Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 U 310/90
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 194/92
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 01.07.1992 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte dem Kläger wegen einer Erkrankung durch Quecksilber oder seine Verbindungen Verletztenrente zu gewähren hat.
Der am ...1939 geborene Kläger war seit 01.09.1977 als Leit-stands- und Ofenwärter in der Verbrennungsanlage des Zweckverbandes Sondermüllentsorgung M ... tätig. Wegen des Verdachts einer Quecksilbervergiftung zeigte der Unternehmer am 06.09.1989 dem Beklagten eine Berufskrankheit des Klägers an. Der Kläger litt an Kreuz- und Kopfschmerzen und war seit 01.03.1989 arbeitsunfähig.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte der Beklagte eine Auskunft des Zweckverbandes vom 31.07. und 26.09.1989 ein. Danach war in der Rauchgaswäsche, die der eigentlichen Verbrennung nachgeschaltet ist, gelegentlich das Auftreten von metallischem Quecksilber in Form von Kügelchen an einem Tiefpunkt des Leitungssystems der Anlage beobachtet worden. Der Beklagte holte weiter eine Auskunft der Betriebsärztin Dr.G ... vom 27.09.1989, einen Befundbericht des Prof.Dr.K ..., Ltd. Arzt der Neurochirurgischen Klinik der Stadt N ... vom 04.08.1989, einen Bericht des PD Dr.T ... vom 21.04.1988, eine Stellungnahme des Gewerbearztes Dr.B ... vom 13.02.1990/ 25.09.1990, einen Messbericht des Materialprüfungsamtes vom 12.12.1989 ein, wonach alle Schadstoffkonzentrationen weit unter 10 % der jeweiligen Grenzwerte lagen. Mit Bescheid vom 26.11.1990 lehnte er sodann die Anerkennung einer Berufskrankheit ab, weil eine Berufskrankheit (BK) nach Nr 1102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, eine Berufskrankheit im Sinne der Nr 1102 BVKO bei bestehenden Kopfschmerzen, Beinschmerzen, Schwindel, Lichtempfindlichkeit und Konzentrationsstörungen anzuerkennen und eine dem Gesamtzustand entsprechende Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Er hat Atteste des Dr.Ka ... (Abenberg) vom 03.12.1990/20.02.1991, einen Befundbericht vom 08.02.1991, eine Stellungnahme vom 13.02.1992 sowie einen Bericht und Atteste des Dr.D ... (M ...) vom 15.02.1990, 29.05.1991, 09.03.1992, 09.09.1992 vorgelegt. Das SG hat Gutachten des Prof.Dr.Th.G ... (N ...) vom 22.11.1991 und des PD Dr.M.Ha ... (N ...) vom 03.01.1992/ 27.02.1992/ 06.05.1992 eingeholt. Prof.G ... hat ausgeführt, dass nervenärztlicherseits neurologische Befunde, die auf eine quecksilberbedingte Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems hinwiesen, nicht hätten aufgedeckt werden können. Dr.Ha ... hat ausgeführt, das vom Kläger geklagte Beschwerdebild stehe nicht im Einklang mit den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen über quecksilberbedingte Gesundheitsstörungen. Auch sei sowohl der MAK- als auch der BAT-Wert sicher eingehalten worden. Die Expositionsbedingungen am Arbeitsplatz könnten nicht geeignet gewesen sein, eine Quecksilber-Intoxikation zu verursachen. Mit Urteil vom 01.07.1992 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich den Gutachten des Prof.Dr.G ... und Dr.Ha ... angeschlossen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat eine Auskunft des Zweckverbandes vom 26.11.1992 eingeholt und die Zeugen E.Sch ... und A.Sp ... über die Situation am Arbeitsplatz in der Sondermülldeponie im Beisein von Prof.Dr.H.U.W ... (U ...), der als Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde, einvernommen. Der Zeuge Sp ... sagte aus, der Kläger habe nicht dieselben Tätigkeiten wie er ausgeübt. Insbesondere habe er - der Zeuge - keinen Kontakt mit flüssigem Quecksilber gehabt. Der Zeuge Sch ... sagte aus, bei den Ofenreparaturen sei auch die Schamotteauskleidung erneuert worden. Es hätten Teile weggestemmt werden müssen, dabei sei es zu erheblicher Staubbelastung gekommen. Außerdem sei eine Belastung durch Verbrennungsstaub aufgetreten. Er sei meistens nach solchen Reparaturen 4 Wochen krank gewesen und habe dann immer so geglüht und Schwindelanfälle bekommen. Der Kläger habe in der Sondermülldeponie bei den Arbeiten am Ofen mitgemacht. Er selbst habe auch mit flüssigem Quecksilber zu tun gehabt, das in Flaschen geliefert worden sei. Arbeiten, bei denen am Arbeitsplatz flüssiges Quecksilber vorhanden gewesen sei, habe er nicht verrichten müssen. Der Senat hat eine weitere Auskunft des Zweckverbandes vom 19.02.1996 zu den Angaben der Zeugen eingeholt. Prof.Dr.W ... hat im Gutachten vom 20.12.1996 dargelegt, dass zur Beurteilung der Gesamtexposition des Klägers, die sich auf Schwermetalle und Metalloide, auf Lösemittel und auf die in Asche, Filterstaub und Schlacke enthaltenen Schadstoffe beziehen müsste, nur sehr wenige Angaben vorlägen. Die von Dr.Gü ..., von Dr.T ... und Dr.B ... angegebenen Analyseergebnisse für einige Schwermetalle im Blut und Urin des Klägers seien nicht repräsentativ für die Abschätzung einer Langzeitbelastung mit Schwermetallen und Metalloiden. Es müsse aber im Falle der vorliegenden Erkrankung des Klägers von einer multiplen Exposition ausgegangen werden, seine Beschwerden seien keineswegs allein auf Quecksilber zurückzuführen. Die Beteiligung von Quecksilber an dem chronischen Beschwerdebild lasse sich jedoch nicht mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausschließen. Weder die Aktenlage noch die Unterredung, die er im Rahmen der Arbeitsplatzbegehung am 21.09.1995 mit Vertretern des Zweckverbandes vorgenommen habe, noch die Befragung des Klägers selbst habe ein eindeutiges Bild der Gesamttätigkeit des Klägers und der jeweils bei diesen Tätigkeiten aufgetretenen Belastungen mit den in Frage kommenden Schadsubstanzgruppen der Schwermetalle, Lösemittel und Inhaltsstoffe der Verbrennungsprodukte wie Asche und Filterstaub ergeben. Die Zuordnung der aufgetretenen Symptome und Beschwerden zu einzelnen bestimmten beim Kläger in Betracht zu ziehenden Schadstoffen sei gerade wegen der bei ihm vorliegenden multiplen Exposition praktisch nicht möglich. Diese Aussage bedeute nicht, dass eine grundsätzliche Zuordnung des Beschwerdebildes zu gesundheitlichen Schadsubstanzen nicht möglich sei. Es sei bekannt, dass Asche und Filterstäube ein erhebliches toxisches Potenzial besäßen. Die beim Kläger insgesamt vorliegenden Analysewerte der inneren Belastung seien völlig unzureichend, um eine toxikologisch relevante Exposition gegenüber den bezeichneten Schadstoffgruppen auch nur annähernd unwahrscheinlich zu machen, geschweige denn auszuschließen. Die beim Kläger festzustellende Berufskrankheit könne nur durch die jeweiligen Gruppenbezeichnungen angegeben werden, dh durch BKVO Nr 11 und BKVO Nr 13. Der Senat hat am 09.08.1997 ein Gutachten bei Dr.W.Z ... (N ...) in Auftrag gegeben, der am 25.11.1999 die Akten unerledigt - nach persönlicher Untersuchung des Klägers - zurückgesandt hat.
Der Beklagte wandte ein, die jeweilige Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz gehöre zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Vollbeweis erforderlich sei. Es gehe nicht an, aus dem beruflich bedingten Umgang mit Asche und Filterstäuben darauf zu schließen, dass der Kläger mit zahlreichen Schadstoffen (außer Quecksilber) in Berührung gekommen sei. Der Beklagte hat eine weitere Stellungnahme der Sonderabfallentsorgung Franken GmbH vom 10.07.1997 vorgelegt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 01.07.1992 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26.11.1990 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm eine durch chemische Einwirkung durch Pestizide und Lösungsmittel verursachte Krankheit nach § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm der Anlage 1 der BKVO anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise die von Herrn Dr.Z ... dem Senat vorgelegten Befundergebnisse gutachterlich auswerten zu lassen. Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 01.07.1992 zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass sich der Bescheid vom 26.11.1990 nur auf die Listenkrankheit Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV bezieht.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ), jedoch unbegründet.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass bei dem Kläger keine von der Beklagten zu entschädigende Berufskrankheit gemäß § 551 Abs 1 RVO iVm Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO (Erkrankung durch Quecksilber oder seine Verbindungen) vorliegt.
Im anhängigen Verfahren ist lediglich zu prüfen, ob beim Kläger die Voraussetzungen einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO gegeben sind. Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.11.1990 nur hierüber entschieden hat. Zwar hat der Beklagte im Entscheidungssatz des Bescheides vom 26.11.1990 die Anerkennung einer BK nach § 551 RVO allgemein abgelehnt. Aus den Gründen des Bescheides, die zur Auslegung des Entscheidungssatzes herangezogen werden müssen (Schroeder-Printzen, SGB X, § 33 Anm 2; Meyer-Ladewig, SGG, § 77 RdNr 5b), ergibt sich aber eindeutig, dass der Beklagte lediglich eine Listenkrankheit nach Nr 1102 abgelehnt hat. Die Gründe des Bescheides befassen sich nämlich ausschließlich nur mit der Frage einer durch Quecksilber oder seine Verbindungen verursachten BK. Auch hat der Kläger vor dem SG lediglich die Verurteilung des Beklagten zur Anerkennung einer BK nach Nr 1102 begehrt. Nur hierüber hat das SG entschieden - an das vom Kläger Gewollte war es gebunden (Meyer-Ladewig aaO § 95 RdNr 5; § 69 RdNr 2) - und nur diese Entscheidung ist im Berufungsverfahren zu überprüfen.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren nunmehr die darüber hinausgehende Anerkennung einer durch chemische Einwirkung, Pestizide und Lösungsmittel verursachten Berufskrankheit begehrt, handelt es sich um eine Änderung des Klagegrundes im Sinne einer Klageänderung nach § 99 Abs 1 SGG. Diese ist nicht zulässig, da über den neuen Streitgegenstand noch nicht durch Verwaltungsakt entschieden wurde (Niesel, Der Sozialgerichtsprozeß, 3.Aufl 1996 RdNr 223).
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der RVO, da die zu beurteilende BK noch vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist durch § 551 Abs 1 Satz 3 RVO ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das Recht der Berufskrankheiten beruht auf dem in der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein geltenden Verursachungsprinzip. Der Versicherte genießt wie beim Unfall nur Versicherungsschutz, wenn er die in der BKVO bezeichnete Krankheit bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO aufgeführten Tätigkeiten erleidet, die Krankheit also eine BK ist. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist daher mindestens die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Beschäftigung und der schädigenden Einwirkung - haftungsbegründende Kausalität - sowie zwischen der schädigenden Einwirkung und der aufgetretenen Erkrankung - haftungsausfüllende Kausalität - (BSG, 29.10.1980, 2 RU 99/79 und 30.05.1988, 2 RU 33/87; Elster, Berufskrankheitenrecht, 2. Auflage, 8. Lieferung, Seite 66).
Das Vorliegen einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil eine relevante Exposition des Klägers gegenüber Quecksilber nicht nachgewiesen ist. Bei seinen Tätigkeiten als Leitstand- und Ofenwärter war der Kläger Einwirkungen durch Quecksilber nicht ausgesetzt. Nach der Auskunft des Arbeitgebers vom 26.09.1989 handelte es sich bei den Arbeiten im Leitstand um mit Bürotätigkeiten vergleichbare Verrichtungen, bei denen eine Intoxikation mit Quecksilber als ausgeschlossen angesehen werden konnte. Auch als Ofenwärter kam der Kläger bei der Betreuung der Brenner, der Schlackenstation, der Pumpen und der Beschickung des Fassaufzuges mit Quecksilber nicht in Kontakt.
Dagegen kann für die Zeit der Mithilfe des Klägers bei den zweimal jährlich für jeweils 3 Wochen anfallenden Reinigungsarbeiten im Bereich des Rauchgaswäschers der zu diesem Zweck stillgelegten Verbrennungsanlage eine Quecksilberexposition nicht ausgeschlossen werden. Das dabei in Form von Kügelchen aufgetretene metallische Quecksilber führte jedoch nicht zu einer relevanten Quecksilbereinwirkung, weil Quecksilberkügelchen nicht greifbar sind (LSG Berlin, Urteil vom 13.10.1988, HV-Info 3/1990, 206; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 844) und das Material nach den Angaben des Arbeitgebers am Tiefpunkt des Leitungssystems separat aufgefangen und der Wiederverwertung zugeführt wurde. Auch eine etwaige Verdampfung des möglicherweise dabei aufgetretenen metallischen Quecksilbers führte zu keiner belangvollen Quecksilberbelastung. Obwohl Quecksilber schon bei Zimmertemperatur verdampft (Merkblatt zu Nr 1102 - Bekanntmachung des BMA vom 19.05.1964, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1964, 129 f, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 1102 Seite 1 ff), ergab eine Quecksilberanalyse der Raumluft im Bereich des Rauchgaswäschers keine auffälligen Werte. So belegten die Messungen der Raumluft vom 20.07.1989 durch die Landesgewerbeanstalt Bayern lediglich eine Konzentration von 0,0032 µg Hg/m³ bei einem MAK-Wert von 0,1 µg Hg/m³. Der gemessene Wert betrug daher lediglich 3,2 % des zulässigen Grenzwertes.
