L 18 U 212/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 363/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 212/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.04.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Knorpelschaden am rechten Kniegelenk des Klägers als Folge des Arbeitsunfalles vom 18.07.1994 anzuerkennen ist.

Der am 1967 geborene Kläger war neben seiner Tätigkeit als Elektroniker bei der Spielvereinigung B. als Vertragsfußballer tätig. Am 18.07.1994 traf ihn ein Gegenspieler bei einem Zweikampf am rechten Knie. Er suchte am nächsten Tag den Orthopäden Dr.H.K. auf und gab an, nach dem Unfall weitergespielt zu haben. Dr.H.K. diagnostizierte im rechten Kniegelenk einen geringgradigen Erguss. Es fand sich kein Druckschmerz am Gelenkspalt und kein Verschiebeschmerz der Patella, der Bandapparat war stabil und die Meniskuszeichen waren negativ. Die Röntgenuntersuchung ergab keine frische knöcherne Verletzung. Dr.K. hielt den Kläger weiterhin für spielfähig. In den folgenden Tagen bestritt der Kläger - zum Teil mit Hilfe von Einspritzungen in das rechte Knie - vier weitere Punktspiele. Bei einer am 19.08.1994 durchgeführten Kernspintomographie zeigte sich ein erheblicher Gelenkerguss, ein Knorpeldefekt am condylus medialis fermoris, ein Verdacht auf freien Gelenkkörper im medialen Kniekompartiment, ein umschriebenes Knöchelödem im condylus medialis fermoris, ein Status nach Innenmeniskus-Teilresektion sowie eine Grad III-Läsion des Innenmeniskus-Hinterhorns. Eine am 26.08.1994 durchgeführte Arthroskopie erbrachte eine traumatische Knorpelabsprengung am medialen Femurcondylus, einen freien Gelenkkörper von 8 x 8 mm sowie den Zustand nach Innenmeniskusteilresektion. Nach Knorpelglättung und Entfernung des freien Gelenkkörpers war der postoperative Heilungsverlauf komplikationslos.

Zur Aufklärung des Sachverhalts ließ die Beklagte den Kläger durch den Arzt für Chirurgie Dr.B.B. begutachten (Gutachten vom 15.03.1995 und 01.04.1997). Dort gab der Kläger an, 1986, 1990 und 1993 am Knie operiert worden zu sein. 1986 sei das Innenband gerissen und genäht worden, 1990 sei ein Teil des Innenmeniskus, 1992 ein Teil des Außenmeniskus entfernt worden. Zum Unfallhergang gab der Kläger an, zu einem Schuss durchgezogen zu haben und vom Gegner einen Schlag gegen die Vorder- und Innenseite des Kniegelenks erhalten zu haben. Dr.B.B. diagnostizierte - wie Dr.H.K. - eine folgenlos verheilte Prellung des rechten Kniegelenkes und wertete den Knorpelschaden an der medialen Oberschenkelrolle als Folge des Unfalles von 1986. Die Beklagte anerkannte mit Bescheid vom 23.08.1995 als Folgen des Arbeitsunfalls eine "folgenlos verheilte Prellung des rechten Kniegelenkes". Nicht als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannte sie "Riss des medialen Seitenbandes rechtes Knie 1986 mit Beteiligung des rechten Innen- und Außenmeniskus, des vorderen Kreuzbandes und des Knorpels an der medialen Oberschenkelrolle mit wiederkehrenden Beschwerden". Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Dr.B.B. vom 01.04.1997 mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1997 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.08.1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1997 zu verurteilen, als weitere Unfallfolge einen Knorpelschaden am rechten Kniegelenk anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Das SG hat ein Gutachten nach Aktenlage der Ärztin für Chirurgie Dr.H. vom 21.04.1998/29.12.1998 und ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Chirurgen Dr.D.N. vom 30.11.1998 eingeholt. Während Dr.H. aufgrund des vom Kläger geschilderten Unfallverlaufs als Folge des Unfalls vom 18.07.1994 lediglich eine Prellung des rechten Kniegelenks angenommen hat, hat Dr.D.N. den Knorpelschaden auf den Unfall vom 18.07.1994 zurückgeführt. Er ist davon ausgegangen, dass der Gegner den sich in einer Schussbewegung befindlichen Kläger von unten innen unterhalb des Kniegelenkes getroffen habe und so gewaltsam die nach oben in die Vollstreckung des Beines und Kniegelenkes gerichtete Bewegung in eine Hyperextensionsbewegung verstärkt habe, wodurch es zu einer Knorpelabsprengung gekommen sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.04.1999 abgewiesen. Es hat sich auf das Gutachten der Dr.H. gestützt und ausgeführt, die von Dr.B.N. angenommene Hyperextensionsbewegung sei durch den geschilderten Unfallverlauf nicht belegt. Es könne nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass die Knorpelablösung auf das Ereignis vom 18.07.1994 zurückzuführen sei. Vielmehr stehe diese im Zusammenhang mit den drei Vorschädigungen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat von dem Arzt für Orthopädie Dr.V.F. ein Gutachten vom 21.12.2001 eingeholt. Dieser hat lediglich einen geringen Reizerguss im rechten Kniegelenk als Folge des Unfalls vom 18.07.1994 angesehen und den Knorpelschaden im Bereich der inneren Oberschenkelrolle mit der Entwicklung freier Gelenkkörper nicht mit Wahrscheinlichkeit auf dieses Unfallereignis zurückgeführt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 22.04.1999 aufzuheben und den Bescheid vom 23.08.1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1997 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, als Folge des Unfalls vom 18.07.1994 einen Knorpelschaden am rechten Knie anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 22.04.1999 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Knorpelschaden des Klägers am rechten Kniegelenk ist nicht als Folge des Unfalles vom 18.07.1994 anzuerkennen.

