Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 101/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 193/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.05.1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls (Wegeunfalls) vom 13.04.1992 Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus weiterzugewähren, hilfsweise, ob ihm Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH zu gewähren ist.
Der am ...1958 geborene Kläger ist selbständiger Versicherungsagent. Am 13.04.1992 erlitt er auf einem Betriebsweg mit seinem PKW, in dem er angeschnallt war, einen Verkehrsunfall, als er einem anderen PKW, der ihm die Vorfahrt genommen hatte, leicht schräg in die Seite fuhr. Nach dem Unfall klagte er über Kopfschmerzen, Schmerzen im Nacken und etwa eine Stunde nach dem Unfall über zunehmende Übelkeit mit Erbrechen. Bewusstlos war er nicht. Der Chirurg Dr.H.M ... (Aschaffenburg) diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 16.04.1992 eine Prellung der Halswirbelsäule (HWS) und des Schädels.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Befundberichte des Dr.H.M ... vom 06.05.1992/14.05.1992/04.06.1992/24.07.1992, des Neurologen Dr.R.B ... (Aschaffenburg) vom 06.05.1992/ 29.05.1992, des Allgemeinarztes Dr.K.R ... (Aschaffenburg) vom 21.05.1992/22.09.1992, des Neurologen Dr.M.K ... (Chefarzt der Abteilung Neurologie des Reha-Zentrums Bad Orb) vom 06.10.1992 mit einem Entlassungsbericht dieser Klinik vom 28.09.1992 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 01.09.1992 bis 29.09.1992, des Neurologen Dr.H.F ... (Würzburg), des Allgemeinarztes Dr.H.H ... (Aschaffenburg) vom 20.09.1993 und des Neurochirurgen Dr.W.K ... (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt) vom 19.10.1993 bei und holte Gutachten des Prof.Dr.G.Me ... (Chefarzt der Neurochirurgischen-Neurotraumatologischen Abteilung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt) vom 23.12.1992/15.02.1993/24.03.1993, des HNO-Arztes Dr.E.M ... (Frankfurt) vom 24.02.1993/20.03.1993/ 27.11.1993 und des Chirurgen Dr.P.B.-H ... (Frankfurt) vom 22.10.1993 ein. Prof.Me ... vertrat die Auffassung, massive Nackenschmerzen, Kopfschmerzen und Schwindelattacken stünden mit dem Unfall vom 13.04.1992 ursächlich im Zusammenhang. Möglicherweise habe sich das Trauma vom 13.04.1992 auf vorangegangene HWS-Verletzungen aufgepfropft. Die MdE betrage für das erste Jahr nach dem Unfall 10 vH. Dr.E.M ... hielt es für wahrscheinlich, dass der am rechten Ohr zunächst stärker ausgeprägte flache Hörkurvenverlauf sowie die auffällige Untererregbarkeit des rechten peripheren Gleichgewichtsorgans ebenfalls durch die HWS-Distorsion verursacht worden sei. Am 27.11.1993 stellte er jedoch wieder ein altersentsprechend normales Hörvermögen beidseits fest. Die Gleichgewichtsorgane und die übrigen otoneurologischen Untersuchungen zeigten ebenfalls keinen krankhaften Befund mehr. Lediglich zeitweilige Schwindelerscheinungen in Stresssituationen führte der Sachverständige noch auf den Unfall zurück. Eine messbare MdE stellte er jedoch nicht mehr fest. Dr.B.-H ... führte aus, der Unfall habe zunächst zu einem rein weichgewebigen HWS-Trauma iS einer Distorsion der kleinen Wirbelgelenke geführt. Jetzt lägen aber weder auf unfallchirurigischem noch auf neurologischem oder HNO-ärztlichem Gebiet fassbare Folgen des Unfalls mehr vor. Die psychovegetativen Beschwerden (Konzentrationsstörungen, Übelkeit, vermehrtes Schwitzen, Herzrasen) seien keine Unfallfolgen. Bereits 1990 habe eine erhebliche psychosomatische Komponente vorgelegen. Wegen der Unfallfolgen bestehe weder Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit. Die MdE betrage 10 vH bis zum Ende des ersten Jahres nach dem Unfall.
Mit Bescheid vom 27.07.1993 gewährte die Beklagte Verletztengeld vom 13.04.1992 bis 21.07.1993 und lehnte mit Bescheid vom gleichen Tag eine Weitergewährung von Verletzengeld ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.1994 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach den erhobenen Befunden bestehe wegen der Unfallfolgen ab 22.07.l1993 weder Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit. Mit Bescheid vom 09.02.1994 erkannte die Beklagte eine folgenlos verheilte Distorsion der HWS als Unfallfolge an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil der Arbeitsunfall eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht hinterlassen habe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und beantragt, den Bescheid vom 09.02.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus zu gewähren bzw Rente nach einer MdE um 60 vH zu zahlen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, Verletztengeld zu zahlen, da er weiterhin unfallbedingt arbeitsunfähig sei und noch Behandlungsbedürftigkeit wegen der Unfallfolgen vorliege.
