Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 U 446/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 485/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23. November 1999 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1997 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Wirbelsäulenleidens der Klägerin als Berufskrankheit (BK) streitig.
Die am 1961 geborene Klägerin befand sich ab 01.10.1980 in einer dreijährigen praktisch-theoretischen Krankenpflegeausbildung. Ab 01.10.1983 war sie bis 30.09.1984 als Krankenschwester tätig. Anschließend nahm sie an einem Fortbildungsjahr (Studienjahr) teil. Dieses gliederte sich in drei theoretische Lehrgänge von acht, sechs und neun Tagen und dem praktischen Einsatz als Krankenschwester in einem Krankenhaus. Vom 01.10.1985 bis zur Aufgabe ihres Berufs im Februar 1994 war die Klägerin auf der Wachstation eines Münchner Krankenhauses eingesetzt. Anschließend bildete sie sich zur Pflegedienstleitung/ Unterrichtsschwester fort. Am 30.10.1995 zeigte das Städt. Krankenhaus M. und am 15.11.1995 die Chirurgin Dr.R.N. (M.) bei der Beklagten das Vorliegen einer BK der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin an. Beschwerden bestünden seit 1992.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Krankenlistenauszüge der Allgemeinen Ortskrankenkassen München und Berlin vom 22.09.1994/24.10.1994, Befundberichte des Orthopäden Dr.E.S. (M.) vom 02.12.1993/24.01.1990/ 26.01.1990/30.08.1993, des Radiologen Dr.W.B. (M.) über ein CT vom 05.02.1990, des Radiologen Dr.Th.M. (M.) vom 07.02.1994, Auskünfte des Städt. Krankenhauses M. vom 18.10.1994 und des Evang. Diakonievereins e.V. (Berlin) vom 26.10.1994, ein Gesundheitszeugnis der Chirurgin Dr.P. (M.) vom 18.11.1993 und ein für das Arbeitsamt München erstattetes Gutachten der Dr.v.M. vom 13.10.1993 bei und lehnte mit Bescheid vom 03.04.1995 die Anerkennung einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und deren Entschädigung ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren zog die Beklagte eine Stellungnahme ihres Techn. Aufsichtsdienstes (TAD) über den Umfang der Hebe- und Tragetätigkeit der Klägerin vom 04.10.1996, eine Stellungnahme der Frau Dr.N. vom 18.05.1995 und eine Stellungnahme des Dr.K.V. (Gewerbeaufsichtsamt München) vom 04.11.1996 bei und holte ein Gutachten des Orthopäden Dr.W.K. (M.) vom 27.02.1997 ein. Dr.K. nahm eine wirbelsäulengefährdende Exposition der Klägerin von sechs Jahren an und machte für die Entstehung des Krankheitsbildes eine innere Ursache verantwortlich. Er wies auf eine Fehlstatik des Rumpfes als konkurrierende Schadensanlage hin und maß dem Anlageschaden die alleinige Bedeutung für das Krankheitsbild zu. Der Gewerbearzt Dr.V. teilte in seiner Stellungnahme vom 03.04.1997 die Auffassung des Sachverständigen Dr.K ...
Mit Bescheid vom 06.05.1997 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 09.12.1997 - lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung des Wirbelsäulenleidens der Klägerin als BK erneut ab.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 06.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen hat das SG ein Gutachten des Orthopäden Dr.R.N. (Z.) vom 19.06.1998/03.11.1998 eingeholt. Dieser hat die arbeitstechnischen Voraussetzungen, insbesondere eine berufliche Exposition von mindestens zehn Jahren, für gegeben angesehen und keine anlagebedingten Veränderungen iS einer konkurrierenden Schadensanlage festgestellt. Die MdE bewertete er ab 01.07.1993 - dem Beginn der bandscheibenbedingten Beschwerden mit Ausstrahlung in das linke Bein - mit 10 vH. Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Dr.K. vom 19.08.1998 vorgelegt, der die Auffassung vertrat, dass von einem einzigen Befund an der LWS, der nie ein schweres lumbales Wurzelreizbild oder eine neurologische Symptomatik verursacht habe, nicht auf eine BK geschlossen werden könne. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Schwesternschaft des Evang. Diakonievereins Berlin vom 15.10.1998 sowie einen Entlassungsbericht des Dr.K.S. (W. -Reha-Klinik B.) über den stationären Aufenthalt vom 04.05.1999 bis 01.06.1999 vor.