Hinzu kommt, dass die beim Kläger wiederholt ermittelten Blut- und Urinkonzentrationen - Quecksilber wird mit dem Urin ausgeschieden (Merkblatt aaO Nr IV) - sich ebenfalls unauffällig zeigten. So waren die BAT-Werte für metallisches Quecksilber (Blut 50 µg Hg/l; Urin 200 µg Hg/l) beim Kläger jeweils eingehalten worden, was die Quecksilberanalysen vom 19.11.1987 (Blut 21,7; Urin 0,9), 05.02.1988 () 5; -), 11.04.1988 (7,2; 2,2), 04.08.1989 (-; 0,8), 26.08.1988 (4,1; 1,2), 18.09.1991 (2,3; -) beweisen. Da zwischen Blut- und/oder Urinkonzentration einerseits und der Quecksilberexposition andererseits eine Korrelation in dem Sinne besteht, dass nur ein deutlich positiver Befund in der Regel auf eine stattgehabte Exposition hinweist (Merkblatt aaO Nr IV), ist die Annahme einer relevanten Quecksilbereinwirkung daher nur bei einer Überschreitung der Grenzwerte gegeben. Die Werte waren beim Kläger jedoch nie überschritten. Allerdings können empfindlichste Individuen bereits ab 35 µg Hg/l Blut und 150 µg Hg/l Urin mit unspezifischen Frühsymptomen reagieren (Legrum, DMW 1993, 398). Aber auch diese Werte hat der Kläger bei weitem nicht erreicht. Seine Konzentrationen waren - bis auf die Ausnahme vom 19.11.1987 (Messfehler ?) - ohne toxische Bedeutung, da sie 10 µg Hg/l Blut/Urin nicht überschritten (Legrum aaO).
Eine Überschreitung der Grenzwerte ist nicht durch den von Dr.D ... mitgeteilten Wert von 329,5 µg Hg/l Urin bewiesen. Die von Dr.D ... veranlasste DMPS-Mobilisation (intravenöse Applikation von Dimaval) lieferte aufgrund des kurzen Sammelintervalls von einer halben Stunde eine artifiziell stark erhöhte Konzentration, der wegen der geringen Urinproduktion im Sammelintervall nur eine kleine Quecksilbermenge entspricht (Legrum aaO). Damit lassen sich aus dem von Dr.D ... mit Hilfe des Dimaval-Tests gefundenen Messergebnis keine zusätzlichen Erkenntnisse gewinnen. Es muss daher bei der Beurteilung der Quecksilberexposition des Klägers außer Betracht bleiben. Zu berücksichtigen war ferner, dass der Kläger als Träger zahlreicher Amalgamzahnfüllungen bereits aus diesem Grund eine höhere Quecksilberkonzentration aufweisen durfte (Legrum aaO). Damit ist das von Dr.D ... ermittelte Ergebnis auch auf das in den Amalgamfüllungen enthaltene Quecksilber zurückzuführen.
Die vom Senat gehörten Zeugen Sp ... und Sch ... konnten keine weiteren, bisher nicht berücksichtigten Gesichtspunkte aufzeigen. Die vom Zeugen Sp ... verrichteten Arbeiten waren mit denen des Klägers nicht vergleichbar. Auch hatte er mit Quecksilber beruflich nichts zu tun. Der Zeuge Sch ... erwähnte das Auftreten von metallischem Quecksilber in der Verbrennungsanlage (" ... es waren ... in der Verbrennungsanlage schon Tropfen dabei") und wies auf drei- bis vierwöchige Kopfschmerzen nach Abschluss der Reinigungsarbeiten hin. Diese Angaben bestätigten lediglich die bekannte Quecksilberexposition des Klägers und haben damit keine neuen Erkenntnisse gebracht.
Da somit eine zur Verursachung der vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen geeignete berufliche Einwirkung von Quecksilber nicht belegt ist und auch im Hinblick auf die nicht mehr rekonstruierbare Situation am früheren Arbeitsplatz nachträglich nicht bewiesen werden kann, scheitert die Anerkennung einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO bereits aus diesem Grunde. Eine Prüfung der Frage, ob die Gesundheitsstörungen des Klägers mit Wahrscheinlichkeit auf Quecksilbereinwirkungen zurückzuführen sind, erübrigt sich daher. Insoweit war es auch entbehrlich eine weitere medizinische Begutachtung durchzuführen bzw die von Dr.Z ... vorgelegten Befunde gutachterlich auswerten zu lassen. Die genannten Befunde bestätigen im Übrigen eine im Normbereich liegende Quecksilberkonzentration im Blut/Urin des Klägers (12.06.1998: 2,8 µg/l; ( NG µg/l).
