Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 1086/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 354/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 201/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.06.2001 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin vom 28.09.2000 bis 02.01.2001 Arbeitslosenhilfe ohne Berücksichtigung von Vermögen zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berücksichtigung von Aktienvermögen bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Die am 1956 geborene Klägerin war vom 01.05.1985 bis 30.09.1997 bei der Firma S. ens als Bestückerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mittels Aufhebungsvertrags. Die Klägerin erhielt eine Abfindung in Höhe von 57.000,00 DM; sie hat Anspruch auf betriebliche Altersversorgung. Vom 01.10.1997 bis 30.03.1999 bezog die Klägerin Krankengeld, dann bis 26.09.2000 Arbeitslosengeld (Alg). Anschließend beantragte sie Alhi. Sie gab an, ein Kautionssparbuch über 2.596,98 DM, ein Bausparguthaben über 2.464,78 DM sowie 90 S. Namensaktien mit einem Kurswert (04.09.2000) von 16.492,50 EUR zu besitzen.
Mit Bescheid vom 13.09.2000 lehnte die Beklagte den Alhi-Antrag ab, weil die Klägerin über Vermögen in Höhe von 32.256,52 DM verfüge, das nach Abzug eines Freibetrags von 18.000,00 DM bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Sie sei daher für 14 Wochen (bis zum 02.01.2001) nicht bedürftig (14.256,52 DM: 1.010,00 DM wöchentliches Arbeitsentgelt).
Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, das Vermögen diene der Alterssicherung. Sie werde auf Grund ihrer gesundheitlichen Situation wohl keine Arbeit mehr finden und vermutlich vorzeitig Rente wegen Arbeitslosigkeit erhalten. Auch ihre gesetzliche Altersrente werde nicht für eine entsprechende Alterssicherung ausreichen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es könne bei objektiver Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin das vorhandene Vermögen ausschließlich zu ihrer Alterssicherung verwenden werde.
Zum 03.01.2001 beantragte die Klägerin wiederum Alhi, was die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2001 unter erneuter Berücksichtigung des Aktienvermögens für 49 Tage (7 Wochen) ablehnte (25.840,43 DM abzüglich 18.000,00 DM Freibetrag: 1.110,00 DM). Über den Widerspruch gegen diesen Bescheid entschied die Beklagte nicht. Die Klägerin unterzog sich ab 17.01.2001 einer Heilbehandlung (Kur). Ab 21.03.2001 bezog sie von der Beklagten laufend Alhi (Bescheid vom 26.02.2001).
Gegen den Bescheid vom 13.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 und den Bescheid vom 08.02.2001 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung der genannten Bescheide zu verurteilen, ab 28.09.2000 Alhi ohne Anrechnung von Vermögen zu gewähren. Mit Urteil vom 20.06.2001 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf Grund Zweckbestimmung und objektiver Begleitumstände bestünden keine Bedenken, von einer stufenweisen ergänzenden Alterssicherung auszugehen. Eine bestimmte Anlageform sei hierfür nicht Voraussetzung. Aktien könnten nicht pauschal als Altersvorsorge ausscheiden. Es bleibe dem Vermögensinhaber überlassen, hinsichtlich einer langfristigen Anlage Risiken einzugehen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Abzustellen sei vorliegend auf § 6 Abs 4 Nr 1 Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV) in der ab 29.06.1999 gültigen Fassung. Die danach erforderliche objektive Vermögensdisposition liege nicht vor. Je weiter der Rentenbeginn entfernt liege, desto mehr müsse in der Anlageform die Zweckbestimmung zum Ausdruck kommen. Aktien seien wegen ihres spekulativen Charakters grundsätzlich nicht als privilegierte Anlageform anzuerkennen. Zweifelhaft sei auch die subjektive Zweckbestimmung. Aussagen über den weiteren Berufsweg der bei Antragstellung