Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 593/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 253/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.05.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers als Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) und deren Entschädigung streitig.
Der am 1937 geborene Kläger war nach einer Zeit als Anlagenfahrer (1972 bis 1978) seit 16.07.1979 bis April 1992 als Saugwarenfahrer bei der G. in Bayern (G.) tätig. Anschließend bis zu seiner Verrentung übte er eine Betriebsratstätigkeit aus.
Wegen der beim Kläger festgestellten Arbeitsunfähigkeit hat die AOK mit Schreiben vom 21.12.1993 eine Anfrage an den Beklagten wegen einer Berufskrankheit gerichtet. Unter Berücksichtigung der Arbeitsplatzbeschreibung der G. vom Dezember 1994, der eigenen Nachforschungen zur Arbeitsplatzbelastung und unter Berücksichtigung der übrigen Aktenlage kam der Technische Aufsichtsdienst (TAD) des Beklagten zu dem Ergebnis, dass die beruflichen Voraussetzungen im Sinne des Merkblattes zur Berufskrankheit Nr.2108 hinsichtlich der Schwere gehobener Lasten in Verbindung mit der Häufigkeit der Hebevorgänge für den Kläger nicht gegeben seien. Dieser Auffassung stimmte der Staatliche Gewerbearzt Dr.M. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 17.07.1995 zu.
Mit Bescheid vom 11.10.1996 lehnte sodann der Beklagte eine Entschädigung der beim Kläger aufgetretenen Wirbelsäulenbeschwerden ab, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit nicht erfüllt seien.
Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass der TAD des Beklagten von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Unter Zugrundelegung ergänzender Angaben des G. vom 02.05.1997 über die Zahl der Saugvorgänge veranlasste der Beklagte eine erneute Stellungnahme des TAD, der in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.06.1997 die arbeitstechnischen Voraussetzungen weiterhin für nicht gegeben ansah. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.1997 hat sodann der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben und seine Tätigkeit bei der G. geschildert und deren Belastung ausführlich begründet. Mit Beschluss vom 07.12.1998 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet und nach Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) - B 2 U 12/98 - den Rechtsstreit fortgesetzt. Das Gericht hat sodann im Erörterungstermin am 30.01.2001 J. K. und K. V. als Zeugen einvernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.01.2001 Bezug genommen.
Der Beklagte legte eine Stellungnahme seines TAD vom 20.02.2001 zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 30.01.2001 vor. Danach ergäben sich aus den Aussagen der vom Sozialgericht gehörten Zeugen keine Hinweise auf eine Änderung der bisherigen Bewertung, vielmehr seien die Lastgewichte und damit die Belastungen erheblich nach unten zu korrigieren.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 11.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und ihm hierfür die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 18.05.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, weil bei ihm eine Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nicht vorliege. Der Beklagte sei zutreffenderweise davon ausgegangen, dass es für die Berufskrankheit nach Nr.2108 bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen fehle. Dies habe der TAD des Beklagten - unter Rückgriff auf die Definition der Belastungsbegriffe in den Merkblättern für die ärztliche Untersuchung bei den Berufskrankheiten-Nrn.2108/2109 - zutreffend dargelegt. Die danach erforderliche Regelmäßigkeit und Häufigkeit des Hebens und Tragens pro Arbeitstag sei vom Kläger nicht erreicht worden, extreme Rumpfbeugehaltungen seien vom Kläger ebenfalls nicht durchgeführt worden. Dabei habe der TAD eigene Ermittlungen insbesondere zu den Schlauchgewichten durchgeführt und dabei die Angaben des G. bestätigt gefunden. An der Sach- und Beweislage habe auch die gerichtliche Beweisaufnahme nichts ändern können, wie der TAD des Beklagten in seiner Stellungnahme vom 20.02.2001 mit näherer Begründung überzeugend ausgeführt habe. Für das Gericht hätten deshalb keine Zweifel an der Richtigkeit der Auswertungen des TAD bestanden, es sei daher seinem Ergebnis gefolgt worden. Entsprechend diesen Feststellungen seien daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr.2108 nicht erfüllt. Da schon deshalb die gefährdende Tätigkeit habe verneint werden müssen, habe es keiner weiteren medizinischen Abklärung mehr bedurft.
Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung hält der Kläger sein Begehren auf Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 aufrecht: Der Begründung im klageabweisenden Urteil, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der vorgenannten Berufskrankheit nicht erfüllt seien, sei nicht zuzustimmen. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens, eingehender Angaben zur schädigenden Tätigkeit - Heben des Saugschlauchs, Entleeren von Mulden, Gruben und Bunkern, Tragen des Saugkorbes etc., Vorlage von Ablichtungen aus einschlägigen Veröffentlichungen, z.B. Mainz-Dortmunder Dosismodell, Gemeinsames Positions- und Forderungspapier der IG Metall und der IG Bau - macht er das Vorliegen einer Berufskrankheit geltend.
Demgegenüber wiederholt der Beklagte seine bisherige Auffassung, dass bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der vorgenannten Berufskrankheit nicht erfüllt seien. Hinzu komme, dass im Hinblick auf die multiplen Schädigungen der gesamten Wirbelsäule es fraglich sei, ob auch die medizinischen Voraussetzungen (Thema: Belastungskonformes Schadensbild) gegeben seien. Er hat deshalb vorab zur weiteren Aufklärung die Einholung eines medizinischen Gutachtens angeregt.
Dieser Anregung ist der Senat gefolgt und hat nach Beiziehung der einschlägigen medizinischen Unterlagen sowie der Schwerbehindertenakten und der Akten der LVA Oberbayern, ein von dem Orthopäden Dr.F. am 14.07.2002 erstattetes Gutachten eingeholt. Dieser Sachverständige kam darin zu der Auffassung, dass das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2108 schon unter medizinischen Gesichtspunkten zu verneinen sei. Die analytische Gesamtbetrachtung der medizinisch-rechtlichen Bedingungen ließe die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 nicht zu, wobei der völlig fehlende zeitliche Zusammenhang und der Befall der gesamten Wirbelsäule von Verschleißerscheinungen besonders hervorzuheben sei. Hinzu komme in der Beurteilung der generalisierte Kalksalzverlust der Wirbelsäule, der ebenfalls Zeichen einer abgelaufenen toxisch-nutritiven Schädigung sein dürfte (früher übermäßiger Alkoholkonsum, derzeit deutliche Zeichen eines metabolischen Syndroms in Form einer Fettstoffwechselstörung, Übergewicht u.a.).
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 18.05.2001 und des Bescheides vom 11.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1997 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akten des Beklagten, der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der zu Beweiszwecken beigezogenen Schwerbehindertenakten und Akten der LVA Oberbayern Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat - zumindest im Ergebnis - mit Recht die Klage abgewiesen. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO liegen nicht vor.
Dabei kann eine Entscheidung über die von den Beteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Bejahung einer Berufskrankheit im vorgenannten Sinne vorliegen, was vom Sozialgericht verneint wurde, im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil die für die Anerkennung weiter geforderten Voraussetzungen, hier im medizinischen Bereich, nicht erfüllt sind, so dass es auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht mehr entscheidungserheblich ankommt und insoweit auch keine weitere Aufklärung durch den Senat geboten war.
Dass die medizinischen Voraussetzungen im vorliegenden Fall für die Anerkennung der vorgenannten Berufskrankheit nicht erfüllt sind, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem von ihm eingeholten Gutachten des Dr.F ... Dieser hat darin eingehend und überzeugend auf mehrere Gesichtspunkte hingewiesen, die in der Gesamtschau der Annahme einer Berufskrankheit nach Nr.2108 entgegenstehen. Zum einen korreliert die Lokalisation der Veränderungen nicht mit der beruflichen Einwirkung. Insoweit verweist Dr.F. insbesondere auf die Einengungen an der Halswirbelsäule (HWS) in drei Bandscheibenabschnitten, also genau wie an der Lendenwirbelsäule (LWS); auch die Brustwirbelsäule (BWS) ist vor allem durch massiv überschießende Randspornbildungen und Längsbandverkalkungen gezeichnet. Solche mächtigen Randspornbildungen entstehen im Regelfall im Zusammenhang mit einem metabolischen Syndrom (frühere Alkoholkrankheit beim Kläger bekannt, derzeit sind Feststoffwechselstörungen feststellbar). Der Befall aller dreier Wirbelsäulenabschnitte von ausgeprägten degenerativen Veränderungen ist nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ein deutlicher Hinweis, dass die erforderliche Korrelation nicht hergestellt werden kann (vgl. auch Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S.537).
Auch der zeitliche Zusammenhang ist im vorliegenden Fall nicht gesichert. Zwar hat der Kläger angegeben, dass die ersten Rückenbeschwerden 1985 aufgetreten sind. Damit wäre zwar der zeitliche Zusammenhang gesichert, nachdem die Berufstätigkeit als Anlagenfahrer 1972 begonnen worden ist. Den Angaben des Klägers insofern steht jedoch entgegen, dass - wie sich aus dem Gutachten der LVA vom 18.04.1989 ergibt -, die ersten Wirbelsäulenbeschwerden auf das Jahr 1965 verlegt worden sind, also weit vor Beginn der Berufstätigkeit. Aus einem Heilverfahrens-Entlassungsbericht 1982 ergibt sich, dass die damals schon vorhandenen Rückenbeschwerden 1977 begonnen haben sollen. Insoweit ist also der zeitliche Zusammenhang nicht eindeutig gesichert.
Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten anlagebedingter, entzündlicher, statischer oder unfallbedingter Genese nicht ausgeschlossen werden können, auch dies steht im Fall des Klägers der Annahme der vorgenannten Berufskrankheit entgegen. Eine Fehlstatik der LWS resultiert aus dem steil gestellten Kreuzbein, welches zu vermehrten Scherbelastungen im letzten Segment führt. Beim Kläger ist wiederholt eine Adipositas beschrieben, welche sich zusätzlich ungünstig auf eine solche Kreuzbeinfehlstellung auswirkt. Bereits in allen drei Wirbelsäulenabschnitten liegen deutliche Veränderungen vor, was darauf hinweist, dass sich die Verschleißerscheinungen aus innerer Ursache entwickelt haben. Es ergeben sich deutliche Zeichen eines metabolischen Syndroms, zuletzt in Form einer Fettstoffwechselstörung. Es liegt also eine Reihe konkurrierender Verursachungsmöglichkeiten vor.
Damit kann nach allem nicht im Grad der Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei den beim Kläger im Bereich der LWS festgestellten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit um Folgen seiner früheren beruflichen Tätigkeit bei der GSB handelt. Eine Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO kann nach allem nicht anerkannt und dementsprechend entschädigt werden.
Die Berufung des Klägers konnte somit keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers als Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) und deren Entschädigung streitig.
Der am 1937 geborene Kläger war nach einer Zeit als Anlagenfahrer (1972 bis 1978) seit 16.07.1979 bis April 1992 als Saugwarenfahrer bei der G. in Bayern (G.) tätig. Anschließend bis zu seiner Verrentung übte er eine Betriebsratstätigkeit aus.
Wegen der beim Kläger festgestellten Arbeitsunfähigkeit hat die AOK mit Schreiben vom 21.12.1993 eine Anfrage an den Beklagten wegen einer Berufskrankheit gerichtet. Unter Berücksichtigung der Arbeitsplatzbeschreibung der G. vom Dezember 1994, der eigenen Nachforschungen zur Arbeitsplatzbelastung und unter Berücksichtigung der übrigen Aktenlage kam der Technische Aufsichtsdienst (TAD) des Beklagten zu dem Ergebnis, dass die beruflichen Voraussetzungen im Sinne des Merkblattes zur Berufskrankheit Nr.2108 hinsichtlich der Schwere gehobener Lasten in Verbindung mit der Häufigkeit der Hebevorgänge für den Kläger nicht gegeben seien. Dieser Auffassung stimmte der Staatliche Gewerbearzt Dr.M. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 17.07.1995 zu.
Mit Bescheid vom 11.10.1996 lehnte sodann der Beklagte eine Entschädigung der beim Kläger aufgetretenen Wirbelsäulenbeschwerden ab, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit nicht erfüllt seien.
Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass der TAD des Beklagten von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Unter Zugrundelegung ergänzender Angaben des G. vom 02.05.1997 über die Zahl der Saugvorgänge veranlasste der Beklagte eine erneute Stellungnahme des TAD, der in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.06.1997 die arbeitstechnischen Voraussetzungen weiterhin für nicht gegeben ansah. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.1997 hat sodann der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben und seine Tätigkeit bei der G. geschildert und deren Belastung ausführlich begründet. Mit Beschluss vom 07.12.1998 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet und nach Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) - B 2 U 12/98 - den Rechtsstreit fortgesetzt. Das Gericht hat sodann im Erörterungstermin am 30.01.2001 J. K. und K. V. als Zeugen einvernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.01.2001 Bezug genommen.
Der Beklagte legte eine Stellungnahme seines TAD vom 20.02.2001 zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 30.01.2001 vor. Danach ergäben sich aus den Aussagen der vom Sozialgericht gehörten Zeugen keine Hinweise auf eine Änderung der bisherigen Bewertung, vielmehr seien die Lastgewichte und damit die Belastungen erheblich nach unten zu korrigieren.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 11.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und ihm hierfür die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 18.05.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, weil bei ihm eine Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nicht vorliege. Der Beklagte sei zutreffenderweise davon ausgegangen, dass es für die Berufskrankheit nach Nr.2108 bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen fehle. Dies habe der TAD des Beklagten - unter Rückgriff auf die Definition der Belastungsbegriffe in den Merkblättern für die ärztliche Untersuchung bei den Berufskrankheiten-Nrn.2108/2109 - zutreffend dargelegt. Die danach erforderliche Regelmäßigkeit und Häufigkeit des Hebens und Tragens pro Arbeitstag sei vom Kläger nicht erreicht worden, extreme Rumpfbeugehaltungen seien vom Kläger ebenfalls nicht durchgeführt worden. Dabei habe der TAD eigene Ermittlungen insbesondere zu den Schlauchgewichten durchgeführt und dabei die Angaben des G. bestätigt gefunden. An der Sach- und Beweislage habe auch die gerichtliche Beweisaufnahme nichts ändern können, wie der TAD des Beklagten in seiner Stellungnahme vom 20.02.2001 mit näherer Begründung überzeugend ausgeführt habe. Für das Gericht hätten deshalb keine Zweifel an der Richtigkeit der Auswertungen des TAD bestanden, es sei daher seinem Ergebnis gefolgt worden. Entsprechend diesen Feststellungen seien daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr.2108 nicht erfüllt. Da schon deshalb die gefährdende Tätigkeit habe verneint werden müssen, habe es keiner weiteren medizinischen Abklärung mehr bedurft.
Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung hält der Kläger sein Begehren auf Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 aufrecht: Der Begründung im klageabweisenden Urteil, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der vorgenannten Berufskrankheit nicht erfüllt seien, sei nicht zuzustimmen. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens, eingehender Angaben zur schädigenden Tätigkeit - Heben des Saugschlauchs, Entleeren von Mulden, Gruben und Bunkern, Tragen des Saugkorbes etc., Vorlage von Ablichtungen aus einschlägigen Veröffentlichungen, z.B. Mainz-Dortmunder Dosismodell, Gemeinsames Positions- und Forderungspapier der IG Metall und der IG Bau - macht er das Vorliegen einer Berufskrankheit geltend.
Demgegenüber wiederholt der Beklagte seine bisherige Auffassung, dass bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der vorgenannten Berufskrankheit nicht erfüllt seien. Hinzu komme, dass im Hinblick auf die multiplen Schädigungen der gesamten Wirbelsäule es fraglich sei, ob auch die medizinischen Voraussetzungen (Thema: Belastungskonformes Schadensbild) gegeben seien. Er hat deshalb vorab zur weiteren Aufklärung die Einholung eines medizinischen Gutachtens angeregt.
Dieser Anregung ist der Senat gefolgt und hat nach Beiziehung der einschlägigen medizinischen Unterlagen sowie der Schwerbehindertenakten und der Akten der LVA Oberbayern, ein von dem Orthopäden Dr.F. am 14.07.2002 erstattetes Gutachten eingeholt. Dieser Sachverständige kam darin zu der Auffassung, dass das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2108 schon unter medizinischen Gesichtspunkten zu verneinen sei. Die analytische Gesamtbetrachtung der medizinisch-rechtlichen Bedingungen ließe die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 nicht zu, wobei der völlig fehlende zeitliche Zusammenhang und der Befall der gesamten Wirbelsäule von Verschleißerscheinungen besonders hervorzuheben sei. Hinzu komme in der Beurteilung der generalisierte Kalksalzverlust der Wirbelsäule, der ebenfalls Zeichen einer abgelaufenen toxisch-nutritiven Schädigung sein dürfte (früher übermäßiger Alkoholkonsum, derzeit deutliche Zeichen eines metabolischen Syndroms in Form einer Fettstoffwechselstörung, Übergewicht u.a.).