Das Urteil des SG Nürnberg ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte dem Kläger wegen einer Erkrankung durch Quecksilber oder seine Verbindungen Verletztenrente zu gewähren hat.
Der am ...1939 geborene Kläger war seit 01.09.1977 als Leit-stands- und Ofenwärter in der Verbrennungsanlage des Zweckverbandes Sondermüllentsorgung M ... tätig. Wegen des Verdachts einer Quecksilbervergiftung zeigte der Unternehmer am 06.09.1989 dem Beklagten eine Berufskrankheit des Klägers an. Der Kläger litt an Kreuz- und Kopfschmerzen und war seit 01.03.1989 arbeitsunfähig.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte der Beklagte eine Auskunft des Zweckverbandes vom 31.07. und 26.09.1989 ein. Danach war in der Rauchgaswäsche, die der eigentlichen Verbrennung nachgeschaltet ist, gelegentlich das Auftreten von metallischem Quecksilber in Form von Kügelchen an einem Tiefpunkt des Leitungssystems der Anlage beobachtet worden. Der Beklagte holte weiter eine Auskunft der Betriebsärztin Dr.G ... vom 27.09.1989, einen Befundbericht des Prof.Dr.K ..., Ltd. Arzt der Neurochirurgischen Klinik der Stadt N ... vom 04.08.1989, einen Bericht des PD Dr.T ... vom 21.04.1988, eine Stellungnahme des Gewerbearztes Dr.B ... vom 13.02.1990/ 25.09.1990, einen Messbericht des Materialprüfungsamtes vom 12.12.1989 ein, wonach alle Schadstoffkonzentrationen weit unter 10 % der jeweiligen Grenzwerte lagen. Mit Bescheid vom 26.11.1990 lehnte er sodann die Anerkennung einer Berufskrankheit ab, weil eine Berufskrankheit (BK) nach Nr 1102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, eine Berufskrankheit im Sinne der Nr 1102 BVKO bei bestehenden Kopfschmerzen, Beinschmerzen, Schwindel, Lichtempfindlichkeit und Konzentrationsstörungen anzuerkennen und eine dem Gesamtzustand entsprechende Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Er hat Atteste des Dr.Ka ... (Abenberg) vom 03.12.1990/20.02.1991, einen Befundbericht vom 08.02.1991, eine Stellungnahme vom 13.02.1992 sowie einen Bericht und Atteste des Dr.D ... (M ...) vom 15.02.1990, 29.05.1991, 09.03.1992, 09.09.1992 vorgelegt. Das SG hat Gutachten des Prof.Dr.Th.G ... (N ...) vom 22.11.1991 und des PD Dr.M.Ha ... (N ...) vom 03.01.1992/ 27.02.1992/ 06.05.1992 eingeholt. Prof.G ... hat ausgeführt, dass nervenärztlicherseits neurologische Befunde, die auf eine quecksilberbedingte Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems hinwiesen, nicht hätten aufgedeckt werden können. Dr.Ha ... hat ausgeführt, das vom Kläger geklagte Beschwerdebild stehe nicht im Einklang mit den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen über quecksilberbedingte Gesundheitsstörungen. Auch sei sowohl der MAK- als auch der BAT-Wert sicher eingehalten worden. Die Expositionsbedingungen am Arbeitsplatz könnten nicht geeignet gewesen sein, eine Quecksilber-Intoxikation zu verursachen. Mit Urteil vom 01.07.1992 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich den Gutachten des Prof.Dr.G ... und Dr.Ha ... angeschlossen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat eine Auskunft des Zweckverbandes vom 26.11.1992 eingeholt und die Zeugen E.Sch ... und A.Sp ... über die Situation am Arbeitsplatz in der Sondermülldeponie im Beisein von Prof.Dr.H.U.W ... (U ...), der als Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde, einvernommen. Der Zeuge Sp ... sagte aus, der Kläger habe nicht dieselben Tätigkeiten wie er ausgeübt. Insbesondere habe er - der Zeuge - keinen Kontakt mit flüssigem Quecksilber gehabt. Der Zeuge Sch ... sagte aus, bei den Ofenreparaturen sei auch die Schamotteauskleidung erneuert worden. Es hätten Teile weggestemmt werden müssen, dabei sei es zu erheblicher Staubbelastung gekommen. Außerdem sei eine Belastung durch Verbrennungsstaub aufgetreten. Er sei meistens nach solchen Reparaturen 4 Wochen krank gewesen und habe dann immer so geglüht und Schwindelanfälle bekommen. Der Kläger habe in der Sondermülldeponie bei den Arbeiten am Ofen mitgemacht. Er selbst habe auch mit flüssigem Quecksilber zu tun gehabt, das in Flaschen geliefert worden sei. Arbeiten, bei denen am Arbeitsplatz flüssiges Quecksilber vorhanden gewesen sei, habe er nicht verrichten müssen. Der Senat hat eine weitere Auskunft des Zweckverbandes vom 19.02.1996 zu den Angaben der Zeugen eingeholt. Prof.Dr.W ... hat im Gutachten vom 20.12.1996 dargelegt, dass zur Beurteilung der Gesamtexposition des Klägers, die sich auf Schwermetalle und Metalloide, auf Lösemittel und auf die in Asche, Filterstaub und Schlacke enthaltenen Schadstoffe beziehen müsste, nur sehr wenige Angaben vorlägen. Die von Dr.Gü ..., von Dr.T ... und Dr.B ... angegebenen Analyseergebnisse für einige Schwermetalle im Blut und Urin des Klägers seien nicht repräsentativ für die Abschätzung einer Langzeitbelastung mit Schwermetallen und Metalloiden. Es müsse aber im Falle der vorliegenden Erkrankung des Klägers von einer multiplen Exposition ausgegangen werden, seine Beschwerden seien keineswegs allein auf Quecksilber zurückzuführen. Die Beteiligung von Quecksilber an dem chronischen Beschwerdebild lasse sich jedoch nicht mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausschließen. Weder die Aktenlage noch die Unterredung, die er im Rahmen der Arbeitsplatzbegehung am 21.09.1995 mit Vertretern des Zweckverbandes vorgenommen habe, noch die Befragung des Klägers selbst habe ein eindeutiges Bild der Gesamttätigkeit des Klägers und der jeweils bei diesen Tätigkeiten aufgetretenen Belastungen mit den in Frage kommenden Schadsubstanzgruppen der Schwermetalle, Lösemittel und Inhaltsstoffe der Verbrennungsprodukte wie Asche und Filterstaub ergeben. Die Zuordnung der aufgetretenen Symptome und Beschwerden zu einzelnen bestimmten beim Kläger in Betracht zu ziehenden Schadstoffen sei gerade wegen der bei ihm vorliegenden multiplen Exposition praktisch nicht möglich. Diese Aussage bedeute nicht, dass eine grundsätzliche Zuordnung des Beschwerdebildes zu gesundheitlichen Schadsubstanzen nicht möglich sei. Es sei bekannt, dass Asche und Filterstäube ein erhebliches toxisches Potenzial besäßen. Die beim Kläger insgesamt vorliegenden Analysewerte der inneren Belastung seien völlig unzureichend, um eine toxikologisch relevante Exposition gegenüber den bezeichneten Schadstoffgruppen auch nur annähernd unwahrscheinlich zu machen, geschweige denn auszuschließen. Die beim Kläger festzustellende Berufskrankheit könne nur durch die jeweiligen Gruppenbezeichnungen angegeben werden, dh durch BKVO Nr 11 und BKVO Nr 13. Der Senat hat am 09.08.1997 ein Gutachten bei Dr.W.Z ... (N ...) in Auftrag gegeben, der am 25.11.1999 die Akten unerledigt - nach persönlicher Untersuchung des Klägers - zurückgesandt hat.
Der Beklagte wandte ein, die jeweilige Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz gehöre zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Vollbeweis erforderlich sei. Es gehe nicht an, aus dem beruflich bedingten Umgang mit Asche und Filterstäuben darauf zu schließen, dass der Kläger mit zahlreichen Schadstoffen (außer Quecksilber) in Berührung gekommen sei. Der Beklagte hat eine weitere Stellungnahme der Sonderabfallentsorgung Franken GmbH vom 10.07.1997 vorgelegt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 01.07.1992 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26.11.1990 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm eine durch chemische Einwirkung durch Pestizide und Lösungsmittel verursachte Krankheit nach § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm der Anlage 1 der BKVO anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise die von Herrn Dr.Z ... dem Senat vorgelegten Befundergebnisse gutachterlich auswerten zu lassen. Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 01.07.1992 zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass sich der Bescheid vom 26.11.1990 nur auf die Listenkrankheit Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV bezieht.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ), jedoch unbegründet.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass bei dem Kläger keine von der Beklagten zu entschädigende Berufskrankheit gemäß § 551 Abs 1 RVO iVm Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO (Erkrankung durch Quecksilber oder seine Verbindungen) vorliegt.
