Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 158/93
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 196/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Jeder Arbeitsunfall ist gesondert zu entschädigen. Das Prinzip der getrennten Entschädigung ist dem Versicherten grundsätzlich günstig, denn es führt gemäß § 581 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 RVO dazu, dass bei mehreren Arbeitsunfällen eine MdE um 10 v.H. für die Gewährung von Verletztenrente ausreicht, soweit ein weiterer Arbeitsunfall zu einer MdE von wenigstens 10 v.H. geführt hat. Andererseits aber dürfen, von Ausnahmefällen abgesehen, zwei MdE-Werte von 10 v.H. nicht zu der für die Gewährung einer Verletztenrente mindestens notwendigen Gesamt-MdE um 20 v.H. addiert werden.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.03.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Gewährung von Verletztenrente nach drei Arbeitsunfällen.
Der Kläger erlitt bei seiner versicherten Tätigkeit am 18.10.1990 einen Unfall, bei dem ein anderer Pkw auf sein stehendes Fahrzeug auffuhr. Er begab sich deshalb am 22.10.1990 zum Durchgangsarzt, dem Orthopäden Dr ..., Augsburg, und gab an, sofortige Schmerzen an der Halswirbelsäule verspürt zu haben. Dr ... diagnostizierte eine Distorsion der Halswirbelsäule, eine Uncovertebralarthrose, eine Zerrung der linken Schulter und des linken Ellbogens sowie eine Thoraxprellung links.
Am 21.12.1990 wurde der Kläger wiederum im stehenden Pkw von hinten angefahren. Er begab sich am selben Tag zu Dr ... und klagte Schmerzen an der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung zum linken Trapezius. Die Bewegung der Halswirbelsäule war schmerzhaft eingeschränkt. Dr ... diagnostizierte wiederum eine Distorsion der Halswirbelsäule.
Am 10.04.1991 erlitt der Kläger wiederum in gleicher Weise einen Auffahrunfall und begab sich am 11.04.1991 um 11.00 Uhr zu dem praktischen Arzt Dr ..., Königsbrunn. Dort gab er zum Hergang des Unfalles an, er sei beim Linksabbiegen als Pkw-Fahrer angeschnallt von hinten angefahren worden. Er klagte Schulterschmerzen links, sowie im linken Oberarm bis in die Hand ausstrahlend. Am selben Tag begab er sich um 18.00 Uhr zu Dr ..., der eine Distorsion der Halswirbelsäule, eine Zerrung der Brustwirbelsäule sowie Zerrung der Schultern und Oberarme beidseits diagnostizierte. Er begab sich ferner zu dem Neurologen und Psychiater Dr ..., Augsburg, bei dem er Beschwerden am gesamten Körper und am Kopf, rechts ausgeprägter als links, beklagte, ferner Nackenschmerzen beidseits sowie eine nervöse Unruhe und Schlafstörungen.
Wegen aller drei Unfälle holte die Beklagte ein Gutachten von dem Chirurgen Dr ..., München, vom 09.10.1992 ein. Dort gab der Kläger an, er habe immer noch bewegungsabhängige, in die linke Schulter ausstrahlende Schmerzen in der Halswirbelsäule, vor allem beim Drehen des Kopfes. In ärztlicher Behandlung sei er jetzt nicht mehr. Dr ... wies zunächst auf einschlägige Vorschäden hin. Schon Dr ... weise auf die Uncovertebralarthrose hin, er gehe auch von einer Osteochondrose aus, die aber nicht nennenswert ausgeprägt sei. Für die BWS und LWS seien schon frühere Beschwerden bekannt. Nicht unwesentlich für die Beurteilung von HWS-Beschwerden sei auch der Hinweis auf eine deutliche psychische Belastung des Versicherten. Man habe den Eindruck einer depressiven Stimmung. Bei der Kurbehandlung sei auf einen nervösen Erschöpfungszustand hingewiesen worden. Ausgehend vom Unfallmechanismus werde man ein typisches Zerrtrauma durch das Auffahrgeschehen annehmen müssen. Es habe eine typische Nachschubprellung vorgelegen. Schwerwiegend sei aber das HWS-Trauma in keinem der drei Fälle gewesen. Man werde jeweils den leichten Verletzungsgrad annehmen können. Dafür sprächen folgende Überlegungen: Zumindest für den Unfall vom 18.10.1990 habe ein schmerzfreies Intervall bestanden, so dass der Kläger erst 4 Tage später in ärztliche Behandlung gekommen sei. Solche schmerzfreie Intervalle seien immer ein Hinweis auf ein leichtes Distorsionstrauma. Die Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sei in keinem der Fälle besonders schwerwiegend gewesen. Schluckbeschwerden, wie man sie bei schweren Verletzungen der Weichteilstrukturen an der Halswirbelsäule finde, hätten bei keinem der drei Unfallmechanismen bestanden. Eine Insuffizienz der Kopfhaltemuskulatur sei ebenfalls nicht erwiesen. Neurologische Ausfallerscheinungen hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Auch im Röntgenbild hätten keine traumatisch bedingten Veränderungen nachgewiesen werden können, es hätten sich nur die schon erwähnten degenerativen Vorbefunde ergeben. Bettlägerigkeit, wie man sie bei den mittelschweren oder schweren Verletzungsformen finde, habe ebenfalls nicht bestanden. Eine leichte Verletzung der Halswirbelsäule vorliegenden Schweregrades heile nach etwa 10 Tagen folgenlos aus. In Anbetracht dessen, dass bei dem Versicherten schon gewisse degenerative Veränderungen vorbestanden hätten, werde man eine etwas längere Heilphase in Anrechnung bringen können, so dass für alle drei Unfälle eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von maximal drei Wochen akzeptiert werden könne, sicher nicht länger. Die darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit müsse dem Vorschaden zugeordnet werden. Soweit zusätzlich noch eine Prellung der Schultern bestanden habe, sei diese ebenfalls innerhalb einer Zeit von 3 Wochen ausgeheilt. Die erst jetzt vorgebrachten Ohrgeräusche könnten sicher nicht als unfallbedingt gewertet werden. Zum einen seien leichte Schleuderverletzungen ohne Einfluss auf das Innenohr, zum anderen werde in keinem der vorliegenden Berichte, weder vom Orthopäden noch vom Neurologen, irgend einmal eine solche Störung erwähnt. Wenn sie nun erst nach 2 Jahren vorgebracht werde, könne sie schon aufgrund dieses langen Zeitintervalles nicht mehr im Unfallzusammenhang gesehen werden. Bei der nunmehrigen Untersuchung seien Folgen der drei Zerrungstraumen der Halswirbelsäule und auch der Prellungen an den Schultern nicht mehr nachweisbar. Das Beschwerdebild sei durchwegs unfallunabhängig und beruhe auf einem Cervikalsyndrom mit ausstrahlenden Schmerzen in die linke Schulter. Dieses Cervikalsyndrom sei im wesentlichen verursacht durch die beschriebenen degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule, zu einem Teil auch geprägt vom psychischen Zustand des Versicherten. Eine unfallbedingte MdE nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei für keinen der drei Unfälle anzunehmen. Der Sachverständige bezog sich dabei u.a. auf die beigezogenen ärztlichen Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte über eine Untersuchung am 03.05.1991 und eine stationäre Heilbehandlung vom 05.11. bis 03.12.1991.
Bezüglich aller drei Unfälle lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab und zwar mit Bescheiden vom 16.09.1993, 13.01.1993 und 24.06.1993.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren erhielt die Beklagte einen Bericht der Neurochirurgischen Klinik im Zentralklinikum Augsburg, Prof.Dr ..., vom 20.05.1993. Danach hatten sich anamnestisch bereits nach dem ersten Auffahrunfall anhaltende Nacken- und Hinterkopfschmerzen mit intermittierendem Ohrensausen eingestellt. Zuvor habe der Kläger nie HWS-Probleme gehabt. Nach dem dritten Unfall hätten die Beschwerden weiter zugenommen und es hätten sich auch linksseitige Armschmerzen mit Schmerzausstrahlung eingestellt. Anlässlich einer ambulanten Vorstellung sei bei Durchleuchtung eine Segmentinstabilität C3/4 nachgewiesen worden. Am 03.03.1993 sei eine Diskektomie C3/4 mit Abtragen der dorsalen Osteophythen sowie anschließend eine Spondylodese mit Eigenknochen und Titanplatte erfolgt. Der Kläger habe eine gute Besserung sowohl der Nacken- als auch der linksseitigen Armschmerzen und des Tinnitus angegeben. Bei der Entlassung hätten noch leichte Restbeschwerden im Nackenbereich bestanden, der Kläger sei jedoch mit dem bisher erreichten Ergebnis sehr zufrieden gewesen.
Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 01.12.1993 und 27.05.1993 als unbegründet zurück.
In den anschließenden Klageverfahren wegen aller dreier Arbeitsunfälle, die schließlich vom Sozialgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, hat das Gericht umfangreich Beweis erhoben durch Beiziehung aller Unterlagen der aktenkundigen bzw. vom Kläger benannten Behandler einschließlich Röntgenaufnahmen und CT.
Zu den drei Unfällen existieren drei Gutachten technischer Sachverständiger über die Feststellung und Bewertung der Schäden an den vom Kläger gefahrenen Fahrzeugen. Zum Unfall vom 10.04.1991 ist festgestellt, der Pkw sei heckseitig sehr stark eingedrückt und gestaucht, die Heckpartie hinten nach rechts gezogen.
Der Kläger hat ein Gutachten bei dem Sachverständigen Dipl.-Ing ..., Germering, in Auftrag gegeben, wonach biomechanisch überprüft werden solle, ob die von ihm anlässlich des Verkehrsunfalles vom 10.04.1991 geltend gemachten Verletzungen (HWS-Schleudertrauma, Fraktur) aus biomechanischer Sicht nachvollziehbar seien. Insbesondere solle geklärt werden, ob die Verletzungen, die anlässlich des Verkehrsunfalles vom 10.04.1991 aufgetreten seien, in einem Kausalzusammenhang mit den Verletzungen aus den Verkehrsunfällen vom 25.10. und 21.12.1990 stünden. Dem Sachverständigen standen die Schadensgutachten sowie Lichtbilder von der Unfallstelle am 10.04.1991 zur Verfügung. Das im Gutachten durchweg falsch wiedergegebene Unfalldatum vom 25.10.1990 bezieht sich ersichtlich auf das an diesem Tag erstellte Gutachten zum Schaden vom 18.10.1990. Der Sachverständige ging u.a. von den Schilderungen des Klägers aus. Bei dem ersten und zweiten Anstoß habe der Kläger angeblich ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Beim dritten Anprall sei, wie dies im Jahre 1993 festgestellt worden sei, eine Fraktur eines Halswirbels erfolgt. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine HWS-Distorsion aus biomechanischer Sicht auftreten könne, sei insbesondere die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme des Fahrzeugs und beim Heckanstoß die Einstellung der Rückenlehne bzw. der Kopfstütze zu berücksichtigen. Nach den Ergebnissen eines Symposiums im Jahre 1994 sei davon auszugehen, dass eine HWS-Distorsion bei einer Geschwindigkeitsaufnahme ab ca. 13 km/h erwartet werden könne. Von diesem Wert könne abgewichen werden, wenn insbesondere die Kopfstütze am Sitz des Geschädigten falsch befestigt bzw. eingestellt gewesen sei. Bei der biomechanischen Beurteilung würden medizinische Aspekte nicht berücksichtigt. Anhand des Schadensumfanges im ersten Auffahrunfall lasse sich die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme mit etwa 15 km/h ermitteln. Bei dieser Geschwindigkeitsaufnahme könne nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ein HWS-Schleudertrauma (Erdmann I) nicht ausgeschlossen werden. Nach der Eingrenzung des Schweregrades durch Erdmann sei ein derartiges Schleudertrauma jedoch nach einer Zeit von 4 bis 6 Wochen wieder abgeklungen. Knöcherne Verletzungen würden bei dieser Geschwindigkeitsänderung statistisch nicht festgestellt. Beim zweiten Unfall könne die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme mit maximal 12 bis 14 km/h eingegrenzt werden. Ein HWS-Schleudertrauma (Erdmann I) sei hier nicht zu erwarten. Inwiefern jedoch der Erstunfall vom 25.10.1990, der ca. 7 Wochen zurückgelegen habe, noch einen gewissen Einfluss (nicht vollständige Ausheilung des Erstschadens) gehabt habe, lasse sich aus biomechanischer Sicht nicht beurteilen. Beim dritten Unfall lasse sich die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme exakt anhand der vorliegenden Lichtbilder errechnen. Ein Kausalzusammenhang zwischen den beiden Erstunfällen und dem Unfall vom 10.04.1991 sei aus biomechanischer Sicht nicht herzustellen. Insbesondere sei bei den Vorunfällen die festgestellte knöcherne Verletzung im Halswirbelsäulenbereich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Bei dem Unfall vom 10.04.1991 seien derartige Verletzungen unter bestimmten Voraussetzungen nachvollziehbar. Bei dem Unfall vom 10.04.1991 handle es sich um eine mehr als doppelt so hohe Belastung der Halswirbelsäule im Vergleich zu den beiden Vorunfällen. Die vorliegenden Verletzungen im Halswirbelbereich seien aus biomechanischer Sicht, unter Berücksichtigung weiterer Kriterien, nachvollziehbar.
Die Beklagte hat hierzu ein Gutachten des Chirurgen Dr ..., Vaterstetten, vom 20.07.1995 vorgelegt. Dieser führte aus, die ersten beiden Unfälle von 1990 seien kaum geeignet gewesen, eine schwerergradige HWS-Verletzung zu bewirken. Es handle sich wahrscheinlich um leichte Zerrverletzungen, die nach übereinstimmender medizinischer Literatur binnen weniger Wochen ausgeheilt seien. Lediglich der dritte Unfall vom April 1991 sei nach der unfalltechnischen Analyse geeignet gewesen (Möglichkeit), eine HWS-Verletzung mit Instabilität hervorzurufen. Ein technisches Gutachten ersetze nicht die medizinisch-traumatologische Forschung und Erfahrung. Es müsse auch das Primärverhalten und der Beginn sowie die Ausprägung der Symptome integriert werden in die unfallmedizinische Schlussfolgerung. Weder das Verhalten am Unfallort noch die Symptomatik bei der ersten Arztuntersuchung noch am Unfalltag sei so auffallend, dass deswegen auf eine schwerere HWS-Verletzung als nach Erdmann I geschlossen werden könne. Wirbelsäuleninstabilitäten resultierten auch aus anderer Ursache, sie seien nicht per se beweisend für einen Unfalleinfluss. Die gesetzlich geforderte Wahrscheinlichkeit des Unfallzusammenhangs mit der HWS-Operation 1993 könne noch nicht bejaht werden.
