Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 109/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 454/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.10.1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Rotatorenmanschettenruptur (RMR) als Folge des Arbeitsunfalls des Klägers vom 23.01.1995 streitig.
Der am 1941 geborene Kläger, der als Staplerfahrer tätig war, stolperte am 23.01.1995 beim Herabgehen von einem dreistufigen Arbeitspodest, stürzte zu Boden, prallte mit der rechten Schulter gegen einen Stapel Holzbohlen sowie den Boden und fiel mit der rechten Hand in ein Stahlband. Er zog sich dabei eine Prellung der rechten Hand und des Handgelenks mit Platzwunde zu (Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr.U.S. , Krankenhaus E. , vom 25.01.1995; ärztliche Unfallmeldung der Allgemeinärztin Dr.A.-M.P. [M.] vom 27.01.1995). Er klagte auch über Schmerzen am rechten Oberarm und der rechten Schulter (Nachschaubericht des Chirurgen Dr.V.R. [M.] vom 24.01.1995). Nach Arthroskopieversuch vom 26.05.1995 erfolgte am 22.06.1995 eine transossäre Rotatorenmanschetten-Fixierung bei der Diagnose eines Impingementsyndroms rechte Schulter (Berichte des Chefarztes der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses M. Dr.F.H. vom 19.05.1995/ 03.07.1995/19.07.1995 über stationäre Behandlungen vom 25.04.1995 bis 05.05.1995/21.06.1995 bis 04.07.1995).
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Berichte des Dr.R. vom 06.02.1995/09.02.1995/22.02.1995/27.03.1995, des Radiologen Dr.R.J. (A.) über einen MR-Versuch vom 26.05.1995, einen Bericht des PD Dr.M.B. (Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F.) vom 01.11.1995 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 09.08.1995 bis 06.09.1995, einen Krankenlistenauszug der AOK Obernburg vom 06.06.1995 sowie einen Bericht ihres Berufshelfers vom 19.10.1995 bei und holte ein Gutachten des Chirurgen Dr.D.S. (Leitender Arzt der Abteilung für Rückenmarkverletzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F.) vom 21.12.1995 ein. Dieser stellte als Unfallfolgen noch eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk sowie anteilig eine endgradige Behinderung des Nacken- und Schürzengriffs nach Stauchung des rechten Schultergelenks mit schmerzbedingter Teileinsteifung fest und bewertete die MdE ab 18.10.1995 mit unter 10 vH. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.1996 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21.02.1997 - die genannten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, eine durch Rotatorenruptur an der rechten Schulter als Folge des Unfalls vom 23.01.1995 eingetretene Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks sowie Belastungsbeschwerden des rechten Armes als Unfallfolge anzuerkennen und mit einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH ab 18.10.1995 zu entschädigen.
Das SG hat die einschlägigen Röntgen- und MR-Aufnahmen des Klägers beigezogen und ein Gutachten des Chirurgen Dr.Ch.H. (W.) vom 09.04.1998 eingeholt. Dieser hat den Unfall als wenigstens gleichwertige Mitursache für die RMR angesehen, eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks sowie Belastungsbeschwerden des rechten Arms hierauf zurückgeführt und die MdE ab 18.10.1995 mit 15 vH bewertet.
Das SG hat mit Urteil vom 28.10.1999 die Beklagte zur Anerkennung einer durch RMR an der rechten Schulter eingetretenen Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks und hierdurch verursachter Belastungsbeschwerden des rechten Armes als Unfallfolgen verurteilt, die Klage jedoch im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.H. gestützt und einen Sturz auf die nach vorne ausgestreckte rechte Hand als geeigneten Unfallmechanismus für die Schädigung der Rotatorenmanschette angesehen. Den degenerativen Vorschaden hat es als nicht ausgeprägt genug bezeichnet, die Ursächlichkeit des Sturzes zurückzudrängen. Eine rentenberechtigende MdE hat es nicht angenommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, das Ereignis vom 23.01.1995 habe keine derartige Wirkung auf die rechte Schulter des Klägers ausgeübt, um nach der herrschenden wissenschaftlichen medizinischen Meinung eine RMR zu verursachen. Es hätten bereits vor dem Unfall degenerative Veränderungen an beiden Schultern sowie an der HWS bestanden.
