Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 243/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 50/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1948 geborene und am 05.08.1994 verstorbene Versicherte D. B. beantragte am 24.05.1994 die Anerkennung der bei ihm diagnostizierten Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit.
Bei einem Gespräch mit der Klägerin und dem Versicherten am 17.06.1994 wurde festgestellt, dass der Versicherte zunächst bei der Bundesbahn beschäftigt war, dann ab 16.02.1970 bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 13.10.1993 bei der Firma D. GmbH § Co.KG W. & S. in B ... Nach den Angaben der Klägerin war der Versicherte Raucher. Er habe im Durchschnitt ca. eine Schachtel Zigaretten pro Tag geraucht. Der Versicherte gab an, bei seiner Tätigkeit im Labor von 1970 bis 1980 sei er mit der Herstellung von Gummimischungen beschäftigt gewesen. Von den hierfür erforderlichen Stoffen seien üblicherweise nur kleine Mengen verwendet worden. Er habe jedoch auch häufig die Produktion und insbesondere die Mischerei aufzusuchen gehabt. An der Decke des Labors seien früher Absaugvorrichtungen vorhanden gewesen, jetzt seien diese direkt über den Öfen angebracht. Beim sog. Nachtempern der Gummiringe in den Trockenöfen bei Temperaturen bis zu 240° C sei es zu Ausdünstungen von Gummibestandteilen gekommen. Eine Asbestlöschdecke im Labor sei erst vor kurzem entsorgt worden. Früher seien auch Asbestdichtungen in den Öfen und Untersetzern für Bunsenbrenner vorhanden gewesen. Benzol sei bis ca. 1980 im Labormaßstab hauptsächlich für Kundenspezifikationen verwendet worden.
Der Arbeitgeber gab am 28.06.1994 an, bis ca. 1983 sei Asbest in der Mischerei verwendet worden, Benzol bis ca. 1980. Es sei in Versuchsgefäße ein- und ausgefüllt worden. Die Exposition sei vereinzelt, jeweils minutenlang vorgekommen. Der Versicherte sei starker Raucher und habe in Arbeitspausen und in der Freizeit täglich 40 Zigaretten geraucht.
Die praktische Ärztin Dr.S. erklärte im Attest vom 30.06.1994, der Kläger habe am 15.10.1993 über seit ca. drei Monaten andauernde Schmerzen im rechten Thoraxbereich geklagt. Bei bestehendem Nikotinabusus sei Husten vorbekannt gewesen. Radiologisch sei ein Mediastinaltumor nachgewiesen. Ein Zusammenhang der Erkrankung mit chemischen Stoffen am Arbeitsplatz sei möglich, könne jedoch nicht bewiesen werden, da Nikotinabusus bestanden habe. Aus den Unterlagen des E. Krankenhauses Straubing ergibt sich die Diagnose eines kleinzelligen Bronchial-Ca., das mit Chemotherapie behandelt wurde. Der Versicherte habe seit 27 Jahren 40 Zigaretten am Tag geraucht. Nach wie vor rauche er eine Schachtel pro Tag. Im Schreiben der behandelnden Ärzte vom 16.03.1994 wird darauf hingewiesen, dass der Versicherte noch ca. zehn Zigaretten täglich rauche.
In den Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes vom 11.07.1994 und 21.07.1994 nach Ermittlungen am 06.07. und 15.07.1994, auch in Anwesenheit des Versicherten, wird ausgeführt, die Hauptbeschäftigung des Versicherten habe von 1970 bis 1980 zu 80 % darin bestanden, in einem physikalischen Labor Prüfungen an Gummiprotokörpern durchzuführen. In der übrigen Zeit habe er in einem chemischen Betriebslabor Quellungsprüfungen an Gummiprotokörpern mit Lösemitteln in Heizöfen bei ca. 140° bis 240° C vorgenommen. Die Gummiprotokörper seien nicht im Laboratorium hergestellt worden. Ab 1975 seien zwei Jahre lang Heißvulkanisationen durchgeführt worden. In einigen Gummiprotokörpern sei bis 1983 Asbest enthalten gewesen. Ca. 5 % der Gesamtproduktion habe 14,4 % Asbest enthalten. In den vor 1983 liegenden Jahren sei Asbest im Tonnenmaßstab verarbeitet worden. Der Versicherte habe im Jahr etwa ein bis zwei Stunden insgesamt betriebsbedingt die Mischerei aufgesucht, wenn Asbest verarbeitet worden sei; auch Ruß, Quarz, Cadmium sei den Mischungen zugesetzt worden. Wenn der Versicherte die Mischerei betreten habe, sei er zweifelsohne einer nicht quantifizierbaren Exposition von Schadstoffen ausgesetzt gewesen. Die im chemischen Labor üblicherweise vorhandenen Lösemittel wie Benzol bis 1980, Xylol, Toluol, Isopropanol, Methanol, Aceton, Per- chlorethylen in geschlossenem System, Ethylacetat, Benzine seien in Mengen zwischen 50 bis 500 ml vorhanden gewesen. Sie seien nur in kleinen Mengen und kurzfristig mit Absaugung verwendet worden. Der Laborraum sei zusätzlich mittels Ventilator gelüftet worden. Zeitweise habe der Versicherte aus größeren Gebinden Lösemittel in kleinere Laborflaschen abgefüllt. Für den Zeitraum von 1970 bis 1980 könne keine Schadstoffexposition durch staubförmige Stoffe im physikalischen Laboratorium festgestellt werden. Im chemischen Labor habe Umgang mit Lösemitteln, Klebstoffen, Mineralölen im Labormaßstab bestanden. Beim Aufsuchen der Mischerei, einem Vorgang, der nur kurzzeitig erfolgt sei, habe eine Exposition unterhalb der Grenzwerte für staubförmige Stoffe bestanden. Die vom Versicherten vorgelegte Stoffliste enthalte alle Stoffe, die im Betrieb eingesetzt worden seien, allerdings außer im Gummiprotokörper nicht im Labor. Der Versicherte habe weiter die Aufgabe gehabt, Dichtringe zu bromieren. Dabei habe er sich in einen fensterlosen Raum begeben, um die Gummiartikel in von ihm zuvor angesetztes Bromwasser zu tauchen. Diese Arbeit habe er mehrmals in der Woche verrichtet, wobei er dann etwa fünfmal pro Tag den Raum für etwa zehn Minuten betreten habe. Es sei wahrscheinlich, dass der Versicherte bei allen Tätigkeiten, die er mit Schutzhandschuhen, aber ohne Atemschutz ausgeführt habe, zumindest kurzzeitig Schadstoffexpositionen ausgesetzt gewesen sei, die über den heute gültigen Grenzwerten gelegen hätten. In der benachbarten Gummimischerei habe er täglich rund eine Stunde verbracht, um Rezepturen abzustimmen und bei Problemen zu helfen. Hierbei habe eine Staubbelastung durch die überwiegend in Pulverform vorhandenen Zuschlagstoffe vorgelegen. Neben Ruß hätten auch Asbest und Cadmiumpigmente zu den Rohstoffen gehört, die im Betrieb Verwendung gefunden hätten. 1981 seien etwa 1.000 kg Asbestmehl und etwa 200 kg Cadmiumrot bzw. Cadmiumgelb bezogen worden.