Das Sozialgericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten des Orthopäden Dr ..., Friedberg, vom 09.12.1995 und des HNO-Arztes Dr ..., Neusäß, vom 13.03.1996. Der Sachverständige Dr ... führt u.a. aus, an der Halswirbelsäule habe mit Sicherheit kein klinisch relevant in Erscheinung tretender Vorschaden vorgelegen. Der erste Unfall habe den Kläger zwar unvorbereitet getroffen, nach Aussage des technischen Sachverständigen jedoch mit einer geringen Aufprallgeschwindigkeit, die nicht die Intensität habe, wesentliche Verletzungen mit Ausnahme von Zerrungen zu bewirken. Auch erste Symptome in Form von Haltungsinsuffizienz, neurologischen Symptomen oder Schluckbeschwerden hätten nicht vorgelegen. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit habe im Rahmen des üblichen gelegen. Die gleichen Ausführungen gelten für den zweiten Unfall. Auffällig sei jedoch gegenüber der Erstuntersuchung im Röntgenbefund bei nicht immer vergleichbarer Aufnahmetechnik eine ganz diskrete Verschiebung im Segment C3/4. Aber auch hier handle es sich bei Berücksichtigung der Unfallmechanik und der Erstbefunde nur um eine "Schleuderverletzung" nach Erdmann I. Der dritte Unfall sei dem Anschein nach zwar der schwerste und könne als Ursache für die dann immer stärker werdenden Beschwerden angesehen werden. Gegen die Annahme eines wesentlichen Unfallschadens sprächen jedoch das offensichtliche Fehlen eines Sofortschmerzes, der bei einer Segmentinstabilität mit Sicherheit vorhanden wäre und zu einer totalen Haltungsinsuffizienz der Haltemuskulatur führen müsste. Auch sofortige neurologische Symptome wären zu erwarten gewesen. Am Unfallort selbst habe der Kläger gegenüber der Polizei angegeben, keine Verletzung erlitten zu haben, er habe sich auch erst am Abend des Folgetages beim behandelnden Arzt vorgestellt und der Neurologe habe am Folgetag keine Symptome gefunden. Dies seien Fakten, die stark gegen eine so erhebliche Traumatisierung der Halswirbelsäule sprächen, als dass dadurch die Schwere der gefundenen Instabilität erklärt werden könnte. Aus streng medizinisch gutachterlicher Sicht müsse also auch das dritte Unfallereignis dem Schweregrad I nach dem Erdmann-Schema zugeordnet werden. Die Distorsion der Halswirbelsäule sei nach mehr oder weniger kurzer Zeit wie jede Verstauchung in einer anderen Körperregion ohne bestehenbleibende Folgen verheilt. Der Sachverhalt sei durch die Segmentinstabilität, die erst wesentlich später (Februar 1993) eindeutig objektiviert sei, kompliziert, obgleich sie bei rückwirkender Betrachtung der Röntgenaufnahmen schon nach dem zweiten Unfall andeutungsweise vorhanden gewesen sei. Die Aufnahmen der Röntgenverlaufsserie seien letztlich nicht untereinander vergleichbar. Am 21.12.1990 habe bereits eine Rückversetzung von C3 gegenüber C4 bestanden. Dies bedeute, dass der dritte Unfall, obwohl er der schwerste gewesen sei, nicht die Instabilität bewirkt habe, denn diese sei bereits vorhanden gewesen. Andererseits hätten der erste und der zweite Unfall nicht die Intensität gehabt, eine solche Instabilität zu bewirken. Die dafür zu fordernden Sofortsymptome seien tatsächlich nicht vorhanden gewesen. Zusammenfassend könne der medizinische Gutachter hier nicht eindeutig Stellung beziehen, ob und in welchem Schweregrad welche Symptome einer der drei Unfälle jeweils bewirkt habe. Summiere man die drei Unfälle, dann müsse der Gesamtschaden dem dritten Unfall zugeordnet werden. Der dritte Unfall habe zu einer Verschlimmerung bzw. Summation von Vorschäden und Unfallschaden geführt, die dann doch letztlich aus Unfallgründen die spätere Operation erforderlich gemacht habe. Unter dieser Voraussetzung sei die unfallbedingte MdE folgendermaßen zu bewerten: Ab Beginn der Arbeitsfähigkeit nach dem dritten Unfall (11.05.1991) sei eine MdE um 20 v.H. anzusetzen bis Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach Operation und postoperativer Anschlussheilbehandlung, d.h. bis 01.01.1994. Danach und derzeit sei durch den postoperativen Befund der fusionierten Halswirbelsäule mit nur anteiliger Bewegungseinschränkung und Restbeschwerden eine MdE um nicht mehr als 10 v.H. zu begründen. Es sei jedoch für keinen der drei Unfälle beweisbar, welcher genau die später zur Operation führende Segmentinstabilität bewirkt habe oder habe bewirken können. Der dritte Unfall habe allenfalls die nach dem zweiten Unfall beweisbar bestehende Instabilität verschlimmern können. Keiner der beiden ersten Unfälle habe die für die Entstehung einer Segmentinstabilität notwendige Intensität gehabt, andererseits könne keine vernünftige Erklärung gefunden werden, woher der Kläger diese Instabilität habe. Falls das Gericht eine strenge Trennung der medizinisch exakt nachweisbaren Folgen des jeweiligen Unfalls verlange, sei die Frage nach der ursächlichen Entstehung bzw. Zusammenhang nur mit dem Grad der Möglichkeit, aber nicht der Wahrscheinlichkeit und schon gleich nicht mit medizinischer Sicherheit beantwortbar.
Der Sachverständige Dr ... hat auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen gefunden.
Am 26.03.1996 hat der Kläger wiederum einen Autounfall mit HWS-Beteiligung erlitten.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Neurochirurgen Dr ..., Füssen, vom 11.02.1997 eingeholt. Es handelt sich bei ihm um den Arzt, der die Halswirbelsäulenoperation durchgeführt hat. Er führt aus, zur Zeit der Untersuchung im Zentralklinikum Augsburg sei erstmals in Deutschland eine dynamische Prüfung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit und Beurteilung der Bänder und eines sog. diskoligamentären Schadens mit einem speziellen Untersuchungsverfahren möglich gewesen. Dadurch sei schließlich eine entsprechende Schadstelle C3/C4 festgestellt und dem Patienten zu einer Operation geraten worden. Nach dieser Operation habe er berichtet, dass die zuvor bestehenden Beschwerden prompt verschwunden seien. Er habe keine Kopfschmerzen mehr gehabt, fast keinen Schwindel mehr und bereits eine andere Lebensqualität. Nach erfolgter Anschlussheilbehandlung habe er schließlich wieder seine frühere Tätigkeit aufnehmen können. Intraoperativ habe sich gezeigt, dass eine Überdehnung sowie ein diskoligamentärer Schaden festzustellen gewesen sei, der in typischer Weise nach Schleudertrauma zu sehen sei. Die beiden beteiligten Wirbel hätten sich sowohl gegeneinander drehen als auch ohne Mühe auseinanderbewegen können. Es habe sich weiterhin bewahrheitet, dass seine vor der Operation vorgebrachten Klagen ausschließlich mit dem diskoligamentären Schaden des Segmentes C3/C4 in Zusammenhang standen, denn sofort nach der Operation seien 80% der Beschwerden verschwunden und in einer späteren Heilphase weitgehend die Beschwerdesymptomatik. Aufgrund der Anamnese, des klinischen Untersuchungsbefundes, der intraoperativen Befunderhebung und des Verschwindens der Beschwerden habe er keinen Zweifel, dass der Unfall vom 10.04.1991 einen Schaden verursacht habe, der klinisch relevant geworden sei und mit normalen Heilmaßnahmen keine Besserungstendenz gezeigt habe. Durch die Fusionsoperation sei die Beweglichkeit C3/C4 vollständig aufgehoben. Es liege somit eine relative Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule vor. Die ersten beiden Unfälle hätten keine Minderung der Erwerbsfähigkeit nach sich gezogen. Der durch den dritten Unfall entstandene Schaden habe zwar weitgehend durch die Operation 1993 behoben werden können, allerdings durch die Einschränkung der Beweglichkeit und Restbeschwerden wie z.B. endgradiger Bewegungsschmerz bei Durchführung der Kopfbewegungen und häufige Verspannungen im Nacken-Schulterbereich, die nach Fusionsoperationen häufig beobachtet würden.
Hiergegen hat die Beklagte im wesentlichen eingewendet, der Sachverständige habe eine Unfallrekonstruktion bzw. Auswertung der Polizeiprotokolle und der vorliegenden Unfallgutachten nicht vorgenommen. Hinsichtlich des Zustandes des Klägers nach dem Unfall seien allein und unreflektiert die Angaben des Klägers anlässlich der Untersuchung zugrundegelegt und die dokumentierten Erst- und röntgenologischen Befunde nur unzureichend oder gar nicht berücksichtigt worden. Wegen der festgestellten Aufprallgeschwindigkeit komme allenfalls eine Schleuderverletzung nach Erdmann I in Frage. Für eine lediglich leichte Schleuderverletzung der Halswirbelsäule spreche auch das in den Akten dokumentierte Beschwerdebild in der Frühphase. Der intraoperative Befund gebe für die Beurteilung der Ursache der Gesundheitsstörung nichts her, denn der Kläger sei erst knapp 2 Jahre nach dem Unfall an der Halswirbelsäule operiert worden, so dass keine unfallnahen Befunde vorlägen.
Die allgemein auf die Verurteilung zu Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach den drei Arbeitsunfällen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht mit Urteil vom 11.03. 1998 als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente habe. Es hat sich in seiner Begründung auf die Gutachten des Dr ... und des Dr ... gestützt und ist dem Sachverständigen Dr ... nicht gefolgt, im wesentlichen aus den von der Beklagten vorgetragenen Gründen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Er trägt u.a. vor, er habe bereits kurz nach dem Unfall vom 10.04.1991, der sich nach Dienstschluss ereignet habe, erhebliche Schmerzen verspürt und deshalb nachts nicht schlafen können. Er sei sofort am nächsten Tag morgens zu Dr ... gegangen. Hierbei habe er sehr wohl auch über Schluckbeschwerden geklagt. Er könne sich nicht erklären, warum diese nicht aufgenommen worden seien. Er sei wegen dieser Beschwerden auch in anderweitige ärztliche Behandlung gegangen. Es lägen ärztliche Aufzeichnungen offensichtlich nicht mehr vor. Unzutreffend sei auch, dass keine unfallnahen Befunde hinsichtlich der Verletzungen vorlägen. Am 11.04.1991 seien durch Dr ... Röntgenaufnahmen erstellt worden. Auf diesen Aufnahmen sei die Verschiebung C3/C4 eindeutig sichtbar. Es wurde Beweis angeboten durch die Einvernahme des Sachverständigen Dipl.-Ing ... für die Richtigkeit der technisch festgestellten Geschwindigkeitsverhältnisse, insbesondere dahingehend, dass bei dem Unfall vom 10.04.1991 die Geschwindigkeitsaufnahme des Pkw zwischen 28 und 29 km/h gelegen habe. Der Sachverständige könne auch darlegen, dass zumindest durch diesen Verkehrsunfall die Verletzung im Halswirbelsäulenbereich aus biomechanischer Sicht hervorgerufen sein müsse. Das Gericht habe sich offenkundig sehr wesentlich auf Erkenntnisse nach Erdmann gestützt, die in ihrer wissenschaftlichen Authentizität zumindest in ihrer unreflektierten Übernahme sicher überholt seien. Alle Experten und Sachverständigen gingen davon aus, dass jeweils der einzelne Fall untersucht werden müsse. Der Kläger stützt sich des weiteren im wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Dr ... und beantragt die persönliche Anhörung der Sachverständigen Dr ... und Dr ... Des weiteren begehrt er die Anhörung eines weiteren medizinischen Sachverständigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger hat ein Schreiben des Sachverständigen ... vom 08.10.1998 als Nachtrag zu seinem vorherigen Gutachten vorgelegt. Darin führt dieser aus, dass bei dem vorliegenden Schadensumfang an dem Pkw vom Verkehrsunfall vom 10.04.1991 Verletzungen im Halswirbelbereich im Regelfall aufträten. Bei einer Geschwindigkeitsaufnahme von 28 bis 29 km/h seien nach eingehender Literaturrecherche nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand Verletzungen in nahezu unkalkulierbarem Umfang im Halswirbelbereich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Der Kläger hat ferner vorgetragen, in der Zwischenzeit hätten sich wesentliche neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowohl aus technischer wie aus medizinischer Sicht ergeben.
Das Vorliegen zwischenzeitlicher neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bestreitet die Beklagte unter Hinweis auf die 6.Auflage von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 1998. Danach ist eine HWS-Verletzung des Schweregrades I nach Erdmann bei Kollisionsgeschwindigkeiten bis zu 30 km/h zu erwarten. Schweregrad II und III setzen eine Kollisionsgeschwindigkeit von 40 bis 80 km/h voraus.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.03.1998 und die Bescheide der Beklagten vom 13.01.1993, 24.06.1993 und 16.09.1993 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.05. und 01.12.1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen der Unfälle vom 21.12.1990, 10.04.1991 und 18.10.1990 Leistungen zu gewähren.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg in den vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn das Sozialgericht hat dem Kläger zu Recht keine Verletztenrente nach einem der drei Arbeitsunfälle zugesprochen.
Die Entscheidung des Rechtsstreits richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den Vorschriften der RVO, da die Versicherungsfälle und die geltend gemachten Leistungsfälle vor dem 01.01.1997 eingetreten sind (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII).
Der Senat hält die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Augsburg für unbegründet und sieht nach § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen stellen die Entscheidung weder in Frage, noch besteht Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist, wie dies bereits das Sozialgericht getan hat, als Antrag auf die Gewährung von Verletztenrente auszulegen. Nur hierüber hat die Beklagte entschieden und das Vorbringen des Klägers bezieht sich nur auf die abgelehnten Leistungen, ohne dass andere in Betracht kommende Ansprüche in den Raum gestellt worden wären.
Zu den Gründen des angefochtenen Urteils hat der Kläger weder rechtlich noch medizinisch begründete Einwendungen vorgetragen.
Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass jeder Arbeitsunfall gesondert zu entschädigen ist. Dies ist die in § 537 Nr.2 RVO normierte Ausgangslage, die dazu führt, dass auch die Bewertung der Unfallfolgen nach § 581 Abs.1 RVO getrennt vorzunehmen ist. Für eine andere Betrachtungsweise gibt es im Gesetz keine Grundlage. Das Prinzip der getrennten Entschädigung ist dem Versicherten grundsätzlich günstig, denn es führt wegen der Regelungen in §§ 581 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 RVO dazu, dass bei mehreren Arbeitsunfällen eine MdE um 10 v.H. für die Gewährung einer Verletztenrente ausreicht, soweit ein weiterer Arbeitsunfall zu einer MdE von ebenfalls wenigstens 10 v. H. geführt hat. Im Gegensatz hierzu dürfen, von Ausnahmefällen abgesehen, zwei MdE-Werte um je 10 v.H. nicht zu der für die Gewährung einer Verletztenrente mindestens notwendigen Gesamt-MdE um 20 v.H. addiert werden.
Zu Recht haben der Sachverständige Dr ... und in der Folge das Sozialgericht ihre Schlussfolgerungen auf die dokumentierten Erstbefunde nach den drei Unfällen, insbesondere nach dem dritten Unfall gestützt. Eine Parteieinvernahme, die der Kläger bezüglich neuer anamnestischer Behauptungen beantragt hat, findet im Sozialgerichtsverfahren nicht statt. Der Kläger ist und war jedoch nicht gehindert, eigene Sachverhaltsdarstellungen in das Verfahren einzuführen, mit der Folge, dass sie nach den geltenden Beweisgrundsätzen zu berücksichtigen sind. Dabei sind jedoch die dokumentierten Erstbefunde, die gezielt auf ein Unfallgeschehen erhoben worden sind, grundsätzlich höher zu bewerten, als nachgereichte, nicht mehr nachprüfbare Angaben.
Der Senat war nicht gehalten, die Sachverständigen Dr ... und Dr ... in der mündlichen Verhandlung anzuhören. Es war nicht ersichtlich, was an deren Gutachten unklar gewesen wäre und der Kläger hat sachdienliche Fragen zur Anhörung im Termin nicht angekündigt (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage, § 118 Rdnr.12 f ff.).Der Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens oder einer Anhörung des Diplom-Ingenieurs ... bedurfte es nicht mehr. Es ist nicht ersichtlich, welche neuen Erkenntnisse sich dadurch bezüglich der unfallbedingten Gesundheitsstörungen beim Kläger hätten ergeben können. Soweit sich die Sachverständigen wie Dr ... und Dr ... auf die vom Kläger veranlassten technischen Feststellungen gestützt haben, sind sie bereits den Darstellungen des Diplom-Ingenieurs ... gefolgt. Dessen Annahmen von der Geschwindigkeitsaufnahme bei den Unfällen sind insoweit von niemandem bestritten. Auch die erneute Stellungnahme des Diplom-Ingenieurs ... im Berufungsverfahren kann zum Beweisergebnis nichts Entscheidungserhebliches beitragen. Die von ihm getroffene pauschale Aussage, dass bei der Art der vom Kläger erlittenen Unfälle mit unabsehbaren Schädigungen zu rechnen sei, ist nicht geeignet, irgendwelchen Aufschluss über die beim Kläger tatsächlich eingetretenen Schädigungen und deren Bewertung zu geben.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind vom Kläger zwar bislang behauptet, nicht aber belegt worden. Die Beklagte verweist insofern zu Recht auf die neueste Auflage von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, wo die einschlägigen Beurteilungskriterien beim HWS-Schleudertrauma bzw. -Distorsionstrauma so wiedergegeben sind, wie sie auch die Sachverständigen Dr ... und Dr ... angewendet haben.
Damit verbleibt es auch nach Ansicht des Senats dabei, dass die Ursächlichkeit eines der drei Arbeitsunfälle für die später operativ korrigierte Gefügelockerung in der Halswirbelsäule zwar mit dem Grade einer Möglichkeit, nicht aber mit dem der Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann und die durch die Gefügelockerung verursachte MdE nicht als Folge eines der drei Arbeitsunfälle entschädigt werden kann.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Gewährung von Verletztenrente nach drei Arbeitsunfällen.
Der Kläger erlitt bei seiner versicherten Tätigkeit am 18.10.1990 einen Unfall, bei dem ein anderer Pkw auf sein stehendes Fahrzeug auffuhr. Er begab sich deshalb am 22.10.1990 zum Durchgangsarzt, dem Orthopäden Dr ..., Augsburg, und gab an, sofortige Schmerzen an der Halswirbelsäule verspürt zu haben. Dr ... diagnostizierte eine Distorsion der Halswirbelsäule, eine Uncovertebralarthrose, eine Zerrung der linken Schulter und des linken Ellbogens sowie eine Thoraxprellung links.
Am 21.12.1990 wurde der Kläger wiederum im stehenden Pkw von hinten angefahren. Er begab sich am selben Tag zu Dr ... und klagte Schmerzen an der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung zum linken Trapezius. Die Bewegung der Halswirbelsäule war schmerzhaft eingeschränkt. Dr ... diagnostizierte wiederum eine Distorsion der Halswirbelsäule.
Am 10.04.1991 erlitt der Kläger wiederum in gleicher Weise einen Auffahrunfall und begab sich am 11.04.1991 um 11.00 Uhr zu dem praktischen Arzt Dr ..., Königsbrunn. Dort gab er zum Hergang des Unfalles an, er sei beim Linksabbiegen als Pkw-Fahrer angeschnallt von hinten angefahren worden. Er klagte Schulterschmerzen links, sowie im linken Oberarm bis in die Hand ausstrahlend. Am selben Tag begab er sich um 18.00 Uhr zu Dr ..., der eine Distorsion der Halswirbelsäule, eine Zerrung der Brustwirbelsäule sowie Zerrung der Schultern und Oberarme beidseits diagnostizierte. Er begab sich ferner zu dem Neurologen und Psychiater Dr ..., Augsburg, bei dem er Beschwerden am gesamten Körper und am Kopf, rechts ausgeprägter als links, beklagte, ferner Nackenschmerzen beidseits sowie eine nervöse Unruhe und Schlafstörungen.
Wegen aller drei Unfälle holte die Beklagte ein Gutachten von dem Chirurgen Dr ..., München, vom 09.10.1992 ein. Dort gab der Kläger an, er habe immer noch bewegungsabhängige, in die linke Schulter ausstrahlende Schmerzen in der Halswirbelsäule, vor allem beim Drehen des Kopfes. In ärztlicher Behandlung sei er jetzt nicht mehr. Dr ... wies zunächst auf einschlägige Vorschäden hin. Schon Dr ... weise auf die Uncovertebralarthrose hin, er gehe auch von einer Osteochondrose aus, die aber nicht nennenswert ausgeprägt sei. Für die BWS und LWS seien schon frühere Beschwerden bekannt. Nicht unwesentlich für die Beurteilung von HWS-Beschwerden sei auch der Hinweis auf eine deutliche psychische Belastung des Versicherten. Man habe den Eindruck einer depressiven Stimmung. Bei der Kurbehandlung sei auf einen nervösen Erschöpfungszustand hingewiesen worden. Ausgehend vom Unfallmechanismus werde man ein typisches Zerrtrauma durch das Auffahrgeschehen annehmen müssen. Es habe eine typische Nachschubprellung vorgelegen. Schwerwiegend sei aber das HWS-Trauma in keinem der drei Fälle gewesen. Man werde jeweils den leichten Verletzungsgrad annehmen können. Dafür sprächen folgende Überlegungen: Zumindest für den Unfall vom 18.10.1990 habe ein schmerzfreies Intervall bestanden, so dass der Kläger erst 4 Tage später in ärztliche Behandlung gekommen sei. Solche schmerzfreie Intervalle seien immer ein Hinweis auf ein leichtes Distorsionstrauma. Die Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sei in keinem der Fälle besonders schwerwiegend gewesen. Schluckbeschwerden, wie man sie bei schweren Verletzungen der Weichteilstrukturen an der Halswirbelsäule finde, hätten bei keinem der drei Unfallmechanismen bestanden. Eine Insuffizienz der Kopfhaltemuskulatur sei ebenfalls nicht erwiesen. Neurologische Ausfallerscheinungen hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Auch im Röntgenbild hätten keine traumatisch bedingten Veränderungen nachgewiesen werden können, es hätten sich nur die schon erwähnten degenerativen Vorbefunde ergeben. Bettlägerigkeit, wie man sie bei den mittelschweren oder schweren Verletzungsformen finde, habe ebenfalls nicht bestanden. Eine leichte Verletzung der Halswirbelsäule vorliegenden Schweregrades heile nach etwa 10 Tagen folgenlos aus. In Anbetracht dessen, dass bei dem Versicherten schon gewisse degenerative Veränderungen vorbestanden hätten, werde man eine etwas längere Heilphase in Anrechnung bringen können, so dass für alle drei Unfälle eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von maximal drei Wochen akzeptiert werden könne, sicher nicht länger. Die darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit müsse dem Vorschaden zugeordnet werden. Soweit zusätzlich noch eine Prellung der Schultern bestanden habe, sei diese ebenfalls innerhalb einer Zeit von 3 Wochen ausgeheilt. Die erst jetzt vorgebrachten Ohrgeräusche könnten sicher nicht als unfallbedingt gewertet werden. Zum einen seien leichte Schleuderverletzungen ohne Einfluss auf das Innenohr, zum anderen werde in keinem der vorliegenden Berichte, weder vom Orthopäden noch vom Neurologen, irgend einmal eine solche Störung erwähnt. Wenn sie nun erst nach 2 Jahren vorgebracht werde, könne sie schon aufgrund dieses langen Zeitintervalles nicht mehr im Unfallzusammenhang gesehen werden. Bei der nunmehrigen Untersuchung seien Folgen der drei Zerrungstraumen der Halswirbelsäule und auch der Prellungen an den Schultern nicht mehr nachweisbar. Das Beschwerdebild sei durchwegs unfallunabhängig und beruhe auf einem Cervikalsyndrom mit ausstrahlenden Schmerzen in die linke Schulter. Dieses Cervikalsyndrom sei im wesentlichen verursacht durch die beschriebenen degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule, zu einem Teil auch geprägt vom psychischen Zustand des Versicherten. Eine unfallbedingte MdE nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei für keinen der drei Unfälle anzunehmen. Der Sachverständige bezog sich dabei u.a. auf die beigezogenen ärztlichen Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte über eine Untersuchung am 03.05.1991 und eine stationäre Heilbehandlung vom 05.11. bis 03.12.1991.
Bezüglich aller drei Unfälle lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab und zwar mit Bescheiden vom 16.09.1993, 13.01.1993 und 24.06.1993.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren erhielt die Beklagte einen Bericht der Neurochirurgischen Klinik im Zentralklinikum Augsburg, Prof.Dr ..., vom 20.05.1993. Danach hatten sich anamnestisch bereits nach dem ersten Auffahrunfall anhaltende Nacken- und Hinterkopfschmerzen mit intermittierendem Ohrensausen eingestellt. Zuvor habe der Kläger nie HWS-Probleme gehabt. Nach dem dritten Unfall hätten die Beschwerden weiter zugenommen und es hätten sich auch linksseitige Armschmerzen mit Schmerzausstrahlung eingestellt. Anlässlich einer ambulanten Vorstellung sei bei Durchleuchtung eine Segmentinstabilität C3/4 nachgewiesen worden. Am 03.03.1993 sei eine Diskektomie C3/4 mit Abtragen der dorsalen Osteophythen sowie anschließend eine Spondylodese mit Eigenknochen und Titanplatte erfolgt. Der Kläger habe eine gute Besserung sowohl der Nacken- als auch der linksseitigen Armschmerzen und des Tinnitus angegeben. Bei der Entlassung hätten noch leichte Restbeschwerden im Nackenbereich bestanden, der Kläger sei jedoch mit dem bisher erreichten Ergebnis sehr zufrieden gewesen.
Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 01.12.1993 und 27.05.1993 als unbegründet zurück.
In den anschließenden Klageverfahren wegen aller dreier Arbeitsunfälle, die schließlich vom Sozialgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, hat das Gericht umfangreich Beweis erhoben durch Beiziehung aller Unterlagen der aktenkundigen bzw. vom Kläger benannten Behandler einschließlich Röntgenaufnahmen und CT.
Zu den drei Unfällen existieren drei Gutachten technischer Sachverständiger über die Feststellung und Bewertung der Schäden an den vom Kläger gefahrenen Fahrzeugen. Zum Unfall vom 10.04.1991 ist festgestellt, der Pkw sei heckseitig sehr stark eingedrückt und gestaucht, die Heckpartie hinten nach rechts gezogen.
Der Kläger hat ein Gutachten bei dem Sachverständigen Dipl.-Ing ..., Germering, in Auftrag gegeben, wonach biomechanisch überprüft werden solle, ob die von ihm anlässlich des Verkehrsunfalles vom 10.04.1991 geltend gemachten Verletzungen (HWS-Schleudertrauma, Fraktur) aus biomechanischer Sicht nachvollziehbar seien. Insbesondere solle geklärt werden, ob die Verletzungen, die anlässlich des Verkehrsunfalles vom 10.04.1991 aufgetreten seien, in einem Kausalzusammenhang mit den Verletzungen aus den Verkehrsunfällen vom 25.10. und 21.12.1990 stünden. Dem Sachverständigen standen die Schadensgutachten sowie Lichtbilder von der Unfallstelle am 10.04.1991 zur Verfügung. Das im Gutachten durchweg falsch wiedergegebene Unfalldatum vom 25.10.1990 bezieht sich ersichtlich auf das an diesem Tag erstellte Gutachten zum Schaden vom 18.10.1990. Der Sachverständige ging u.a. von den Schilderungen des Klägers aus. Bei dem ersten und zweiten Anstoß habe der Kläger angeblich ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Beim dritten Anprall sei, wie dies im Jahre 1993 festgestellt worden sei, eine Fraktur eines Halswirbels erfolgt. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine HWS-Distorsion aus biomechanischer Sicht auftreten könne, sei insbesondere die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme des Fahrzeugs und beim Heckanstoß die Einstellung der Rückenlehne bzw. der Kopfstütze zu berücksichtigen. Nach den Ergebnissen eines Symposiums im Jahre 1994 sei davon auszugehen, dass eine HWS-Distorsion bei einer Geschwindigkeitsaufnahme ab ca. 13 km/h erwartet werden könne. Von diesem Wert könne abgewichen werden, wenn insbesondere die Kopfstütze am Sitz des Geschädigten falsch befestigt bzw. eingestellt gewesen sei. Bei der biomechanischen Beurteilung würden medizinische Aspekte nicht berücksichtigt. Anhand des Schadensumfanges im ersten Auffahrunfall lasse sich die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme mit etwa 15 km/h ermitteln. Bei dieser Geschwindigkeitsaufnahme könne nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ein HWS-Schleudertrauma (Erdmann I) nicht ausgeschlossen werden. Nach der Eingrenzung des Schweregrades durch Erdmann sei ein derartiges Schleudertrauma jedoch nach einer Zeit von 4 bis 6 Wochen wieder abgeklungen. Knöcherne Verletzungen würden bei dieser Geschwindigkeitsänderung statistisch nicht festgestellt. Beim zweiten Unfall könne die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme mit maximal 12 bis 14 km/h eingegrenzt werden. Ein HWS-Schleudertrauma (Erdmann I) sei hier nicht zu erwarten. Inwiefern jedoch der Erstunfall vom 25.10.1990, der ca. 7 Wochen zurückgelegen habe, noch einen gewissen Einfluss (nicht vollständige Ausheilung des Erstschadens) gehabt habe, lasse sich aus biomechanischer Sicht nicht beurteilen. Beim dritten Unfall lasse sich die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsaufnahme exakt anhand der vorliegenden Lichtbilder errechnen. Ein Kausalzusammenhang zwischen den beiden Erstunfällen und dem Unfall vom 10.04.1991 sei aus biomechanischer Sicht nicht herzustellen. Insbesondere sei bei den Vorunfällen die festgestellte knöcherne Verletzung im Halswirbelsäulenbereich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Bei dem Unfall vom 10.04.1991 seien derartige Verletzungen unter bestimmten Voraussetzungen nachvollziehbar. Bei dem Unfall vom 10.04.1991 handle es sich um eine mehr als doppelt so hohe Belastung der Halswirbelsäule im Vergleich zu den beiden Vorunfällen. Die vorliegenden Verletzungen im Halswirbelbereich seien aus biomechanischer Sicht, unter Berücksichtigung weiterer Kriterien, nachvollziehbar.
Die Beklagte hat hierzu ein Gutachten des Chirurgen Dr ..., Vaterstetten, vom 20.07.1995 vorgelegt. Dieser führte aus, die ersten beiden Unfälle von 1990 seien kaum geeignet gewesen, eine schwerergradige HWS-Verletzung zu bewirken. Es handle sich wahrscheinlich um leichte Zerrverletzungen, die nach übereinstimmender medizinischer Literatur binnen weniger Wochen ausgeheilt seien. Lediglich der dritte Unfall vom April 1991 sei nach der unfalltechnischen Analyse geeignet gewesen (Möglichkeit), eine HWS-Verletzung mit Instabilität hervorzurufen. Ein technisches Gutachten ersetze nicht die medizinisch-traumatologische Forschung und Erfahrung. Es müsse auch das Primärverhalten und der Beginn sowie die Ausprägung der Symptome integriert werden in die unfallmedizinische Schlussfolgerung. Weder das Verhalten am Unfallort noch die Symptomatik bei der ersten Arztuntersuchung noch am Unfalltag sei so auffallend, dass deswegen auf eine schwerere HWS-Verletzung als nach Erdmann I geschlossen werden könne. Wirbelsäuleninstabilitäten resultierten auch aus anderer Ursache, sie seien nicht per se beweisend für einen Unfalleinfluss. Die gesetzlich geforderte Wahrscheinlichkeit des Unfallzusammenhangs mit der HWS-Operation 1993 könne noch nicht bejaht werden.