Der Senat hat die einschlägigen Röntgen-, CT- und MR-Aufnahmen, Berichte des Orthopäden Dr.R.J. (M.) vom 08.03.1995/02.10.2000 sowie Unterlagen der Dr.P. beigezogen und ein Gutachten des Orthopäden Dr.V.F. (München) vom 14.03.2001 eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, es könne nicht mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsunfall vom 23.01.1995 die Defektbildung in der Rotatorenmanschette wesentlich mitverursacht habe. So fehle es bereits an einem geeigneten Unfallmechanismus und an den Leitsymptomen einer frischen Durchtrennung der Rotatorenmanschette.
Der Kläger hat eingewandt, entgegen der Auffassung des Dr.F. sei die Bedeutung eines Sturzes auf den ausgestreckten Arm für die Schädigung der Rotatorenmanschette keineswegs unstrittig. Vor dem Unfall habe er jedenfalls keine Probleme mit der rechten Schulter gehabt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.10.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.10.1999 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.01.1995 in Form einer Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks und hierdurch verursachter Belastungsbeschwerden des rechten Armes Verletztenrente zu gewähren. Das Urteil des SG ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, denn seine Erwerbsfähigkeit wird durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.01.1995 nicht um wenigstens 1/5 gemindert (§§ 548, 581 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung RVO).
Anzuwenden ist im vorliegenden Fall noch die RVO, weil sich der Arbeitsunfall vor dem 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden kann, ist, dass zwischen dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl Lauterbach-Watermann, ges.Unfallvers. 3.Aufl Anm 5 zu § 548 RVO). Ein ursächlicher Zusammenhang liegt nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsbegriff nur dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 12, 242, 255 ff; 45, 285, 286; BSG SozR 2200 § 548 Nr 38; Bereiter-Hahn/Schieke/ Mehrtens, Ges.Unfallvers., Stand 1994 Anm 3.4 zu § 548 RVO). Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ist gegeben, wenn beim vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Dies ist der Fall, wenn nach der geltenden ärztlich wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG vom 31.07.1962 in Breithaupt 1963, 60,61). Dies ist im Hinblick auf die als Unfallfolge geltend gemachten Folgeerscheinungen einer RMR zu verneinen.
Der Senat folgt im Ergebnis der Beurteilung des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr.V.F. und ist davon überzeugt, dass das Unfallereignis vom 21.01.1995 nicht geeignet war, die RMR beim Kläger herbeizuführen. Nur Bewegungen im Schultergelenk mit Zugbelastung der Rotatorenmanschette können sie zerreißen, wobei in erster Linie Rotationsbewegungen sowie Abspreizbewegungen in Betracht kommen. Geeignete Unfallmechanismen sind damit passive ruckartige und plötzliche Krafteinwirkungen, massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes sowie starke Zugbelastung bei gewaltsamer Rotation (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Aufl. S 474). Derartige Mechanismen sind bei dem Sturz des Klägers nicht aufgetreten. Nach seinen im Wesentlichen gleichlautenden Schilderungen im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren war er gestolpert oder ausgeglitten und nach vorne gefallen. Den rechten Arm hatte er nach vorne gestreckt, mit der rechten Hand fiel er in ein Stahlband und prellte sich die rechte Schulter. Der Sturz in das Stahlband führte zu einer Verletzung der rechten Hand und der Arm konnte verletzungsbedingt nicht mehr zum vollen Abstützen verwendet werden. Damit war eine axiale Stauchung mit extremer rückwärtiger Hebung, wie sie Dr.H. unterstellt hatte und wie sie das SG in seiner Entscheidung angenommen hatte, ausgeschlossen. Die anschließende Prellung der Schulter beim Sturz auf einen Holzstapel und auf den Boden ist ebenfalls nicht als geeigneter Mechanismus anzusehen, weil die Rotatorenmanschette durch Schulterhöhe (Akromion) und Deltamuskel gut geschützt ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, S 473).
Gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs spricht ferner, dass beim Kläger im Unfallzeitpunkt bereits degenerative Veränderungen des Schultergelenks vorgelegen hatten, wie die Röntgenaufnahme vom Tag nach dem Unfall beweist. Dort zeigen sich verdichtete Gelenkflächen, die etwas aufgeraut sind, das tuberculum majus ist sklerotisiert. Auch die MRT-Aufnahme vom 26.05.1995 bildet Zeichen einer längerbestehenden chronischen degenerativen Vorschädigung ab. Dort sind zu sehen eine Verfettung im Muskel selbst, eine deutliche Arthrose im acromio-clavicular-gelenk, das sich deutlich vergrößert vorwölbt, sowie ein Knochenödem im Ansatz am tuberculum majus. Hinzu kommt, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt einer Altersgruppe angehörte, bei der Defekte der Rotatorenmanschette häufig auftreten. Die Rotatorenmanschette unterliegt in hohem Maße der Degeneration, die ab dem 3. Lebensjahrzeht beginnt. Untersuchungen im Rahmen von Sektionen haben Defekte bei 25 % der über 40-Jährigen und bei 75 % der über 50-Jährigen ergeben. Diese Defekte verlaufen regelmäß9g klinisch stumm, bis sie sich irgendwann bemerkbar machen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, S 472 f). Fehlende Beschwerden im Schulterbereich, wie sie der Kläger geltend macht, können damit die Vorschädigung des Schultergelenks nicht widerlegen.
Schließlich ist auch der Verlauf der Beschwerdesymptomatik nach dem Unfall zu beachten. Weder der Durchgangsarztbericht noch die Nachschauberichte der folgenden Wochen dokumentieren die für eine RMR typischen Erscheinungen eines drop-arms oder einer Pseudoparalyse. Dementsprechend bezog sich die Erstbehandlung gar nicht auf die Schulter, sondern auf die rechte Hand, die Behandlung der Schulter am Folgetag erschöpfte sich in einem Salbenverband. Am 09.02.1995 konnte der rechte Arm auf 60° angehoben werden. Das Fehlen aber der Leitsymptome und die Diagnose einer RMR erst vier Monate nach dem Arbeitsunfall ist ein weiteres Argument gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden.
Der Kläger hat somit nach Auffassung des Senats durch den Unfall eine Prellung des rechten Handgelenks und der rechten Hand mit Platzwunde erlitten sowie eine Prellung des rechten Schultergelenks, nicht aber eine RMR. Ein rentenberechtigende MdE ist nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit nicht begründbar.
Nicht folgen kann der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Dr.H. , denn er geht bei seinen Überlegungen von einem ungeeigneten Unfallmechanismus aus und wertet die nachgewiesenen Vorschädigungen des Schultergelenks unzutreffend, indem er auf das Fehlen klinischer Ausfälle vor dem Unfall abstellt und damit die oben dargelegten medizinischen Erfahrungswerte, die auf konkreten Sektionsuntersuchungen beruhen, außer Betracht lässt.
Da der Sachverhalt aufgeklärt ist, besteht kein Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens gem § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist verspätet. Das Gericht kann gem § 109 Abs 2 SGG einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Erkennt ein Beteiligter, dass die Beweiserhebung durch das Gericht abgeschlossen ist, geht ihm zB das von Amts wegen eingeholte Gutachten zu, muss er innerhalb angemessener Frist Antrag nach § 109 SGG stellen. Eine Frist von sechs Wochen ist zu lang (Meyer-Ladewig, Komm zum SGG § 109 Anm 8 a). Das Gutachten des Dr.F. vom 14.03.2001 wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 27.03.2001 zugesandt mit der Aufforderung zur Stellungnahme bis zum 27.04.2001. Mit Schriftsatz vom 15.05.2001 behielt sich der Kläger vor, nach Anhörung der Sachverständigen Dres.F. und H. einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen. Obwohl aus der Ladung zum Termin vom 12.07.2001 erkennbar war, dass die Sachverständigen nicht zum Termin geladen waren, hat der Kläger erst im Termin zur mündlichen Verhandlung hilfsweise einen Antrag nach § 109 SGG gestellt ohne einen Arzt zu benennen. Damit ist der Antrag ist somit verspätet, weil erkennbar war, dass die Beweiserhebung durch das Gericht längst abgeschlossen war und nicht innerhalb einer angemessenen Frist ein bestimmter Arzt benannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten war somit das Urteil des SG vom 28.10.1999 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Rotatorenmanschettenruptur (RMR) als Folge des Arbeitsunfalls des Klägers vom 23.01.1995 streitig.
Der am 1941 geborene Kläger, der als Staplerfahrer tätig war, stolperte am 23.01.1995 beim Herabgehen von einem dreistufigen Arbeitspodest, stürzte zu Boden, prallte mit der rechten Schulter gegen einen Stapel Holzbohlen sowie den Boden und fiel mit der rechten Hand in ein Stahlband. Er zog sich dabei eine Prellung der rechten Hand und des Handgelenks mit Platzwunde zu (Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr.U.S. , Krankenhaus E. , vom 25.01.1995; ärztliche Unfallmeldung der Allgemeinärztin Dr.A.-M.P. [M.] vom 27.01.1995). Er klagte auch über Schmerzen am rechten Oberarm und der rechten Schulter (Nachschaubericht des Chirurgen Dr.V.R. [M.] vom 24.01.1995). Nach Arthroskopieversuch vom 26.05.1995 erfolgte am 22.06.1995 eine transossäre Rotatorenmanschetten-Fixierung bei der Diagnose eines Impingementsyndroms rechte Schulter (Berichte des Chefarztes der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses M. Dr.F.H. vom 19.05.1995/ 03.07.1995/19.07.1995 über stationäre Behandlungen vom 25.04.1995 bis 05.05.1995/21.06.1995 bis 04.07.1995).
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Berichte des Dr.R. vom 06.02.1995/09.02.1995/22.02.1995/27.03.1995, des Radiologen Dr.R.J. (A.) über einen MR-Versuch vom 26.05.1995, einen Bericht des PD Dr.M.B. (Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F.) vom 01.11.1995 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 09.08.1995 bis 06.09.1995, einen Krankenlistenauszug der AOK Obernburg vom 06.06.1995 sowie einen Bericht ihres Berufshelfers vom 19.10.1995 bei und holte ein Gutachten des Chirurgen Dr.D.S. (Leitender Arzt der Abteilung für Rückenmarkverletzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F.) vom 21.12.1995 ein. Dieser stellte als Unfallfolgen noch eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk sowie anteilig eine endgradige Behinderung des Nacken- und Schürzengriffs nach Stauchung des rechten Schultergelenks mit schmerzbedingter Teileinsteifung fest und bewertete die MdE ab 18.10.1995 mit unter 10 vH. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.1996 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21.02.1997 - die genannten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, eine durch Rotatorenruptur an der rechten Schulter als Folge des Unfalls vom 23.01.1995 eingetretene Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks sowie Belastungsbeschwerden des rechten Armes als Unfallfolge anzuerkennen und mit einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH ab 18.10.1995 zu entschädigen.
Das SG hat die einschlägigen Röntgen- und MR-Aufnahmen des Klägers beigezogen und ein Gutachten des Chirurgen Dr.Ch.H. (W.) vom 09.04.1998 eingeholt. Dieser hat den Unfall als wenigstens gleichwertige Mitursache für die RMR angesehen, eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks sowie Belastungsbeschwerden des rechten Arms hierauf zurückgeführt und die MdE ab 18.10.1995 mit 15 vH bewertet.
Das SG hat mit Urteil vom 28.10.1999 die Beklagte zur Anerkennung einer durch RMR an der rechten Schulter eingetretenen Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks und hierdurch verursachter Belastungsbeschwerden des rechten Armes als Unfallfolgen verurteilt, die Klage jedoch im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.H. gestützt und einen Sturz auf die nach vorne ausgestreckte rechte Hand als geeigneten Unfallmechanismus für die Schädigung der Rotatorenmanschette angesehen. Den degenerativen Vorschaden hat es als nicht ausgeprägt genug bezeichnet, die Ursächlichkeit des Sturzes zurückzudrängen. Eine rentenberechtigende MdE hat es nicht angenommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, das Ereignis vom 23.01.1995 habe keine derartige Wirkung auf die rechte Schulter des Klägers ausgeübt, um nach der herrschenden wissenschaftlichen medizinischen Meinung eine RMR zu verursachen. Es hätten bereits vor dem Unfall degenerative Veränderungen an beiden Schultern sowie an der HWS bestanden.
