L 12 KA 178/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 22 KA 3304/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 178/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 114/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Juli 2001 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 1999 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 23. November 1999 abgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um eine Genehmigung zur Ausfüh- rung und Abrechnung ambulanter Operationen nach den Nrn.2860 bis 2862 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM).

Der Kläger, ein Allgemeinarzt mit der Zusatzbezeichnung Phlebo- logie, wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Mit- telfranken vom 7. August 1996 gemäß Abschnitt 5 Nr.24 Buchst. b der Bedarfplanungsrichtlinien als Allgemeinarzt in V. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Zulassung erfolgte mit der Maßgabe, dass für den Kläger nur die ärztlichen Leistungen, die im Zusammenhang mit der Phlebologie stehen, für eine Übergangszeit von fünf Jahren abrechungsfähig seien. Der Kläger nehme ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Kläger übte seine vertragsärztliche Tätigkeit in Ge- meinschaftspraxis mit dem Allgemeinarzt und Phlebologen Dr. S. und dem praktischen Arzt V. H. aus.

Mit Formblatt vom 19. März 1998 beantragte der Kläger die Ge- nehmigung zur Ausführung und Abrechnung ambulanter Operationen nach der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren (Qualitätssicherungsvereinbarung) gemäß § 14 des Vertrages nach § 115 b Abs.1 SGB V. Der Antrag bezog sich nur auf phlebologische Operationen, insbesondere nach EBM-Nrn.2105, 2106, 2860 und 2862.

Nach umfangreichem Schriftverkehr lehnte die Beklagte mit Be- scheid vom 20. Januar 1999 den Antrag ab. Allgemeinärzte könnten nach der Qualitätssicherungsvereinbarung ambulante Operationen durchführen, sofern und soweit sie zusätzlich das Recht zum Führen der Facharztbezeichnung eines Fachgebiets besäßen, zu dessen Weiterbildungsinhalt obligatorisch der Erwerb von eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Operationen des Fachgebietes gehöre. Anderenfalls könnten Allgemeinärzte nur unter Assistenz oder unter Aufsicht eines Facharztes ambulante Operationen durchführen, zu dessen Weiterbildungsinhalt obligatorisch der Erwerb von eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Operationen des Fachgebiets gehöre. Bei der Bezeichnung "Phlebologie" handele es sich nicht um eine Facharztbezeichnung im Sinne von § 2 Abs.1 und § 5 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns (WBO), sondern um eine Zusatzbezeichnung gemäß § 2 Abs.2 Nr.12 WBO, aus der sich kein Recht zum Führen einer Facharztbezeichnung (mit operativem Fachgebiet) ergebe. Die Zusatzbezeichnung "Phlebologie" sei somit für einen Facharzt für Allgemeinmedizin nicht ausreichend, um eine Genehmigung zur selbständigen Ausführung von ambulanten Operationen in der vertragsärztlichen Versorgung erhalten zu können.

Der Kläger hat dagegen mit Schreiben vom 8. Februar 1999 Wider- spruch eingelegt. Er habe keine Zulassung als Allgemeinarzt und dürfe auch keine allgemeinmedizinischen Leistungen abrechnen. Er besitze eine Sonderzulassung für Phlebologie und beantrage auch nur die Genehmigung zur Erbringung phlebologischer Ope- rationen. Im Hinblick auf die Sonderzulassung sei der Phlebologe als "dem Facharzt vergleichbar" angesehen worden; nur aus diesem Grunde habe ihm die Sonderzulassung zugesprochen werden können, da es eine solche nur für Fachärzte gebe. Würde es sich bei dem Ausschluss von den ambulanten Operationen wirklich um Maßnahmen der Qualitätssicherung handeln, müsste ein Blick in den Operationskatalog des Klägers die Beklagte überzeugen, dass er die notwendigen fachlichen Voraussetzungen erfülle. Er habe bereits vor dem in § 9 der Qualitätssicherungsvereinbarung genannten Stichtag phlebologische Leistungen durchgeführt. Diese seien jedoch nicht über die Beklagte abgerechnet worden, da sie im Krankenhaus bzw. im Ausland erbracht worden seien, was jedoch auf die Qualität der Operationen keinen Einfluss haben dürfte. In der WBO würden von den Phlebologen mehr phlebologische Operationen gefordert als von den Chirurgen. Seinen Antrag auf Sonderzulassung habe er ausdrücklich mit dem Bedarf an phlebologischen Operationen und der langen Wartezeit der Patienten auf derartige Operationen begründet und zugleich um die Genehmigung zur Durchführung ambulanter Operationen auf diesem Gebiet gebeten. Dafür sei ihm auch die Sonderbedarfszulassung erteilt worden. Außerdem hätte er darüber informiert werden müssen, wenn er phlebologische operative Leistungen nicht mehr erbringen dürfe. Bei der finanziellen Kalkulation der Niederlassung sei er selbstverständlich davon ausgegangen, operative phlebologische Leistungen auch abrechnen zu dürfen. Dem Widerspruch lag eine Bestätigung der chirurgischen Klinik F. (Prof.Dr.B.) vom 28. Januar 1999 bei, wonach der Kläger dort in den Jahren 1990 und 1991 zunächst unter Anleitung und später selbständig Varizenoperationen vorgenommen hat.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 1999 zurück. Nach § 3 Abs.1 Satz 1 der Vereinba- rung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren gemäß § 14 des Vertrags nach § 115 b Abs.1 SGB V, in Kraft ge- treten am 1. Oktober 1994, seien ambulante Operationen und Anästhesien nach Facharztstandard zu erbringen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift dürften ambulante Operationen und Anästhesien nur von Fachärzten, unter Assistenz von Fachärzten oder unter deren unmittelbarer Aufsicht und Weisung mit der Möglichkeit des unverzüglichen Eingreifens durchgeführt werden. Nach § 3 Abs.2 Satz 1 der Vereinbarung könnten Fachärzte für Allgemeinmedizin und praktische Ärzte sowie Ärzte ohne Facharztbezeichnung ambulante Operationen vornehmen, sofern und soweit sie das Recht zum Führen der Facharztbezeichnung eines Fachgebietes besäßen, zu dessen Weiterbildungsinhalt obligatorisch der Erwerb von eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Operationen des Fachgebiets gehöre. Der Kläger sei Facharzt für Allgemeinmedizin. Darüber hinaus habe er nicht das Recht zum Führen der Facharztbezeichnung eines Faches nachgewiesen, zu dessen Weiterbildungsinhalt obligatorisch der Erwerb von eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Operationen des Fachgebiets gehöre. Bei der Bezeichnung "Phlebologie" handele es sich nicht um eine Facharztbezeichnung gemäß § 2 Abs.1 und § 5 WBO, sondern um eine Zusatzbezeichnung gemäß § 2 Abs.2 Nr.12 WBO. Diese berechtige einen Facharzt für Allgemeinmedizin nicht, eine Genehmigung zur selbständigen Ausführung von ambulanten Operationen in der vertragsärztlichen Versorgung erhalten zu können.

Im anschießenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) wies der Kläger erneut darauf hin, dass er nach Ziff.3 des Beschlusses des Zulassungsausschusses ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen habe. Eine Sonderbedarfszulassung gebe es nur für Fachärzte. Dementsprechend werde der Kläger bei der Sonderbedarfszulassung als Facharzt bezüglich der Phlebologie behandelt. Der in § 3 Abs.1 der Qualitätssicherungsvereinbarung geforderte Facharztstandard werde von ihm erfüllt, da er bereits an der fachärztlichen Versorgung teilnehme und für die Phlebologie in der WBO die selbständige Durchführung von 50 operativen Eingriffen am epifaszialen Venensystem der unteren Extremitäten gefordert werde, während für die Allgemeinchirurgen nur 10 und für die Gefäßchirurgen nur 40 solcher Eingriffe gefordert seien. Daraus sei ersichtlich, dass in der WBO für die Phlebologie eine höhere Qualifikation in der Durchführung operativer Leistungen gefordert und gewährleistet werde. Der Kläger habe Eingriffe an den Venen bereits vor Inkrafttreten der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen erfolgreich durchgeführt und diese nur deswegen nicht abrechnen können, weil er im Ausland tätig gewesen sei. Es sei ein Zeichen von Provinzialität, wenn die Beklagte nicht die Qualität der operativen Leistungen würdige, sondern nur, ob die Abrechnung in Deutschland erfolgt sei.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, der Beschluss des Zulas- sungsausschusses ändere nicht das ärztliche Berufsrecht oder weitergehende gesetzliche und vertraglichen Vorgaben. Für den Kläger als Allgemeinarzt sei eine Genehmigung nach der Quali- tätssicherungsvereinbarung nicht möglich. Daran könne auch der Hinweis auf den Versorgungsbedarf und die Zusatzbezeichnung "Phlebologie" nichts ändern. Ein Besitzstandsschutz käme nur dann in Betracht, wenn die Leistungen im vertragsärztlichen Sy- stem bereits vor Inkrafttreten der Qualitätssicherungsmaßnahmen erbracht worden wären.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2000 wurde dem Kläger antragsgemäß die Berechtigung erteilt, unter unmittelbarer Aufsicht und Weisung eines zwischenzeitlich in die Gemeinschaftspraxis eingetretenen Chirurgen ambulante Operationen (einschließlich der dazugehörenden Zuschläge nach Kapitel B EBM) sowie ambulante Anästhesien im Rahmen des Fachgebiets Chirurgie in den eigenen Praxisräumen durchzuführen und abzurechnen.

Die Beklagte hat dem SG eine Stellungnahme der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) vom 12. Juli 2001 vorgelegt, in der diese ausführt, dass die Voraussetzungen zum Erwerb der Zusatzbe- zeichnung "Phlebologie" für einen Facharzt für Allgemeinmedizin und für einen Chirurgen völlig identisch seien. Gefordert sei die selbständige Durchführung von 50 operativen Eingriffen am epifaszialen Venensystem der unterer Extremitäten. Für den Wei- terbildungsgang im Gebiet Allgemeinmedizin sei zwar mindestens ein halbes Jahr Weiterbildung in der Chirurgie vorgeschrieben, nicht jedoch der Nachweis der Durchführung bestimmter operati- ver Eingriffe. Eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertig- keiten fordere die WBO nur in den für die hausärztliche Versor- gung erforderlichen Techniken der Wundversorgung und Wundbe- handlung, bei in der allgemeinärztlichen Praxis zu versorgenden Verletzungen sowie in der Versorgung Unfallverletzter und der Erstversorgung chirurgischer Notfälle, jedoch keine weiteren eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Chirurgie, dies auch nicht im Hinblick auf die Chirurgie der Gefäße. Im Weiterbildungsgang des Gebiets Chirurgie würden u.a. 25 Eingriffe, davon 5 Thrombembolektomien, 10 Varizenoperationen und 10 weitere Operationen am Gefäß- und Nervensystem, z.B. Gefäßnähte, Varizenverödungen, Neurolysen gefordert. Selbstverständlich verfüge ein Facharzt für Chirurgie in der operativen Tätigkeit nach dem Regelweiterbildungsgang über weit umfang- reichere Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten als ein Facharzt für Allgemeinmedizin aufgrund seines Regelweiterbildungsganges. Das gelte auch für den Bereich der Phlebologie. Über die persönliche Qualifikation des betreffenden Allgemeinarztes könne die BLÄK natürlich keine Aussagen machen. Der 45. Bayerische Ärztetag habe am 18. Oktober 1992 die Zu- satzbezeichnung "Phlebologie" eingeführt, die nach ihrer Defi- nition u.a. auch die Behandlung der Erkrankungen und Fehlbildungen des Venensystems der unteren Extremitäten einschließlich deren thrombotischer Erkrankungen beinhalte, und für deren Er- werb die Vermittlung, der Erwerb und Nachweis besonderer Kenntnisse und Erfahrungen u.a. auch der operativen Behandlung von Venenerkrankungen sowie deren Nachbehandlung gefordert werde. Ein Arzt, der diese Zusatzbezeichnung erworben habe, habe damit völlig unabhängig von der Frage, ob Facharzt für Allgemeinmedizin, für Chirurgie oder Arzt ohne Facharztbezeichnung auch die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen in dieser operativen Behandlung nachgewiesen. Für den Facharzt für Allgemeinmedizin seien diese Maßnahmen nicht fachfremd; die Qualifikation sei durch die Zusatzbezeichnung Phlebologie nachgewiesen. Zu der Frage, weshalb in der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren eine Fachgebietsbezeichnung in einem operativen Fach zusätzlich gefordert werde, könne die BLÄK nicht Stellung nehmen.

Das SG hat mit Urteil vom 17. Juli 2001 die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Genehmigung zur selbständigen Ausführung und Abrechnung ambulanter Operationen gemäß EBM-Nrn. 2860, 2861 und 2862 zu erteilen. In § 3 Abs.2 der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren gemäß § 14 des Vertrags nach § 115 Abs.1 SGB V hätten die Vertragsparteien vereinbart, dass ambulante Operationen in der vertragsärztlichen Versorgung auch von Vertragsärzten für Allgemeinmedizin und praktischen Ärzten sowie von Ärzten ohne Facharztbezeichnung erbracht werden dürften, sofern und soweit sie das Recht zum Führen der Facharztbezeichnung eines Fachgebiets hätten, zu dessen Weiterbildungsinhalt obligatorisch der Erwerb von einge- henden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Opera- tionen des Fachgebiets gehöre. Es sei unstreitig, dass der Klä- ger nicht über eine entsprechende Facharztbezeichnung verfüge, wohl aber die Zusatzbezeichnung "Phlebologie" führen dürfe. Zur Überzeugung der mit zwei Vertragsärzten als ehrenamtlichen Richtern fachkundig besetzten Kammer stehe fest, dass der Kläger für das eng begrenzte Gebiet von Operationen am epifaszialen Venensystem der unterer Extremitäten (EBM-Nrn. 2860 bis 2862) zumindest den Facharztstandard habe. Allein durch den Erwerb der Zusatzbezeichnung "Phlebologie" habe er nach dem Schreiben der BLÄK vom 12. Juli 2001 besondere Kenntnisse und Erfahrungen in dieser operativen Behandlung nachgewiesen, also mehr als nur eingehende Kenntnisse, wie sie z.B. für Chirurgen von der WBO verlangt würden. Diese Leistungen seien nach der Stellungnahme der BLÄK für einen Facharzt für Allgemeinmedizin auch nicht fachfremd. Hinzu komme, dass der Kläger nach seiner phlebologischen Zusatzausbildung vom 1.Juni 1995 bis 15. Juni 1996 aufgrund einer Sonderbedarfszulassung ab 1.Oktober 1996 ausschließlich phlebologisch tätig gewesen sei und ebenso ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teilgenommen habe. Da er nur eine Genehmigung für die EBM-Nr. 2860 bis 2862 und nicht für sonstige ambulante Operationen beantragt habe, und hierfür die speziellen Kenntnisse nach Facharztstandard bei ihm vorlägen, werde er zur Überzeugung der Kammer auch der Intention des Vertrags und der Vereinbarung zur Sicherung der Qualität bei ambulanten Operationen gerecht.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das SG setze eine Zusatzbezeichnung mit einem - hier nicht nachgewiesenen - Facharztstandard gleich. In der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren sei jedoch die bestandene Facharztprüfung z.B. als Chirurg als Voraussetzung genannt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Vertragspartner bei der Vereinbarung der Qualitätssicherungsmaßnahmen zum ambulanten Operieren ermessensfehlerhaft gehandelt hätten. Die Beklagte sehe sich als Interessenswahrerin der gesamten vertragsärztlichen Versorgung gehindert, die begehrte Genehmigung zu erteilen. Jeder Eingriff in das Gesamtsystem der vertragsärztlichen Versorgung wirke sich mittelbar auf dieses aus. Das BSG habe in seinem Urteil vom 8. November 2000 (sog. Zeitfensterurteil, Az.: B 6 KA 52/00 R) festgehalten, dass gerade dieser Aspekt bei jeder Entscheidung, sei sie auch im Hinblick auf das Einzelinteresse möglicherweise nachvollziehbar, berücksichtigt werden müsse. Umgekehrt würde die Berücksichtigung jeglichen Einzelinteresses die Gewährleistung der Funktion des Gesamtsystems der GKV unmöglich machen. Die formalen Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zur selbständigen Ausführung und Abrechnung ambulanter Opera- tionen gemäß EBM-Nrn.2860, 2861 und 2862 lägen demnach nicht vor. Die Beklagte verweist hierzu auf ein Urteil des LSG für das Saarland vom 8. Dezember 1999 (Az.: L 3 KA 2/98), wonach ein Allgemeinarzt mit Zusatzbezeichnung "Phlebologie" im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung keine ambulanten Operationsleistungen erbringen und abrechnen könne. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde sei vom Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 31. August 2000 (Az.: B 6 KA 11/00 B) zurückgewiesen worden.

Die Beklagte stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Juli 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält das Urteil des SG für richtig und wiederholt im Wesent- lichen das Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren. Inzwischen habe er nach Ablauf von fünf Jahren die unbeschränkte Zulassung als hausärztlich tätiger Allgemeinarzt erhalten, sei aber weiterhin überwiegend phlebologisch tätig. Am 30. Oktober 2001 habe er die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung beantragt und diese am 5. Dezember 2001 auch erhalten. Damit könne er die hausärztlichen Leistungen nicht mehr abrechnen, gleichzeitig werde ihm aber die Abrechnung fachärztlicher Leistungen, was die Operationen betreffe, ebenfalls verweigert.

Dem Senat liegen die Akte der Beklagten, die Akte des SG mit dem Az.: S 22 KA 3304/099 sowie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 178/01 vor, die zum Gegenstand der mündlichen Behandlung gemacht wurden und auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 151 Abs.1, 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) und begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Genehmigung zu erteilen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ambulante Operationen nach EBM-Nrn.2860, 2861 und 2862 zu erbringen und abzurechnen.

Die vorgenannten Leistungspositionen finden sich im Kap. N VII. des EBM mit der Überschrift "Thorax- und Gefäßchirurgie". EBM-Nr.2860 beinhaltet die Exstirpation oder subfasziale Ligatur von Seitenastvarizen oder insuffizienten Perforansvenen, als selbständige Leistung, je Sitzung ...900 Punkte. Bei der EBM-Nr.2861 handelt es sich um die Crossektomie und/oder Exstirpation der Vena saphena parva, ggf. einschließlich Exstirpation oder subfaszialer Ligatur von Seitenastvarizen oder insuffizienten Perforansvenen ... 1300 Punkte und bei der EBM-Nr.2862 um die Crossektomie und/oder Exstirpation der Vena saphena magna, ggf. einschließlich der Vena saphena parva, ggf. einschließlich Exstirpation oder subfaszialer Ligatur von Seitenastvarizen oder insuffizienten Perforansvenen ... 2100 Punkte.

Diese operativen Leistungen werden in der Gemeinschaftspraxis der der Kläger angehört, ambulant durchgeführt.

Nach § 115 b Abs.1 Satz 1 Nr.3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam, die deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam und die Kassenärztliche Bundesvereinigung Maßnahmen zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit bei im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ambulant durchgeführten Operationen. § 115 b SGB V und die dazu zu beschließenden Verträge betreffen ungeachtet der Überschrift "ambulantes Operieren im Krankenhaus" nicht nur die in Krankenhäusern ambulant durchgeführten Operationen, sondern auch Operationen, die von niedergelassenen Ärzten in freier Praxis ambulant erbracht werden. Das ergibt sich eindeutig aus § 115 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB V, wo von einer einheitlichen Vergütung für Krankenhäuser und Vertragsärzte die Rede ist (vgl. Hess in KassKomm § 115b SGB V Rdnr.3). Eine entsprechende Vereinbarung gemäß § 115 b Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB V haben die Bundesverbände der Krankenkassen, die deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem Vertrag nach § 115 b Abs.1 SGB V (OPV), in Kraft getreten am 1. April 1993, getroffen, der nach den dem Vertrag vorangestellten Grundsätzen (Abs.1 Satz 1) dazu dient, einheitliche Rahmenbedingungen zur Durchführung ambulanter Operationen einschließlich der notwendigen Anästhesien im niedergelassenen Bereich und im Krankenhaus zu schaffen. § 13 dieses Vertrages schreibt den sog. Facharztstandard fest. Dort heißt es wörtlich: "Ambulante Operationen werden nach Facharztstandard erbracht. Danach sind ambulante Operationen nur von Fachärzten unter Assistenz von Fachärzten oder unter deren unmittelbarer Aufsicht und Weisung mit der Möglichkeit des unverzüglichen Eingreifens zu erbringen." In § 14 des Vertrages wird weiter geregelt, dass die Vertragspartner ergänzend zu den Anforderungen des EBM Maßnahmen zur Sicherung der Qualität beim ambulanten Operieren vereinbaren. Eine solche Vereinbarung kam zwischen den Vertragspartnern zum 1. Oktober 1994 zustande. Auch diese "Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren gemäß § 14 des Vertrags nach § 115 b Abs.1 SGB V" fordert in § 3 Abs.1, dass ambulante Operationen und Anästhesien nach Facharztstandard zu erbringen sind, also nur von Fachärzten, unter Assisstenz von Fachärzten oder unter deren unmittelbarer Aufsicht und Weisung mit der Möglichkeit des unverzüglichen Eingreifens. Von Fachärzten für Allgemeinmedizin und praktischen Ärzten sowie von Ärzten ohne Facharztbezeichnung dürfen ambulante Operationen in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, sofern und soweit sie das Recht zum Führen der Facharztbezeichnung eines Fachgebiets haben, zu dessen Weiterbildungsinhalt obligatorisch der Erwerb von eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Operationen des Fachgebiets gehören (§ 3 Abs.2 Satz 1 Qualitätssicherungsvereinbarung). Daraus folgt, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Facharzt für Allgemeinmedizin nicht berechtigt ist, selbständig im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ambulante Operationen durchzuführen und abzurechnen. Die Beklagte hat ihm die beantragte Genehmigung somit zu Recht verweigert.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger immer wieder in den Vordergrund gerückten Tatsache, dass er vom Zu- lassungsausschuss im Wege der Bedarfszulassung zur "fachärztli- chen Versorgung" zugelassen worden sei. Die Feststellung im Be- schluss des Zulassungsausschusses vom 7. August 1996 unter Nr.3, wonach der Kläger gemäß § 73 Abs.1a Satz 6 (gemeint ist Satz 5) SGB V ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teilnimmt, bezieht sich auf die im § 73 Abs.1 SGB V festgelegte Trennung der vertragsärztlichen Versorgung in eine hausärztliche Versorgung einerseits und in eine fachärztliche Versorgung andererseits. Keinesfalls ist dieser Beschluss geeignet, dem Kläger einen Facharztstatus zu verleihen. Dies schon deswegen nicht, weil die Zulassungsinstanzen für derartige Statusentscheidungen nicht zuständig wären. Im Sinne des Anliegens der Qualitätssicherung, wonach nur Fachärzte, also Ärzte, die eine entsprechende Weiterbildung zum Facharzt durchlaufen haben, ambulante Operationen durchführen sollen, kann es auf die Frage, ob ein Arzt an der hausärztlichen oder an der fachärztlichen Versorgung im Sinne von § 73 SGB V teilnimmt, offenkundig nicht ankommen.

Das SG hat die Beklagte zur Erteilung der begehrten Genehmigung mit dem Argument verurteilt, dass der Kläger, insbesondere durch den Erwerb der Zusatzbezeichnung Phlebologie nachgewiesen habe, dass er über Kenntnisse im Bereich der ambulanten Opera- tionen verfüge, die denen eines Facharztes für Chirurgie zumindest gleichwertig, wenn nicht überlegen seien. Dieser Argu- mentation kann der Senat nicht folgen.

Das SG stützt seine Entscheidung insbesondere auf die Stellung- nahme der BLÄK vom 17. Juli 2001. Aus dieser geht indessen nicht hervor, dass ein Allgemeinarzt mit der Zusatzbezeichnung Phlebologie generell für ambulante Operationen auf diesem Gebiet kompetenter ausgebildet sei als ein Chirurg. Zwar weist die BLÄK darauf hin, dass für den Erwerb der Zusatzbezeichnung mehr einschlägige Operationen gefordert sind, als für den Erwerb des Facharztes für Chirurgie. Andererseits stellt aber auch die BLÄK außer Zweifel, dass ein Facharzt für Chirurgie insgesamt über die umfassenderen Kenntnisse auf dem chirurgischen Fachgebiet verfügt.

Der Senat bezweifelt nicht, dass speziell der Kläger zur Durch- führung der streitgegenständlichen Leistungen in qualitativ hochwertiger Form durchaus in der Lage ist, möglicherweise so- gar besser, als ein nicht auf dieses Gebiet spezialisierter Chirurg. Darauf kommt es jedoch nicht an. Es ist nämlich nicht so, dass ein (Allgemein-)Arzt, der über Fähigkeiten auf einem operativen Gebiet verfügt, die denen eines Facharztes im Sinne von § 14 OPV entsprechen, kraft dessen zur Durchführung ambulanter Operationen in der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt wäre (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr.21, S.89). Vielmehr ist nach § 14 OPV in Verbindung mit § 3 Abs.1, 2 der dazu ergangenen Qualitätssicherungsvereinbarung die Durchführung ambulanter Operationen bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ausdrücklich den einschlägig weitergebildeten Fachärzten vorbehalten bzw. nur unter deren Assistenz oder Aufsicht und Weisung mit der Möglichkeit des unverzüglichen Eingreifens zulässig. Dabei kommt es nicht primär auf den vertragsärztlichen Zulassungsstatus an, sondern vielmehr auf die Facharztanerkennung, denn nach § 3 Abs.2 der Qualitätssicherungsvereinbarung können auch Ärzte, die als Fachärzte für Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte und Ärzte ohne Facharztbezeichnung zugelassen sind, ambulante Operationen erbringen, sofern und soweit sie das Recht zum Führen der Facharztbezeichnung eines Fachgebietes haben, zu dessen Weiterbildungsinhalt obligatorisch der Erwerb von eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Operationen des Fachgebietes gehören. Dies trifft auf den Kläger nicht zu, sodass ihm die begehrte Genehmigung zu Recht verweigert wird.