erst 43-jährigen Klägerin könnten nicht gemacht werden. Auch könne die Privilegierung des Vermögens nur ab dem Eintritt in den Ruhestand in Betracht kommen und nicht für Zeiten etwaiger Erwerbsunfähigkeit. Zum 27.09.2000 habe die Klägerin nach Abzug des Freibetrages gemäß § 6 Abs 1 AlhiV (8.000,00 DM) - ein Freibetrag nach § 7 Abs 1 AlhiV (Abfindung) sei nicht einzuräumen, da die Belegschaftsaktien noch während der Beschäftigung erworben wurden - über ein verwertbares Vermögen von 24.256,53 DM verfügt, so dass Bedürftigkeit für 24 Wochen (bis 13.03.2002) nicht vorgelegen habe (24.256,53 DM: 1.010,00 DM). Somit habe die Klägerin auch ab 03.01.2001 (Folgeantrag) keinen Alhi-Anspruch. Eine Doppelberücksichtigung von Vermögen ab diesem Zeitpunkt liege damit nicht vor.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.06.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Belegschaftsaktien, die sie zu einem äußerst niedrigen Kurs habe erwerben können und die eine sehr gute Vermögensanlage darstellten, hätten von ihr zunächst nicht frei verkauft werden dürfen. Die Aktien dienten der Alterssicherung der S.-Beschäftigten. So habe ein Großteil der Beschäftigten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Im Übrigen sei sie schwer krank und erwerbsunfähig (Berufungsrücknahme der Klägerin, Az: L 20 RJ 332/02). Nach der Rechtsprechung des BSG sei ohnehin ein höherer Freibetrag zu gewähren und zwar 1.000,00 DM pro Lebensjahr. Die Änderung der AlhiV habe der BSG-Rechtsprechung insoweit Rechnung getragen.
Der Senat hat die Klägerin durch seinen Berichterstatter ergänzend gehört. Sie hat angegeben, die Belegschaftsaktien 1986 erworben und hierfür einen Kaufpreis von 2.105,00 DM bezahlt zu haben. Der Kurswert habe im September 2000 16.492,50 EUR (= 32.256,53 DM) betragen. Hieraus und aus der bis Dezember 2002/April 2003 unterbliebenen Veräußerung der Aktien sei auf die Alterssicherung als Zweckbestimmung zu schließen. Der Verkauf der Aktien sei wegen aktueller Geldnot auf Grund der seit 01.10.1997 bestehenden Arbeitslosigkeit erforderlich geworden (Schuldentilgung, Entrichtung von Versicherungsprämien). Von September 2000 bis Februar 2001 habe sie keinerlei Einkünfte erzielt. Ein Anlagekonzept, das zielgerichtet zur Deckung einer Versorgungslücke im Alter konzipiert gewesen wäre, sei nicht erstellt worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und zum Teil begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zur Leistung von Alhi bereits ab Antragstellung verurteilt, denn der Klägerin war die Verwertung des Aktienvermögens zumutbar.
Bedürftig im Sinne von § 193 Abs 1 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) in der ab 01.01.1998 bis 31.07.2001 gültigen Fassung ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist nach § 193 Abs 2 SGB III ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisiert die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erlassene und gemäß Artikel 81 AFRG unter der Geltung des SGB III fortgeltende AlhiV vom 07.08.1974.
Nach § 6 Abs 1 AlhiV in der Fassung vom 18.06.1999, gültig ab 29.06.1999 bis 31.07.2001, ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM übersteigt. Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (Abs 2). Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (Abs 3 Satz 1). Nicht zumutbar ist insbesondere die Verwertung von Vermögen, das zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist (§ 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV). Die erste Alternative (angemessene Lebensgrundlage) dürfte vorliegend ausscheiden, da die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi weder berufs- noch erwerbsunfähig war (vgl § 10 AlhiV). Von ihr wird ein solcher Verwendungszweck des Vermögens auch nicht geltend gemacht.
Zur Alterssicherung war das Aktienvermögen ebenfalls nicht bestimmt.