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 18.05.2001 und des Bescheides vom 11.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1997 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akten des Beklagten, der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der zu Beweiszwecken beigezogenen Schwerbehindertenakten und Akten der LVA Oberbayern Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat - zumindest im Ergebnis - mit Recht die Klage abgewiesen. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO liegen nicht vor.
Dabei kann eine Entscheidung über die von den Beteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Bejahung einer Berufskrankheit im vorgenannten Sinne vorliegen, was vom Sozialgericht verneint wurde, im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil die für die Anerkennung weiter geforderten Voraussetzungen, hier im medizinischen Bereich, nicht erfüllt sind, so dass es auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht mehr entscheidungserheblich ankommt und insoweit auch keine weitere Aufklärung durch den Senat geboten war.
Dass die medizinischen Voraussetzungen im vorliegenden Fall für die Anerkennung der vorgenannten Berufskrankheit nicht erfüllt sind, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem von ihm eingeholten Gutachten des Dr.F ... Dieser hat darin eingehend und überzeugend auf mehrere Gesichtspunkte hingewiesen, die in der Gesamtschau der Annahme einer Berufskrankheit nach Nr.2108 entgegenstehen. Zum einen korreliert die Lokalisation der Veränderungen nicht mit der beruflichen Einwirkung. Insoweit verweist Dr.F. insbesondere auf die Einengungen an der Halswirbelsäule (HWS) in drei Bandscheibenabschnitten, also genau wie an der Lendenwirbelsäule (LWS); auch die Brustwirbelsäule (BWS) ist vor allem durch massiv überschießende Randspornbildungen und Längsbandverkalkungen gezeichnet. Solche mächtigen Randspornbildungen entstehen im Regelfall im Zusammenhang mit einem metabolischen Syndrom (frühere Alkoholkrankheit beim Kläger bekannt, derzeit sind Feststoffwechselstörungen feststellbar). Der Befall aller dreier Wirbelsäulenabschnitte von ausgeprägten degenerativen Veränderungen ist nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ein deutlicher Hinweis, dass die erforderliche Korrelation nicht hergestellt werden kann (vgl. auch Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S.537).
Auch der zeitliche Zusammenhang ist im vorliegenden Fall nicht gesichert. Zwar hat der Kläger angegeben, dass die ersten Rückenbeschwerden 1985 aufgetreten sind. Damit wäre zwar der zeitliche Zusammenhang gesichert, nachdem die Berufstätigkeit als Anlagenfahrer 1972 begonnen worden ist. Den Angaben des Klägers insofern steht jedoch entgegen, dass - wie sich aus dem Gutachten der LVA vom 18.04.1989 ergibt -, die ersten Wirbelsäulenbeschwerden auf das Jahr 1965 verlegt worden sind, also weit vor Beginn der Berufstätigkeit. Aus einem Heilverfahrens-Entlassungsbericht 1982 ergibt sich, dass die damals schon vorhandenen Rückenbeschwerden 1977 begonnen haben sollen. Insoweit ist also der zeitliche Zusammenhang nicht eindeutig gesichert.
Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten anlagebedingter, entzündlicher, statischer oder unfallbedingter Genese nicht ausgeschlossen werden können, auch dies steht im Fall des Klägers der Annahme der vorgenannten Berufskrankheit entgegen. Eine Fehlstatik der LWS resultiert aus dem steil gestellten Kreuzbein, welches zu vermehrten Scherbelastungen im letzten Segment führt. Beim Kläger ist wiederholt eine Adipositas beschrieben, welche sich zusätzlich ungünstig auf eine solche Kreuzbeinfehlstellung auswirkt. Bereits in allen drei Wirbelsäulenabschnitten liegen deutliche Veränderungen vor, was darauf hinweist, dass sich die Verschleißerscheinungen aus innerer Ursache entwickelt haben. Es ergeben sich deutliche Zeichen eines metabolischen Syndroms, zuletzt in Form einer Fettstoffwechselstörung. Es liegt also eine Reihe konkurrierender Verursachungsmöglichkeiten vor.
Damit kann nach allem nicht im Grad der Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei den beim Kläger im Bereich der LWS festgestellten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit um Folgen seiner früheren beruflichen Tätigkeit bei der GSB handelt. Eine Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO kann nach allem nicht anerkannt und dementsprechend entschädigt werden.
Die Berufung des Klägers konnte somit keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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