Das SG hat mit Urteil vom 23.11.1999 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1997 verurteilt, bei der Klägerin eine BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. In den Urteilsgründen ist es vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen und einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ausgegangen. Es hat festgestellt, bei der Klägerin spreche mehr für als gegen eine berufliche Verursachung der Bandscheibenschäden, da die Veränderungen auf eine spezifische Belastungseinwirkung ursächlich zurückzuführen seien.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, bereits nach ca sechsjähriger Tätigkeit als Krankenschwester sei bei der Klägerin im Januar 1990 ein LWS-Syndrom diagnostiziert worden. Zwischen dem Auftreten der Beschwerden und der Aufnahme der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit sei jedoch eine Latenzzeit von mindestens zehn Jahren zu fordern. Im Übrigen könne eine Pflegetätigkeit nicht generell als schädigend iSd Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV angesehen werden. Schweres Heben oder Tragen falle nach der Stellungnahme des TAD vom 04.10.1996 nur bei Patienten an, die überwiegend der Pflegestufe A 3 der Pflegepersonalregelung (PPR) zugeordnet seien. Während der Ausbildung sowie bei der Tätigkeit auf der Inneren Station vom 01.10.1983 bis 30.09.1984 habe eine regelmäßige und häufige Wirbelsäulenbelastung nicht vorgelegen. Die zu fordernde Expositionszeit von mindestens zehn Jahren werde somit unterschritten. Von einer extremen Belastung, die ggf zu einer Verkürzung des Zehnjahreszeitraumes führe, könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Es lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als BK vor.
Der Senat hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen ein Gutachten des Orthopäden Dr.V.F. (M.) vom 15.11.2000 eingeholt. Dr.F. hat eine bandscheibenbedingte Erkrankung bei der Klägerin mangels neurologischer Ausfallserscheinungen nicht verifizieren können. Auch hat er keine Übereinstimmung zwischen der Lokalisation der Wirbelsäulenveränderungen und der beruflichen Einwirkung gesehen und auf Veränderungen im Bereich beruflich nicht exponierter Wirbelsäulenabschnitte sowie auf konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten hingewiesen und die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK verneint.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 23.11.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 23.11.1999 zurückzuweisen.
In Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Nürnberg und die Rehabilitationsakte der BfA hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des SG keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK, da bei ihr die Voraussetzungen des § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen.
Anzuwenden sind hier noch die Vorschriften der RVO, da die behauptete BK vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten wäre (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bezeichnet und die sich ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat. Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV sind eine LWS-belastende berufliche Tätigkeit in Form langjährigen Hebens und Tragens schwerer Lasten oder in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen), ferner eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS (medizinische Voraussetzung), die zur Aufgabe der belastenden Tätigkeit geführt hat. Schließlich muss iSd unfallrechtlichen Kausalitätslehre ein mit Wahrscheinlichkeit zu bejahender ursächlicher Zusammenhang zwischen der belastenden beruflichen Tätigkeit und der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS bestehen (vgl BSG vom 18.11.1997 - 3 RU 58/96; Brackmann-Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, § 9 SGB VII, Rdnrn 21 ff; Ricke, Kasseler Kommentar, § 9 SGB VII, Rdnr 11).
Nach Auffassung des Senats kann es dahingestellt bleiben, ob bei der Klägerin die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV erfüllt sind. Bei ihr liegen nämlich bereits die medizinischen Voraussetzungen nicht vor.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung in dem genannten Sinn setzt nicht nur das Vorliegen eines Bandscheibenschadens voraus, sondern es muss auch die klinische Relevanz des Schadens gesichert sein (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 S 21). Nach dem überzeugenden Gutachten des Dr.F. vom 15.11.2000 belegen die medizinischen Befunde keine klinisch relevante Erkrankung der LWS. Die Einengung der letzten Lendenbandscheibe (L 5/S 1) ist wenig gravierend. Es liegen keine reaktiven Veränderungen an den Deck- und Grundplatten und auch keine Randspornbildungen vor. Die Zuordnung eines entsprechenden klinischen Korrelats gelingt somit nicht. Sensibilitätsausfälle, Kraftminderung, Reflexdifferenzen, positiver Nervendehnschmerz, Caudasyndrom mit Blasen- und Darmentleerungsstörungen liegen nicht vor. Sämtliche ärztlichen Berichte ergeben, dass die Neurologie völlig unauffällig ist und zu keinem Zeitpunkt eine neurologische Untersuchung veranlasst wurde. Auch Dr.F. konnte eine eindeutige neurologische Symptomatik nicht nachweisen. Die leichte Einengung der präsakralen Bandscheibe ohne Wurzelreizsymptomatik entspricht daher nicht der Definition der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, wie sie im Merkblatt des BMA vom 01.03.1993 (BArBl 1993, H 3, S 50) gefordert wird. Es fehlt an einem chronisch oder chronisch rezidivierenden Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Auflage, S 530; LSG Baden-Württemberg vom 29.01.1998 - NZS 1999, 93).