Das SG hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen Gutachten des Orthopäden Dr.G.Ebenhöh (Bad Orb) vom 18.04.1995 und gem § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des HNO-Arztes Dr.M.M.-K ... vom 26.06.1996 eingeholt. Dr.Eb ... hat darauf hingewiesen, dass der Kläger eine Distorsion der HWS leichtesten Grades erlitten habe. Derartige Verletzungen heilten nach vier bis sechs Wochen folgenlos aus. Die jetzt noch geklagten Beschwerden seien ausschließlich als psychovegetativ zu werten. Die MdE betrage bis 13.04.1993 10 vH, danach unter 10 vH. Dr.M.M.-K ... hat zunächst nach Untersuchung am 20.10.1995 in einem am 05.08.1996 per Fax übersandten Gutachten Gleichgewichtsfunktionsstörungen und eine Schallempfindungsschwerhörigkeit von 30 dB beidseits als Unfallfolgen bezeichnet und mit einer MdE von 30 vH bewertet. Im am 07.10.1996 eingegangenen weiteren Gutachten hat er als Unfallfolgen Verletzungen im Bereich der Halsweichteile, Störungen des Geruchs, Geschmacks, Hör- und Gleichgewichts, Konzentrationsstörungen und Cephalgien aufgeführt. Für Sinnesstörungen und die begleitende vegetative Symptomatik hat er eine MdE von 50 vH und für neurologische Gesundheitsstörungen von 20 vH, insgesamt 60 vH angenommen. Die Beklagte hat vorgelegt einen Befundbericht des HNO-Arztes Dr.E.M ... vom 23.08.1996 (keine Folgen eines Unfalls vom 20.10.1995 mehr vorhanden) und ein Gutachten des Neurochirurgen Dr.D.E-S ... (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt) vom 17.06.1996 betreffend einem Unfall vom 08.12.1994, bei dem die LWS und das Handgelenk verletzt wurden, aber keine Folgen von Krankheitswert zurückgeblieben sind.
Mit Urteil vom 14.05.1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich der Auffassung des Dr.Eb ... angeschlossen und festgestellt, dass das HWS-Schleudertrauma 1.Grades folgenlos ausgeheilt sei.
Der Senat hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen Gutachten des Dr.M.P.Müller-Kortkamp vom 04.08.1998, des Prof.Dr.M.H ... (Leiter der Abteilung für Phoniatrie, Pädaudiologie und Neurootologie, Universitäts-HNO-Klinik im Klinikum Mannheim) vom 20.09.1999/23.03.2000/ 26.09.2000 eingeholt sowie ein Gutachten des Prof.Dr.G.P ... (Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg) vom 12.11.1996 beigezogen. Prof.Dr.M.M.-K ... hat jetzt als Unfallfolgen ein HWS-Weichteiltrauma mit cervikoencephaler Symptomatik angenommen und die MdE wie bisher mit 60 vH eingeschätzt. Prof.Dr.M.H ... hat die heute noch geklagte Beschwerdesymptomatik (Schwindelbeschwerden, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Ohrenschmerzen, Ohrgeräusche) nicht auf den Unfall vom 13.04.1992 zurückgeführt. Prof.Dr.G.P ... hat unter Einbeziehung eines kraftfahrzeugtechnischen Gutachtens des Dipl.Ing.R ... die Auffassung vertreten, möglicherweise habe durch den Unfall eine leichte HWS-Distorsion für einen begrenzten Zeitraum von ca vier Wochen in Erscheinung treten können. Die jetzt noch geklagten Beschwerden (anhaltende Kopfschmerzen mit Übelkeit, Erbrechen und Verspannungen) könnten ursächlich nicht auf den Unfall vom 13.04.1992 zurückgeführt werden.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 14.05.1997 und unter Abänderung des Bescheides vom 27.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1994 und unter Aufhebung des Bescheides vom 09.02.1994 zu verurteilen, ihm Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus weiterzugewähren, hilfsweise Verletztenrente nach einer MdE um 60 von Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.05.1997 zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage bezüglich des Anspruchs auf Gewährung von Verletztenrente zu Recht abgewiesen. Zwar hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den gem § 86 Abs 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 09.02.1994 im Widerspruchsbescheid vom 24.03.1994 nicht erwähnt. Hieraus ergibt sich aber keine Fehlerhaftigkeit des Widerspruchsbescheides, weil die irrige Auffassung der Beklagten, für den neuen Bescheid vom 09.02.1994 sei das Vorverfahren nicht erforderlich, dieses entfallen lässt (BVerwGE 29, 229; 37, 88; 39, 265; Meyer-Ladewig, SGG, 6.Aufl, § 78 RdNr 8).
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich das zu beurteilende Ereignis vor dem 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -).
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers in Folge des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 vH gemindert ist.
Ein Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO) ist ein von außen her auf den Menschen einwirkendes, körperlich schädigendes, plötzliches, dh zeitlich begrenztes Ereignis, welches mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 - 545 RVO genannten versicherten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang steht. Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden kann, ist also, dass zwischen der unfallbringenden versicherten Tätigkeit und dem Unfall sowie dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein ursächlicher Zusammenhang liegt nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsbegriff nur dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 1, 72, 76; 12, 242, 245; 38, 127, 129; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung 4.Aufl, Anm 3, 3.4 zu § 548 RVO).
Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht erfüllt.
Auf Grund der Ausführungen der Sachverständigen Prof.Dr.M.H ..., Dr.Eb ... sowie Prof.Me ..., Dr.E.M ..., Dr.B.-H ..., , deren im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten im Berufungsverfahren berücksichtigt werden können (BSG in SozR Nr 66 zu § 128), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.1992 nicht in rentenberechtigendem Grade gemindert ist. Eine MdE von wenigstens 20 vH lässt sich nicht begründen.