Bei Berechnung der Belastungen ergebe sich eine gesamte kumulative Asbestfaserstaub-Dosis von einem Faserjahr. Dieser Wert, der im Sinne des Versicherten mit hoch geschätzten Belastungen und Aufenthaltsdauern errechnet worden sei, liege deutlich unter der Dosis von 25 Faserjahren. Der Gehalt an PAK im Ruß liege unter 0,1 Gewichts-Prozent und sei nicht frei verfügbar, sondern an der Oberfläche der Kohleteilchen gebunden gewesen. Bis 1983 müsse von einer Exposition gegenüber Cadmiumstaub in geringem Umfang ausgegangen werden. Durch die Installation mehrerer Abzüge 1978/79 dürfte insbesondere die Belastung mit Lösungsmitteln deutlich geringer als zuvor einzustufen sein. Auch die Temperöfen hätten sich jetzt unter Abzugshauben befunden, so dass Vulkanisationsdämpfe ebenfalls in geringerem Umfang freigesetzt worden seien, als dies vorher der Fall gewesen sei. Ab 1986/87 habe der Versicherte den organisatorischen Aufbau einer Qualitätssicherung für die hergestellten Produkte übernommen. Seitdem habe er rund 95 % der Arbeitszeit mit Schreibarbeiten in einem Büro verbracht. Nur noch gelegentlich habe er physikalische und chemische Prüfungen in den Labors kontrolliert, und auch die Besuche in der ab 1985 neu errichteten Mischerei seien rückgängig gewesen. Damit könne für die letzten sechs bis sieben Beschäftigungsjahre eine nur mehr geringe und sporadische Schadstoffbelastung unterstellt werden. Bereits ab 1981 habe keine Benzol-Exposition mehr vorgelegen und seit 1983 keine Belastung durch Asbest und Cadmium mehr. Bei Messungen seien geringe Konzentrationen von verschiedenen Nitrosaminen, sämtlich unter dem gültigen Summengrenzwert, gefunden worden, denen der Versicherte ausgesetzt gewesen sei.
Nach dem Tod des Versicherten am 05.08.1994 führte der Pathologe Dr.M. im Gutachten vom 14.12.1994 unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens des Pathologen Prof.Dr.M. vom 29.11. 1994 aus, Grundleiden sei ein ausgedehnt metastasierendes Bronchialcarcinom gewesen, das beide Lungen sowie mehrere Organe befallen und zum Tode geführt habe. Aufgrund der Obduktion und Ergebnisse der histologischen und staubanalytischen Untersuchung ergäben sich keine Hinweise für eine vermehrte Asbestbelastung der Lungen. Die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Ziffer 4104 der BVK seien nicht erfüllt. Der morphologische Befund erlaube bezüglich der Zusammenhänge zwischen Tumorentstehung und den weiteren in Frage kommenden gesundheitsschädlichen Chemikalien keine Aussage. Der Zusammenhang der kurzfristigen und geringfügigen Exposition gegenüber diesen Stoffen mit der Entstehung des Lungenkrebses erscheine aber im Vergleich mit dem langjährigen Nikotinabusus sehr unwahrscheinlich. Eine Beschleunigung des Todeseintritts durch eine Berufskrankheit könne gleichfalls nicht angenommen werden. Mit dieser Stellungnahme erklärte sich der Gewerbearzt Dr.B. einverstanden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.02.1995 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4104 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Entschädigungsleistungen wie Verletztenrente und Hinterbliebenenleistungen ab.
Mit Widerspruch vom 17.03.1995 verwies die Klägerin auf die verschiedenen Chemikalien, die das Lungencarcinom herbeigeführt oder beeinflusst hätten.
Der Arzt für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Prof.Dr.H. führte im Schreiben vom 26.06.1995 aus, die Anwendung des § 551 Abs.2 RVO sei nicht in Betracht zu ziehen, da die hierfür zu fordernden neuen Erkenntnisse nicht vorlägen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1995 zurück. Eine Entschädigung wie eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs.2 RVO sei im Hinblick auf die Stellungnahme von Prof.Dr.H. nicht veranlasst.
Mit der Klage vom 22.08.1995 hat die Klägerin eingewandt, die Gefährdung durch die schädlichen Chemikalien werde bagatellisiert.
Die Beklagte übersandte Unterlagen bezüglich der PAK-Belastung, in denen ausgeführt wurde, Industrieruße könnten Spuren von PAK enthalten. Diese ließen sich, wenn überhaupt, höchstens durch siedende Lösungsmittel wie Benzol oder Toluol extrahieren. Eventuell an Industrieruß absorbierte PAK seien nicht bioverfügbar.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arbeits- und Sozialmediziner Prof.Dr.N. hat im Gutachten vom 03.09. 1998 erklärt, es bestehe prinzipiell die Möglichkeit des Kontaktes mit einer Vielzahl gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Der Beurteilung durch Prof.Dr.M. , Dr.M. und Prof. Dr.H. sei grundsätzlich zuzustimmen, da nach der Ermittlung des Technischen Aufsichtsdienstes eine kumulative Asbestfaser-Dosis von etwa einem Jahr vorgelegen habe. Diese Dosis liege wesentlich unter der zu fordernden kumulativen Asbestfaser-Dosis von 25 Faserjahren. Außerdem hätten sich bei der feingeweblichen Untersuchung der Lunge keine Hinweise auf das Vorliegen einer Lungenasbestose oder indikativer Pleuraveränderungen ergeben. Die Asbestbelastung könne daher nicht wesentlich zur Verursachung des Krebsleidens beigetragen haben.
Perchlorethylen und Benzol kämen als Ursache des Krebsleidens nicht in Betracht, da ihre krebserzeugende Wirkung nicht auf das Zielorgan Lunge gerichtet sei und außerdem der Umgang nur im Labormaßstab erfolgt sei. Die Cadmiumexposition werde dem Umfang nach als gering bezeichnet. Auch die Exposition gegenüber PAK, das im Ruß enthalten gewesen sei, werde als gering bezeichnet, da der Gehalt unter 0,1 Gewichts-Prozent gelegen habe und die Gefahrstoffe nicht frei verfügbar gewesen seien. Daher sei es nicht möglich, eine ursächliche Bedeutung der beruflichen Exposition im Hinblick auf die Bronchialkrebserkrankung herzuleiten. Anders verhalte es sich mit der Exposition gegenüber Vulkanisationsdämpfen. Der Verdacht, dass dabei in erheblichem Maße krebserzeugende Nitrosamine freigesetzt worden seien, sei zu überprüfen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 09.10.1998 übersandt, in der ausgeführt wird, aus den Jahren 1970 bis 1976, in denen der Versicherte im physikalischen Labor gearbeitet habe, seien keine Meßwerte vorhanden. Eine grobe Abschätzung der Nitrosamin-Belastung könne daher nur durch Vergleich mit einem anderen Betrieb der Gummibranche durchgeführt werden, für den Meßergebnisse vorlägen. Im physikalischen Labor habe während 20 % der Tätigkeit eine Nitrosamin-Belastung bestanden, während des Aufenthaltes in der Mischerei eine höhere Nitrosamin-Belastung. Von 1980 bis 1993 habe nur eine geringe Belastung bei Aufenthalten in der Produktion und Mischerei bestanden. Neuerliche Messungen hätten im August 1998 die jetzt bestehenden Nitrosamin-Werte ergeben. Es sei davon auszugehen, dass die Werte vor 1990 mit Sicherheit höher gewesen seien.