Hierzu regelt § 6 Abs 4 Nr 1 AlhiV (eingefügt durch Art 1 VO vom 18.06.1999 - BGBl I S.1433 - mWv 29.06.1999), dass Vermögen dann zur Alterssicherung bestimmt ist, wenn der Arbeitslose dieses nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verwenden will und er eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat. Damit hat sich mit Wirkung vom 29.06.1999 die Rechtslage geändert. Es wird hierdurch die Glaubhaftmachtung der entsprechenden Zweckbestimmung gegenüber dem vorherigen, durch die Rechtsprechung des BSG geprägten Rechtszustands insofern verschärft, als nunmehr ohne eine spezifische, auf eine erst spätere Vermögensnutzung zielende Vermögensdisposition noch so plausible Gründe nicht mehr ausreichen. Erforderlich ist eine Vermögensdisposition, die es - wie zB die Festlegung einer Kapitalanlage für eine bestimmte Dauer - zumindest erschwert, vor dem für die Alterssicherung relevanten Zeitpunkt auf das Vermögen zuzugreifen (so bereits BSG Urteil vom 22.10.1998 NZS 1999, 199). Ferner ist nunmehr erforderlich, dass das Vermögen und seine Erträge erst nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben genutzt und/oder verbraucht werden sollen (Ebsen in Gagel, SGB III, § 193 RdNr 180 a).
Vorliegend hat die Klägerin die subjektive Zweckbestimmung "Alterssicherung" lediglich behauptet. Die objektiven Begleitumstände stehen mit dieser Zweckbestimmung jedoch nicht im Einklang (BSGE 84, 48, 52), da diese nicht anhand objektiver Kriterien - zB der Vertragsgestaltung bei der Vermögensanlage, dem Alter der Versicherten, ihrer Familienverhältnisse (LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 24.08.1999 - L 1 Ar 167/98 - = E-LSG AL 192) - nachvollziehbar sind (BSG NZS 1999, 199; BSG SozR 3-4100 § 137 AFG Nr 9). So hat die Klägerin die Frage des Senats nach einem entsprechenden Anlagekonzept ausdrücklich verneint. Eine Anlage im genannten Sinne fand nicht statt, insbesondere keine zielgerichtete Anlageberatung zur Deckung einer Versorgungslücke im Alter. Zwar trifft es zu, dass sich eine Investition in Aktien in der Regel erst bei einer langfristigen Anlage lohnt (die Klägerin hat ihre Aktien von 1986 bis 2001 gehalten), trotzdem kann auf ein Anlagekonzept, nach dem das Vermögen und seine Erträge erst nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben genutzt werden sollen, nicht verzichtet werden. Der eingetretene beachtliche Kursgewinn konnte das fehlende Anlagekonzept nicht ersetzen.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin bereits ab Antragstellung Alhi ohne Berücksichtigung von Vermögen zu gewähren.
Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen, denn die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten im Bescheid vom 08.02.2001 bereits ab 03.01.2001 Anspruch auf Alhi. Zwar ist die Frage der Berücksichtigung des Aktienvermögens rechtlich nicht anders zu beurteilen. Nach Ablauf des nach § 9 AlhiV 1974 errechneten Zeitraumes besteht jedoch ein Anspruch auf Alhi grundsätzlich auch dann, wenn noch Vermögen vorhanden ist. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts kann die Klägerin nämlich nur ein Mal auf das gleiche Vermögen verwiesen werden (BSG Urteil vom 09.08.2001 - B 11 AL 11/01 R; Brandts in Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 206 RdNr 24). In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, eine nochmalige Berücksichtigung des Aktienvermögens liege schon deshalb nicht vor, weil bei zutreffender Berechnung des Freibetrages (Bescheid vom 13.09.2000) Bedürftigkeit ohnehin bis 13.03.2001 hätte verneint werden müssen.
Es kann nämlich dahinstehen, ob die Beklagte den Freibetrag mit 18.000,00 DM richtig angenommen hat, denn bezüglich des Bescheides vom 13.09.2000 hat die Berufung der Beklagten - allerdings aus anderen Gründen - ohnehin Erfolg. Hinsichtlich des Bescheides vom 08.02.2001 aber ist maßgeblich, dass die Beklagte damit über einen späteren Alhi-Antrag der Klägerin (03.01.2001) entschieden hat, nachdem dasselbe Aktienvermögen schon einmal berücksichtigt worden war. Dies war jedoch unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berücksichtigung von Aktienvermögen bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Die am 1956 geborene Klägerin war vom 01.05.1985 bis 30.09.1997 bei der Firma S. ens als Bestückerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mittels Aufhebungsvertrags. Die Klägerin erhielt eine Abfindung in Höhe von 57.000,00 DM; sie hat Anspruch auf betriebliche Altersversorgung. Vom 01.10.1997 bis 30.03.1999 bezog die Klägerin Krankengeld, dann bis 26.09.2000 Arbeitslosengeld (Alg). Anschließend beantragte sie Alhi. Sie gab an, ein Kautionssparbuch über 2.596,98 DM, ein Bausparguthaben über 2.464,78 DM sowie 90 S. Namensaktien mit einem Kurswert (04.09.2000) von 16.492,50 EUR zu besitzen.
Mit Bescheid vom 13.09.2000 lehnte die Beklagte den Alhi-Antrag ab, weil die Klägerin über Vermögen in Höhe von 32.256,52 DM verfüge, das nach Abzug eines Freibetrags von 18.000,00 DM bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Sie sei daher für 14 Wochen (bis zum 02.01.2001) nicht bedürftig (14.256,52 DM: 1.010,00 DM wöchentliches Arbeitsentgelt).
Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, das Vermögen diene der Alterssicherung. Sie werde auf Grund ihrer gesundheitlichen Situation wohl keine Arbeit mehr finden und vermutlich vorzeitig Rente wegen Arbeitslosigkeit erhalten. Auch ihre gesetzliche Altersrente werde nicht für eine entsprechende Alterssicherung ausreichen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es könne bei objektiver Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin das vorhandene Vermögen ausschließlich zu ihrer Alterssicherung verwenden werde.
Zum 03.01.2001 beantragte die Klägerin wiederum Alhi, was die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2001 unter erneuter Berücksichtigung des Aktienvermögens für 49 Tage (7 Wochen) ablehnte (25.840,43 DM abzüglich 18.000,00 DM Freibetrag: 1.110,00 DM). Über den Widerspruch gegen diesen Bescheid entschied die Beklagte nicht. Die Klägerin unterzog sich ab 17.01.2001 einer Heilbehandlung (Kur). Ab 21.03.2001 bezog sie von der Beklagten laufend Alhi (Bescheid vom 26.02.2001).
Gegen den Bescheid vom 13.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 und den Bescheid vom 08.02.2001 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung der genannten Bescheide zu verurteilen, ab 28.09.2000 Alhi ohne Anrechnung von Vermögen zu gewähren. Mit Urteil vom 20.06.2001 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf Grund Zweckbestimmung und objektiver Begleitumstände bestünden keine Bedenken, von einer stufenweisen ergänzenden Alterssicherung auszugehen. Eine bestimmte Anlageform sei hierfür nicht Voraussetzung. Aktien könnten nicht pauschal als Altersvorsorge ausscheiden. Es bleibe dem Vermögensinhaber überlassen, hinsichtlich einer langfristigen Anlage Risiken einzugehen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Abzustellen sei vorliegend auf § 6 Abs 4 Nr 1 Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV) in der ab 29.06.1999 gültigen Fassung. Die danach erforderliche objektive Vermögensdisposition liege nicht vor. Je weiter der Rentenbeginn entfernt liege, desto mehr müsse in der Anlageform die Zweckbestimmung zum Ausdruck kommen. Aktien seien wegen ihres spekulativen Charakters grundsätzlich nicht als privilegierte Anlageform anzuerkennen. Zweifelhaft sei auch die subjektive Zweckbestimmung. Aussagen