Zunächst ist festzustellen, dass nach übereinstimmender Auffassung aller og Gutachter der Kläger bei dem Unfall eine Distorsion der HWS lediglich nach Schweregrad I der dreistufigen Einteilung von Erdmann erlitten hat. Unfallfolgen waren ursprünglich eine schmerzhaft endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der HWS ohne neurologische Ausfälle und ein Muskelhartspann. Eine Fraktur konnte ausgeschlossen werden. Keinesfalls konnten die Verletzungen dem Schweregrad II (mittelschwerer Fall) oder gar dem Grad III zugeordnet werden. Es fehlte bereits an einer für den Grad II erforderlichen mikrostrukturellen Weichteilläsion mit hieraus resultierender Hämatombildung und eventueller temporärer Raumforderung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Aufl S.517). Dies bestätigte auch Prof.Dr.G.P ..., der eine kraftfahrzeugtechnische Würdigung des Dipl.Ing.R ... in seine Bewertung mit einbezogen hat. Danach konnte der Unfall lediglich eine leichte HWS-Distorsion für einen begrenzten Zeitraum von ca 4 Wochen verursacht haben. Zutreffend klassifizierte daher auch Dr.Eb ... die erlittene HWS-Verletzung als Distorsion leichtesten Grades, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers nur vorübergehend eingeschränkt hat. Nach den weit überwiegenden Angaben in der Literatur stellt nämlich die Annahme eines Dauerschadens auf Grund einer Schleuderverletzung selbst beim Schweregrad III die Ausnahme dar (Schönberger aaO S.524).
Diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht es, dass Dr.Eb ... auf orthopädischem Gebiet anlässlich seiner Untersuchung am 09.02.1995 nur noch mäßige Muskelverspannungen und Irritationszonen im Bereich der Kopfgelenke und an dem Halswirbelkörper C 6 fand, denen er jedoch keinen krankhaften Wert mehr beigemessen hat. Bei vorangegangenen neurologischen Untersuchungen (Dr.R.B ... vom 06.05.1992/29.05.1992, Dr.M.K ... vom 06.10.1992) waren ferner keine Hinweise für eine Stammhirn- oder Halsmarksymptomatik gefunden worden. Auch der Chirurg Dr.B.-H ... (Gutachten vom 22.10.1993) fand weder auf unfallchirurgischem noch auf neurochirurgischem Gebiet fassbare Folgen des Unfalls vom 13.04.1992. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die orthopädisch-chirurgischen Unfallfolgen spätestens am 21.07.1993 (Einstellung des Verletztengeldes) abgeklungen waren.
Abgeklungen war auch ein vom HNO-Arzt E.M ... zunächst auf den Unfall zurückgeführter stärker ausgeprägter flacher Hörkurvenverlauf auf dem rechten Ohr sowie eine auffällige Untererregbarkeit des rechten peripheren Gleichgewichtsorgans. Diese Störungen hatten sich bis zur Untersuchung im November 1993 bis auf zeitweilige Schwindelbeschwerden lediglich bei Stresssituationen normalisiert. Eine anlässlich der Untersuchung durch Prof.Dr.M.H ... festgestellte Schallleitungsschwerhörigkeitskomponente wird von diesem bei regelrechten Stimmgabelversuchen, regelrechter Stapediusreflexaudiometrie und regelrechten transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen als Messfehler gewertet. Bei Auswertung des Sprachaudiogramms ergab sich nämlich Normalhörigkeit. Der Kläger selbst klagte bei der Untersuchung durch Prof.Dr.M.H ... nicht über eine Hörstörung.
Die beim Kläger noch vorliegende zentrale Gleichgewichtsstörung kann nicht als Unfallfolge gewertet werden. Der hirnstammaudiometrische Befund ist nach der Beurteilung des Prof.M.H ... nämlich nicht durch den Unfall zu erklären, zumal direkt nach dem Unfall keine primären neurologischen Störungen, die auf eine Commotio cerebri hingewiesen hätten, zu ersehen sind. Auch eine funktionelle Kopfgelenksstörung kann dem Unfall vom 13.04.1992 nicht angelastet werden. Der Kläger hatte bereits vorher Unfälle mit HWS-Distorsionen erlitten. Hierauf weist zB Dr.K.R ... im Befundbericht vom 21.05.1992 hin. Auch wurde er bereits 1987 wegen LWS-Beschwerden stationär behandelt. Hieraus zieht der Sachverständige Prof.Dr.M.H ... zu Recht den Schluss, dass im Rahmen der sogenannten Verkettung nach funktionellen Störungen im LWS-Bereich mit einer Latenz von Wochen bis Jahren auch HWS-Störungen zu erwarten sind und länger bestehende LWS-Beschwerden kaum ohne begleitende Kopfgelenksstörungen beobachtet wurden. Kopfschmerzen, Sehstörungen, Ohrenschmerzen und Ohrgeräusche sind auch nach Auffassung des Prof.Dr.M.H ... glaubhaft, stehen aber in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Prof.Dr.M.H ... weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beim Kläger deutliche myogelotische Veränderungen im Bereich der oberen HWS imponieren und damit eine cervikale Genese der Kopfschmerzen nicht ausgeschlossen werden kann. Ohrenschmerzen und Ohrgeräusche sind erst im Laufe des Jahres 1998 aufgetreten, so dass der Sachverständige auch hier zu Recht keinen Zusammenhang mit dem Unfall sieht. Die Sehstörungen können einen Bezug zu den funktionellen Kopfgelenksstörungen haben, worauf der Palpationsbefund der Kopfgelenke des Klägers hinweist.
Da somit auf chirurgisch/orthopädischem, neurologischem und HNO-fachärztlichem sowie neurootologischem Gebiet nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit beim Kläger keine rentenberechtigende MdE angenommen werden kann, hat der Kläger keinen Rentenanspruch.
Der Auffassung des Dr.M.M.-K ..., der als Unfallfolgen ein HWS-Weichteiltrauma mit cervicoencephaler Symptomatik angenommen und mit einer MdE von 60 vH bewertet hat, schloss sich der Senat nicht an. Dr.M.M.-K ... wertet das gesamte cervico-encephale Syndrom primär als Unfallfolge, ohne Vorbefunde und die Zusammenhangsfrage zu diskutieren. Er führt unkritisch alle vom Kläger geklagten Beschwerden auf den Unfall zurück und grenzt die zahlreichen früheren Unfälle differenzialdiagnostisch nicht ab. Darüberhinaus konnte Prof.Dr.M.H ... die von diesem Arzt diagnostizierte pantonale Schwerhörigkeit von 35 dB beidseits nicht verifizieren. Sie ist nach den vom Sachverständigen veranlassten Untersuchungen (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen) auch nicht möglich. Nicht möglich ist bei der von Dr.M.M.-K ... festgestellten Schwerhörigkeit ferner eine 100 %-ige Wortdiskrimination für Einsilber bei 60 dB. Der Sachverständige Prof.Dr.M.H ... geht daher von einem Messfehler bei der Untersuchung aus. Ferner hat der Kläger vor der Begutachtung durch Dr.M.M.-K ... nie über Geruchs- und Geschmacksstörungen geklagt, so dass sie dem Unfall vom 13.04.1992 nicht zugerechnet werden können, zumal nach der Befundbeschreibung des durch Dr.M.M.-K ... veranlassten Geruchstests die Geruchsstörung für den Sachverständigen Prof.Dr.M.H ... nicht nachvollziehbar war.
Es ergibt sich somit zur Überzeugung des Senats, dass spätestens seit 22.07.1993 Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.1992 mit einer messbaren MdE nicht mehr vorlagen, so dass schon aus diesem Grunde nach dem Bezug von Verletztengeld bis 21.07.1993 kein Anspruch auf Verletztenrente besteht. Unabhängig davon kann der MdE-Bewertung durch Dr.M.M.-K ... schon deshalb nicht gefolgt werden, weil er seiner Bemessung auch die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialgen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz zu Grunde legt, die im Unfallrecht keine Anwendung finden (Gutachten vom 26.06.1996). Bei der Bewertung der Gleichgewichtsstörungen würdigt er das subjektive Beschwerdebild des Klägers falsch. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger noch Auto fährt, obwohl bei der von Dr.M.M.-K ... vorgeschlagenen MdE von 45 vH für die Gleichgewichtsstörungen auch über kurze Strecken das Führen eines Autos nicht möglich wäre (Schönberger aaO S.379 f).
Das SG hat die Klage auch bzgl des Anspruchs auf Gewährung von Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus zu Recht abgewiesen. Unschädlich ist es, dass im Klageantrag vom 14.05.1997 die das Verletztengeld betreffenden Bescheide vom 27.07.1993 nicht ausdrücklich erwähnt sind, da dort der Widerspruchsbescheid vom 24.03.1994 genannt ist, der sich mit den Bescheiden vom 27.07.1993 befasst. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils - die zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind (BSG SozR 136 Nr 1) - ergibt sich, dass das SG auch über den Anspruch auf Verletztengeld entschieden hat.
Nach § 560 Abs 1 RVO erhält der Verletzte Verletztengeld, solange er in Folge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und einen Anspruch auf Übergangsgeld nach den §§ 568, 568 a Abs 2 oder 3 RVO hat. Arbeitsunfähigkeit liegt dabei vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dabei muss der Arbeitsunfall nicht alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit sein. Es genügt, wenn er mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich ist. Der Verletztengeldanspruch besteht also solange, wie die Arbeitsunfähigkeit wesentlich durch die Unfallfolgen bedingt wird.
Dr.Eb ... hat aus orthopädischer Sicht wegen der Unfallfolgen Arbeitsunfähigkeit maximal für sechs Wochen angenommen und Dr.B.-H ... hat auf Grund seiner Untersuchung vom 15.10.1993 Arbeitsunfähigkeit wegen der Unfallfolgen verneint. Bereits am 13.10.1993 hatte der Neurochirurg Dr.W.K ... das weitere Vorliegen von Unfallfolgen ebenfalls verneint und psycho- somatische Mitbehandlung empfohlen (Befundbericht vom 19.10.1993). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Arbeitsfähigkeit geraume Zeit vor dem 13.10.1993 eingetreten ist. Bestätigt wird diese Auffassung durch den Befundbericht des Neurologen Dr.R.B ..., der am 29.05.1992 hinsichtlich der Kopfschmerzen und des Schwindels eine Besserung festgestellt hatte. Die Beklagte ist somit nicht verpflichtet über den 21.07.1993 hinaus Verletztengeld zu gewähren.
Angesichts der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst. Dies gilt insbesondere für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet. So hatten bereits Dr.R.B ... und Dr.M.K ... keine Hinweise für eine Stammhirn- oder Halsmarksymptomatik gefunden, so dass auch Dr.M.M.-K ... eine weitere neurologische Begutachtung für entbehrlich hielt. Bereits vor dem Unfall bestand bei dem Kläger anlagebedingt eine erhebliche psychosomatische Komponente. Hierauf haben Dr.B.-H ... in dem Gutachten vom 22.10.1993 und Dr.W.K ... im Befundbericht vom 19.10.1993 hingewiesen. Da der Kläger bei dem Unfall nur eine leichte HWS-Distorsion erlitten hat, treten evtl psychische Folgen des relativ leichten Unfalls gegenüber der vorhandenen Anlage zurück, so dass das Unfallereignis nicht die rechtlich allein wesentliche Ursache der psychischen Beeinträchtigung darstellt (Schönberger aaO S 222 f).
Damit war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls (Wegeunfalls) vom 13.04.1992 Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus weiterzugewähren, hilfsweise, ob ihm Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH zu gewähren ist.
Der am ...1958 geborene Kläger ist selbständiger Versicherungsagent. Am 13.04.1992 erlitt er auf einem Betriebsweg mit seinem PKW, in dem er angeschnallt war, einen Verkehrsunfall, als er einem anderen PKW, der ihm die Vorfahrt genommen hatte, leicht schräg in die Seite fuhr. Nach dem Unfall klagte er über Kopfschmerzen, Schmerzen im Nacken und etwa eine Stunde nach dem Unfall über zunehmende Übelkeit mit Erbrechen. Bewusstlos war er nicht. Der Chirurg Dr.H.M ... (Aschaffenburg) diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 16.04.1992 eine Prellung der Halswirbelsäule (HWS) und des Schädels.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Befundberichte des Dr.H.M ... vom 06.05.1992/14.05.1992/04.06.1992/24.07.1992, des Neurologen Dr.R.B ... (Aschaffenburg) vom 06.05.1992/ 29.05.1992, des Allgemeinarztes Dr.K.R ... (Aschaffenburg) vom 21.05.1992/22.09.1992, des Neurologen Dr.M.K ... (Chefarzt der Abteilung Neurologie des Reha-Zentrums Bad Orb) vom 06.10.1992 mit einem Entlassungsbericht dieser Klinik vom 28.09.1992 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 01.09.1992 bis 29.09.1992, des Neurologen Dr.H.F ... (Würzburg), des Allgemeinarztes Dr.H.H ... (Aschaffenburg) vom 20.09.1993 und des Neurochirurgen Dr.W.K ... (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt) vom 19.10.1993 bei und holte Gutachten des Prof.Dr.G.Me ... (Chefarzt der Neurochirurgischen-Neurotraumatologischen Abteilung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt) vom 23.12.1992/15.02.1993/24.03.1993, des HNO-Arztes Dr.E.M ... (Frankfurt) vom 24.02.1993/20.03.1993/ 27.11.1993 und des Chirurgen Dr.P.B.-H ... (Frankfurt) vom 22.10.1993 ein. Prof.Me ... vertrat die Auffassung, massive Nackenschmerzen, Kopfschmerzen und Schwindelattacken stünden mit dem Unfall vom 13.04.1992 ursächlich im Zusammenhang. Möglicherweise habe sich das Trauma vom 13.04.1992 auf vorangegangene HWS-Verletzungen aufgepfropft. Die MdE betrage für das erste Jahr nach dem Unfall 10 vH. Dr.E.M ... hielt es für wahrscheinlich, dass der am rechten Ohr zunächst stärker ausgeprägte flache Hörkurvenverlauf sowie die auffällige Untererregbarkeit des rechten peripheren Gleichgewichtsorgans ebenfalls durch die HWS-Distorsion verursacht worden sei. Am 27.11.1993 stellte er jedoch wieder ein altersentsprechend normales Hörvermögen beidseits fest. Die Gleichgewichtsorgane und die übrigen otoneurologischen Untersuchungen zeigten ebenfalls keinen krankhaften Befund mehr. Lediglich zeitweilige Schwindelerscheinungen in Stresssituationen führte der Sachverständige noch auf den Unfall zurück. Eine messbare MdE stellte er jedoch nicht mehr fest. Dr.B.-H ... führte aus, der Unfall habe zunächst zu einem rein weichgewebigen HWS-Trauma iS einer Distorsion der kleinen Wirbelgelenke geführt. Jetzt lägen aber weder auf unfallchirurigischem noch auf neurologischem oder HNO-ärztlichem Gebiet fassbare Folgen des Unfalls mehr vor. Die psychovegetativen Beschwerden (Konzentrationsstörungen, Übelkeit, vermehrtes Schwitzen, Herzrasen) seien keine Unfallfolgen. Bereits 1990 habe eine erhebliche psychosomatische Komponente vorgelegen. Wegen der Unfallfolgen bestehe weder Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit. Die MdE betrage 10 vH bis zum Ende des ersten Jahres nach dem Unfall.
Mit Bescheid vom 27.07.1993 gewährte die Beklagte Verletztengeld vom 13.04.1992 bis 21.07.1993 und lehnte mit Bescheid vom gleichen Tag eine Weitergewährung von Verletzengeld ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.1994 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach den erhobenen Befunden bestehe wegen der Unfallfolgen ab 22.07.l1993 weder Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit. Mit Bescheid vom 09.02.1994 erkannte die Beklagte eine folgenlos verheilte Distorsion der HWS als Unfallfolge an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil der Arbeitsunfall eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht hinterlassen habe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und beantragt, den Bescheid vom 09.02.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus zu gewähren bzw Rente nach einer MdE um 60 vH zu zahlen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, Verletztengeld zu zahlen, da er weiterhin unfallbedingt arbeitsunfähig sei und noch Behandlungsbedürftigkeit wegen der Unfallfolgen vorliege.
