L 17 U 439/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 U 5025/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 439/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.09.2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als freiberuflicher Forstsachverständiger beitragspflichtig zur gesetzlichen Unfallversicherung ist.

Der Kläger, ein Dipl.Forstwirt, ist seit 12.12.1996 als freiberuflicher Forstsachverständiger selbstständig tätig. Er befasst sich u.a. mit der Erstellung von Forstwirtschaftsplänen und Gutachten. Gewerbeamtlich ist er nicht angemeldet. Typische land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeiten gegen Entgelt übt er nicht aus, auch beschäftigt er nicht fremde Personen. Der Beklagten hatte er im Dezember 1996 einen Vertrag zwischen ihm und der Waldgenossenschaft M. vorgelegt. Danach sollte er einen Forstwirtschaftsplan für den Wald der Waldgenossenschaft als freier Mitarbeiter erstellen.

Mit Bescheid vom 18.12.1997 veranlagte die Beklagte ihn als freiberuflichen Forstsachverständigen zur Beitragspflicht mit Wirkung ab 12.12.1996. Sie sah die von ihm ausgeübte Tätigkeit als forstwirtschaftliches Lohnunternehmen an, so dass gemäß § 123 Abs 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch (SGB) VII die landwirtschaftliche Unfallversicherung zuständig sei. Diese Tätigkeit im forstwirtschaftlichen Bereich werde ansonsten von Forstbesitzern selbst durchgeführt. Da er bereits im Unternehmerverzeichnis der Beklagten als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens mit Betriebssitz S. (14,32 ha landwirtschaftliche und 0,1 ha forstwirtschaftliche Fläche) vermerkt sei, werde das ausgeübte forstwirtschaftliche Lohnunternehmen als forstwirtschaftliches Nebenunternehmen im Unterverzeichnis der Beklagten gesondert vorgetragen und auch gesondert zu Beiträgen veranlagt (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27.04.1998).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 18.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.1998 aufzuheben. Er hat vorgetragen, dass er kein forstwirtschaftliches Lohnunternehmen betreibe. Insbesondere stelle er keine Arbeitskräfte gegen Entgelt zur Verfügung, sondern führe eine rein geistige, keine körperliche Arbeit bei seiner freiberuflichen und selbstständigen Gutachter- und Beratertätigkeit aus. Er schließe auch keine Arbeitsverträge, sondern Werkverträge. Auch entspreche seine Tätigkeit ansonsten nicht dem Tätigkeitsfeld der Forstbesitzer. Vielmehr seien nach dem Bayer. Waldgesetz diese Arbeiten (Forsteinrichtung) an freiberufliche Sachverständige zu vergeben.

Die Beklagte hat auf eine Fachbesprechung "Unfallversicherung des Bundesverbandes der landwirtschaftl. Berufsgenossenschaften" (Sitzung vom 22./23.04.1997) hingewiesen, wonach der überwiegende Teil der Sitzungsteilnehmer ein entsprechendes privates Forstplanungsbüro als forstwirtschaftliches Lohnunternehmen veranlage.

Mit Urteil vom 27.09.2000 hat das SG Würzburg die Verwaltungsbescheide aufgehoben und ausgeführt, dass ein forstwirtschaftliches Lohnunternehmen iS des § 123 Abs 1 Nr 3 SGB VII nicht vorliege. Der Schwerpunkt der vom Kläger als Dipl.Forstwirt erbrachten freiberuflichen und selbstständigen Tätigkeiten liege im gutachterlichen und beratenden Bereich. Dies stelle eine geistige und keine körperliche Arbeit dar. Es handle sich also nicht um Tätigkeiten, die für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung von den einzelnen forstwirtschaftlichen Unternehmern dem Grunde nach erbracht werden müssen. Er übe Verrichtungen aus, die besondere Spezialkenntnisse erfordern.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, dass zu den Lohnunternehmen auch diejenigen Betriebe gehören, die ohne oder nur unter unwesentlicher Verwendung von Maschinen und Geräten in der Forstwirtschaft gegen Vergütung eingesetzt werden. Es handele sich um Unternehmen ohne eigene Bodenbewirtschaftung, da die Arbeit gegen Bezahlung für den forstwirtschaftlichen Unternehmer erfolge. Dazu gehörten auch Arbeiten, die nicht mehr vom Forstwirt selbst durchgeführt werden, aber dem forstwirtschaftlichen Unternehmen weitestgehend dienlich seien. Es müsse sich also um Tätigkeiten handeln, die sonst von einem forstwirtschaftlichen Unternehmer selbst oder mit eigenen Arbeitskräften ausgeführt werden. Entscheidend sei, dass die ausgeführten Arbeiten speziell forstwirtschaftlichen Charakter haben. Zu unterstellen sei, dass der Kläger als Auftragnehmer nicht in abhängiger Eigenschaft, sondern in seiner Stellung als freiberuflicher Forstgutachter tätig geworden sei. Dabei beziehe sich seine Berufsausübung im Wesentlichen auf Waldbewertung, Forsteinrichtungen und Forstvermessung, Waldflurbereinigung, Jagdwertermittlung usw. Dies seien Tätigkeiten für forstwirtschaftliche Lohnunternehmen, für welche zutreffend Mitgliedschaft und Beitragspflicht in der gesetzlichen landwirtschaftlichen Unfallversicherung durch die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft festzustellen seien. Nicht erforderlich sei, dass im Rahmen eines solchen Lohnunternehmens Arbeitskräfte gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Auch eine rein geistige Tätigkeit schließe die Annahme und das Vorhandensein eines forstwirtschaftlichen Lohnunternehmens nicht aus.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 27.09.2000 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.1998 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Würzburg vom 27.09.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das SG entschieden, dass der Kläger kein land- und forstwirtschftliches Lohnunternehmen iS der §§ 776 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw 123 Abs 1 Nr 3 SGB VII betreibt. Er unterliegt daher in seiner Tätigkeit als selbstständiger Forstsachverständiger nicht der Mitgliedschaft und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Unterfranken - jetzt land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Franken und Oberbayern -.

Wann ein Unternehmen der landwirdschaftlichen Unfallversicherung unterliegt, ist bis 31.12.1996 in § 776 RVO, ab 01.01.1997 in § 123 SGB VII geregelt. Nach den hier allein in Betracht kommenden und übereinstimmenden §§ 776 Abs 1 Nr 2 RVO und 123 Abs 1 Nr 3 SGB VII umfasst die landwirtschaftliche Unfallversicherung auch die land- und forstwirtschaftlichen Lohnunternehmen. Welche Merkmale ein solches Unternehmen aufweisen muss, damit es als land- bzw forstwirtschaftlich iS dieser Vorschrift gilt, ist dort allerdings nicht näher ausgeführt.

Forstwirtschaftliche Lohnunternehmen sind selbstständige Dienstleistungsunternehmen, die gegen Vergütung (aufgrund eines Werkvertrages oder Vertrages sui generis) ausschließlich oder überwiegend in land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmen forstwirtschaftsspezifische Arbeiten erledigen, die sonst den in diesen Unternehmen Tätigen (Unternehmer oder dessen Beschäftigte) obliegen (Kasseler Kommentar - Ricke - § 123 Rdnr 23; Lauterbach, Unfallversicherung - Stand September 1993 - § 776 RVO Anm 12). Sie müssen also praktisch dieselben Arbeiten verrichten, wie der forstwirtschaftliche Unternehmer selbst (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzl. Unfallversicherung, § 123 Anm 11). Forstwirtschaftliche Lohnunternehmen verrichten danach gewerbsmäßig gegen Entgelt Tätigkeiten, die mit dem Anbau und Abschlag von Holz, der Aufarbeitung von Windbruch- oder Windwurfholz zusammenhängen. Insoweit ist auch das Schlagen, Entrinden, Entasten der Bäume, Schneiden des Holzes, die Ausarbeitung von Windbruch- oder Windwurfholz, Holzrücken, -schleifen sowie das Abfahren von Holz aus dem Wald zum forstwirtschaftlichen Unternehmer bzw Käufer versichert (Bereiter-Hahn aaO Anm 11.2; Boller SV 71/41).

Bei den vom Lohnunternehmen für ein forstwirtschaftliches Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten muss es sich demnach um solche "spezifisch forstwirtschaftlicher Natur" handeln. Es müssen genügend objektive Umstände feststellbar sein, nach denen sich der Gegenstand und Zweck des Unternehmens überwiegend auf spezifisch forstwirtschaftliche Tätigkeiten richtet (vgl BSG vom 19.03.1991 - SozR 3-2200 § 776 RVO Nr 1). Darunter sind Dienstleistungen zu verstehen, die letztlich ausschließlich oder zumindest überwiegend unmittelbar dem forstwirtschaftlichen Produktionsbereich zugute kommen (Hess.LSG vom 20.07.1977, Breithaupt 78, 435).