über den weiteren Berufsweg der bei Antragstellung erst 43-jährigen Klägerin könnten nicht gemacht werden. Auch könne die Privilegierung des Vermögens nur ab dem Eintritt in den Ruhestand in Betracht kommen und nicht für Zeiten etwaiger Erwerbsunfähigkeit. Zum 27.09.2000 habe die Klägerin nach Abzug des Freibetrages gemäß § 6 Abs 1 AlhiV (8.000,00 DM) - ein Freibetrag nach § 7 Abs 1 AlhiV (Abfindung) sei nicht einzuräumen, da die Belegschaftsaktien noch während der Beschäftigung erworben wurden - über ein verwertbares Vermögen von 24.256,53 DM verfügt, so dass Bedürftigkeit für 24 Wochen (bis 13.03.2002) nicht vorgelegen habe (24.256,53 DM: 1.010,00 DM). Somit habe die Klägerin auch ab 03.01.2001 (Folgeantrag) keinen Alhi-Anspruch. Eine Doppelberücksichtigung von Vermögen ab diesem Zeitpunkt liege damit nicht vor.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.06.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Belegschaftsaktien, die sie zu einem äußerst niedrigen Kurs habe erwerben können und die eine sehr gute Vermögensanlage darstellten, hätten von ihr zunächst nicht frei verkauft werden dürfen. Die Aktien dienten der Alterssicherung der S.-Beschäftigten. So habe ein Großteil der Beschäftigten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Im Übrigen sei sie schwer krank und erwerbsunfähig (Berufungsrücknahme der Klägerin, Az: L 20 RJ 332/02). Nach der Rechtsprechung des BSG sei ohnehin ein höherer Freibetrag zu gewähren und zwar 1.000,00 DM pro Lebensjahr. Die Änderung der AlhiV habe der BSG-Rechtsprechung insoweit Rechnung getragen.
Der Senat hat die Klägerin durch seinen Berichterstatter ergänzend gehört. Sie hat angegeben, die Belegschaftsaktien 1986 erworben und hierfür einen Kaufpreis von 2.105,00 DM bezahlt zu haben. Der Kurswert habe im September 2000 16.492,50 EUR (= 32.256,53 DM) betragen. Hieraus und aus der bis Dezember 2002/April 2003 unterbliebenen Veräußerung der Aktien sei auf die Alterssicherung als Zweckbestimmung zu schließen. Der Verkauf der Aktien sei wegen aktueller Geldnot auf Grund der seit 01.10.1997 bestehenden Arbeitslosigkeit erforderlich geworden (Schuldentilgung, Entrichtung von Versicherungsprämien). Von September 2000 bis Februar 2001 habe sie keinerlei Einkünfte erzielt. Ein Anlagekonzept, das zielgerichtet zur Deckung einer Versorgungslücke im Alter konzipiert gewesen wäre, sei nicht erstellt worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und zum Teil begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zur Leistung von Alhi bereits ab Antragstellung verurteilt, denn der Klägerin war die Verwertung des Aktienvermögens zumutbar.
Bedürftig im Sinne von § 193 Abs 1 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) in der ab 01.01.1998 bis 31.07.2001 gültigen Fassung ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist nach § 193 Abs 2 SGB III ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisiert die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erlassene und gemäß Artikel 81 AFRG unter der Geltung des SGB III fortgeltende AlhiV vom 07.08.1974.
Nach § 6 Abs 1 AlhiV in der Fassung vom 18.06.1999, gültig ab 29.06.1999 bis 31.07.2001, ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM übersteigt. Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (Abs 2). Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (Abs 3 Satz 1). Nicht zumutbar ist insbesondere die Verwertung von Vermögen, das zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist (§ 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiV). Die erste Alternative (angemessene Lebensgrundlage) dürfte vorliegend ausscheiden, da die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi weder berufs- noch erwerbsunfähig war (vgl § 10 AlhiV). Von ihr wird ein solcher Verwendungszweck des Vermögens auch nicht geltend gemacht.
Zur Alterssicherung war das Aktienvermögen ebenfalls nicht bestimmt.