Das SG hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen Gutachten des Orthopäden Dr.G.Ebenhöh (Bad Orb) vom 18.04.1995 und gem § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des HNO-Arztes Dr.M.M.-K ... vom 26.06.1996 eingeholt. Dr.Eb ... hat darauf hingewiesen, dass der Kläger eine Distorsion der HWS leichtesten Grades erlitten habe. Derartige Verletzungen heilten nach vier bis sechs Wochen folgenlos aus. Die jetzt noch geklagten Beschwerden seien ausschließlich als psychovegetativ zu werten. Die MdE betrage bis 13.04.1993 10 vH, danach unter 10 vH. Dr.M.M.-K ... hat zunächst nach Untersuchung am 20.10.1995 in einem am 05.08.1996 per Fax übersandten Gutachten Gleichgewichtsfunktionsstörungen und eine Schallempfindungsschwerhörigkeit von 30 dB beidseits als Unfallfolgen bezeichnet und mit einer MdE von 30 vH bewertet. Im am 07.10.1996 eingegangenen weiteren Gutachten hat er als Unfallfolgen Verletzungen im Bereich der Halsweichteile, Störungen des Geruchs, Geschmacks, Hör- und Gleichgewichts, Konzentrationsstörungen und Cephalgien aufgeführt. Für Sinnesstörungen und die begleitende vegetative Symptomatik hat er eine MdE von 50 vH und für neurologische Gesundheitsstörungen von 20 vH, insgesamt 60 vH angenommen. Die Beklagte hat vorgelegt einen Befundbericht des HNO-Arztes Dr.E.M ... vom 23.08.1996 (keine Folgen eines Unfalls vom 20.10.1995 mehr vorhanden) und ein Gutachten des Neurochirurgen Dr.D.E-S ... (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt) vom 17.06.1996 betreffend einem Unfall vom 08.12.1994, bei dem die LWS und das Handgelenk verletzt wurden, aber keine Folgen von Krankheitswert zurückgeblieben sind.
Mit Urteil vom 14.05.1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich der Auffassung des Dr.Eb ... angeschlossen und festgestellt, dass das HWS-Schleudertrauma 1.Grades folgenlos ausgeheilt sei.
Der Senat hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen Gutachten des Dr.M.P.Müller-Kortkamp vom 04.08.1998, des Prof.Dr.M.H ... (Leiter der Abteilung für Phoniatrie, Pädaudiologie und Neurootologie, Universitäts-HNO-Klinik im Klinikum Mannheim) vom 20.09.1999/23.03.2000/ 26.09.2000 eingeholt sowie ein Gutachten des Prof.Dr.G.P ... (Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Würzburg) vom 12.11.1996 beigezogen. Prof.Dr.M.M.-K ... hat jetzt als Unfallfolgen ein HWS-Weichteiltrauma mit cervikoencephaler Symptomatik angenommen und die MdE wie bisher mit 60 vH eingeschätzt. Prof.Dr.M.H ... hat die heute noch geklagte Beschwerdesymptomatik (Schwindelbeschwerden, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Ohrenschmerzen, Ohrgeräusche) nicht auf den Unfall vom 13.04.1992 zurückgeführt. Prof.Dr.G.P ... hat unter Einbeziehung eines kraftfahrzeugtechnischen Gutachtens des Dipl.Ing.R ... die Auffassung vertreten, möglicherweise habe durch den Unfall eine leichte HWS-Distorsion für einen begrenzten Zeitraum von ca vier Wochen in Erscheinung treten können. Die jetzt noch geklagten Beschwerden (anhaltende Kopfschmerzen mit Übelkeit, Erbrechen und Verspannungen) könnten ursächlich nicht auf den Unfall vom 13.04.1992 zurückgeführt werden.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 14.05.1997 und unter Abänderung des Bescheides vom 27.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1994 und unter Aufhebung des Bescheides vom 09.02.1994 zu verurteilen, ihm Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus weiterzugewähren, hilfsweise Verletztenrente nach einer MdE um 60 von Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.05.1997 zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber nicht begründet.
Das SG hat die Klage bezüglich des Anspruchs auf Gewährung von Verletztenrente zu Recht abgewiesen. Zwar hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den gem § 86 Abs 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 09.02.1994 im Widerspruchsbescheid vom 24.03.1994 nicht erwähnt. Hieraus ergibt sich aber keine Fehlerhaftigkeit des Widerspruchsbescheides, weil die irrige Auffassung der Beklagten, für den neuen Bescheid vom 09.02.1994 sei das Vorverfahren nicht erforderlich, dieses entfallen lässt (BVerwGE 29, 229; 37, 88; 39, 265; Meyer-Ladewig, SGG, 6.Aufl, § 78 RdNr 8).
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich das zu beurteilende Ereignis vor dem 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -).
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers in Folge des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 vH gemindert ist.
Ein Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO) ist ein von außen her auf den Menschen einwirkendes, körperlich schädigendes, plötzliches, dh zeitlich begrenztes Ereignis, welches mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 - 545 RVO genannten versicherten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang steht. Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden kann, ist also, dass zwischen der unfallbringenden versicherten Tätigkeit und dem Unfall sowie dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein ursächlicher Zusammenhang liegt nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsbegriff nur dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 1, 72, 76; 12, 242, 245; 38, 127, 129; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung 4.Aufl, Anm 3, 3.4 zu § 548 RVO).
Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht erfüllt.
Auf Grund der Ausführungen der Sachverständigen Prof.Dr.M.H ..., Dr.Eb ... sowie Prof.Me ..., Dr.E.M ..., Dr.B.-H ..., , deren im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten im Berufungsverfahren berücksichtigt werden können (BSG in SozR Nr 66 zu § 128), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.1992 nicht in rentenberechtigendem Grade gemindert ist. Eine MdE von wenigstens 20 vH lässt sich nicht begründen.
Zunächst ist festzustellen, dass nach übereinstimmender Auffassung aller og Gutachter der Kläger bei dem Unfall eine Distorsion der HWS lediglich nach Schweregrad I der dreistufigen Einteilung von Erdmann erlitten hat. Unfallfolgen waren ursprünglich eine schmerzhaft endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der HWS ohne neurologische Ausfälle und ein Muskelhartspann. Eine Fraktur konnte ausgeschlossen werden. Keinesfalls konnten die Verletzungen dem Schweregrad II (mittelschwerer Fall) oder gar dem Grad III zugeordnet werden. Es fehlte bereits an einer für den Grad II erforderlichen mikrostrukturellen Weichteilläsion mit hieraus resultierender Hämatombildung und eventueller temporärer Raumforderung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Aufl S.517). Dies bestätigte auch Prof.Dr.G.P ..., der eine kraftfahrzeugtechnische Würdigung des Dipl.Ing.R ... in seine Bewertung mit einbezogen hat. Danach konnte der Unfall lediglich eine leichte HWS-Distorsion für einen begrenzten Zeitraum von ca 4 Wochen verursacht haben. Zutreffend klassifizierte daher auch Dr.Eb ... die erlittene HWS-Verletzung als Distorsion leichtesten Grades, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers nur vorübergehend eingeschränkt hat. Nach den weit überwiegenden Angaben in der Literatur stellt nämlich die Annahme eines Dauerschadens auf Grund einer Schleuderverletzung selbst beim Schweregrad III die Ausnahme dar (Schönberger aaO S.524).
Diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht es, dass Dr.Eb ... auf orthopädischem Gebiet anlässlich seiner Untersuchung am 09.02.1995 nur noch mäßige Muskelverspannungen und Irritationszonen im Bereich der Kopfgelenke und an dem Halswirbelkörper C 6 fand, denen er jedoch keinen krankhaften Wert mehr beigemessen hat. Bei vorangegangenen neurologischen Untersuchungen (Dr.R.B ... vom 06.05.1992/29.05.1992, Dr.M.K ... vom 06.10.1992) waren ferner keine Hinweise für eine Stammhirn- oder Halsmarksymptomatik gefunden worden. Auch der Chirurg Dr.B.-H ... (Gutachten vom 22.10.1993) fand weder auf unfallchirurgischem noch auf neurochirurgischem Gebiet fassbare Folgen des Unfalls vom 13.04.1992. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die orthopädisch-chirurgischen Unfallfolgen spätestens am 21.07.1993 (Einstellung des Verletztengeldes) abgeklungen waren.
Abgeklungen war auch ein vom HNO-Arzt E.M ... zunächst auf den Unfall zurückgeführter stärker ausgeprägter flacher Hörkurvenverlauf auf dem rechten Ohr sowie eine auffällige Untererregbarkeit des rechten peripheren Gleichgewichtsorgans. Diese Störungen hatten sich bis zur Untersuchung im November 1993 bis auf zeitweilige Schwindelbeschwerden lediglich bei Stresssituationen normalisiert. Eine anlässlich der Untersuchung durch Prof.Dr.M.H ... festgestellte Schallleitungsschwerhörigkeitskomponente wird von diesem bei regelrechten Stimmgabelversuchen, regelrechter Stapediusreflexaudiometrie und regelrechten transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen als Messfehler gewertet. Bei Auswertung des Sprachaudiogramms ergab sich nämlich Normalhörigkeit. Der Kläger selbst klagte bei der Untersuchung durch Prof.Dr.M.H ... nicht über eine Hörstörung.
Die beim Kläger noch vorliegende zentrale Gleichgewichtsstörung kann nicht als Unfallfolge gewertet werden. Der hirnstammaudiometrische Befund ist nach der Beurteilung des Prof.M.H ... nämlich nicht durch den Unfall zu erklären, zumal direkt nach dem Unfall keine primären neurologischen Störungen, die auf eine Commotio cerebri hingewiesen hätten, zu ersehen sind. Auch eine funktionelle Kopfgelenksstörung kann dem Unfall vom 13.04.1992 nicht angelastet werden. Der Kläger hatte bereits vorher Unfälle mit HWS-Distorsionen erlitten. Hierauf weist zB Dr.K.R ... im Befundbericht vom 21.05.1992 hin. Auch wurde er bereits 1987 wegen LWS-Beschwerden stationär behandelt. Hieraus zieht der Sachverständige Prof.Dr.M.H ... zu Recht den Schluss, dass im Rahmen der sogenannten Verkettung nach funktionellen Störungen im LWS-Bereich mit einer Latenz von Wochen bis Jahren auch HWS-Störungen zu erwarten sind und länger bestehende LWS-Beschwerden kaum ohne begleitende Kopfgelenksstörungen beobachtet wurden. Kopfschmerzen, Sehstörungen, Ohrenschmerzen und Ohrgeräusche sind auch nach Auffassung des Prof.Dr.M.H ... glaubhaft, stehen aber in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Prof.Dr.M.H ... weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beim Kläger deutliche myogelotische Veränderungen im Bereich der oberen HWS imponieren und damit eine cervikale Genese der Kopfschmerzen nicht ausgeschlossen werden kann. Ohrenschmerzen und Ohrgeräusche sind erst im Laufe des Jahres 1998 aufgetreten, so dass der Sachverständige auch hier zu Recht keinen Zusammenhang mit dem Unfall sieht. Die Sehstörungen können einen Bezug zu den funktionellen Kopfgelenksstörungen haben, worauf der Palpationsbefund der Kopfgelenke des Klägers hinweist.
Da somit auf chirurgisch/orthopädischem, neurologischem und HNO-fachärztlichem sowie neurootologischem Gebiet nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit beim Kläger keine rentenberechtigende MdE angenommen werden kann, hat der Kläger keinen Rentenanspruch.
Der Auffassung des Dr.M.M.-K ..., der als Unfallfolgen ein HWS-Weichteiltrauma mit cervicoencephaler Symptomatik angenommen und mit einer MdE von 60 vH bewertet hat, schloss sich der Senat nicht an. Dr.M.M.-K ... wertet das gesamte cervico-encephale Syndrom primär als Unfallfolge, ohne Vorbefunde und die Zusammenhangsfrage zu diskutieren. Er führt unkritisch alle vom Kläger geklagten Beschwerden auf den Unfall zurück und grenzt die zahlreichen früheren Unfälle differenzialdiagnostisch nicht ab. Darüberhinaus konnte Prof.Dr.M.H ... die von diesem Arzt diagnostizierte pantonale Schwerhörigkeit von 35 dB beidseits nicht verifizieren. Sie ist nach den vom Sachverständigen veranlassten Untersuchungen (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen) auch nicht möglich. Nicht möglich ist bei der von Dr.M.M.-K ... festgestellten Schwerhörigkeit ferner eine 100 %-ige Wortdiskrimination für Einsilber bei 60 dB. Der Sachverständige Prof.Dr.M.H ... geht daher von einem Messfehler bei der Untersuchung aus. Ferner hat der Kläger vor der Begutachtung durch Dr.M.M.-K ... nie über Geruchs- und Geschmacksstörungen geklagt, so dass sie dem Unfall vom 13.04.1992 nicht zugerechnet werden können, zumal nach der Befundbeschreibung des durch Dr.M.M.-K ... veranlassten Geruchstests die Geruchsstörung für den Sachverständigen Prof.Dr.M.H ... nicht nachvollziehbar war.
Es ergibt sich somit zur Überzeugung des Senats, dass spätestens seit 22.07.1993 Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.1992 mit einer messbaren MdE nicht mehr vorlagen, so dass schon aus diesem Grunde nach dem Bezug von Verletztengeld bis 21.07.1993 kein Anspruch auf Verletztenrente besteht. Unabhängig davon kann der MdE-Bewertung durch Dr.M.M.-K ... schon deshalb nicht gefolgt werden, weil er seiner Bemessung auch die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialgen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz zu Grunde legt, die im Unfallrecht keine Anwendung finden (Gutachten vom 26.06.1996). Bei der Bewertung der Gleichgewichtsstörungen würdigt er das subjektive Beschwerdebild des Klägers falsch. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger noch Auto fährt, obwohl bei der von Dr.M.M.-K ... vorgeschlagenen MdE von 45 vH für die Gleichgewichtsstörungen auch über kurze Strecken das Führen eines Autos nicht möglich wäre (Schönberger aaO S.379 f).
Das SG hat die Klage auch bzgl des Anspruchs auf Gewährung von Verletztengeld über den 21.07.1993 hinaus zu Recht abgewiesen. Unschädlich ist es, dass im Klageantrag vom 14.05.1997 die das Verletztengeld betreffenden Bescheide vom 27.07.1993 nicht ausdrücklich erwähnt sind, da dort der Widerspruchsbescheid vom 24.03.1994 genannt ist, der sich mit den Bescheiden vom 27.07.1993 befasst. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils - die zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind (BSG SozR 136 Nr 1) - ergibt sich, dass das SG auch über den Anspruch auf Verletztengeld entschieden hat.
Nach § 560 Abs 1 RVO erhält der Verletzte Verletztengeld, solange er in Folge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und einen Anspruch auf Übergangsgeld nach den §§ 568, 568 a Abs 2 oder 3 RVO hat. Arbeitsunfähigkeit liegt dabei vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dabei muss der Arbeitsunfall nicht alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit sein. Es genügt, wenn er mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich ist. Der Verletztengeldanspruch besteht also solange, wie die Arbeitsunfähigkeit wesentlich durch die Unfallfolgen bedingt wird.
Dr.Eb ... hat aus orthopädischer Sicht wegen der Unfallfolgen Arbeitsunfähigkeit maximal für sechs Wochen angenommen und Dr.B.-H ... hat auf Grund seiner Untersuchung vom 15.10.1993 Arbeitsunfähigkeit wegen der Unfallfolgen verneint. Bereits am 13.10.1993 hatte der Neurochirurg Dr.W.K ... das weitere Vorliegen von Unfallfolgen ebenfalls verneint und psycho- somatische Mitbehandlung empfohlen (Befundbericht vom 19.10.1993). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Arbeitsfähigkeit geraume Zeit vor dem 13.10.1993 eingetreten ist. Bestätigt wird diese Auffassung durch den Befundbericht des Neurologen Dr.R.B ..., der am 29.05.1992 hinsichtlich der Kopfschmerzen und des Schwindels eine Besserung festgestellt hatte. Die Beklagte ist somit nicht verpflichtet über den 21.07.1993 hinaus Verletztengeld zu gewähren.
Angesichts der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst. Dies gilt insbesondere für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet. So hatten bereits Dr.R.B ... und Dr.M.K ... keine Hinweise für eine Stammhirn- oder Halsmarksymptomatik gefunden, so dass auch Dr.M.M.-K ... eine weitere neurologische Begutachtung für entbehrlich hielt. Bereits vor dem Unfall bestand bei dem Kläger anlagebedingt eine erhebliche psychosomatische Komponente. Hierauf haben Dr.B.-H ... in dem Gutachten vom 22.10.1993 und Dr.W.K ... im Befundbericht vom 19.10.1993 hingewiesen. Da der Kläger bei dem Unfall nur eine leichte HWS-Distorsion erlitten hat, treten evtl psychische Folgen des relativ leichten Unfalls gegenüber der vorhandenen Anlage zurück, so dass das Unfallereignis nicht die rechtlich allein wesentliche Ursache der psychischen Beeinträchtigung darstellt (Schönberger aaO S 222 f).
Damit war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved