L 17 U 319/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 4/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 319/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.06. 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.02.1992 sowie die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Der am 1943 geborene Kläger erlitt am 18.02.1992 einen Arbeitsunfall, als er mit dem Fahrrad zu seiner Arbeitsstelle innerhalb des Firmengeländes fuhr. Ein Gabelstapler kollidierte mit ihm, so dass er vom Rad stürzte und der Gabelstapler mit seinem Radgummireifen ihm über den rechten Fuß fuhr. Er erlitt eine metatarsale Fraktur der 5. Zehe des rechten Fußes (Durchgangsarztbericht des Dr.M. vom 18.02.1992). In der Zeit vom 18.02. bis 24.05.1992 war er arbeitsunfähig krank.

Nach Einholung eines Gutachtens des Chirurgen Dr.E. vom 18.05.1994 anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.1994 als Folgen des Arbeitsunfalles einen in nahezu achsengerechter Stellung knöchern fest verheilten Bruch des 5. Mittelfußknochens rechts bei unfallunabhängig vorhandener Hammerzehenbildung III bis V mit entsprechenden Bewegungseinschränkungen der Zehen beiderseits - ohne rentenberechtigende MdE. Nach ergebnislosen Widerspruchs - und Sozialgerichtsverfahren (Gutachten des Dr.S. vom 29.08.1995) holte der Senat im anschließenden Berufungsverfahren Gutachten des Chirurgen Dr.H. vom 15.11.1996/19.08.1997 und des Orthopäden Dr.B. vom 05.06.1997/27.10.1997 ein.

Die Beklagte erklärte sich im Vergleich vor dem Bayer. Landessozialgericht am 29.10.1997 bereit, ab Sommer 1997 die Folgen des Unfalles vom 18.02.1992 zu überprüfen, da sich eine Verschlechterung der Funktion des rechten Beines mit möglichen Auswirkungen auf die rechte Hüfte nicht ausschließen lasse.

Die Beklagte zog die Unterlagen über den Arbeitsunfall des Klägers vom 17.12.1991 (Prellung der linken Schulter) zum Verfahren bei. Anschließend bestätigte Dr.E. in dem Gutachten vom 02.07.1998 einen Zustand nach Mittelfußknochen-V-Fraktur rechts, ohne Folgen des Unfalls objektivieren zu können. Eine MdE rentenberechtigenden Grades stellte er nicht fest. Mit Bescheid vom 11.08.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da Unfallfolgen nicht mehr feststellbar seien (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998). Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, weitere Unfallfolgen am rechten Fuß und der Hüfte anzuerkennen und mit einer MdE von 100 vH zu bewerten. Das SG hat ein Attest des Dr.B. vom 02.11.1999 und Gutachten der Orthopäden Dr.S. vom 04.10.1999 von Amts wegen und Dr.P. vom 25.04.2000 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Dr.S. hat die Unfallfolgen aufgrund des in leichter Achsenabweichung knöchern fest verheilten Bruches des 5. Mittelfußknochens rechts mit einer MdE von unter 10 vH bewertet. Dr.P. hat auf eine in leichter Fehlstellung verheilte Mittelfußschrägfraktur V ohne wesentliche Fehlstatik hingewiesen. Es liege keine unfallbedingte wesentliche Funktionsbeeinträchtigung vor. Die Hüftgelenksbeschwerden seien nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Die MdE sei mit unter 10 vH zu bewerten. Mit Urteil vom 27.06.2000 hat das SG Nürnberg die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen auf die Ausführungen der Orthopäden Dr.S. und Dr.P. sowie des Chirurgen Dr.E. bezogen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, die unfallbedingten Funktionsstörungen seien allein hinsichtlich des rechten Beines mit einer MdE von 20 bis 40 vH zu bewerten. Die Funktionsbehinderungen des rechten Hüftgelenkes und rechten Fußes seien eindeutig Ursache des Arbeitsunfalles vom 18.02.1992. Es werde daher ein Obergutachten, insbesondere ein Gutachten nach § 109 SGG angeregt. Hierzu hat der Kläger ärztliche Atteste des Dr.B. vom 16.05.2000 sowie des Orthopäden Dr.H. vom 18.07.2000 vorgelegt. Der Senat hat Befundberichte des Dr.H. vom 08.03.2001 und des Allgemeinarztes Dr.V. vom 23.04.2001, die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Nürnberg, sowie die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen zum Verfahren beigezogen. Sodann hat der Orthopäde Dr.W. ein Gutachten am 09.04.2002 erstellt. Dieser wies auf den in geringgradiger Fehlstellung verheilten Schaftbruch des 5. Mittelfußknochens rechts hin. An der rechten Hüfte habe er keinen wesentlichen krankhaften Befund erkennen können. Die MdE sei mit unter 10 vH zu bewerten. Der Kläger hat bemerkt, es seien unzutreffende Feststellungen getroffen worden. Zudem sei der 5. Mittelfußknochen in markanter Fehlstellung verheilt, wie einem Nachschaubericht des Dr.K. vom 08.02.1995 zu entnehmen sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 27.06.2000 und unter Abänderung des Bescheides vom 11.08.1998 idF des Widerspruchsbescheides vom 16.12.1998 zu verurteilen, bei ihm Funktionseinschränkungen am rechten Fuß und an der rechten Hüfte als Unfallfolgen anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 40 vH zu gewähren, hilfsweise ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 27.06.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichts- und Archivakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalles vom 18.02.1992 sowie auf Gewährung einer Verletztenrente (§§ 539 Abs 1 Nr 1, 548 Abs 1, 581 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung ).

Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten war (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Arbeitsunfalles um wenigstens 20 vH gemindert ist. Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles anerkannt werden kann, ist, dass zwischen der unfallbringenden versicherten Tätigkeit und dem Unfall sowie dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein ursächlicher Zusammenhang liegt nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsbegriff nur dann vor, wenn das Ereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 1, 72, 76; 12, 242, 247; 38, 127, 129; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4.Aufl, Anm 3, 3.4 zu § 548 RVO).

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Angaben zum Unfallhergang und in Würdigung der Ausführungen der Sachverständigen Dr.W. , Dr.P. , Dr.H. und weitgehend Dr.S. , Dr.E. und Dr.S. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen des Arbeitsunfalles vom 18.02.1992 nicht in rentenberechtigendem Grade gemindert ist. Durch den Arbeitsunfall liegt jetzt ein in geringgradiger Fehlstellung verheilter Schaftbruch des fünften Mittelfußknochens rechts vor. Der Bruch ist lediglich als geringgradig anzusehen. Bereits die adäquate, ambulante konservative Behandlung mit Gipsruhigstellung für ca 5 Wochen nach dem Unfall führte - so die Röntgenaufnahmen - zu einem zunehmenden knöchernen Durchbau des Knochenbruchs, so dass am 25.05.1992 wieder Arbeitsfähigkeit bestand. Zwar lag noch ein teilweise nachweisbarer Frakturspalt vor, doch der verletzte rechte Mittelfuß konnte wieder voll belastet werden. Ab diesem Zeitpunkt bestand keine wesentliche Funktionseinschränkung mehr.

Zwischen den objektivierbaren klinischen und röntgenologischen Befunden und dem vom Kläger angegebenen, ausgeprägten subjektiven Schmerzen besteht eine erhebliche Diskrepanz. Dennoch kann eine Schonung des rechten Beines nicht objektiviert werden, da entsprechende Zeichen fehlen. Röntgenologisch findet sich weder eine Kalksalzminderung des rechten Fußskeletts noch eine verminderte Beschwielung noch verminderte Ablaufspuren am rechten Schuh. Auch eine Muskelminderung am rechten Bein ist nicht feststellbar.

Die Beschwerden an der rechten Hüfte können weder klinisch noch röntgenologisch nachgewiesen werden. Es besteht freie Beweglichkeit. Altersentsprechend liegt ein normaler Hüftgelenks- und Beckenbefund rechts vor. Die arterielle venöse Störung an beiden Beinen sowie die knöcherne Veränderung am rechten Großzehengrundgelenk sind eindeutig unfallunabhängig.

Da der Bruch des fünften Mittelfußknochens nur in minimaler Fehlstellung ohne Beeinträchtigung der Fußstatik ausheilte, ist von einer MdE unter 10 vH auszugehen. Mehrfache Mittelfußbrüche einseitig - in guter Funktion verheilt - werden nämlich nach den Unfallrichtlinien nur mit 0 vH bewertet (Mehrhoff/Muhr, S 154; Schönberger/Mehrtens/Valentin, 5.Auflage, S 629), da sich eine wesentliche, objektivierbare Funktionsstörung am rechten Fuß nicht feststellen ließ. Nicht folgen kann der Senat den Ausführungen des Dr.B. im Gutachten vom 05.06./27.10.1997. Es liegt keine deutliche nach fußsohlenwärts gerichtete Fehlstellung vor, auch keine statisch veränderte Fehlbelastung durch die veränderte Druckaufnahme. Die Subluxation des Grundgliedes der fünften Zehe rechts ist symmetrisch links, sowie an den übrigen Zehen zwei bis vier nachweisbar und durch die unfallunabhängige Krallenfehlbildung der Hohl-Spreizfüße bedingt. Auch können unfallunabhängige Verschleißerscheinungen zwischen dem ersten Mittelfußknochen und dem Fußwurzelgelenk rechts röntgenologisch festgestellt werden. Zudem entspricht die von Dr.B. festgesetzte unfallbedingte MdE von 20 vH nicht den Richtlinien der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie entspräche der völligen Versteifung des oberen bzw unteren Sprunggelenks oder der Versteifung aller Zehen mit einseitiger Krallenfehlstellung. Der Kläger ist demgegenüber erheblich besser gestellt. Störend wirkt auch, dass der Gutachter detaillierte Befunde, wie zB Umfangsmaße oder einzelne Winkelmaße nicht erhoben hat. Der Nachschaubericht des Dr.K. vom 08.02.1995 führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Zwar schreibt er, dass röntgenologisch ein in starker Fehlstellung verheilter Bruch des fünften Mittelfußknochens vorliegt. Diese Feststellung wird aber bereits in seinem Befundbericht vom 06.06.1995 relativiert, indem er nur von "in Fehlstellung verheilt" schreibt. Die Fehlstellung selbst wird von den anderen Gutachtern nicht bestritten. Sie kommen aber - wie zuletzt Dr.W. - lediglich zu einer "minimalen Fehlstellung". Der Bruch des fünften Mittelfußknochens ist unter minimaler Verschiebung des ehemaligen körperfernen Bruchstückes, parallel zur Längsachse minimal um 2 mm nach innen verschoben, knöchern konsilidiert. Eine ungünstige Auswirkung dieser minimalen Fehlstellung auf die Statik des Vorfußes und damit auf die Funktion wird dadurch nicht verursacht. Die Einholung weiterer Gutachten nach § 109 SGG ist nicht erforderlich, da Dr.P. auf Veranlassung des Klägers bereits gehört wurde und sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben haben.

Der Kläger hat demnach keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Das Urteil des SG Würzburg ist nicht zu beanstanden. Die Berufung muss erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved