1993 im Rechtsstreit S 11 Vs 628/92) ist die Beklagte der Auffassung des Klägers und seinen Einwendungen gegen das angefochtenen Urteil entgegengetreten. Soweit sich der Kläger auf Feststellungen des Dr.M ... beziehe, verweist sie darauf, dass es sich dabei um ein umweltmedizinisches Gutachten handle, dem gegenüber den anderen Gutachten keine höhere Beweiskraft zukomme. Denn es stünden dabei individualmedizinische Aspekte im Vordergrund mit allgemein hygienisch-präventivmedizinischen Aufgaben. Die Patienten sehen sich dabei meist als Opfer überwiegend chemischer Einwirkungen, auch wenn allgemein gesicherte Erkenntnisse fehlen oder noch weniger im Einzelfall nachweisbar seien. Es sei seit Jahrzehnten bekannt, dass toxische Substanzen zu eindeutig organisch bedingten Schäden des zentralen und peripheren Nervensystems führen können (vgl. Nr.1317 der BKVO). Das Paradigma der Umweltmedizin sei die Vorstellung, dass auch Schadstoffkonzentrationen, die weit unterhalb der Werte in der Allgemeinmedizin liegen, zu klinisch relevanten Krankheitsbildern führen können. Dies sei jedoch nicht unwidersprochen geblieben und im Grunde bis heute nicht bewiesen. Unter diesem Mangel leide auch das Gutachten des Dr.M ...
Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 30.03.2000 und des Bescheides vom 12.08.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1996 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.1302, 1303, 1308, 1101, 1102, hilfsweise nach § 551 Abs.2 RVO Verletztenrente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren, hilfsweise ein toxikologisch bzw. umweltmedizinisches Gutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
weil das angefochtenen Urteil zutreffend sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten 1. und 2. Instanz einschließlich der beigezogenen Akte S 9 U 129/96 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der Nr.1302 - Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe -, weil eine solche bei ihm nicht vorliegt. Dies hat das Sozialgericht, gestützt vor allem auf die Ausführungen von Prof.Dr.F ... und Prof. Dr.H ..., eingehend und überzeugend dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und nimmt zur weiteren Begründung gemäß § 153 Abs.2 SGG auf die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil ergänzend Bezug.
Das Berufungsvorbringen des Klägers enthält nichts, was geeignet wäre, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Auch ergibt sich kein weiterer Aufklärungsbedarf, etwa im Sinne des beantragten weiteren Gutachtens auf toxikologischem bzw. umweltmedizinischem Gebiet, weil der Sachverhalt bereits durch die vorliegenden Gutachten medizinisch ausreichend geklärt ist. Soweit sich der Kläger wiederholt auf die Ausführungen von Dr.M ... beruft, hat hierzu die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung zutreffende Ausführungen gemacht, denen in vollem Umfang beizutreten ist.
Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers nach dem derzeitigen Sachstand keinen Erfolg haben.
Nicht Gegenstand des Verfahrens waren die vom Kläger des weiteren beantragten Berufskrankheiten nach den Nrn.1303, 1308, 1101, 1102, weil die Beklagte hierüber keine Entscheidung getroffen hat. Der angefochtene Bescheid vom 12.08.1993 enthält nur die Ablehnung einer Berufskrankheit nach Nr.1302.
Die somit als unbegründet anzusehende Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der Nr.1302 der Anlage 1 zur BKVO streitig.
Der am ...1957 geborene Kläger, von Beruf Maschinenführer im Bereich Tiefdruck und zwischenzeitlich Rentner, war seit 1979 bei der Fa. 4 P Verpackungen ... GmbH beschäftigt. Am 21.05. 1991 zeigte der Betriebsarzt Dr.W ... das Vorliegen einer Berufskrankheit an. Der Kläger leide seit 1985 an Schlaf- und Sehstörungen. Der behandelnde Arzt Dr.M ... habe eine chronische Intoxikation durch Lösemittel, eventuell auch Schwermetalle angenommen.
Die Beklagte holte Befunde der behandelnden Ärzte des Klägers - des Neurologen und Psychiaters Dr.H ..., des Allgemeinarztes Dr.W ..., des Neurologen Dr.N ..., des praktischen Arztes Dr.V ..., des Arztes für Allgemeinmedizin Dr.R ... , des Hautarztes und Allergologen Dr.M ... sowie des Dr.N ...- ein und zog des weiteren Unterlagen über stationäre Behandlungen des Klägers bei. Die vorgenannten Ärzte berichteten über multiple Befindlichkeitsstörungen des Klägers, ein klinisch fassbares neuropathologisches Korrelat sei jedoch nicht gefunden, entzündliche Veränderungen labordiagnostisch ausgeschlossen worden. Es wurde u.a. eine schwere Psychosomatose mit erheblichen funktionellen Herzbeschwerden und häufigen Schwindelzuständen angenommen, wobei auch insoweit eine organische Ursache nach Hinzuziehung eines Kardiologen nicht gefunden wurde. Dr.M ... habe zunächst eine Schwermetall-Intoxikation angenommen und mit DMAP behandelt. Nachdem eine Befindlichkeitsbesserung ausgeblieben sei, seien eine chronische Lösemittel-Intoxikation angenommen und weitere Untersuchungen durchgeführt worden. Hierbei habe sich aber kein Hinweis auf einen bedenklichen Gehalt kanzerogener Substanzen gefunden, die üblicherweise in industriellen Lösungsmitteln vorkämen, insbesondere sei kein Benzol gefunden worden. Die Beklagte hat ferner ein Gutachten von Prof.Dr.F ... vom 21.02.1992/Stellungnahme vom 20.07.1992 eingeholt, der eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit im Sinne der Ziffer 1302 der BKVO verneinte. Denn die Diagnose einer berufsbedingten Erkrankung im vorgenannten Sinn könne nur dann gestellt werden, wenn es bei nachgewiesenen typischen berufsbedingten außergewöhnlichen Umständen oder Expositionen zu charakteristisch gut bekannten und beschriebenen Krankheitsbildern komme. Eine Erkrankung mit entsprechenden objektivierbaren Befunden läge jedoch beim Kläger nicht vor. Der staatliche Gewerbearzt folgte dieser Einschätzung (Stellungnahme vom 15.04.1992). Dr.N ..., Oberarzt der Abteilung Neurologie des Psychiatrischen Landeskrankenhauses W ... , in dem der Kläger vom 10.06. bis 26.06.1992 behandelt worden war, hielt dagegen einen Zusammenhang zwischen der langjährigen Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln und den Beschwerden des Klägers für sehr wahrscheinlich. Weitere Aufklärungsversuche im Wege der Beauftragung von Prof.Dr.T ... bzw. Prof.Dr.L ... zur Erstellung eines Gutachtens blieben ohne Erfolg, weil diese Sachverständigen die Gutachtensaufträge zurückgaben. Daraufhin hat der Kläger vorgeschlagen, Priv.-Doz. Dr.F ... zu hören. Die Beklagte lehnte jedoch einen weiteren Gutachtensauftrag ab, da der letztgenannte Sachverständige beim Krebsforschungszentrum in Heidelberg tätig sei und es sich beim Kläger nicht um eine berufsbedingte Krebserkrankung handle.
Mit Bescheid vom 12.08.1993 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.1302 der Anlage 1 zur BKVO, gestützt auf das Gutachten des Prof.Dr.F ..., ab.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger Kontakt mit verschiedenen schädigenden Stoffen geltend, trug vor, dass die Aussagen in den TAB-Berichten falsch seien und verwies des Weiteren auf Befunde behandelnder Ärzte. In dem von ihm überlassenen Gutachten des Dr.M ... vom 11.12.1994 sei dieser unter Hinweis auf die durchgeführte Hirnszintigraphie zu der Auffassung gekommen, dass eine psychosomatische Erkrankung endgültig widerlegt sei. Die dort gefundene Perfusionsminderung der Hirnrinde decke sich mit den Befunden, die F ... in Hamburg bei zahlreichen lösungsmittelgeschädigten Patienten finden konnte. Die multifocale Verteilung erkläre die vielseitige und auch wechselnde Symptomatik ohne weiteres. Dipl.-Chemiker und Arzt Dr.M ..., Gewerbemedizinaldirektor a.D., Essen, übte am 30.05.1995 Kritik an den vorgenannten Ausführungen, schlug jedoch weitere Ermittlungen und Beiziehung von Befunden vor. Zu den Ergebnissen der weiteren Sachaufklärung, insbesondere auch den von der Beschäftigungsfirma vorgelegten Unterlagen (zu den verwendeten Druckfarben und Messergebnissen) sowie zu den vom Betriebsarzt Dr.W ... überlassenen Datenblättern isocyanathaltiger Zubereitungen holte die Beklagte eine abschließende Stellungnahme des Dr.M ... vom 22.02.1996 ein. Nachdem dieser eine Verursachung der Syndrome durch Lösemittel nicht feststellen konnte, wies die Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.1996 als unbegründet zurück.
Mit seiner beim Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage machte der Kläger u.a. geltend, dass die Beklagte es versäumt habe, am Ende der Arbeitsschicht eine entsprechende Lösungsmittelkonzentration in der Blutbahn überprüfen zu lassen, um entsprechende Werte und Befunde zu erzielen. Es sei lediglich die Arbeitsplatzkonzentration von Ethylacetat gemessen worden. Nachweislich seien jedoch auch fluorhaltige Mittel sowie fungizidhaltige Lacke verarbeitet worden, deren Zusammensetzung bisher nicht ermittelt worden sei. Auch die Zusammensetzung des Stoffes Hotmelt als Klebstoff sei nicht geklärt. Nicht abgeklärt sei auch die Erhöhung der im Blut befindlichen Quecksilber- und Bleiwerte. Zur Aufklärung des Sachverhalts wurden diverse Befunde auf röntgenologischem Fachgebiet sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Die Beklagte verwies darauf, dass die Ermittlungen des technischen Aufsichtsdienstes ergeben hätten, dass mengenmäßig und toxikologisch lediglich der Arbeitsstoff Ethylacetat relevant sei. Dieser sei aber kein Listenstoff im Sinne der BKVO. Zum Anderen sei nach den messtechnischen Ergebnissen der zulässige MAK-Wert stets eingehalten worden. Ethylacetat sei nicht Gegenstand der neuen BK- Ziffer 1317. Prof.K ..., Mitglied des Ärztlichen Sachverständigenbeirates, gab anlässlich einer Besprechung bekannt, dass Ethylacetat auf Grund seines raschen metabolischen Abbaus nicht zu den Neurotoxinen gezählt werde. Das Sozialgericht hat sodann den Internisten und Nephrologen Prof. Dr.H ... gehört. Dieser kam in seinem Gutachten vom 01.12.1999 zum Ergebnis, dass eine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoff im Sinne der Nr.1302 möglich, jedoch nicht gesichert sei.
Mit Urteil vom 30.03.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Voraussetzungen des § 9 SGB VII lägen nicht vor, eine Berufskrankheit sei beim Kläger nicht nachgewiesen. Bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit habe Prof.Dr.H ... die persistierende Verminderung der Immunabwehrlage für maßgeblich gehalten. Diese sei erstmals 1992/1993 mit dem Nachweis der Verminderung von IgG und IgM objektiviert und durch weitere Untersuchungen bestätigt worden, des weiteren sei eine deutliche Verminderung in der linken Hirnhemisphäre der Speicherkapazität bestätigt worden sowie Gleichgewichtsstörungen und Polyneuropathie. Der Kläger sei wiederholt an schweren Streptokokken- Infekten erkrankt gewesen, die trotz hochdosierter antibiotischer Behandlung kaum beherrschbar gewesen seien. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dies die Folge eines persistierenden Immunglobulinmangels sei. Der Nachweis einer toxischen Enzephalopathie fehle dagegen, da die erforderlichen pränarkotischen Symptome wie Schwindel, Benommenheit und Gefühl der Trunkenheit nicht vorlägen. Das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild der persistierenden Verminderung der Immunabwehrlage werde jedoch von der BKVO nicht erfasst, wie sich aus dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr.1302 ergebe. Auffallend sei auch, dass von einer Vielzahl von Ärzten kein organisches Korrelat für die angegebenen Beschwerden des Klägers gefunden werden konnte. Lediglich der Hautarzt und Allergologe Dr.M ..., Isny, habe einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und seinen Beschwerden vermutet, aber auch erst dann, nachdem er zunächst auf Schwermetall-Intoxikation behandelt hatte. Nach allem habe sich Prof. Dr.H ... eingehend mit allen vorliegenden Befunden auseinandergesetzt und zutreffend ausgeführt, dass eine Berufskrankheit des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt: Das Urteil sei unrichtig, nebulös und unsubstantiert. Das Gutachten des Prof. Dr.H ... basiere auf einer völlig falschen Tatsachenwiedergabe, insbesondere hinsichtlich der von ihm angegebenen Beschwerden. Es sei inzwischen medizinisch nachweisbar, ermittelbar und anerkannt, dass toxische Stoffe das Immunsystem schädigen oder sogar zerstören können. Dass dies in den Merkblättern für die ärztliche Untersuchung für die BKVO noch nicht enthalten sei, negiere nicht die rechtliche und gesetzliche Möglichkeit, weitere Erkrankungsbilder anzuerkennen. Es sei gänzlich unwahrscheinlich und fast nahezu ausgeschlossen, dass er sich diese Schäden außerhalb des Berufes geholt haben sollte, zumal sie im Übrigen absolut typisch für Lösungsmittelschäden seien.
Mit ausführlicher Begründung, insbesondere unter Hinweis auf die Ergebnisse der Gutachten von Prof.Dr.F ..., Prof. Dr.H ... und Prof.Dr.K ... (im Gutachten vom 16.07.1993 im Rechtsstreit S 11 Vs 628/92) ist die Beklagte der Auffassung des Klägers und seinen Einwendungen gegen das angefochtenen Urteil entgegengetreten. Soweit sich der Kläger auf Feststellungen des Dr.M ... beziehe, verweist sie darauf, dass es sich dabei um ein umweltmedizinisches Gutachten handle, dem gegenüber den anderen Gutachten keine höhere Beweiskraft zukomme. Denn es stünden dabei individualmedizinische Aspekte im Vordergrund mit allgemein hygienisch-präventivmedizinischen Aufgaben. Die Patienten sehen sich dabei meist als Opfer überwiegend chemischer Einwirkungen, auch wenn allgemein gesicherte Erkenntnisse fehlen oder noch weniger im Einzelfall nachweisbar seien. Es sei seit Jahrzehnten bekannt, dass toxische Substanzen zu eindeutig organisch bedingten Schäden des zentralen und peripheren Nervensystems führen können (vgl. Nr.1317 der BKVO). Das Paradigma der Umweltmedizin sei die Vorstellung, dass auch Schadstoffkonzentrationen, die weit unterhalb der Werte in der Allgemeinmedizin liegen, zu klinisch relevanten Krankheitsbildern führen können. Dies sei jedoch nicht unwidersprochen geblieben und im Grunde bis heute nicht bewiesen. Unter diesem Mangel leide auch das Gutachten des Dr.M ...
Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 30.03.2000 und des Bescheides vom 12.08.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1996 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.1302, 1303, 1308, 1101, 1102, hilfsweise nach § 551 Abs.2 RVO Verletztenrente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren, hilfsweise ein toxikologisch bzw. umweltmedizinisches Gutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
weil das angefochtenen Urteil zutreffend sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten 1. und 2. Instanz einschließlich der beigezogenen Akte S 9 U 129/96 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der Nr.1302 - Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe -, weil eine solche bei ihm nicht vorliegt. Dies hat das Sozialgericht, gestützt vor allem auf die Ausführungen von Prof.Dr.F ... und Prof. Dr.H ..., eingehend und überzeugend dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und nimmt zur weiteren Begründung gemäß § 153 Abs.2 SGG auf die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil ergänzend Bezug.
Das Berufungsvorbringen des Klägers enthält nichts, was geeignet wäre, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Auch ergibt sich kein weiterer Aufklärungsbedarf, etwa im Sinne des beantragten weiteren Gutachtens auf toxikologischem bzw. umweltmedizinischem Gebiet, weil der Sachverhalt bereits durch die vorliegenden Gutachten medizinisch ausreichend geklärt ist. Soweit sich der Kläger wiederholt auf die Ausführungen von Dr.M ... beruft, hat hierzu die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung zutreffende Ausführungen gemacht, denen in vollem Umfang beizutreten ist.
Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers nach dem derzeitigen Sachstand keinen Erfolg haben.
Nicht Gegenstand des Verfahrens waren die vom Kläger des weiteren beantragten Berufskrankheiten nach den Nrn.1303, 1308, 1101, 1102, weil die Beklagte hierüber keine Entscheidung getroffen hat. Der angefochtene Bescheid vom 12.08.1993 enthält nur die Ablehnung einer Berufskrankheit nach Nr.1302.
Die somit als unbegründet anzusehende Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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