Rechtlich bestehen gegen die von der Partnern des Bundesmantel- vertrages getroffenen Regelungen keine Bedenken. Das Bundessozialgericht hat wiederholt entschieden, dass es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wenn der Gesetzgeber den Partnern der Gesamtverträge die Befugnis einräumt, besondere Qualifikationsanforderungen für die Erbringung bestimmter Leistungen aufzustellen (z.B. für zytologische Leistungen BSG SozR 3-2500 § 135 Nr.9 Seite 41; für neurologisch-diagnostische und psychiatrische Leistungen SozR 3-2500 § 72 Nr.8 S.19 ff.; für Krankengymnastik und Massagen SozR 3-2500 § 72 Nr.11). In diesem Rahmen ist es auch zulässig, wenn die Parteien des Gesamtvertrages die Durchführung ambulanter Operationsleistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ganz allgemein den einschlägigen Fachärzten vorbehalten (vgl. dazu LSG Saarland vom 8. Dezember 1999, Az.: L 3 Ka 2/98 sowie den dazu ergangenen Beschluss des BSG vom 31. August 2000, Az.: B 6 KA 11/00 B). Dass damit im Einzelfall ein Arzt, der zwar über hinreichende Fertigkeiten nicht aber über die einschlägige Facharztausbildung verfügt, von der Erbringung dieser Leistungen ausgeschlossen ist, ist im Rahmen einer generell abstrakten Regelung, im Interesse der Qualitätssicherung bei der operativen Versorgung der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung hinzunehmen (vgl. BSG v. 31. August 2000, Az.: B 6 KA 11/00 B; für den umgekehrten Fall eines als praktischer Arzt zugelassenen Anästhesisten vgl. BSG, SozR 3-2500 § 115b Nr.3). Selbst ein gewisser Überschuss an Qualifikationsanforderungen, der allerdings nach Auffassung des Senats hier nicht vorliegt, wäre rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 135 Nr.9 S.44; a.a.O. § 72 Nr.11 S.31; Urteil vom 6. September 2000, Az.: B 6 KA 36/99 R).

Da der Kläger die streitigen Leistungen anders als sein Praxis- partner Dr.S. , nicht bereits vor Inkrafttreten der OPV (1. Oktober 1994) erbracht hat, kommt er auch nicht in den Genuss der besitzschützenden Übergangsregelung des § 9 Abs.3 Satz 2 OPV.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Sonderbedarfszulassung vom 7. August 1996 für das Gebiet der Phlebologie, denn diese ist, wie bereits oben ausgeführt wurde, nicht geeignet, einen Facharztstatus zu begründen. Ob die Zulassung sinnvollerweise überhaupt hätte erteilt werden sollen, nachdem der Kläger zur Erbringung der operativen Leistungen im Bereich der Phlebologie schon damals nicht berechtigt war, ist hier nicht zu prüfen.

Schließlich kann der Kläger keine Rechte daraus ableiten, dass möglicherweise von ihm bisher ohne Genehmigung erbrachte operative Leistungen von der Beklagten vergütet wurden, - dies schon deswegen nicht, weil aus den Abrechnungen einer Gemeinschafts- praxis üblicherweise nicht hervorgeht, wer im Einzelnen die Leistung erbracht hat. Im Übrigen geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Frage der Abrechenbarkeit entspre- chender Leistungen in früheren Zeiträumen, sondern allein um die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der Ge- nehmigung zur Erbringung der operativen Leistungen nach EBM- Nrn.2860 bis 2862 hat. Diese Frage ist eindeutig zu vernei- nen. Das anders lautende Urteil des SG war deshalb auf die Be- rufung der Beklagten hin aufzuheben und die Klage gegen den die Genehmigung versagenden Bescheid der Beklagten vom 20.Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 1999 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.4 SGG in der hier noch anzuwenden Fassung des Art.15 Nr.2 des Gesundheitsstruk- turgesetzes vom 21. Dezember 1992.

Der Senat sah keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, da es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das LSG für das Saarland hat mit Urteil vom 8. Dezem- Berufung 1999 (Az.: L 3 KA 2/98) bereits entschieden, das ein Allgemeinarzt mit der Zusatzbezeichnung "Phlebologie" ambulante Operationen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung weder erbringen noch abrechnen kann. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 31. August 2000 (Az.: B 6 KA 11/00 b) zurückgewiesen.
Rechtskraft
Aus
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