Im Gutachten vom 12.01.1999 hat Prof.Dr.N. daraufhin ausgeführt, die Gefährdung durch krebserzeugende Nitrosamine sei für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren als belegt anzusehen. Sie habe zwar nur einen Teil der täglichen Arbeitszeit betroffen, sei aber relativ hoch einzustufen. Im Schlussbericht einer epidemiologischen Studie an 23.154 Beschäftigten aus fünf Betrieben in der deutschen Gummiindustrie sei eine Wirkungsbeziehung zwischen der Exposition gegenüber Nitrosaminen und Krebserkrankungen der Speiseröhre, der Prostata, der Harnblase, des Gehirns, des zentralen Nervensystems, des Mundes und des Rachens aufgedeckt worden. Die Exposition gegenüber Nitrosamin sei dagegen nicht mit einer erhöhten Sterblichkeit an anderen Krebserkrankungen, insbesondere nicht an Lungenkrebs, assoziiert gewesen. Somit sei nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand wohl eine signifikante Überhäufigkeit von Bronchialkrebserkrankungen bei Beschäftigten in der Gummiindustrie belegt, jedoch keine Beziehung zwischen dieser Krebsart und der vorausgegangenen Exposition gegenüber krebserzeugenden Nitrosaminen. Daher diskutierten die Autoren eine besondere Bedeutung der Asbest-Exposition als Erklärung für die Überhäufigkeit an Bronchialkrebserkrankungen.
Danach bestünden im Fall des Versicherten keine hinreichenden Belege für die Annahme einer beruflich verursachten Krebserkrankung.
Zu berücksichtigen sei aber die schwierig zu beurteilende Gemischproblematik. Zwar werde die Exposition gegenüber PAK als gering bezeichnet, doch sei die Frage, ob die Möglichkeit des Kontaktes zu Steinkohlenteerpech hinreichend berücksichtigt worden sei. Bejahe man eine gefährdende Exposition in Analogie zu den Expositionen in Werken der deutschen Gummiindustrie, so sei die generelle Geeignetheit der einwirkenden Gefahrstoffgemische, Lungenkrebs zu erzeugen, grundsätzlich zu bejahen. Das frühe Erkrankungsalter des Versicherten gebe Anlass zu der Annahme, dass neben dem dokumentierten Nikotinabusus eine zusätzliche exogene Krebsursache von wesentlicher Bedeutung für das Entstehen der Erkrankung gewesen sei. Diese sei im Hinblick auf einzelne einwirkende Gefahrstoffe nicht hinreichend belegt. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um Gefahrstoffgemische gehandelt habe, deren krebserzeugende Potenz nicht aus der Beurteilung von Einzelkomponenten abgeleitet werden könne, dass die krebserzeugende Potenz durch epidemiologische Studien eindeutig belegt sei und dass bei der retrospektiven Expositionsabschätzung die Menge in der Regel eher unter- als überschätzt werde. Daher sei das Vorliegen einer beruflich bedingten Krebserkrankung nach § 9 Abs.2 SGB VII zu bejahen. Es handele sich um eine Erkrankung, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere berufliche Einwirkungen verursacht worden sei, denen bestimmte Personengruppen, unter die der Versicherte falle, durch die Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen seien.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme von Prof.Dr.H. vom 12.02.1999 übersandt. Prof.Dr.H. erklärt, da keiner der gefährdenden Stoffe bei isolierter Betrachtung geeignet sei, die Krebserkrankung verursacht zu haben, stelle sich die Frage nach dem möglichen Zusammenwirken verschiedener krebserzeugender Substanzen. Das Thema "Synkarzinogenese" sei bereits seit längerer Zeit Gegenstand der arbeitsmedizinischen Diskussion. Aus der "Gummistudie" könnten keine Beziehungen zwischen Bronchialcarcinom und der Exposition gegenüber Nitrosaminen abgeleitet werden, wie Prof.Dr.N. selbst zutreffend feststelle. Die Vermutung, dass das Zusammenwirken der einzelnen Gefahrstoffe zu der Entstehung der Krebserkrankung wesentlich beigetragen habe, könne nur spekulativen Charakter haben. In der medizinischen Wissenschaft sei man sich auf jeden Fall darüber einig, dass die Rauchgewohnheiten mit einem erheblichen Bronchialkrebsrisiko verbunden seien. Das relativ frühe Erkrankungsalter des Versicherten mache die berufliche Verursachung nicht hinreichend wahrscheinlich. Bei exzessivem Tabakkonsum sei eine Bronchialkrebserkrankung auch in jüngeren Jahren keine Seltenheit.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.10.1999 hat die Klägerin Unterlagen zu den Stoffen, denen der Versicherte während seiner Tätigkeit ausgesetzt war, übergeben, darunter ein Merkblatt zum Umgang mit Brom und Bromwasser vom 07.09.1987, in dem darauf hingewiesen wird, der MAK-Wert für Brom betrage 0,1 ppm. Die Arbeitszeit des Bromierenden betrage bis zu 16-mal pro Tag jeweils fünf Minuten im Bromierhäuschen. Es müsse versucht werden, den MAK-Wert nicht zu überschreiten. Entsprechende Schritte würden unternommen.
Die Beklagte hat den Schlussbericht zur epidemiologischen Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie von November 1998 übergeben, außerdem ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 06.10.1998, in dem ausgeführt wird, derzeit liege für Lungen-, Kehlkopf- und Magenkrebs kein signifikant erhöhtes Risiko durch Nitrosamine vor, auch für andere Tumorlokalisationen gebe es lediglich Hinweise. Die Thematik werde daher vom Ministerium vorerst nicht weiter verfolgt.
Mit Urteil vom 28.10.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit im Sinne der Nr.4104 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt. Beim Versicherten hätten weder eine Lungenasbestose noch indikative Pleuraveränderungen vorgelegen. Die kumulative Asbestfaser-Dosis habe nur ca. ein Jahr betragen. Xylol, Toluol, Isopropanol, Methanol, Aceton, Ethylacetat und verschiedene Benzine sowie Perchlorethylen und bis 1980 Benzol kämen nach den überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.N. nicht als wesentliche Ursache in Betracht, da bezüglich der als krebserzeugend verdächtigen Stoffe Perchlorethylen und Benzol die krebserzeugende Wirkung nicht auf das Zielorgan Lunge gerichtet sei und die Lösemittel, Klebstoffe und Mineralöle nur im Labormaßstab Anwendung gefunden hätten. Dies gelte auch für die Exposition gegenüber Cadmium-Verbindungen bis 1983 und gegenüber PAK, die nach den Ausführungen des TAD nachgewiesenermaßen nur als gering zu bezeichnen seien, wobei die Gefahrstoffe nicht frei verfügbar gewesen seien. Eine Anerkennung der Erkrankung komme somit auch nicht nach den Nr.1301 bis 1304 der Anlage zur BKV in Betracht.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung gemäß § 551 Abs.2 RVO i.V.m. der Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirates zur Aufnahme der Lungenkrebserkrankung seien im Hinblick auf die Geringfügigkeit dieser Noxe am Arbeitsplatz nicht gegeben. Die am Arbeitsplatz nachzuweisenden Vulkanisationsdämpfe hätten zu einer Belastung durch krebserzeugende Nitrosamine geführt. Nach den Ausführungen in der epidemiologischen Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie sei eine signifikante Überhäufigkeit von Bronchialkrebserkrankungen bei Beschäftigten der Gummiindustrie in Beziehung auf eine vorausgegangene Exposition gegenüber krebserzeugendem Nitrosamin nicht nachgewiesen. Damit sei ein Zusammenhang zwischen der Lungenkrebserkrankung und der Nitrosamin-Belastung mangels Nachweises der generellen Geeignetheit nicht wahrscheinlich zu machen.
Die Anerkennung gemäß § 551 Abs.2 RVO unter Berücksichtigung der Gemischproblematik sei nur dann möglich, wenn nach neuen Erkenntnissen die Voraussetzungen des § 551 Abs.1 RVO erfüllt seien. Im Hinblick auf den Schlussbericht der Gummi-Studie könne die Lungenkrebserkrankung des Versicherten nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Denn bezüglich der synergetischen Wirkungen der Exposition ließen sich auch hieraus keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse entnehmen. Davon gehe offensichtlich auch Prof.Dr.N. aus, der auf diese Studie ausdrücklich nur insoweit Bezug nehme, als danach die hier in Frage kommenden Noxe für sich genommen nicht teilursächlich für die geltend gemachte Lungenkrebserkrankung seien. Prof.Dr.N. verweise zur Begründung vielmehr auf eine Studie für Lungenkrebserkrankungen. Es handle sich hierbei jedoch nicht um neue Erkenntnisse, die eine Änderung der medizinischen Lehrmeinungen nach sich gezogen hätten. Es reiche nicht aus, wenn eine Einzelmeinung oder eine Mindermeinung neben die herrschende Lehrmeinung trete. Auch sei durch eine Einzelstudie nicht der Nachweis einer generellen Geeignetheit der schädigenden Einwirkung erbracht. Der Bewertung von Prof.Dr.N. , dass die wesentliche Ursache in der beruflichen Exposition gelegen habe, während dem Nikotinabusus nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme, könne nicht ohne weiteres gefolgt werden. Es ergäben sich zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsplatzverhältnisse im Labor des Arbeitgebers in der Zeit von 1970 bis 1983 nachweislich mit den typischen Arbeitsplatzverhältnissen in der Gummiindustrie vergleichbar gewesen seien, denn Prof. Dr.N. ziehe seine Schlussfolgerungen lediglich in der Annahme eines solchen Sachverhaltes.
Mit der Berufung vom 08.02.2000 wendet die Klägerin ein, der Schlussbericht der epidemiologischen Studie zur Ermittlung des Berufsrisikos in der Gummiindustrie sei zu berücksichtigen, außerdem die Tatsache, dass Benzol verstärkt krebsgefährdend sei. Es seien noch weitere Ermittlungen durchzuführen, insbesondere auch darüber, über welchen Zeitraum sich die MAK-Wert-Überschreitungen hinsichtlich Brom erstreckt hätten, die im Bericht vom 07.09.1987 erwähnt seien.
Die Beklagte erklärt hierzu im Schreiben vom 12.04.2000, auch aus der Gummistudie ließen sich keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich der synergetischen Wirkungen von Expositionen der angeschuldigten Berufsstoffe entnehmen.
Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.1995 aufzuheben und festzustellen, dass die Krebserkrankung, an der der Versicherte verstorben ist, Berufskrankheit bzw. "quasi Berufskrankheit" war und die Beklagte zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin die Leistungen, die der Versicherte zu Lebzeiten zu beanspruchen gehabt hätte, sowie ihr Hinterbliebenenleistungen, insbesondere Hinterbliebenenrente, zu gewähren. Hilfsweise beantragt sie die Einholung eines weiteren Gutachtens zum Zusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen, denen der Versicherte ausgesetzt war und dem Bronchialkarzinom.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über ein daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs.2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Argumentation von Prof.Dr.N. bezüglich der synkanzerogenen Wirkung der verschiedenen Schadstoffe deshalb nicht überzeugen kann, weil auch die von ihm zitierte epidemiologische Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie von 1998 lediglich einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Nitrosaminen und Krebserkrankungen der Speiseröhre, der Prostata, der Harnblase, des Gehirns, des zentralen Nervensystems sowie des Mundes und Rachens zeigt, dagegen nicht mit Krebserkrankungen an der Lunge. Ebenso hat Prof.Dr.N. selbst darauf hingewiesen, dass die krebserzeugende Wirkung von Perchlor- ethylen und Benzol nicht auf das Zielorgan Lunge gerichtet ist. Insofern ist von einer synkanzerogenen Wirkung des Schadstoffgemisches nicht auszugehen. Wenn Prof.Dr.N. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 12.01.1999 ausführt, das frühe Erkrankungsalter des Versicherten gebe Anlass zu der Annahme, dass neben dem dokumentierten Nikotinabusus zusätzliche exogene Krebsursachen von wesentlicher Bedeutung für das Entstehen der Erkrankung gewesen seien, so setzt er sich damit in Widerspruch zu seinen Äußerungen im Gutachten vom 03.09.1998, in dem er betont hat, das Bronchialkrebsrisiko des Versicherten sei bereits bei einer Anzahl von 20 gerauchten Zigaretten pro Tag um den Faktor 10 bis 15 gesteigert gewesen, so dass die dokumentierten beruflichen Expositionen gegenüber dieser Risikosteigerung zurückträten. Dass lediglich die Bestätigung einer Nitrosamin-Exposition, die aber gerade nicht die Lunge schädigt, Prof. Dr.N. zu einer Änderung der Beurteilung veranlassen konnte, ist nicht nachvollziehbar. In Übereinstimmung mit Prof. Dr.H. muss berücksichtigt werden, dass die Rauchgewohnheiten des Versicherten mit einem erheblichen Bronchialkrebsrisiko verbunden waren.
Die Einholung eines weiteren Gutachtens war nicht veranlasst, da der Sachverhalt durch die Gutachten des Dr.M. und Prof. Dr.N. in vollem Umfang geklärt ist.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1948 geborene und am 05.08.1994 verstorbene Versicherte D. B. beantragte am 24.05.1994 die Anerkennung der bei ihm diagnostizierten Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit.
Bei einem Gespräch mit der Klägerin und dem Versicherten am 17.06.1994 wurde festgestellt, dass der Versicherte zunächst bei der Bundesbahn beschäftigt war, dann ab 16.02.1970 bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 13.10.1993 bei der Firma D. GmbH § Co.KG W. & S. in B ... Nach den Angaben der Klägerin war der Versicherte Raucher. Er habe im Durchschnitt ca. eine Schachtel Zigaretten pro Tag geraucht. Der Versicherte gab an, bei seiner Tätigkeit im Labor von 1970 bis 1980 sei er mit der Herstellung von Gummimischungen beschäftigt gewesen. Von den hierfür erforderlichen Stoffen seien üblicherweise nur kleine Mengen verwendet worden. Er habe jedoch auch häufig die Produktion und insbesondere die Mischerei aufzusuchen gehabt. An der Decke des Labors seien früher Absaugvorrichtungen vorhanden gewesen, jetzt seien diese direkt über den Öfen angebracht. Beim sog. Nachtempern der Gummiringe in den Trockenöfen bei Temperaturen bis zu 240° C sei es zu Ausdünstungen von Gummibestandteilen gekommen. Eine Asbestlöschdecke im Labor sei erst vor kurzem entsorgt worden. Früher seien auch Asbestdichtungen in den Öfen und Untersetzern für Bunsenbrenner vorhanden gewesen. Benzol sei bis ca. 1980 im Labormaßstab hauptsächlich für Kundenspezifikationen verwendet worden.
Der Arbeitgeber gab am 28.06.1994 an, bis ca. 1983 sei Asbest in der Mischerei verwendet worden, Benzol bis ca. 1980. Es sei in Versuchsgefäße ein- und ausgefüllt worden. Die Exposition sei vereinzelt, jeweils minutenlang vorgekommen. Der Versicherte sei starker Raucher und habe in Arbeitspausen und in der Freizeit täglich 40 Zigaretten geraucht.
Die praktische Ärztin Dr.S. erklärte im Attest vom 30.06.1994, der Kläger habe am 15.10.1993 über seit ca. drei Monaten andauernde Schmerzen im rechten Thoraxbereich geklagt. Bei bestehendem Nikotinabusus sei Husten vorbekannt gewesen. Radiologisch sei ein Mediastinaltumor nachgewiesen. Ein Zusammenhang der Erkrankung mit chemischen Stoffen am Arbeitsplatz sei möglich, könne jedoch nicht bewiesen werden, da Nikotinabusus bestanden habe. Aus den Unterlagen des E. Krankenhauses Straubing ergibt sich die Diagnose eines kleinzelligen Bronchial-Ca., das mit Chemotherapie behandelt wurde. Der Versicherte habe seit 27 Jahren 40 Zigaretten am Tag geraucht. Nach wie vor rauche er eine Schachtel pro Tag. Im Schreiben der behandelnden Ärzte vom 16.03.1994 wird darauf hingewiesen, dass der Versicherte noch ca. zehn Zigaretten täglich rauche.
In den Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes vom 11.07.1994 und 21.07.1994 nach Ermittlungen am 06.07. und 15.07.1994, auch in Anwesenheit des Versicherten, wird ausgeführt, die Hauptbeschäftigung des Versicherten habe von 1970 bis 1980 zu 80 % darin bestanden, in einem physikalischen Labor Prüfungen an Gummiprotokörpern durchzuführen. In der übrigen Zeit habe er in einem chemischen Betriebslabor Quellungsprüfungen an Gummiprotokörpern mit Lösemitteln in Heizöfen bei ca. 140° bis 240° C vorgenommen. Die Gummiprotokörper seien nicht im Laboratorium hergestellt worden. Ab 1975 seien zwei Jahre lang Heißvulkanisationen durchgeführt worden. In einigen Gummiprotokörpern sei bis 1983 Asbest enthalten gewesen. Ca. 5 % der Gesamtproduktion habe 14,4 % Asbest enthalten. In den vor 1983 liegenden Jahren sei Asbest im Tonnenmaßstab verarbeitet worden. Der Versicherte habe im Jahr etwa ein bis zwei Stunden insgesamt betriebsbedingt die Mischerei aufgesucht, wenn Asbest verarbeitet worden sei; auch Ruß, Quarz, Cadmium sei den Mischungen zugesetzt worden. Wenn der Versicherte die Mischerei betreten habe, sei er zweifelsohne einer nicht quantifizierbaren Exposition von Schadstoffen ausgesetzt gewesen. Die im chemischen Labor üblicherweise vorhandenen Lösemittel wie Benzol bis 1980, Xylol, Toluol, Isopropanol, Methanol, Aceton, Per- chlorethylen in geschlossenem System, Ethylacetat, Benzine seien in Mengen zwischen 50 bis 500 ml vorhanden gewesen. Sie seien nur in kleinen Mengen und kurzfristig mit Absaugung verwendet worden. Der Laborraum sei zusätzlich mittels Ventilator gelüftet worden. Zeitweise habe der Versicherte aus größeren Gebinden Lösemittel in kleinere Laborflaschen abgefüllt. Für den Zeitraum von 1970 bis 1980 könne keine Schadstoffexposition durch staubförmige Stoffe im physikalischen Laboratorium festgestellt werden. Im chemischen Labor habe Umgang mit Lösemitteln, Klebstoffen, Mineralölen im Labormaßstab bestanden. Beim Aufsuchen der Mischerei, einem Vorgang, der nur kurzzeitig erfolgt sei, habe eine Exposition unterhalb der Grenzwerte für staubförmige Stoffe bestanden. Die vom Versicherten vorgelegte Stoffliste enthalte alle Stoffe, die im Betrieb eingesetzt worden seien, allerdings außer im Gummiprotokörper nicht im Labor. Der Versicherte habe weiter die Aufgabe gehabt, Dichtringe zu bromieren. Dabei habe er sich in einen fensterlosen Raum begeben, um die Gummiartikel in von ihm zuvor angesetztes Bromwasser zu tauchen. Diese Arbeit habe er mehrmals in der Woche verrichtet, wobei er dann etwa fünfmal pro Tag den Raum für etwa zehn Minuten betreten habe. Es sei wahrscheinlich, dass der Versicherte bei allen Tätigkeiten, die er mit Schutzhandschuhen, aber ohne Atemschutz ausgeführt habe, zumindest kurzzeitig Schadstoffexpositionen ausgesetzt gewesen sei, die über den heute gültigen Grenzwerten gelegen hätten. In der benachbarten Gummimischerei habe er täglich rund eine Stunde verbracht, um Rezepturen abzustimmen und bei Problemen zu helfen. Hierbei habe eine Staubbelastung durch die überwiegend in Pulverform vorhandenen Zuschlagstoffe vorgelegen. Neben Ruß hätten auch Asbest und Cadmiumpigmente zu den Rohstoffen gehört, die im Betrieb Verwendung gefunden hätten. 1981 seien etwa 1.000 kg Asbestmehl und etwa 200 kg Cadmiumrot bzw. Cadmiumgelb bezogen worden.