Im anhängigen Verfahren ist lediglich zu prüfen, ob beim Kläger die Voraussetzungen einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO gegeben sind. Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.11.1990 nur hierüber entschieden hat. Zwar hat der Beklagte im Entscheidungssatz des Bescheides vom 26.11.1990 die Anerkennung einer BK nach § 551 RVO allgemein abgelehnt. Aus den Gründen des Bescheides, die zur Auslegung des Entscheidungssatzes herangezogen werden müssen (Schroeder-Printzen, SGB X, § 33 Anm 2; Meyer-Ladewig, SGG, § 77 RdNr 5b), ergibt sich aber eindeutig, dass der Beklagte lediglich eine Listenkrankheit nach Nr 1102 abgelehnt hat. Die Gründe des Bescheides befassen sich nämlich ausschließlich nur mit der Frage einer durch Quecksilber oder seine Verbindungen verursachten BK. Auch hat der Kläger vor dem SG lediglich die Verurteilung des Beklagten zur Anerkennung einer BK nach Nr 1102 begehrt. Nur hierüber hat das SG entschieden - an das vom Kläger Gewollte war es gebunden (Meyer-Ladewig aaO § 95 RdNr 5; § 69 RdNr 2) - und nur diese Entscheidung ist im Berufungsverfahren zu überprüfen.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren nunmehr die darüber hinausgehende Anerkennung einer durch chemische Einwirkung, Pestizide und Lösungsmittel verursachten Berufskrankheit begehrt, handelt es sich um eine Änderung des Klagegrundes im Sinne einer Klageänderung nach § 99 Abs 1 SGG. Diese ist nicht zulässig, da über den neuen Streitgegenstand noch nicht durch Verwaltungsakt entschieden wurde (Niesel, Der Sozialgerichtsprozeß, 3.Aufl 1996 RdNr 223).
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der RVO, da die zu beurteilende BK noch vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist durch § 551 Abs 1 Satz 3 RVO ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das Recht der Berufskrankheiten beruht auf dem in der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein geltenden Verursachungsprinzip. Der Versicherte genießt wie beim Unfall nur Versicherungsschutz, wenn er die in der BKVO bezeichnete Krankheit bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO aufgeführten Tätigkeiten erleidet, die Krankheit also eine BK ist. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist daher mindestens die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Beschäftigung und der schädigenden Einwirkung - haftungsbegründende Kausalität - sowie zwischen der schädigenden Einwirkung und der aufgetretenen Erkrankung - haftungsausfüllende Kausalität - (BSG, 29.10.1980, 2 RU 99/79 und 30.05.1988, 2 RU 33/87; Elster, Berufskrankheitenrecht, 2. Auflage, 8. Lieferung, Seite 66).
Das Vorliegen einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil eine relevante Exposition des Klägers gegenüber Quecksilber nicht nachgewiesen ist. Bei seinen Tätigkeiten als Leitstand- und Ofenwärter war der Kläger Einwirkungen durch Quecksilber nicht ausgesetzt. Nach der Auskunft des Arbeitgebers vom 26.09.1989 handelte es sich bei den Arbeiten im Leitstand um mit Bürotätigkeiten vergleichbare Verrichtungen, bei denen eine Intoxikation mit Quecksilber als ausgeschlossen angesehen werden konnte. Auch als Ofenwärter kam der Kläger bei der Betreuung der Brenner, der Schlackenstation, der Pumpen und der Beschickung des Fassaufzuges mit Quecksilber nicht in Kontakt.
Dagegen kann für die Zeit der Mithilfe des Klägers bei den zweimal jährlich für jeweils 3 Wochen anfallenden Reinigungsarbeiten im Bereich des Rauchgaswäschers der zu diesem Zweck stillgelegten Verbrennungsanlage eine Quecksilberexposition nicht ausgeschlossen werden. Das dabei in Form von Kügelchen aufgetretene metallische Quecksilber führte jedoch nicht zu einer relevanten Quecksilbereinwirkung, weil Quecksilberkügelchen nicht greifbar sind (LSG Berlin, Urteil vom 13.10.1988, HV-Info 3/1990, 206; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 844) und das Material nach den Angaben des Arbeitgebers am Tiefpunkt des Leitungssystems separat aufgefangen und der Wiederverwertung zugeführt wurde. Auch eine etwaige Verdampfung des möglicherweise dabei aufgetretenen metallischen Quecksilbers führte zu keiner belangvollen Quecksilberbelastung. Obwohl Quecksilber schon bei Zimmertemperatur verdampft (Merkblatt zu Nr 1102 - Bekanntmachung des BMA vom 19.05.1964, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1964, 129 f, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 1102 Seite 1 ff), ergab eine Quecksilberanalyse der Raumluft im Bereich des Rauchgaswäschers keine auffälligen Werte. So belegten die Messungen der Raumluft vom 20.07.1989 durch die Landesgewerbeanstalt Bayern lediglich eine Konzentration von 0,0032 µg Hg/m³ bei einem MAK-Wert von 0,1 µg Hg/m³. Der gemessene Wert betrug daher lediglich 3,2 % des zulässigen Grenzwertes.
