L 3 U 383/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 210/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 383/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.10.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO - ("Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war") und Entschädigung in Form der Gewährung von Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. streitig. Der Kläger macht geltend, dass eine durch Herpesviren bedingte Myelitis auf eine Primärinfektion im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Masseur und medizinischer Bademeister zurückzuführen sei.

Der am 1960 geborene Kläger war seit 01.01.1980 im Bezirkskrankenhaus G. beschäftigt und vom 01.07.1988 bis 15.09.1989 sowie ab 15.05.1990 als Masseur und medizinischer Bademeister in der physikalisch-therapeutischen Abteilung des vorgenannten Krankenhauses tätig. Im Rahmen seines Berufes hatte er laut Angabe der vorgenannten Klinik vom 23.11.1995 im Juni bis August 1995 vermehrt Kontakt mit an Herpes erkrankten Patienten. Er erkrankte am 11.08.1995 an einer Myelitis, infolge dieser leidet der Kläger an einer inkompletten Querschnittslähmung unterhalb C 3 und einer kompletten Querschnittslähmung unterhalb C 8.

Die Arbeitgeberin des Klägers zeigte mit Schreiben vom 23.11.1995 dem Beklagten die vorgenannte Erkrankung an.

Nach Ermittlungen des Beklagten im medizinischen sowie im beruflichen Bereich des Klägers holte der Beklagte ein gewerbeärztliches Gutachten der Internistin Dr.B. vom 12.09.1996 und eine gutachtliche Stellungnahme des Prof.Dr.K. vom Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) M. vom 15.03.1996 ein. Danach sei die Diagnose einer Herpesmyelitis - Primärinfektion - nicht hinreichend gesichert, jedoch aufgrund der vorliegenden Befunde auch nicht mit Sicherheit auszuschließen. Der Beklagte holte ferner eine gutachtliche Stellungnahme des Prof.Dr.Dr.W. , Direktor der Neurologischen Klinik des Bezirkskrankenhauses, Kliniken G. vom 30.06.1997 ein, der unter Hinweis auf bei der Begutachtung fehlende Originalunterlagen und Laborwerte eine Rückfrage beim Pettenkofer-Institut empfahl. Die Gewerbeärztin Dr.B. schloss sich der Empfehlung an (Stellungnahme vom 25.11.1997). Prof. Dr.K. äußerte sich am 02.04.1998 dahingehend, dass sich aus den ergänzend vorgelegten Unterlagen keine neuen Gesichtspunkte ergäben. Nach erneuter Würdigung durch die Gewerbeärztin Dr.B. vom 14.07.1998 sei die Diagnose nicht hinreichend gesichert: Es fehle die autochtone Antikörperproduktion; der Titeranstieg im Serum bezüglich des Herpes-simplex-Virus und des Varizella-zoster-Virus (VZV) sei vorliegend wohl Ausdruck einer Reaktivierung bzw. repräsentiere auch eine Schrankenstörung. Bei nicht gesicherter Diagnose sei die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.3101 nicht zu empfehlen, obwohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu bejahen seien.

Mit Bescheid vom 09.09.1998 lehnte der Beklagte daraufhin eine Entschädigung der Tetraparese-Erkrankung ab, weil eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorliege. Insbesondere sei ein direkter Erregernachweis aus dem Liquor bzw. der Nachweis einer autochtonen Antikörperproduktion im Liquorraum nicht zu erbringen.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.05.1999).

Mit seiner hiergegen beim Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger sein bisheriges Begehren wiederholt und darauf hingewiesen, dass seiner Auffassung nach eine (Erst-)Infektion durch die berufliche Tätigkeit erfolgt sei.

Das Sozialgericht hat die Akte des Versorgungsamtes Heidelberg sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Auf Vorschlag des zunächst beauftragten Prof.Dr.F. , Direktor der Abteilung Neurologie der Klinik und Poliklinik für Neurologie der G.-Universität G. , wurde vorab der Arzt für Neurologie und Psychiatrie an der Neurologischen Universitätsklinik G. , Prof.Dr.P. , gehört. Nach seinem - aufgrund ambulanter Untersuchung vom 13.03.2000 - am 29.07.2001 erstatteten Gutachten vertrat er die Auffassung, dass sich keine sicheren Hinweise auf das Vorliegen einer durch Herpesviren bedingten Myelitis ergäben. Eine Infektionskrankheit im Sinne der Berufskrankheit nach Ziffer 3101 sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber weder hinsichtlich der Kausalitätsbeziehung zwischen Exposition und Erkrankung noch bezüglich des geforderten zeitlichen Zusammenhangs wahrscheinlich. Alternative, entzündliche Ursachen seien nicht ausgeschlossen. Das Fehlen einer autochtonen Herpesvirus-spezifischen Immunglobulinproduktion im Liquor sowie der nicht durchgeführte Nachweis der Viren im Liquor per PCR erlaubten keine sicheren Aussagen im Hinblick auf die mögliche Diagnose einer herpesbedingten ZNS-Erkrankung. Die einzige Möglichkeit, eine Primärinfektion durch Herpesviren wahrscheinlich zu machen, wären Serumproben gewesen, die vor Beginn der neurologischen Erkrankung entnommen worden sind. Solche liegen jedoch nicht vor.

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.1999 zu verurteilen, bei ihm eine Infektionskrankheit nach der Nr.3101 der Anlage 1 zur BKVO als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm hierfür Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch das Sozialgericht zugestimmt (§ 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Mit Urteil vom 30.10.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.3101 und Gewährung dementsprechender Leistungen. Vorliegend seien die Voraussetzungen hierfür nicht in dem erforderlichen Umfang nachgewiesen. Unstreitig sei zwar, dass der Kläger als Masseur und medizinischer Bademeister zu dem von der Berufskrankheit nach Nr.3101 erfassten Personenkreis gehöre. Auch seien die Herpesvirenerreger, die eine Infektionskrankheit im Sinne der Nr.3101 verursachen können. Allerdings spräche der bei der Feststellung der Infektionserkrankung erhobene Befund nicht für eine Neuansteckung während der Berufstätigkeit. Das Gericht stützte sich hierbei auf die Ausführungen von Prof.Dr.K. , Dr.B. und Prof.Dr.P. , wonach eine Berufskrankheit nicht wahrscheinlich sei. Der Kläger habe Lähmungserscheinungen erlitten, als Diagnose wurde eine herpes-bedingte Myelitis in Höhe des Halsmarkes gestellt. Nach den Gutachten sei allerdings eine intrathekale Synthese von Antikörpern gegen Herpesviren nicht nachgewiesen. Es sei durchaus denkbar, dass die Herpesvirus-Infektion bzw. -reaktivierung koinzident zum Krankheitsverlauf war, aber für die vorliegende ZNS-Symptomatik nicht verantwortlich ist. Am ehesten handele es sich um eine Reaktivierung einer latenten Infektion und nicht um eine Erstinfektion. Nach allem sei bereits zweifelhaft, ob eine berufsbedingte Primärinfektion im Rahmen der Betreuung von Patienten vorgelegen habe. Darüber hinaus sei auch zweifelhaft, ob es sich um eine Myelitis, bedingt durch Herpesviren, gehandelt hat. Eine alleinige Erhöhung des Antikörpertiters gegen Herpes-simplex bzw. gegen VZV im Serum sei hierfür nicht ausreichend. Der Kläger habe nach seinen eigenen Angaben im Kindesalter Windpcken gehabt, eine Form der VZV-Infektion, so dass insoweit Antikörper im Blut vorhanden gewesen sein müssten. Insofern, auch wenn die Myelitis durch das VZV bedingt gewesen sein sollte, handele es sich am ehesten um eine Reaktivierung der latenten Infektion und nicht um eine Primärinfektion. Eine Testung der Antikörper im Serum vor Beginn der klinischen Symptomatik der Myelitis sei nicht erfolgt, so dass ein Nachweis nicht mehr geführt werden könne. Hierauf habe insbesondere Prof.Dr.P. in seinem umfassenden und gründlichen Gutachten hingewiesen. Sein Gutachtensergebnis decke sich im Wesentlichen auch mit den Ausführungen in dem von dem Beklagten eingeholten Gutachten des Prof.Dr.K. , der klarstellend auch noch darauf hingewiesen habe, dass im Fall einer Reaktivierung einer bereits in der Kindheit erworbenen Virusinfektion die Arbeit als Physiotherapeut keinerlei kausale Bedeutung für die Erkrankung habe. Nach den Beweisregeln der gesetzlichen Unfallversicherung, wonach bei Nichterweislichkeit von Tatsachen der Grundsatz der objektiven Beweislast gelte, habe der Kläger die Folgen der Nichtaufklärbarkeit zu tragen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass das Sozialgericht unzutreffend die Klage abgewiesen habe; er begehre daher eine Überprüfung durch das Landessozialgericht (LSG). Einen Nachweis für das Vorliegen einer Berufskrankheit könne er zwar nicht erbringen, jedoch sei für ihn seine Erkrankung nur infolge einer Infektion durch seine berufliche Tätigkeit erklärbar. Zur Begründung der Berufung beziehe er sich einfachheitshalber auf die Ausführungen im Vorverfahren und in der Vorinstanz.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 30.10.2001 und des Bescheides vom 09.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.1999 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.3101 der Anlage 1 zur BKVO eine Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn beim Kläger liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.3101 der Anlage 1 zur BKVO und dementsprechender Entschädigung im Wege der Gewährung von Verletztenrente für seine Myelitis-Erkrankung mit nachfolgender inkompletter bzw. kompletter Querschnittslähmung nicht vor.

Dies hat das Sozialgericht - vor allem gestützt auf die überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.K. (Aktenlagegutachten vom 15.03.1996 in Verbindung mit ergänzender Stellungnahme vom 02.04.1998), gewerbeärztliche Stellungnahme Dr.B. vom 14.07.1998 und Gutachten Prof.Dr.P. vom 29.07.2001 - eingehend und zutreffend dargelegt. Dieser Auffassung schließt sich der Senat in vollem Umfang an und nimmt zur weiteren Begründung gemäß § 153 Abs.2 SGG auf die Entscheidungsgründe im sozialgerichtlichen Urteil ergänzend Bezug.

Für weitere Ausführungen bestand keine Veranlassung, weil auch die inzwischen vorgelegte Berufungsbegründung nichts enthält, was über das bisher Bekannte hinausginge. Wie auch der Kläger selbst eingeräumt hat, scheitere letztlich sein bisheriges Begehren an den Nachweisschwierigkeiten. Als Begründung verbleibt - aus seiner Sicht - lediglich die subjektive Auffassung, dass für ihn seine Erkrankung nur infolge einer Infektion durch seine berufliche Tätigkeit erklärbar sei. Diese Auffassung findet jedoch in den vorliegenden gutachterlichen Ausführungen keine Stütze; danach ist allenfalls die Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs gegeben, die jedoch für die Anerkennung einer Berufskrankheit im Vorgenannten Sinn nicht ausreicht.

Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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