Bei Berechnung der Belastungen ergebe sich eine gesamte kumulative Asbestfaserstaub-Dosis von einem Faserjahr. Dieser Wert, der im Sinne des Versicherten mit hoch geschätzten Belastungen und Aufenthaltsdauern errechnet worden sei, liege deutlich unter der Dosis von 25 Faserjahren. Der Gehalt an PAK im Ruß liege unter 0,1 Gewichts-Prozent und sei nicht frei verfügbar, sondern an der Oberfläche der Kohleteilchen gebunden gewesen. Bis 1983 müsse von einer Exposition gegenüber Cadmiumstaub in geringem Umfang ausgegangen werden. Durch die Installation mehrerer Abzüge 1978/79 dürfte insbesondere die Belastung mit Lösungsmitteln deutlich geringer als zuvor einzustufen sein. Auch die Temperöfen hätten sich jetzt unter Abzugshauben befunden, so dass Vulkanisationsdämpfe ebenfalls in geringerem Umfang freigesetzt worden seien, als dies vorher der Fall gewesen sei. Ab 1986/87 habe der Versicherte den organisatorischen Aufbau einer Qualitätssicherung für die hergestellten Produkte übernommen. Seitdem habe er rund 95 % der Arbeitszeit mit Schreibarbeiten in einem Büro verbracht. Nur noch gelegentlich habe er physikalische und chemische Prüfungen in den Labors kontrolliert, und auch die Besuche in der ab 1985 neu errichteten Mischerei seien rückgängig gewesen. Damit könne für die letzten sechs bis sieben Beschäftigungsjahre eine nur mehr geringe und sporadische Schadstoffbelastung unterstellt werden. Bereits ab 1981 habe keine Benzol-Exposition mehr vorgelegen und seit 1983 keine Belastung durch Asbest und Cadmium mehr. Bei Messungen seien geringe Konzentrationen von verschiedenen Nitrosaminen, sämtlich unter dem gültigen Summengrenzwert, gefunden worden, denen der Versicherte ausgesetzt gewesen sei.
Nach dem Tod des Versicherten am 05.08.1994 führte der Pathologe Dr.M. im Gutachten vom 14.12.1994 unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens des Pathologen Prof.Dr.M. vom 29.11. 1994 aus, Grundleiden sei ein ausgedehnt metastasierendes Bronchialcarcinom gewesen, das beide Lungen sowie mehrere Organe befallen und zum Tode geführt habe. Aufgrund der Obduktion und Ergebnisse der histologischen und staubanalytischen Untersuchung ergäben sich keine Hinweise für eine vermehrte Asbestbelastung der Lungen. Die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Ziffer 4104 der BVK seien nicht erfüllt. Der morphologische Befund erlaube bezüglich der Zusammenhänge zwischen Tumorentstehung und den weiteren in Frage kommenden gesundheitsschädlichen Chemikalien keine Aussage. Der Zusammenhang der kurzfristigen und geringfügigen Exposition gegenüber diesen Stoffen mit der Entstehung des Lungenkrebses erscheine aber im Vergleich mit dem langjährigen Nikotinabusus sehr unwahrscheinlich. Eine Beschleunigung des Todeseintritts durch eine Berufskrankheit könne gleichfalls nicht angenommen werden. Mit dieser Stellungnahme erklärte sich der Gewerbearzt Dr.B. einverstanden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.02.1995 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4104 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Entschädigungsleistungen wie Verletztenrente und Hinterbliebenenleistungen ab.
Mit Widerspruch vom 17.03.1995 verwies die Klägerin auf die verschiedenen Chemikalien, die das Lungencarcinom herbeigeführt oder beeinflusst hätten.
Der Arzt für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Prof.Dr.H. führte im Schreiben vom 26.06.1995 aus, die Anwendung des § 551 Abs.2 RVO sei nicht in Betracht zu ziehen, da die hierfür zu fordernden neuen Erkenntnisse nicht vorlägen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1995 zurück. Eine Entschädigung wie eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs.2 RVO sei im Hinblick auf die Stellungnahme von Prof.Dr.H. nicht veranlasst.
Mit der Klage vom 22.08.1995 hat die Klägerin eingewandt, die Gefährdung durch die schädlichen Chemikalien werde bagatellisiert.
Die Beklagte übersandte Unterlagen bezüglich der PAK-Belastung, in denen ausgeführt wurde, Industrieruße könnten Spuren von PAK enthalten. Diese ließen sich, wenn überhaupt, höchstens durch siedende Lösungsmittel wie Benzol oder Toluol extrahieren. Eventuell an Industrieruß absorbierte PAK seien nicht bioverfügbar.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arbeits- und Sozialmediziner Prof.Dr.N. hat im Gutachten vom 03.09. 1998 erklärt, es bestehe prinzipiell die Möglichkeit des Kontaktes mit einer Vielzahl gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Der Beurteilung durch Prof.Dr.M. , Dr.M. und Prof. Dr.H. sei grundsätzlich zuzustimmen, da nach der Ermittlung des Technischen Aufsichtsdienstes eine kumulative Asbestfaser-Dosis von etwa einem Jahr vorgelegen habe. Diese Dosis liege wesentlich unter der zu fordernden kumulativen Asbestfaser-Dosis von 25 Faserjahren. Außerdem hätten sich bei der feingeweblichen Untersuchung der Lunge keine Hinweise auf das Vorliegen einer Lungenasbestose oder indikativer Pleuraveränderungen ergeben. Die Asbestbelastung könne daher nicht wesentlich zur Verursachung des Krebsleidens beigetragen haben.
Perchlorethylen und Benzol kämen als Ursache des Krebsleidens nicht in Betracht, da ihre krebserzeugende Wirkung nicht auf das Zielorgan Lunge gerichtet sei und außerdem der Umgang nur im Labormaßstab erfolgt sei. Die Cadmiumexposition werde dem Umfang nach als gering bezeichnet. Auch die Exposition gegenüber PAK, das im Ruß enthalten gewesen sei, werde als gering bezeichnet, da der Gehalt unter 0,1 Gewichts-Prozent gelegen habe und die Gefahrstoffe nicht frei verfügbar gewesen seien. Daher sei es nicht möglich, eine ursächliche Bedeutung der beruflichen Exposition im Hinblick auf die Bronchialkrebserkrankung herzuleiten. Anders verhalte es sich mit der Exposition gegenüber Vulkanisationsdämpfen. Der Verdacht, dass dabei in erheblichem Maße krebserzeugende Nitrosamine freigesetzt worden seien, sei zu überprüfen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 09.10.1998 übersandt, in der ausgeführt wird, aus den Jahren 1970 bis 1976, in denen der Versicherte im physikalischen Labor gearbeitet habe, seien keine Meßwerte vorhanden. Eine grobe Abschätzung der Nitrosamin-Belastung könne daher nur durch Vergleich mit einem anderen Betrieb der Gummibranche durchgeführt werden, für den Meßergebnisse vorlägen. Im physikalischen Labor habe während 20 % der Tätigkeit eine Nitrosamin-Belastung bestanden, während des Aufenthaltes in der Mischerei eine höhere Nitrosamin-Belastung. Von 1980 bis 1993 habe nur eine geringe Belastung bei Aufenthalten in der Produktion und Mischerei bestanden. Neuerliche Messungen hätten im August 1998 die jetzt bestehenden Nitrosamin-Werte ergeben. Es sei davon auszugehen, dass die Werte vor 1990 mit Sicherheit höher gewesen seien.
Im Gutachten vom 12.01.1999 hat Prof.Dr.N. daraufhin ausgeführt, die Gefährdung durch krebserzeugende Nitrosamine sei für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren als belegt anzusehen. Sie habe zwar nur einen Teil der täglichen Arbeitszeit betroffen, sei aber relativ hoch einzustufen. Im Schlussbericht einer epidemiologischen Studie an 23.154 Beschäftigten aus fünf Betrieben in der deutschen Gummiindustrie sei eine Wirkungsbeziehung zwischen der Exposition gegenüber Nitrosaminen und Krebserkrankungen der Speiseröhre, der Prostata, der Harnblase, des Gehirns, des zentralen Nervensystems, des Mundes und des Rachens aufgedeckt worden. Die Exposition gegenüber Nitrosamin sei dagegen nicht mit einer erhöhten Sterblichkeit an anderen Krebserkrankungen, insbesondere nicht an Lungenkrebs, assoziiert gewesen. Somit sei nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand wohl eine signifikante Überhäufigkeit von Bronchialkrebserkrankungen bei Beschäftigten in der Gummiindustrie belegt, jedoch keine Beziehung zwischen dieser Krebsart und der vorausgegangenen Exposition gegenüber krebserzeugenden Nitrosaminen. Daher diskutierten die Autoren eine besondere Bedeutung der Asbest-Exposition als Erklärung für die Überhäufigkeit an Bronchialkrebserkrankungen.
Danach bestünden im Fall des Versicherten keine hinreichenden Belege für die Annahme einer beruflich verursachten Krebserkrankung.
Zu berücksichtigen sei aber die schwierig zu beurteilende Gemischproblematik. Zwar werde die Exposition gegenüber PAK als gering bezeichnet, doch sei die Frage, ob die Möglichkeit des Kontaktes zu Steinkohlenteerpech hinreichend berücksichtigt worden sei. Bejahe man eine gefährdende Exposition in Analogie zu den Expositionen in Werken der deutschen Gummiindustrie, so sei die generelle Geeignetheit der einwirkenden Gefahrstoffgemische, Lungenkrebs zu erzeugen, grundsätzlich zu bejahen. Das frühe Erkrankungsalter des Versicherten gebe Anlass zu der Annahme, dass neben dem dokumentierten Nikotinabusus eine zusätzliche exogene Krebsursache von wesentlicher Bedeutung für das Entstehen der Erkrankung gewesen sei. Diese sei im Hinblick auf einzelne einwirkende Gefahrstoffe nicht hinreichend belegt. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um Gefahrstoffgemische gehandelt habe, deren krebserzeugende Potenz nicht aus der Beurteilung von Einzelkomponenten abgeleitet werden könne, dass die krebserzeugende Potenz durch epidemiologische Studien eindeutig belegt sei und dass bei der retrospektiven Expositionsabschätzung die Menge in der Regel eher unter- als überschätzt werde. Daher sei das Vorliegen einer beruflich bedingten Krebserkrankung nach § 9 Abs.2 SGB VII zu bejahen. Es handele sich um eine Erkrankung, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere berufliche Einwirkungen verursacht worden sei, denen bestimmte Personengruppen, unter die der Versicherte falle, durch die Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen seien.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme von Prof.Dr.H. vom 12.02.1999 übersandt. Prof.Dr.H. erklärt, da keiner der gefährdenden Stoffe bei isolierter Betrachtung geeignet sei, die Krebserkrankung verursacht zu haben, stelle sich die Frage nach dem möglichen Zusammenwirken verschiedener krebserzeugender Substanzen. Das Thema "Synkarzinogenese" sei bereits seit längerer Zeit Gegenstand der arbeitsmedizinischen Diskussion. Aus der "Gummistudie" könnten keine Beziehungen zwischen Bronchialcarcinom und der Exposition gegenüber Nitrosaminen abgeleitet werden, wie Prof.Dr.N. selbst zutreffend feststelle. Die Vermutung, dass das Zusammenwirken der einzelnen Gefahrstoffe zu der Entstehung der Krebserkrankung wesentlich beigetragen habe, könne nur spekulativen Charakter haben. In der medizinischen Wissenschaft sei man sich auf jeden Fall darüber einig, dass die Rauchgewohnheiten mit einem erheblichen Bronchialkrebsrisiko verbunden seien. Das relativ frühe Erkrankungsalter des Versicherten mache die berufliche Verursachung nicht hinreichend wahrscheinlich. Bei exzessivem Tabakkonsum sei eine Bronchialkrebserkrankung auch in jüngeren Jahren keine Seltenheit.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.10.1999 hat die Klägerin Unterlagen zu den Stoffen, denen der Versicherte während seiner Tätigkeit ausgesetzt war, übergeben, darunter ein Merkblatt zum Umgang mit Brom und Bromwasser vom 07.09.1987, in dem darauf hingewiesen wird, der MAK-Wert für Brom betrage 0,1 ppm. Die Arbeitszeit des Bromierenden betrage bis zu 16-mal pro Tag jeweils fünf Minuten im Bromierhäuschen. Es müsse versucht werden, den MAK-Wert nicht zu überschreiten. Entsprechende Schritte würden unternommen.
Die Beklagte hat den Schlussbericht zur epidemiologischen Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie von November 1998 übergeben, außerdem ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 06.10.1998, in dem ausgeführt wird, derzeit liege für Lungen-, Kehlkopf- und Magenkrebs kein signifikant erhöhtes Risiko durch Nitrosamine vor, auch für andere Tumorlokalisationen gebe es lediglich Hinweise. Die Thematik werde daher vom Ministerium vorerst nicht weiter verfolgt.
Mit Urteil vom 28.10.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit im Sinne der Nr.4104 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt. Beim Versicherten hätten weder eine Lungenasbestose noch indikative Pleuraveränderungen vorgelegen. Die kumulative Asbestfaser-Dosis habe nur ca. ein Jahr betragen. Xylol, Toluol, Isopropanol, Methanol, Aceton, Ethylacetat und verschiedene Benzine sowie Perchlorethylen und bis 1980 Benzol kämen nach den überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.N. nicht als wesentliche Ursache in Betracht, da bezüglich der als krebserzeugend verdächtigen Stoffe Perchlorethylen und Benzol die krebserzeugende Wirkung nicht auf das Zielorgan Lunge gerichtet sei und die Lösemittel, Klebstoffe und Mineralöle nur im Labormaßstab Anwendung gefunden hätten. Dies gelte auch für die Exposition gegenüber Cadmium-Verbindungen bis 1983 und gegenüber PAK, die nach den Ausführungen des TAD nachgewiesenermaßen nur als gering zu bezeichnen seien, wobei die Gefahrstoffe nicht frei verfügbar gewesen seien. Eine Anerkennung der Erkrankung komme somit auch nicht nach den Nr.1301 bis 1304 der Anlage zur BKV in Betracht.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung gemäß § 551 Abs.2 RVO i.V.m. der Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirates zur Aufnahme der Lungenkrebserkrankung seien im Hinblick auf die Geringfügigkeit dieser Noxe am Arbeitsplatz nicht gegeben. Die am Arbeitsplatz nachzuweisenden Vulkanisationsdämpfe hätten zu einer Belastung durch krebserzeugende Nitrosamine geführt. Nach den Ausführungen in der epidemiologischen Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie sei eine signifikante Überhäufigkeit von Bronchialkrebserkrankungen bei Beschäftigten der Gummiindustrie in Beziehung auf eine vorausgegangene Exposition gegenüber krebserzeugendem Nitrosamin nicht nachgewiesen. Damit sei ein Zusammenhang zwischen der Lungenkrebserkrankung und der Nitrosamin-Belastung mangels Nachweises der generellen Geeignetheit nicht wahrscheinlich zu machen.
Die Anerkennung gemäß § 551 Abs.2 RVO unter Berücksichtigung der Gemischproblematik sei nur dann möglich, wenn nach neuen Erkenntnissen die Voraussetzungen des § 551 Abs.1 RVO erfüllt seien. Im Hinblick auf den Schlussbericht der Gummi-Studie könne die Lungenkrebserkrankung des Versicherten nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Denn bezüglich der synergetischen Wirkungen der Exposition ließen sich auch hieraus keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse entnehmen. Davon gehe offensichtlich auch Prof.Dr.N. aus, der auf diese Studie ausdrücklich nur insoweit Bezug nehme, als danach die hier in Frage kommenden Noxe für sich genommen nicht teilursächlich für die geltend gemachte Lungenkrebserkrankung seien. Prof.Dr.N. verweise zur Begründung vielmehr auf eine Studie für Lungenkrebserkrankungen. Es handle sich hierbei jedoch nicht um neue Erkenntnisse, die eine Änderung der medizinischen Lehrmeinungen nach sich gezogen hätten. Es reiche nicht aus, wenn eine Einzelmeinung oder eine Mindermeinung neben die herrschende Lehrmeinung trete. Auch sei durch eine Einzelstudie nicht der Nachweis einer generellen Geeignetheit der schädigenden Einwirkung erbracht. Der Bewertung von Prof.Dr.N. , dass die wesentliche Ursache in der beruflichen Exposition gelegen habe, während dem Nikotinabusus nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme, könne nicht ohne weiteres gefolgt werden. Es ergäben sich zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsplatzverhältnisse im Labor des Arbeitgebers in der Zeit von 1970 bis 1983 nachweislich mit den typischen Arbeitsplatzverhältnissen in der Gummiindustrie vergleichbar gewesen seien, denn Prof. Dr.N. ziehe seine Schlussfolgerungen lediglich in der Annahme eines solchen Sachverhaltes.
Mit der Berufung vom 08.02.2000 wendet die Klägerin ein, der Schlussbericht der epidemiologischen Studie zur Ermittlung des Berufsrisikos in der Gummiindustrie sei zu berücksichtigen, außerdem die Tatsache, dass Benzol verstärkt krebsgefährdend sei. Es seien noch weitere Ermittlungen durchzuführen, insbesondere auch darüber, über welchen Zeitraum sich die MAK-Wert-Überschreitungen hinsichtlich Brom erstreckt hätten, die im Bericht vom 07.09.1987 erwähnt seien.
Die Beklagte erklärt hierzu im Schreiben vom 12.04.2000, auch aus der Gummistudie ließen sich keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich der synergetischen Wirkungen von Expositionen der angeschuldigten Berufsstoffe entnehmen.
Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.1995 aufzuheben und festzustellen, dass die Krebserkrankung, an der der Versicherte verstorben ist, Berufskrankheit bzw. "quasi Berufskrankheit" war und die Beklagte zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin die Leistungen, die der Versicherte zu Lebzeiten zu beanspruchen gehabt hätte, sowie ihr Hinterbliebenenleistungen, insbesondere Hinterbliebenenrente, zu gewähren. Hilfsweise beantragt sie die Einholung eines weiteren Gutachtens zum Zusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen, denen der Versicherte ausgesetzt war und dem Bronchialkarzinom.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über ein daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs.2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Argumentation von Prof.Dr.N. bezüglich der synkanzerogenen Wirkung der verschiedenen Schadstoffe deshalb nicht überzeugen kann, weil auch die von ihm zitierte epidemiologische Studie zur Ermittlung des Berufskrebsrisikos in der Gummiindustrie von 1998 lediglich einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Nitrosaminen und Krebserkrankungen der Speiseröhre, der Prostata, der Harnblase, des Gehirns, des zentralen Nervensystems sowie des Mundes und Rachens zeigt, dagegen nicht mit Krebserkrankungen an der Lunge. Ebenso hat Prof.Dr.N. selbst darauf hingewiesen, dass die krebserzeugende Wirkung von Perchlor- ethylen und Benzol nicht auf das Zielorgan Lunge gerichtet ist. Insofern ist von einer synkanzerogenen Wirkung des Schadstoffgemisches nicht auszugehen. Wenn Prof.Dr.N. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 12.01.1999 ausführt, das frühe Erkrankungsalter des Versicherten gebe Anlass zu der Annahme, dass neben dem dokumentierten Nikotinabusus zusätzliche exogene Krebsursachen von wesentlicher Bedeutung für das Entstehen der Erkrankung gewesen seien, so setzt er sich damit in Widerspruch zu seinen Äußerungen im Gutachten vom 03.09.1998, in dem er betont hat, das Bronchialkrebsrisiko des Versicherten sei bereits bei einer Anzahl von 20 gerauchten Zigaretten pro Tag um den Faktor 10 bis 15 gesteigert gewesen, so dass die dokumentierten beruflichen Expositionen gegenüber dieser Risikosteigerung zurückträten. Dass lediglich die Bestätigung einer Nitrosamin-Exposition, die aber gerade nicht die Lunge schädigt, Prof. Dr.N. zu einer Änderung der Beurteilung veranlassen konnte, ist nicht nachvollziehbar. In Übereinstimmung mit Prof. Dr.H. muss berücksichtigt werden, dass die Rauchgewohnheiten des Versicherten mit einem erheblichen Bronchialkrebsrisiko verbunden waren.
Die Einholung eines weiteren Gutachtens war nicht veranlasst, da der Sachverhalt durch die Gutachten des Dr.M. und Prof. Dr.N. in vollem Umfang geklärt ist.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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