Hinzu kommt, dass die beim Kläger wiederholt ermittelten Blut- und Urinkonzentrationen - Quecksilber wird mit dem Urin ausgeschieden (Merkblatt aaO Nr IV) - sich ebenfalls unauffällig zeigten. So waren die BAT-Werte für metallisches Quecksilber (Blut 50 µg Hg/l; Urin 200 µg Hg/l) beim Kläger jeweils eingehalten worden, was die Quecksilberanalysen vom 19.11.1987 (Blut 21,7; Urin 0,9), 05.02.1988 () 5; -), 11.04.1988 (7,2; 2,2), 04.08.1989 (-; 0,8), 26.08.1988 (4,1; 1,2), 18.09.1991 (2,3; -) beweisen. Da zwischen Blut- und/oder Urinkonzentration einerseits und der Quecksilberexposition andererseits eine Korrelation in dem Sinne besteht, dass nur ein deutlich positiver Befund in der Regel auf eine stattgehabte Exposition hinweist (Merkblatt aaO Nr IV), ist die Annahme einer relevanten Quecksilbereinwirkung daher nur bei einer Überschreitung der Grenzwerte gegeben. Die Werte waren beim Kläger jedoch nie überschritten. Allerdings können empfindlichste Individuen bereits ab 35 µg Hg/l Blut und 150 µg Hg/l Urin mit unspezifischen Frühsymptomen reagieren (Legrum, DMW 1993, 398). Aber auch diese Werte hat der Kläger bei weitem nicht erreicht. Seine Konzentrationen waren - bis auf die Ausnahme vom 19.11.1987 (Messfehler ?) - ohne toxische Bedeutung, da sie 10 µg Hg/l Blut/Urin nicht überschritten (Legrum aaO).
Eine Überschreitung der Grenzwerte ist nicht durch den von Dr.D ... mitgeteilten Wert von 329,5 µg Hg/l Urin bewiesen. Die von Dr.D ... veranlasste DMPS-Mobilisation (intravenöse Applikation von Dimaval) lieferte aufgrund des kurzen Sammelintervalls von einer halben Stunde eine artifiziell stark erhöhte Konzentration, der wegen der geringen Urinproduktion im Sammelintervall nur eine kleine Quecksilbermenge entspricht (Legrum aaO). Damit lassen sich aus dem von Dr.D ... mit Hilfe des Dimaval-Tests gefundenen Messergebnis keine zusätzlichen Erkenntnisse gewinnen. Es muss daher bei der Beurteilung der Quecksilberexposition des Klägers außer Betracht bleiben. Zu berücksichtigen war ferner, dass der Kläger als Träger zahlreicher Amalgamzahnfüllungen bereits aus diesem Grund eine höhere Quecksilberkonzentration aufweisen durfte (Legrum aaO). Damit ist das von Dr.D ... ermittelte Ergebnis auch auf das in den Amalgamfüllungen enthaltene Quecksilber zurückzuführen.
Die vom Senat gehörten Zeugen Sp ... und Sch ... konnten keine weiteren, bisher nicht berücksichtigten Gesichtspunkte aufzeigen. Die vom Zeugen Sp ... verrichteten Arbeiten waren mit denen des Klägers nicht vergleichbar. Auch hatte er mit Quecksilber beruflich nichts zu tun. Der Zeuge Sch ... erwähnte das Auftreten von metallischem Quecksilber in der Verbrennungsanlage (" ... es waren ... in der Verbrennungsanlage schon Tropfen dabei") und wies auf drei- bis vierwöchige Kopfschmerzen nach Abschluss der Reinigungsarbeiten hin. Diese Angaben bestätigten lediglich die bekannte Quecksilberexposition des Klägers und haben damit keine neuen Erkenntnisse gebracht.
Da somit eine zur Verursachung der vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen geeignete berufliche Einwirkung von Quecksilber nicht belegt ist und auch im Hinblick auf die nicht mehr rekonstruierbare Situation am früheren Arbeitsplatz nachträglich nicht bewiesen werden kann, scheitert die Anerkennung einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKVO bereits aus diesem Grunde. Eine Prüfung der Frage, ob die Gesundheitsstörungen des Klägers mit Wahrscheinlichkeit auf Quecksilbereinwirkungen zurückzuführen sind, erübrigt sich daher. Insoweit war es auch entbehrlich eine weitere medizinische Begutachtung durchzuführen bzw die von Dr.Z ... vorgelegten Befunde gutachterlich auswerten zu lassen. Die genannten Befunde bestätigen im Übrigen eine im Normbereich liegende Quecksilberkonzentration im Blut/Urin des Klägers (12.06.1998: 2,8 µg/l; ( NG µg/l).
Das Urteil des SG Nürnberg ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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