Hierzu regelt § 6 Abs 4 Nr 1 AlhiV (eingefügt durch Art 1 VO vom 18.06.1999 - BGBl I S.1433 - mWv 29.06.1999), dass Vermögen dann zur Alterssicherung bestimmt ist, wenn der Arbeitslose dieses nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verwenden will und er eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat. Damit hat sich mit Wirkung vom 29.06.1999 die Rechtslage geändert. Es wird hierdurch die Glaubhaftmachtung der entsprechenden Zweckbestimmung gegenüber dem vorherigen, durch die Rechtsprechung des BSG geprägten Rechtszustands insofern verschärft, als nunmehr ohne eine spezifische, auf eine erst spätere Vermögensnutzung zielende Vermögensdisposition noch so plausible Gründe nicht mehr ausreichen. Erforderlich ist eine Vermögensdisposition, die es - wie zB die Festlegung einer Kapitalanlage für eine bestimmte Dauer - zumindest erschwert, vor dem für die Alterssicherung relevanten Zeitpunkt auf das Vermögen zuzugreifen (so bereits BSG Urteil vom 22.10.1998 NZS 1999, 199). Ferner ist nunmehr erforderlich, dass das Vermögen und seine Erträge erst nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben genutzt und/oder verbraucht werden sollen (Ebsen in Gagel, SGB III, § 193 RdNr 180 a).
Vorliegend hat die Klägerin die subjektive Zweckbestimmung "Alterssicherung" lediglich behauptet. Die objektiven Begleitumstände stehen mit dieser Zweckbestimmung jedoch nicht im Einklang (BSGE 84, 48, 52), da diese nicht anhand objektiver Kriterien - zB der Vertragsgestaltung bei der Vermögensanlage, dem Alter der Versicherten, ihrer Familienverhältnisse (LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 24.08.1999 - L 1 Ar 167/98 - = E-LSG AL 192) - nachvollziehbar sind (BSG NZS 1999, 199; BSG SozR 3-4100 § 137 AFG Nr 9). So hat die Klägerin die Frage des Senats nach einem entsprechenden Anlagekonzept ausdrücklich verneint. Eine Anlage im genannten Sinne fand nicht statt, insbesondere keine zielgerichtete Anlageberatung zur Deckung einer Versorgungslücke im Alter. Zwar trifft es zu, dass sich eine Investition in Aktien in der Regel erst bei einer langfristigen Anlage lohnt (die Klägerin hat ihre Aktien von 1986 bis 2001 gehalten), trotzdem kann auf ein Anlagekonzept, nach dem das Vermögen und seine Erträge erst nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben genutzt werden sollen, nicht verzichtet werden. Der eingetretene beachtliche Kursgewinn konnte das fehlende Anlagekonzept nicht ersetzen.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin bereits ab Antragstellung Alhi ohne Berücksichtigung von Vermögen zu gewähren.
Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen, denn die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten im Bescheid vom 08.02.2001 bereits ab 03.01.2001 Anspruch auf Alhi. Zwar ist die Frage der Berücksichtigung des Aktienvermögens rechtlich nicht anders zu beurteilen. Nach Ablauf des nach § 9 AlhiV 1974 errechneten Zeitraumes besteht jedoch ein Anspruch auf Alhi grundsätzlich auch dann, wenn noch Vermögen vorhanden ist. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts kann die Klägerin nämlich nur ein Mal auf das gleiche Vermögen verwiesen werden (BSG Urteil vom 09.08.2001 - B 11 AL 11/01 R; Brandts in Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 206 RdNr 24). In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, eine nochmalige Berücksichtigung des Aktienvermögens liege schon deshalb nicht vor, weil bei zutreffender Berechnung des Freibetrages (Bescheid vom 13.09.2000) Bedürftigkeit ohnehin bis 13.03.2001 hätte verneint werden müssen.
Es kann nämlich dahinstehen, ob die Beklagte den Freibetrag mit 18.000,00 DM richtig angenommen hat, denn bezüglich des Bescheides vom 13.09.2000 hat die Berufung der Beklagten - allerdings aus anderen Gründen - ohnehin Erfolg. Hinsichtlich des Bescheides vom 08.02.2001 aber ist maßgeblich, dass die Beklagte damit über einen späteren Alhi-Antrag der Klägerin (03.01.2001) entschieden hat, nachdem dasselbe Aktienvermögen schon einmal berücksichtigt worden war. Dies war jedoch unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
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