Selbst wenn man vom Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung ausgehen könnte, wäre eine Anerkennung der BK auch deshalb nicht möglich, weil die übrigen Voraussetzungen für eine beruflich bedingte Verursachung des Bandscheibenschadens an der LWS nicht gegeben sind.
Bei der Klägerin korreliert nämlich die Lokalisation der LWS-Veränderung nicht mit der beruflichen Einwirkung. Es ist insbesondere kein belastungstypisches Schadensbild mit von unten nach oben abnehmenden Schäden, sondern - da ausschließlich das unterste Segment der LWS betroffen ist - eine sog monosegmentale Schädigung bei L 5/S 1 vorhanden, der Bereich der Wirbelsäule, in dem sich nach Dr.F. über 90 % aller Bandscheibenschäden auch ohne jegliche exogene Einwirkung manifestieren. Monosegmentale Veränderungen des unteren Bewegungssegments der LWS sind daher eher als schicksalhaft, also nicht berufsbedingt anzusehen (P.-M.Hax in: G.Hierholzer, T.Kunze, D.Peters [Herausgeber], 13.Gutachtenskolloquium S 151). Zwar ist die Frage, ob ein sog monosegmentaler Bandscheibenschaden im Bereich der unteren LWS als Folge einer beruflichen Einwirkung iSd Nr 2108 in Betracht kommt, umstritten. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang aber, dass bei der Klägerin sowohl die HWS als auch die BWS von Verschleißschäden betroffen sind und zwar - nach den Feststellungen des Dr.F. - mehr als die LWS selbst. So bestehen an der HWS ausgeprägte Verschleißerscheinungen der Bandscheiben HWK 4/5, 5/6 und eine deutliche kyphotische Fehlhaltung, Randspornbildungen zwischen C 5 und C 6 und teilweise entrundete Processus uncinati. Die BWS ist von Randspornbildungen, Verschleißerscheinungen an den Costotransversalgelenken und einem Bandscheibenverschleiß im Scheitelpunkt der Kyphose betroffen. Damit entspricht das Schadensbild nicht der beruflichen Belastung. Eine fehlende Belastungskonformität spricht aber gegen eine wesentliche Mitursächlichkeit der äußeren Einwirkung (Mehrtens/Perlebach aaO S 27).
Einer berufsbdingten Erkrankung der LWS stehen auch konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten entgegen. Dr.F. erwähnt die bei der Klägerin bekannten Fettstoffwechselstörungen (Bericht der Internisten Dres G.W. , H.T. [M.] vom 07/08.12.1993), die eine Ursache für die Entstehung von Bandscheibenschäden darstellen, und eine Schwäche des mesenchymalen Bindegewebes (deutliche Überstreckbarkeit der Ellenbogengelenke und abnorm frei bewegliche Handgelenke).
Der Feststellung des Dr.N. , bei der Klägerin bestehe an der Wirbelsäule ein weitehend altersentsprechender Befund, schloss sich der Senat schon deshalb nicht an, weil die Bandscheibenschäden an der HWS, die kyphotische Fehlhaltung dieses Wirbelsäulenabschnitts und ein Bandscheibenvorfall keine altersspezifischen Erkrankungen darstellen. Seine Auffassung, für die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung bedürfe es nicht des Nachweises neurologischer Ausfälle, geht fehl. Auch setzte er sich in seinem Gutachten nicht mit der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS auseinander und zog die entsprechende Standardliteratur (zB Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO; Mehrtens/Perlebach aaO) nicht bei.
Entgegen der Auffassung des SG Nürnberg ist somit im Ergebnis keine Erkrankung iSd Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV nachgewiesen. Wenn ein den geltend gemachten Anspruch begründender Umstand nicht festgestellt werden kann, so hat derjenige Beteiligte, der aus bestimmten Tatsachen ein Recht herleiten will, die Folgen zu tragen (BSGE 6, 7 ff).
Das Urteil des SG Nürnberg vom 23.11.1999 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Wirbelsäulenleidens der Klägerin als Berufskrankheit (BK) streitig.
Die am 1961 geborene Klägerin befand sich ab 01.10.1980 in einer dreijährigen praktisch-theoretischen Krankenpflegeausbildung. Ab 01.10.1983 war sie bis 30.09.1984 als Krankenschwester tätig. Anschließend nahm sie an einem Fortbildungsjahr (Studienjahr) teil. Dieses gliederte sich in drei theoretische Lehrgänge von acht, sechs und neun Tagen und dem praktischen Einsatz als Krankenschwester in einem Krankenhaus. Vom 01.10.1985 bis zur Aufgabe ihres Berufs im Februar 1994 war die Klägerin auf der Wachstation eines Münchner Krankenhauses eingesetzt. Anschließend bildete sie sich zur Pflegedienstleitung/ Unterrichtsschwester fort. Am 30.10.1995 zeigte das Städt. Krankenhaus M. und am 15.11.1995 die Chirurgin Dr.R.N. (M.) bei der Beklagten das Vorliegen einer BK der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin an. Beschwerden bestünden seit 1992.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Krankenlistenauszüge der Allgemeinen Ortskrankenkassen München und Berlin vom 22.09.1994/24.10.1994, Befundberichte des Orthopäden Dr.E.S. (M.) vom 02.12.1993/24.01.1990/ 26.01.1990/30.08.1993, des Radiologen Dr.W.B. (M.) über ein CT vom 05.02.1990, des Radiologen Dr.Th.M. (M.) vom 07.02.1994, Auskünfte des Städt. Krankenhauses M. vom 18.10.1994 und des Evang. Diakonievereins e.V. (Berlin) vom 26.10.1994, ein Gesundheitszeugnis der Chirurgin Dr.P. (M.) vom 18.11.1993 und ein für das Arbeitsamt München erstattetes Gutachten der Dr.v.M. vom 13.10.1993 bei und lehnte mit Bescheid vom 03.04.1995 die Anerkennung einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und deren Entschädigung ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren zog die Beklagte eine Stellungnahme ihres Techn. Aufsichtsdienstes (TAD) über den Umfang der Hebe- und Tragetätigkeit der Klägerin vom 04.10.1996, eine Stellungnahme der Frau Dr.N. vom 18.05.1995 und eine Stellungnahme des Dr.K.V. (Gewerbeaufsichtsamt München) vom 04.11.1996 bei und holte ein Gutachten des Orthopäden Dr.W.K. (M.) vom 27.02.1997 ein. Dr.K. nahm eine wirbelsäulengefährdende Exposition der Klägerin von sechs Jahren an und machte für die Entstehung des Krankheitsbildes eine innere Ursache verantwortlich. Er wies auf eine Fehlstatik des Rumpfes als konkurrierende Schadensanlage hin und maß dem Anlageschaden die alleinige Bedeutung für das Krankheitsbild zu. Der Gewerbearzt Dr.V. teilte in seiner Stellungnahme vom 03.04.1997 die Auffassung des Sachverständigen Dr.K ...
Mit Bescheid vom 06.05.1997 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 09.12.1997 - lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung des Wirbelsäulenleidens der Klägerin als BK erneut ab.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 06.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen hat das SG ein Gutachten des Orthopäden Dr.R.N. (Z.) vom 19.06.1998/03.11.1998 eingeholt. Dieser hat die arbeitstechnischen Voraussetzungen, insbesondere eine berufliche Exposition von mindestens zehn Jahren, für gegeben angesehen und keine anlagebedingten Veränderungen iS einer konkurrierenden Schadensanlage festgestellt. Die MdE bewertete er ab 01.07.1993 - dem Beginn der bandscheibenbedingten Beschwerden mit Ausstrahlung in das linke Bein - mit 10 vH. Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Dr.K. vom 19.08.1998 vorgelegt, der die Auffassung vertrat, dass von einem einzigen Befund an der LWS, der nie ein schweres lumbales Wurzelreizbild oder eine neurologische Symptomatik verursacht habe, nicht auf eine BK geschlossen werden könne. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Schwesternschaft des Evang. Diakonievereins Berlin vom 15.10.1998 sowie einen Entlassungsbericht des Dr.K.S. (W. -Reha-Klinik B.) über den stationären Aufenthalt vom 04.05.1999 bis 01.06.1999 vor.