Anzuwenden sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich der Unfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles gemäß § 548 Abs 1 Satz 1 RVO anerkannt werden kann, ist, dass zwischen dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein mit Wahrscheinlichkeit zu bejahender ursächlicher Zusammenhang besteht (BSGE 12, 242, 245 ff; 45, 285, 286; Lauterbach/Watermann Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, 3. Auflage, Anm 3 zu § 548 RVO). Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung des Knorpelschadens als Folge des Unfalls vom 18.07.1994 ist also, dass dieser Schaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 18.07.1994 ursächlich zurückzuführen ist. Unter hinreichender Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286). In Würdigung und Abwägung der hier vorliegenden Einzelumstände sowie insbesondere der Ausführungen des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr.V.F. - dem der Senat folgt - sind die beim Kläger aufgetretenen Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Kniegelenks nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 18.07.1994 ursächlich zurückzuführen.

Vorliegend kann der genaue Unfallhergang in seinen Einzelheiten - insbesondere die Intensität des vom Kläger am Unfalltag erlittenen Trittes nicht geklärt werden. Der Senat geht - wie vom Beklagten anerkannt - von einem Unfallereignis im Sinne eines eine Prellung bewirkenden Trittes aus. Er kann jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der Tritt vom 18.07.1994 geeignet gewesen ist, eine erhebliche Knorpelschädigung, wie sie erst später im Rahmen der Arthroskopie vom 26.08.1994 dokumentiert worden ist, herbeizuführen oder eine bereits bestandene Knorpelschädigung wesentlich zu verschlimmern.

Für die Annahme des im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Dr.D.N. , der Mitspieler habe den Kläger während des Höhepunkts einer Schussbewegung von unten innen unterhalb des Kniegelenks getroffen und so gewaltsam die nach oben in die Vollstreckung des Beines und Kniegelenkes gerichtete Bewegung in eine Hyperextensionsbewegung verstärkt und hierdurch die Knorpelabsprengung ausgelöst, gibt es zum einen keinen Nachweis, dass der Geschehensablauf sich tatsächlich so zugetragen hat. Zum anderen sprechen aber auch die bei der Erstuntersuchung am 19.07.1994 festgestellten Verletzungsfolgen gegen eine Knorpelabsprengung durch den Unfall vom 18.07.1994. So hat der erstbehandelnde Arzt Dr.H.K. am 19.07.1994 - einen Tag nach dem Unfall - keine konkret fassbare Knieschädigung feststellen können. Zwar steht durch das Operations-Protokoll vom 26.08.1994 fest, dass der Knieschaden durch eine traumatische Knorpelabsprengung entstanden ist, das Alter der Knorpelschädigung ist jedoch unbekannt, da eine histologische Aufarbeitung des entfernten freien Gelenkkörpers nicht erfolgt ist. Zudem weist Dr.V.F. darauf hin, dass eine verletzungsbedingte Knorpelabsprengung des Ausmaßes, wie sie im Operations-Protokoll beschrieben ist, eine schwere Binnenverletzung des Kniegelenkes darstellt, welche aufgrund der tiefgreifenden Knorpel-Knochenschädigung mit Sicherheit eine wesentliche Blutung und nicht nur den im H-Arzt-Bericht beschriebenen geringen Reizerguss ausgelöst hätte. Hinzu kommt, dass der Gelenkspalt bei der Erstuntersuchung nach dem Unfall nicht druckempfindlich war, die Bänder sich fest darstellten, die Meniskuszeichen negativ waren und ein Verschiebeschmerz der Kniescheibe nicht aufgefallen war. Schließlich hat der Kläger nach dem Tritt vom 18.07.1994 an vier weiteren Punktspielen seines Vereins teilgenommen, was ebenfalls gegen eine schwerwiegende Verletzung durch dieses Ereignis spricht.

Der Senat kann auch keine Verschlimmerung der beim Kläger bestehenden Vorschäden am rechten Knie durch den Unfall vom 18.07.1994 annehmen. Zwar hat der vom Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörte Dr.B.B. hierzu ausgeführt, es könne (bestenfalls) davon ausgegangen werden, dass eine vorbestehende Knorpelläsion am 18.07.1994 oder danach zur Ablösung gekommen sei bzw zur Bildung eines Freikörpers geführt habe (Gutachten vom 15.03.1995). Ein solcher Geschehensablauf stellt sich aber lediglich als eine mögliche Variante des Unfallgeschehens dar. Es kann nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Unfall vom 18.07.1994 zu einer Verschlimmerung des vorbestehenden Knieschadens geführt hat. Denn zum einen ist es versäumt worden, das Operationsgut histologisch begutachten zu lassen, und zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Gewalteinwirkung vom 18.07.1994 eine wesentliche Teilursache für den aufgetretenen Schaden dargestellt hat. Wie bereits ausgeführt ist die Intensität der Gewalteinwirkung vom 18.07.1994 nicht bekannt und es kann auch nicht aus den Erstbefunden des Unfalls vom 18.07.1994 auf eine intensive Gewalteinwirkung geschlossen werden.

Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass der Unfall vom 18.07.1994 in kausaler Konkurrenz mit einer beim Kläger vorhandenen Krankheitsanlage den Körperschaden herbeigeführt oder verschlimmert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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