Die vom Kläger als selbstständiger Forstsachverständiger verrichteten Tätigkeiten stellen keine Arbeiten spezifisch forstwirtschaftlicher Natur dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allein das Tätigwerden eines Unternehmens im Bereich der Forstwirtschaft nichts darüber aussagt, ob die dabei verrichteten Tätigkeiten forstwirtschaftlicher Natur sind (BSG aaO). Das auch ausschließliche Tätigwerden für forstwirtschaftliche Unternehmer allein genügt nicht, wenn die Arbeiten nicht für die Forstwirtschaft typisch sind (KassKomm aaO § 123 Rdnr 23).

Beim Kläger ist herausragend, dass er grundsätzlich keine körperlichen, sondern geistige Tätigkeiten, nämlich Gutachtens- und Beratertätigkeiten schwerpunktmäßig ausübt. Er nimmt im Wesentlichen Forsteinrichtungen, Standorterkundungen (mit Bodenuntersuchung), Waldbewertungen sowohl im Privat- als auch im Kommunalwald wahr. In dem von ihm vorgelegten Vertrag vom 12.12.1996 kommt dies beispielhaft dadurch zum Ausdruck, dass seine wesentliche Tätigkeit im Begehen der betreffenden Waldstücke, Erstellung eines Kartenentwurfs sowie waldbaulicher Beschreibung - mittels gespeicherter EDV-Daten - der ausgeschiedenen Bestände bestand. Die Standorterkundung mit Bodenuntersuchung und Erstellung eines Kartenentwurfs stellen im Wesentlichen Tätigkeiten dar, die nicht dem rein forstwirtschaftlichen, sondern dem geologischen, vermessungstechnischen und kartografischen Tätigkeitsfeld zuzuordnen sind. Für die waldbauliche Beschreibung sind eingehende EDV-Kenntnisse erforderlich. Die Waldbewertung lässt sich ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse nicht sinnvoll wahrnehmen. Diese Tätigkeiten können demnach nicht als rein spezifisch forstwirtschaftlicher Natur angesehen werden.

Darüber hinaus verrichtet der Kläger mit dieser Tätigkeit nicht dieselbe Arbeit wie ein forstwirtschaftlicher Unternehmer. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass er hauptsächlich im Bereich des Privat- bzw Kommunalwaldes, also insbesondere des Körperschaftswaldes, dem auch die im Vertrag vom 12.12.1996 aufgeführte Waldgenossenschaft M. zuzurechnen ist, tätig wird. Nach Art 19 Abs 2 Satz 3 Bayer. Waldgesetz müssen die Forstwirtschaftspläne, die für die Bewirtschaftung des Körperschaftswaldes erforderlich sind, im Einvernehmen mit den Körperschaften von freiberuflich tätigen Sachverständigen im Auftrag der Forstbehörden oder von diesen selbst erstellt werden. Nicht der forstwirtschaftliche Unternehmer, sondern ein freiberuflich tätiger Sachverständiger - wie der Kläger - muss diese Aufgaben wahrnehmen. Der forstwirtschaftliche, insbes. private Unternehmer, ist dazu grundsätzlich nicht in der Lage, so dass es sich eben nicht um Arbeiten spezifisch forstwirtschaftlicher Natur handelt.

Danach ist der Kläger als selbstständiger Forstsachverständiger nicht unter dem Begriff des forstwirtschaftlichen Lohnunternehmens zu subsumieren. Eine ausdehnende Auslegung des Begriffes land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen iS der §§ 776 Abs 1 Nr 2 RVO und 123 Abs 1 Nr 3 SGB VII findet im Gesetz keine Stütze. Zu Recht hat daher das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Das Urteil des SG vom 27.09.2000 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger unterliegt für seine ausgeübte selbstständige Tätigkeit nicht der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Aus denselben Gründen ist seine Berufsausübung auch nicht als forstwirtschaftliches Nebenunternehmen anzusehen.

Die Berufung der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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