Das SG hat mit Urteil vom 23.11.1999 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1997 verurteilt, bei der Klägerin eine BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. In den Urteilsgründen ist es vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen und einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ausgegangen. Es hat festgestellt, bei der Klägerin spreche mehr für als gegen eine berufliche Verursachung der Bandscheibenschäden, da die Veränderungen auf eine spezifische Belastungseinwirkung ursächlich zurückzuführen seien.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, bereits nach ca sechsjähriger Tätigkeit als Krankenschwester sei bei der Klägerin im Januar 1990 ein LWS-Syndrom diagnostiziert worden. Zwischen dem Auftreten der Beschwerden und der Aufnahme der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit sei jedoch eine Latenzzeit von mindestens zehn Jahren zu fordern. Im Übrigen könne eine Pflegetätigkeit nicht generell als schädigend iSd Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV angesehen werden. Schweres Heben oder Tragen falle nach der Stellungnahme des TAD vom 04.10.1996 nur bei Patienten an, die überwiegend der Pflegestufe A 3 der Pflegepersonalregelung (PPR) zugeordnet seien. Während der Ausbildung sowie bei der Tätigkeit auf der Inneren Station vom 01.10.1983 bis 30.09.1984 habe eine regelmäßige und häufige Wirbelsäulenbelastung nicht vorgelegen. Die zu fordernde Expositionszeit von mindestens zehn Jahren werde somit unterschritten. Von einer extremen Belastung, die ggf zu einer Verkürzung des Zehnjahreszeitraumes führe, könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Es lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als BK vor.
Der Senat hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen ein Gutachten des Orthopäden Dr.V.F. (M.) vom 15.11.2000 eingeholt. Dr.F. hat eine bandscheibenbedingte Erkrankung bei der Klägerin mangels neurologischer Ausfallserscheinungen nicht verifizieren können. Auch hat er keine Übereinstimmung zwischen der Lokalisation der Wirbelsäulenveränderungen und der beruflichen Einwirkung gesehen und auf Veränderungen im Bereich beruflich nicht exponierter Wirbelsäulenabschnitte sowie auf konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten hingewiesen und die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK verneint.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 23.11.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 23.11.1999 zurückzuweisen.
In Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Nürnberg und die Rehabilitationsakte der BfA hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des SG keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK, da bei ihr die Voraussetzungen des § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen.
Anzuwenden sind hier noch die Vorschriften der RVO, da die behauptete BK vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten wäre (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bezeichnet und die sich ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat. Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV sind eine LWS-belastende berufliche Tätigkeit in Form langjährigen Hebens und Tragens schwerer Lasten oder in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen), ferner eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS (medizinische Voraussetzung), die zur Aufgabe der belastenden Tätigkeit geführt hat. Schließlich muss iSd unfallrechtlichen Kausalitätslehre ein mit Wahrscheinlichkeit zu bejahender ursächlicher Zusammenhang zwischen der belastenden beruflichen Tätigkeit und der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS bestehen (vgl BSG vom 18.11.1997 - 3 RU 58/96; Brackmann-Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, § 9 SGB VII, Rdnrn 21 ff; Ricke, Kasseler Kommentar, § 9 SGB VII, Rdnr 11).
Nach Auffassung des Senats kann es dahingestellt bleiben, ob bei der Klägerin die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV erfüllt sind. Bei ihr liegen nämlich bereits die medizinischen Voraussetzungen nicht vor.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung in dem genannten Sinn setzt nicht nur das Vorliegen eines Bandscheibenschadens voraus, sondern es muss auch die klinische Relevanz des Schadens gesichert sein (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 S 21). Nach dem überzeugenden Gutachten des Dr.F. vom 15.11.2000 belegen die medizinischen Befunde keine klinisch relevante Erkrankung der LWS. Die Einengung der letzten Lendenbandscheibe (L 5/S 1) ist wenig gravierend. Es liegen keine reaktiven Veränderungen an den Deck- und Grundplatten und auch keine Randspornbildungen vor. Die Zuordnung eines entsprechenden klinischen Korrelats gelingt somit nicht. Sensibilitätsausfälle, Kraftminderung, Reflexdifferenzen, positiver Nervendehnschmerz, Caudasyndrom mit Blasen- und Darmentleerungsstörungen liegen nicht vor. Sämtliche ärztlichen Berichte ergeben, dass die Neurologie völlig unauffällig ist und zu keinem Zeitpunkt eine neurologische Untersuchung veranlasst wurde. Auch Dr.F. konnte eine eindeutige neurologische Symptomatik nicht nachweisen. Die leichte Einengung der präsakralen Bandscheibe ohne Wurzelreizsymptomatik entspricht daher nicht der Definition der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, wie sie im Merkblatt des BMA vom 01.03.1993 (BArBl 1993, H 3, S 50) gefordert wird. Es fehlt an einem chronisch oder chronisch rezidivierenden Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Auflage, S 530; LSG Baden-Württemberg vom 29.01.1998 - NZS 1999, 93).
Selbst wenn man vom Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung ausgehen könnte, wäre eine Anerkennung der BK auch deshalb nicht möglich, weil die übrigen Voraussetzungen für eine beruflich bedingte Verursachung des Bandscheibenschadens an der LWS nicht gegeben sind.
Bei der Klägerin korreliert nämlich die Lokalisation der LWS-Veränderung nicht mit der beruflichen Einwirkung. Es ist insbesondere kein belastungstypisches Schadensbild mit von unten nach oben abnehmenden Schäden, sondern - da ausschließlich das unterste Segment der LWS betroffen ist - eine sog monosegmentale Schädigung bei L 5/S 1 vorhanden, der Bereich der Wirbelsäule, in dem sich nach Dr.F. über 90 % aller Bandscheibenschäden auch ohne jegliche exogene Einwirkung manifestieren. Monosegmentale Veränderungen des unteren Bewegungssegments der LWS sind daher eher als schicksalhaft, also nicht berufsbedingt anzusehen (P.-M.Hax in: G.Hierholzer, T.Kunze, D.Peters [Herausgeber], 13.Gutachtenskolloquium S 151). Zwar ist die Frage, ob ein sog monosegmentaler Bandscheibenschaden im Bereich der unteren LWS als Folge einer beruflichen Einwirkung iSd Nr 2108 in Betracht kommt, umstritten. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang aber, dass bei der Klägerin sowohl die HWS als auch die BWS von Verschleißschäden betroffen sind und zwar - nach den Feststellungen des Dr.F. - mehr als die LWS selbst. So bestehen an der HWS ausgeprägte Verschleißerscheinungen der Bandscheiben HWK 4/5, 5/6 und eine deutliche kyphotische Fehlhaltung, Randspornbildungen zwischen C 5 und C 6 und teilweise entrundete Processus uncinati. Die BWS ist von Randspornbildungen, Verschleißerscheinungen an den Costotransversalgelenken und einem Bandscheibenverschleiß im Scheitelpunkt der Kyphose betroffen. Damit entspricht das Schadensbild nicht der beruflichen Belastung. Eine fehlende Belastungskonformität spricht aber gegen eine wesentliche Mitursächlichkeit der äußeren Einwirkung (Mehrtens/Perlebach aaO S 27).
Einer berufsbdingten Erkrankung der LWS stehen auch konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten entgegen. Dr.F. erwähnt die bei der Klägerin bekannten Fettstoffwechselstörungen (Bericht der Internisten Dres G.W. , H.T. [M.] vom 07/08.12.1993), die eine Ursache für die Entstehung von Bandscheibenschäden darstellen, und eine Schwäche des mesenchymalen Bindegewebes (deutliche Überstreckbarkeit der Ellenbogengelenke und abnorm frei bewegliche Handgelenke).
Der Feststellung des Dr.N. , bei der Klägerin bestehe an der Wirbelsäule ein weitehend altersentsprechender Befund, schloss sich der Senat schon deshalb nicht an, weil die Bandscheibenschäden an der HWS, die kyphotische Fehlhaltung dieses Wirbelsäulenabschnitts und ein Bandscheibenvorfall keine altersspezifischen Erkrankungen darstellen. Seine Auffassung, für die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung bedürfe es nicht des Nachweises neurologischer Ausfälle, geht fehl. Auch setzte er sich in seinem Gutachten nicht mit der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS auseinander und zog die entsprechende Standardliteratur (zB Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO; Mehrtens/Perlebach aaO) nicht bei.
Entgegen der Auffassung des SG Nürnberg ist somit im Ergebnis keine Erkrankung iSd Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV nachgewiesen. Wenn ein den geltend gemachten Anspruch begründender Umstand nicht festgestellt werden kann, so hat derjenige Beteiligte, der aus bestimmten Tatsachen ein Recht herleiten will, die Folgen zu tragen (BSGE 6, 7 ff).
Das Urteil des SG Nürnberg vom 23.11.1999 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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