Der Senat hat die einschlägigen Röntgen-, CT- und MR-Aufnahmen, Berichte des Orthopäden Dr.R.J. (M.) vom 08.03.1995/02.10.2000 sowie Unterlagen der Dr.P. beigezogen und ein Gutachten des Orthopäden Dr.V.F. (München) vom 14.03.2001 eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, es könne nicht mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsunfall vom 23.01.1995 die Defektbildung in der Rotatorenmanschette wesentlich mitverursacht habe. So fehle es bereits an einem geeigneten Unfallmechanismus und an den Leitsymptomen einer frischen Durchtrennung der Rotatorenmanschette.
Der Kläger hat eingewandt, entgegen der Auffassung des Dr.F. sei die Bedeutung eines Sturzes auf den ausgestreckten Arm für die Schädigung der Rotatorenmanschette keineswegs unstrittig. Vor dem Unfall habe er jedenfalls keine Probleme mit der rechten Schulter gehabt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.10.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.10.1999 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.01.1995 in Form einer Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks und hierdurch verursachter Belastungsbeschwerden des rechten Armes Verletztenrente zu gewähren. Das Urteil des SG ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, denn seine Erwerbsfähigkeit wird durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.01.1995 nicht um wenigstens 1/5 gemindert (§§ 548, 581 Abs 1 Nr 2 Reichsversicherungsordnung RVO).
Anzuwenden ist im vorliegenden Fall noch die RVO, weil sich der Arbeitsunfall vor dem 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden kann, ist, dass zwischen dem Unfall und der Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl Lauterbach-Watermann, ges.Unfallvers. 3.Aufl Anm 5 zu § 548 RVO). Ein ursächlicher Zusammenhang liegt nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsbegriff nur dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 12, 242, 255 ff; 45, 285, 286; BSG SozR 2200 § 548 Nr 38; Bereiter-Hahn/Schieke/ Mehrtens, Ges.Unfallvers., Stand 1994 Anm 3.4 zu § 548 RVO). Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ist gegeben, wenn beim vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Dies ist der Fall, wenn nach der geltenden ärztlich wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG vom 31.07.1962 in Breithaupt 1963, 60,61). Dies ist im Hinblick auf die als Unfallfolge geltend gemachten Folgeerscheinungen einer RMR zu verneinen.
Der Senat folgt im Ergebnis der Beurteilung des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr.V.F. und ist davon überzeugt, dass das Unfallereignis vom 21.01.1995 nicht geeignet war, die RMR beim Kläger herbeizuführen. Nur Bewegungen im Schultergelenk mit Zugbelastung der Rotatorenmanschette können sie zerreißen, wobei in erster Linie Rotationsbewegungen sowie Abspreizbewegungen in Betracht kommen. Geeignete Unfallmechanismen sind damit passive ruckartige und plötzliche Krafteinwirkungen, massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes sowie starke Zugbelastung bei gewaltsamer Rotation (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Aufl. S 474). Derartige Mechanismen sind bei dem Sturz des Klägers nicht aufgetreten. Nach seinen im Wesentlichen gleichlautenden Schilderungen im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren war er gestolpert oder ausgeglitten und nach vorne gefallen. Den rechten Arm hatte er nach vorne gestreckt, mit der rechten Hand fiel er in ein Stahlband und prellte sich die rechte Schulter. Der Sturz in das Stahlband führte zu einer Verletzung der rechten Hand und der Arm konnte verletzungsbedingt nicht mehr zum vollen Abstützen verwendet werden. Damit war eine axiale Stauchung mit extremer rückwärtiger Hebung, wie sie Dr.H. unterstellt hatte und wie sie das SG in seiner Entscheidung angenommen hatte, ausgeschlossen. Die anschließende Prellung der Schulter beim Sturz auf einen Holzstapel und auf den Boden ist ebenfalls nicht als geeigneter Mechanismus anzusehen, weil die Rotatorenmanschette durch Schulterhöhe (Akromion) und Deltamuskel gut geschützt ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, S 473).
Gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs spricht ferner, dass beim Kläger im Unfallzeitpunkt bereits degenerative Veränderungen des Schultergelenks vorgelegen hatten, wie die Röntgenaufnahme vom Tag nach dem Unfall beweist. Dort zeigen sich verdichtete Gelenkflächen, die etwas aufgeraut sind, das tuberculum majus ist sklerotisiert. Auch die MRT-Aufnahme vom 26.05.1995 bildet Zeichen einer längerbestehenden chronischen degenerativen Vorschädigung ab. Dort sind zu sehen eine Verfettung im Muskel selbst, eine deutliche Arthrose im acromio-clavicular-gelenk, das sich deutlich vergrößert vorwölbt, sowie ein Knochenödem im Ansatz am tuberculum majus. Hinzu kommt, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt einer Altersgruppe angehörte, bei der Defekte der Rotatorenmanschette häufig auftreten. Die Rotatorenmanschette unterliegt in hohem Maße der Degeneration, die ab dem 3. Lebensjahrzeht beginnt. Untersuchungen im Rahmen von Sektionen haben Defekte bei 25 % der über 40-Jährigen und bei 75 % der über 50-Jährigen ergeben. Diese Defekte verlaufen regelmäß9g klinisch stumm, bis sie sich irgendwann bemerkbar machen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, S 472 f). Fehlende Beschwerden im Schulterbereich, wie sie der Kläger geltend macht, können damit die Vorschädigung des Schultergelenks nicht widerlegen.
Schließlich ist auch der Verlauf der Beschwerdesymptomatik nach dem Unfall zu beachten. Weder der Durchgangsarztbericht noch die Nachschauberichte der folgenden Wochen dokumentieren die für eine RMR typischen Erscheinungen eines drop-arms oder einer Pseudoparalyse. Dementsprechend bezog sich die Erstbehandlung gar nicht auf die Schulter, sondern auf die rechte Hand, die Behandlung der Schulter am Folgetag erschöpfte sich in einem Salbenverband. Am 09.02.1995 konnte der rechte Arm auf 60° angehoben werden. Das Fehlen aber der Leitsymptome und die Diagnose einer RMR erst vier Monate nach dem Arbeitsunfall ist ein weiteres Argument gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden.
Der Kläger hat somit nach Auffassung des Senats durch den Unfall eine Prellung des rechten Handgelenks und der rechten Hand mit Platzwunde erlitten sowie eine Prellung des rechten Schultergelenks, nicht aber eine RMR. Ein rentenberechtigende MdE ist nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit nicht begründbar.
Nicht folgen kann der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Dr.H. , denn er geht bei seinen Überlegungen von einem ungeeigneten Unfallmechanismus aus und wertet die nachgewiesenen Vorschädigungen des Schultergelenks unzutreffend, indem er auf das Fehlen klinischer Ausfälle vor dem Unfall abstellt und damit die oben dargelegten medizinischen Erfahrungswerte, die auf konkreten Sektionsuntersuchungen beruhen, außer Betracht lässt.
Da der Sachverhalt aufgeklärt ist, besteht kein Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens gem § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist verspätet. Das Gericht kann gem § 109 Abs 2 SGG einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Erkennt ein Beteiligter, dass die Beweiserhebung durch das Gericht abgeschlossen ist, geht ihm zB das von Amts wegen eingeholte Gutachten zu, muss er innerhalb angemessener Frist Antrag nach § 109 SGG stellen. Eine Frist von sechs Wochen ist zu lang (Meyer-Ladewig, Komm zum SGG § 109 Anm 8 a). Das Gutachten des Dr.F. vom 14.03.2001 wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 27.03.2001 zugesandt mit der Aufforderung zur Stellungnahme bis zum 27.04.2001. Mit Schriftsatz vom 15.05.2001 behielt sich der Kläger vor, nach Anhörung der Sachverständigen Dres.F. und H. einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen. Obwohl aus der Ladung zum Termin vom 12.07.2001 erkennbar war, dass die Sachverständigen nicht zum Termin geladen waren, hat der Kläger erst im Termin zur mündlichen Verhandlung hilfsweise einen Antrag nach § 109 SGG gestellt ohne einen Arzt zu benennen. Damit ist der Antrag ist somit verspätet, weil erkennbar war, dass die Beweiserhebung durch das Gericht längst abgeschlossen war und nicht innerhalb einer angemessenen Frist ein bestimmter Arzt benannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten war somit das Urteil des SG vom 28.10.1999 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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