Das Sozialgericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten des Orthopäden Dr ..., Friedberg, vom 09.12.1995 und des HNO-Arztes Dr ..., Neusäß, vom 13.03.1996. Der Sachverständige Dr ... führt u.a. aus, an der Halswirbelsäule habe mit Sicherheit kein klinisch relevant in Erscheinung tretender Vorschaden vorgelegen. Der erste Unfall habe den Kläger zwar unvorbereitet getroffen, nach Aussage des technischen Sachverständigen jedoch mit einer geringen Aufprallgeschwindigkeit, die nicht die Intensität habe, wesentliche Verletzungen mit Ausnahme von Zerrungen zu bewirken. Auch erste Symptome in Form von Haltungsinsuffizienz, neurologischen Symptomen oder Schluckbeschwerden hätten nicht vorgelegen. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit habe im Rahmen des üblichen gelegen. Die gleichen Ausführungen gelten für den zweiten Unfall. Auffällig sei jedoch gegenüber der Erstuntersuchung im Röntgenbefund bei nicht immer vergleichbarer Aufnahmetechnik eine ganz diskrete Verschiebung im Segment C3/4. Aber auch hier handle es sich bei Berücksichtigung der Unfallmechanik und der Erstbefunde nur um eine "Schleuderverletzung" nach Erdmann I. Der dritte Unfall sei dem Anschein nach zwar der schwerste und könne als Ursache für die dann immer stärker werdenden Beschwerden angesehen werden. Gegen die Annahme eines wesentlichen Unfallschadens sprächen jedoch das offensichtliche Fehlen eines Sofortschmerzes, der bei einer Segmentinstabilität mit Sicherheit vorhanden wäre und zu einer totalen Haltungsinsuffizienz der Haltemuskulatur führen müsste. Auch sofortige neurologische Symptome wären zu erwarten gewesen. Am Unfallort selbst habe der Kläger gegenüber der Polizei angegeben, keine Verletzung erlitten zu haben, er habe sich auch erst am Abend des Folgetages beim behandelnden Arzt vorgestellt und der Neurologe habe am Folgetag keine Symptome gefunden. Dies seien Fakten, die stark gegen eine so erhebliche Traumatisierung der Halswirbelsäule sprächen, als dass dadurch die Schwere der gefundenen Instabilität erklärt werden könnte. Aus streng medizinisch gutachterlicher Sicht müsse also auch das dritte Unfallereignis dem Schweregrad I nach dem Erdmann-Schema zugeordnet werden. Die Distorsion der Halswirbelsäule sei nach mehr oder weniger kurzer Zeit wie jede Verstauchung in einer anderen Körperregion ohne bestehenbleibende Folgen verheilt. Der Sachverhalt sei durch die Segmentinstabilität, die erst wesentlich später (Februar 1993) eindeutig objektiviert sei, kompliziert, obgleich sie bei rückwirkender Betrachtung der Röntgenaufnahmen schon nach dem zweiten Unfall andeutungsweise vorhanden gewesen sei. Die Aufnahmen der Röntgenverlaufsserie seien letztlich nicht untereinander vergleichbar. Am 21.12.1990 habe bereits eine Rückversetzung von C3 gegenüber C4 bestanden. Dies bedeute, dass der dritte Unfall, obwohl er der schwerste gewesen sei, nicht die Instabilität bewirkt habe, denn diese sei bereits vorhanden gewesen. Andererseits hätten der erste und der zweite Unfall nicht die Intensität gehabt, eine solche Instabilität zu bewirken. Die dafür zu fordernden Sofortsymptome seien tatsächlich nicht vorhanden gewesen. Zusammenfassend könne der medizinische Gutachter hier nicht eindeutig Stellung beziehen, ob und in welchem Schweregrad welche Symptome einer der drei Unfälle jeweils bewirkt habe. Summiere man die drei Unfälle, dann müsse der Gesamtschaden dem dritten Unfall zugeordnet werden. Der dritte Unfall habe zu einer Verschlimmerung bzw. Summation von Vorschäden und Unfallschaden geführt, die dann doch letztlich aus Unfallgründen die spätere Operation erforderlich gemacht habe. Unter dieser Voraussetzung sei die unfallbedingte MdE folgendermaßen zu bewerten: Ab Beginn der Arbeitsfähigkeit nach dem dritten Unfall (11.05.1991) sei eine MdE um 20 v.H. anzusetzen bis Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach Operation und postoperativer Anschlussheilbehandlung, d.h. bis 01.01.1994. Danach und derzeit sei durch den postoperativen Befund der fusionierten Halswirbelsäule mit nur anteiliger Bewegungseinschränkung und Restbeschwerden eine MdE um nicht mehr als 10 v.H. zu begründen. Es sei jedoch für keinen der drei Unfälle beweisbar, welcher genau die später zur Operation führende Segmentinstabilität bewirkt habe oder habe bewirken können. Der dritte Unfall habe allenfalls die nach dem zweiten Unfall beweisbar bestehende Instabilität verschlimmern können. Keiner der beiden ersten Unfälle habe die für die Entstehung einer Segmentinstabilität notwendige Intensität gehabt, andererseits könne keine vernünftige Erklärung gefunden werden, woher der Kläger diese Instabilität habe. Falls das Gericht eine strenge Trennung der medizinisch exakt nachweisbaren Folgen des jeweiligen Unfalls verlange, sei die Frage nach der ursächlichen Entstehung bzw. Zusammenhang nur mit dem Grad der Möglichkeit, aber nicht der Wahrscheinlichkeit und schon gleich nicht mit medizinischer Sicherheit beantwortbar.
Der Sachverständige Dr ... hat auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen gefunden.
Am 26.03.1996 hat der Kläger wiederum einen Autounfall mit HWS-Beteiligung erlitten.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Neurochirurgen Dr ..., Füssen, vom 11.02.1997 eingeholt. Es handelt sich bei ihm um den Arzt, der die Halswirbelsäulenoperation durchgeführt hat. Er führt aus, zur Zeit der Untersuchung im Zentralklinikum Augsburg sei erstmals in Deutschland eine dynamische Prüfung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit und Beurteilung der Bänder und eines sog. diskoligamentären Schadens mit einem speziellen Untersuchungsverfahren möglich gewesen. Dadurch sei schließlich eine entsprechende Schadstelle C3/C4 festgestellt und dem Patienten zu einer Operation geraten worden. Nach dieser Operation habe er berichtet, dass die zuvor bestehenden Beschwerden prompt verschwunden seien. Er habe keine Kopfschmerzen mehr gehabt, fast keinen Schwindel mehr und bereits eine andere Lebensqualität. Nach erfolgter Anschlussheilbehandlung habe er schließlich wieder seine frühere Tätigkeit aufnehmen können. Intraoperativ habe sich gezeigt, dass eine Überdehnung sowie ein diskoligamentärer Schaden festzustellen gewesen sei, der in typischer Weise nach Schleudertrauma zu sehen sei. Die beiden beteiligten Wirbel hätten sich sowohl gegeneinander drehen als auch ohne Mühe auseinanderbewegen können. Es habe sich weiterhin bewahrheitet, dass seine vor der Operation vorgebrachten Klagen ausschließlich mit dem diskoligamentären Schaden des Segmentes C3/C4 in Zusammenhang standen, denn sofort nach der Operation seien 80% der Beschwerden verschwunden und in einer späteren Heilphase weitgehend die Beschwerdesymptomatik. Aufgrund der Anamnese, des klinischen Untersuchungsbefundes, der intraoperativen Befunderhebung und des Verschwindens der Beschwerden habe er keinen Zweifel, dass der Unfall vom 10.04.1991 einen Schaden verursacht habe, der klinisch relevant geworden sei und mit normalen Heilmaßnahmen keine Besserungstendenz gezeigt habe. Durch die Fusionsoperation sei die Beweglichkeit C3/C4 vollständig aufgehoben. Es liege somit eine relative Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule vor. Die ersten beiden Unfälle hätten keine Minderung der Erwerbsfähigkeit nach sich gezogen. Der durch den dritten Unfall entstandene Schaden habe zwar weitgehend durch die Operation 1993 behoben werden können, allerdings durch die Einschränkung der Beweglichkeit und Restbeschwerden wie z.B. endgradiger Bewegungsschmerz bei Durchführung der Kopfbewegungen und häufige Verspannungen im Nacken-Schulterbereich, die nach Fusionsoperationen häufig beobachtet würden.
Hiergegen hat die Beklagte im wesentlichen eingewendet, der Sachverständige habe eine Unfallrekonstruktion bzw. Auswertung der Polizeiprotokolle und der vorliegenden Unfallgutachten nicht vorgenommen. Hinsichtlich des Zustandes des Klägers nach dem Unfall seien allein und unreflektiert die Angaben des Klägers anlässlich der Untersuchung zugrundegelegt und die dokumentierten Erst- und röntgenologischen Befunde nur unzureichend oder gar nicht berücksichtigt worden. Wegen der festgestellten Aufprallgeschwindigkeit komme allenfalls eine Schleuderverletzung nach Erdmann I in Frage. Für eine lediglich leichte Schleuderverletzung der Halswirbelsäule spreche auch das in den Akten dokumentierte Beschwerdebild in der Frühphase. Der intraoperative Befund gebe für die Beurteilung der Ursache der Gesundheitsstörung nichts her, denn der Kläger sei erst knapp 2 Jahre nach dem Unfall an der Halswirbelsäule operiert worden, so dass keine unfallnahen Befunde vorlägen.
Die allgemein auf die Verurteilung zu Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach den drei Arbeitsunfällen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht mit Urteil vom 11.03. 1998 als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente habe. Es hat sich in seiner Begründung auf die Gutachten des Dr ... und des Dr ... gestützt und ist dem Sachverständigen Dr ... nicht gefolgt, im wesentlichen aus den von der Beklagten vorgetragenen Gründen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Er trägt u.a. vor, er habe bereits kurz nach dem Unfall vom 10.04.1991, der sich nach Dienstschluss ereignet habe, erhebliche Schmerzen verspürt und deshalb nachts nicht schlafen können. Er sei sofort am nächsten Tag morgens zu Dr ... gegangen. Hierbei habe er sehr wohl auch über Schluckbeschwerden geklagt. Er könne sich nicht erklären, warum diese nicht aufgenommen worden seien. Er sei wegen dieser Beschwerden auch in anderweitige ärztliche Behandlung gegangen. Es lägen ärztliche Aufzeichnungen offensichtlich nicht mehr vor. Unzutreffend sei auch, dass keine unfallnahen Befunde hinsichtlich der Verletzungen vorlägen. Am 11.04.1991 seien durch Dr ... Röntgenaufnahmen erstellt worden. Auf diesen Aufnahmen sei die Verschiebung C3/C4 eindeutig sichtbar. Es wurde Beweis angeboten durch die Einvernahme des Sachverständigen Dipl.-Ing ... für die Richtigkeit der technisch festgestellten Geschwindigkeitsverhältnisse, insbesondere dahingehend, dass bei dem Unfall vom 10.04.1991 die Geschwindigkeitsaufnahme des Pkw zwischen 28 und 29 km/h gelegen habe. Der Sachverständige könne auch darlegen, dass zumindest durch diesen Verkehrsunfall die Verletzung im Halswirbelsäulenbereich aus biomechanischer Sicht hervorgerufen sein müsse. Das Gericht habe sich offenkundig sehr wesentlich auf Erkenntnisse nach Erdmann gestützt, die in ihrer wissenschaftlichen Authentizität zumindest in ihrer unreflektierten Übernahme sicher überholt seien. Alle Experten und Sachverständigen gingen davon aus, dass jeweils der einzelne Fall untersucht werden müsse. Der Kläger stützt sich des weiteren im wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Dr ... und beantragt die persönliche Anhörung der Sachverständigen Dr ... und Dr ... Des weiteren begehrt er die Anhörung eines weiteren medizinischen Sachverständigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger hat ein Schreiben des Sachverständigen ... vom 08.10.1998 als Nachtrag zu seinem vorherigen Gutachten vorgelegt. Darin führt dieser aus, dass bei dem vorliegenden Schadensumfang an dem Pkw vom Verkehrsunfall vom 10.04.1991 Verletzungen im Halswirbelbereich im Regelfall aufträten. Bei einer Geschwindigkeitsaufnahme von 28 bis 29 km/h seien nach eingehender Literaturrecherche nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand Verletzungen in nahezu unkalkulierbarem Umfang im Halswirbelbereich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Der Kläger hat ferner vorgetragen, in der Zwischenzeit hätten sich wesentliche neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowohl aus technischer wie aus medizinischer Sicht ergeben.
Das Vorliegen zwischenzeitlicher neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bestreitet die Beklagte unter Hinweis auf die 6.Auflage von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 1998. Danach ist eine HWS-Verletzung des Schweregrades I nach Erdmann bei Kollisionsgeschwindigkeiten bis zu 30 km/h zu erwarten. Schweregrad II und III setzen eine Kollisionsgeschwindigkeit von 40 bis 80 km/h voraus.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.03.1998 und die Bescheide der Beklagten vom 13.01.1993, 24.06.1993 und 16.09.1993 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.05. und 01.12.1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen der Unfälle vom 21.12.1990, 10.04.1991 und 18.10.1990 Leistungen zu gewähren.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg in den vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn das Sozialgericht hat dem Kläger zu Recht keine Verletztenrente nach einem der drei Arbeitsunfälle zugesprochen.
Die Entscheidung des Rechtsstreits richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den Vorschriften der RVO, da die Versicherungsfälle und die geltend gemachten Leistungsfälle vor dem 01.01.1997 eingetreten sind (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII).
Der Senat hält die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Augsburg für unbegründet und sieht nach § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen stellen die Entscheidung weder in Frage, noch besteht Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist, wie dies bereits das Sozialgericht getan hat, als Antrag auf die Gewährung von Verletztenrente auszulegen. Nur hierüber hat die Beklagte entschieden und das Vorbringen des Klägers bezieht sich nur auf die abgelehnten Leistungen, ohne dass andere in Betracht kommende Ansprüche in den Raum gestellt worden wären.
Zu den Gründen des angefochtenen Urteils hat der Kläger weder rechtlich noch medizinisch begründete Einwendungen vorgetragen.
Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass jeder Arbeitsunfall gesondert zu entschädigen ist. Dies ist die in § 537 Nr.2 RVO normierte Ausgangslage, die dazu führt, dass auch die Bewertung der Unfallfolgen nach § 581 Abs.1 RVO getrennt vorzunehmen ist. Für eine andere Betrachtungsweise gibt es im Gesetz keine Grundlage. Das Prinzip der getrennten Entschädigung ist dem Versicherten grundsätzlich günstig, denn es führt wegen der Regelungen in §§ 581 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 RVO dazu, dass bei mehreren Arbeitsunfällen eine MdE um 10 v.H. für die Gewährung einer Verletztenrente ausreicht, soweit ein weiterer Arbeitsunfall zu einer MdE von ebenfalls wenigstens 10 v. H. geführt hat. Im Gegensatz hierzu dürfen, von Ausnahmefällen abgesehen, zwei MdE-Werte um je 10 v.H. nicht zu der für die Gewährung einer Verletztenrente mindestens notwendigen Gesamt-MdE um 20 v.H. addiert werden.
Zu Recht haben der Sachverständige Dr ... und in der Folge das Sozialgericht ihre Schlussfolgerungen auf die dokumentierten Erstbefunde nach den drei Unfällen, insbesondere nach dem dritten Unfall gestützt. Eine Parteieinvernahme, die der Kläger bezüglich neuer anamnestischer Behauptungen beantragt hat, findet im Sozialgerichtsverfahren nicht statt. Der Kläger ist und war jedoch nicht gehindert, eigene Sachverhaltsdarstellungen in das Verfahren einzuführen, mit der Folge, dass sie nach den geltenden Beweisgrundsätzen zu berücksichtigen sind. Dabei sind jedoch die dokumentierten Erstbefunde, die gezielt auf ein Unfallgeschehen erhoben worden sind, grundsätzlich höher zu bewerten, als nachgereichte, nicht mehr nachprüfbare Angaben.
Der Senat war nicht gehalten, die Sachverständigen Dr ... und Dr ... in der mündlichen Verhandlung anzuhören. Es war nicht ersichtlich, was an deren Gutachten unklar gewesen wäre und der Kläger hat sachdienliche Fragen zur Anhörung im Termin nicht angekündigt (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage, § 118 Rdnr.12 f ff.).Der Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens oder einer Anhörung des Diplom-Ingenieurs ... bedurfte es nicht mehr. Es ist nicht ersichtlich, welche neuen Erkenntnisse sich dadurch bezüglich der unfallbedingten Gesundheitsstörungen beim Kläger hätten ergeben können. Soweit sich die Sachverständigen wie Dr ... und Dr ... auf die vom Kläger veranlassten technischen Feststellungen gestützt haben, sind sie bereits den Darstellungen des Diplom-Ingenieurs ... gefolgt. Dessen Annahmen von der Geschwindigkeitsaufnahme bei den Unfällen sind insoweit von niemandem bestritten. Auch die erneute Stellungnahme des Diplom-Ingenieurs ... im Berufungsverfahren kann zum Beweisergebnis nichts Entscheidungserhebliches beitragen. Die von ihm getroffene pauschale Aussage, dass bei der Art der vom Kläger erlittenen Unfälle mit unabsehbaren Schädigungen zu rechnen sei, ist nicht geeignet, irgendwelchen Aufschluss über die beim Kläger tatsächlich eingetretenen Schädigungen und deren Bewertung zu geben.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind vom Kläger zwar bislang behauptet, nicht aber belegt worden. Die Beklagte verweist insofern zu Recht auf die neueste Auflage von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, wo die einschlägigen Beurteilungskriterien beim HWS-Schleudertrauma bzw. -Distorsionstrauma so wiedergegeben sind, wie sie auch die Sachverständigen Dr ... und Dr ... angewendet haben.
Damit verbleibt es auch nach Ansicht des Senats dabei, dass die Ursächlichkeit eines der drei Arbeitsunfälle für die später operativ korrigierte Gefügelockerung in der Halswirbelsäule zwar mit dem Grade einer Möglichkeit, nicht aber mit dem der Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann und die durch die Gefügelockerung verursachte MdE nicht als Folge eines der drei Arbeitsunfälle entschädigt werden kann.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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